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sozialistischen und republikanischen Rednern die Tchwelgetaktik entpfiehlr ES heigt, die bürgerliche DÄchrheit würde Mittel finden. um den Alycordneten Turati am Reden zu verhindern! aber diese Drohung ist kaum ernst zu nehmen. Wahrscheinlich ist Giolitti selbst klug genug, um Radau�zepen zu verhüten, die kein anderes Endresultat haben könnten als Jvts, die Zahl der sozialisti. sehen Redner zu vermehren. Auf alle Falle beginnt die Diskussion de» Dekrets erst am Freitag. Tic ministeriellen Blätter rechnen darauf, sie spätestens am Sonntag durch namentliche Abstimmung zu Ende zu bringen. Rein parlamentarisch gesprochen hat diese Diskussion geringes Interesse. Die Mehrheit wind in patriotische Krämpfe verfallen und die Stimmen der Opposition werden sicher nur im Lande, aber nicht in der Kammer eine» Nachhall finden. Für. die Iinke"Fraktion der Sozialisten wird Genoffe Turati. für die rechte Voraussicht lich Genosse Bifsolati das Wart nehmen. Der ausserhalb der Parlamentsfraktion stehende Sozialist Ettore Ciccotti findet sich ebenfalls auf der Rednerliste. Für die Republikaner wird der Abgeordnete Chiesa gegen und Barzilai sür den Krieg sprechen. Bei den Republikanern setzt die Scheidung in zwei Flügel schon früher ein als bei den Sozialisten. Die sozialistische Fraktion ist geschloffen gegen den Krieg, obgleich Turati seine Kritik wesentlich anders begründen wird als Bissolati die feine. Tie Differenz in der Parteifraktion beginnt erst, wo es sich um die Stellung gegenüber dem Mini.steoium handelt. Ter linke Flügel. in dem augenblicklich Linksreformisten im Einvermhmen mit den beiden im«iistgenten Abgeordneten vorgehen, bekämpft das Mini stcrium: d« Turatianer. weil sie es für den Krieg verantwortlich machen, die Jntransigenten, auf Grund ihrer prinzipiellen Stellung; der rechte Flügel dagegen begnügt sich damit, sich gegen den Krieg zu wenden, will aber das Ministerium schonen, das für den Krieg verantwortlich ist. Die Bissolatianer sind noch immer unter der Hypnose des Vcrficherungsmonopols und der Wahlrechtserweiterung und sind fest entschlossen, das Ministerium Giolitti um dieser beiden Gesetze willen weiter zu Unterstufen. Wenn also Giolitti in Sachen des Versichernngsmonopols, dessen Diskussion für die nächste Woche in Aussicht genommen ist. ein Vertrauensvotum fordere sollte, so werden die Bissolatianer für und der linke Flügel gegen daS Ministerium stimmen. Nicht die Diskussion über daS Annektionsdekret, sondern die nachfolgende über das V e r s i ch' e- r u n g s m o n o p o l wird zur faktischen Spaltung der Parlaments fraktion führen. Wenn die Regierung in der TripoliSafsäre einer ungeheuren Mehrheit sicher ist, so sieht sie der Diskussion über das Monopol mit einiger Besorgnis entgegen, obwohl sie bereit ist, dem Per sicherungskapital bedeutende Zugeständnisse zu machen. Wie bei allen Fragen, bei denen grosse Interessen im Spiel sind, wird im stillen seit Monaten gegen das Monopol gearbeitet. Eine Gruppe von Abgeordneten, die sich unter dem Namen einer Volkswirtschaft lichen Partei vor fast zwei Jahren gebildet bat, gibt in einer offiziellen Veröffentlichung zu. daß sie für die Unterschriften, die für eine Petition gegen das Monopol gebammelt worden sind, den Sammlern Geldentschädigungen gewährte. Was die Stellung der Partei zum Kriege betrifft, so hat die Mailänder Massenversammlung vom vorigen Sonntag deutlich dm Willen deS Proletariats zum Ausdruck gc- bracht. Zu dieser Versammlung waren von dem Mailänder Komitee alle proletarischen Organisationen Italiens , so weit sie gegen den Krieg und gegen das Ministerium sind, aufgefdrdert worden, ihre Bcrtreter zu senden. ES waren viele Hunderte von . Sympathieschreiben auS allen Teilen Italiens eingelaufen, und vor einer Menge von mehr als 15 000 Personen-halben 12 Redner den Abscheu des Proletariats vor dem Kriege macht- vollen Ausdruck gegeben. Neben den Linksreformisten, für die Turati, Bentini, Bussi und andere sprachen, ergriffen Giovanni Lerda und der Abgeordnete Musatti für die Jntransigenten, Rigola für die Konföderation der Arbeit und der Arbeiter Faggi sür die Syndikalisten das Wort. Die Per- sammlung gestaltete sich zu einer gewaltigen Kundgebung gegen den Krieg und gegen das Ministerium. Am Vorabend der Kammcreröffimng hat die Partei durch diese Massenversammlung ihre Abgeordneten noch einmal an die Pflichten erinnern wollen, die sie dem Proletariat gegenüber haben. Für die Partei selbst hatte die Versammlung und noch mehr die ihr vorangehende Zusammenkunft von Sozialisten auS verschiedenen Teilen Italiens insofern eine grosse Bedeutung, als iie einen Appell an die Disziplin und eine Mißbilligung des Parteivorstandcs und der Fraktion einschloß. Man kann sagen, daß die italienische Partei die Schäden der Autonomie der Fraktion am eigenen Leibe gründlich erfahren hat und jetzt gleichsam auS Selbsterhaltungstrieb zur Disziplin zurück- strebt, nachdem die Parlamentsfraktion bis zum äußersten gegangen ist und ihren Mitgliedern freigestellt hat, nach eigenem Ermessen zu stimmen und zu sprechen. Das Vertrauensvotum, das Giolitti in der Monopolfrage fordern wird, wird die Reformisten der Rechten in die Zwangslage versetzen, zwischen dem Ministerium und der Partei zu wählen. Heute einigt die Diskussion über den.Krieg jedes der beiden Lager und zieht eine klare Scheidelinie. Morgen wird die Monopol- frage Spaltungen und neue Gruppierungen bringen, zwischen denen das Ministerium lavieren mutz. Inzwischen trägt der Krieg seine bitteren Früchte, die aller hurrapatriotische Klimbim dem Lande nicht erspart. Und dann wird sich Giolitti zum ersten Male einer Opposition gegenübersehen, mit der er im Ernst wird rechnen müssen. Tie Begründung des AnncxionSdekretS. Rom , 22. Februar. Dem heute der Kammer vorgelegten Ge- setzentmurf, durch welchen das Königliche Dekret vom S. November 1811 über die volle und uneingeschränkte Souve- r ä n i t ä t Italiens in Tripolis und C y r c n a i k a in ein Gesetz umgewandelt wird, ist eine Begründung beigegeben, in der eS heißt: Italien hat stets daS Gleichgewicht der politischen Einflüsse im Mittelmeer als sein LcbenSintercsse betrachtet und als wesent- liche Bedingung dieses Gleichgewichts die freie und volle Eni- faltung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und seines Einflusses in Tripolis und Cvrenaika festgehalten. Dabei hat cS sich stets be- müht, freundschaftliche Beziehungen mit der Türkei zu erhalten, und es würde nicht zu. dem äußersten Mittel eines Krieges gegriffen haben, wenn nicht iede andere Lösung unmöglich gemacht worden wäre, wenn nicht jede Form italienischer Tätigkeit in Libyen bei der ottomanischen Regierung auf eine hartnäckige und systematische, bald versteckte, bald offene Opposition gestoßen wäre, die nach der Einrichtung der konstitutionellen Regierung der Türkei , die zuerst soviel Hoffnung und soviel Sympathie erweckt hatte, noch stärker und oft provokatorisch wurde. Jeder Versuch, die ottomanische Regierung zu einer Aenderung ihrer Haltung zu bewegen, erwies sich als vergeblich. Jeder versöhnliche Schritt wurde von der Türkei als ein Beweis der Schwäche betrachtet und führt« lediglich zu einer Verschärfung der Feindseligkeit, und wäbrend man zu offen bedrohlichen Rüstungen schritt, wurde die Bevölkerung andauernd >'m Zustand der völligsten Barbarei erhalten. Wir hätten gegenüber Italien und ganz Europa eine schwere Verantwortlichkeit auf uns genommen, wir hätten die Zukunft Italiens und den. europäischen Frieden ernsten Gefahren ausgesetzt, wenn wir eine Situation die unser Ansehen und unsere Lebensinteressen schädigte, auf die Tauer hätten bestehen lassen. Außerdem war eS klar, daß die .Herrschaft der Türkei in Gegenden, die mit den zivilisiertesten Nationen in Berührung standen und in welchen sie selbst nichts zur Besserung der Lebensverhältnisse tat, ja in denen sie sogar den Sklavenhandel aufrecht erhielt, nicht von langer Tauer sein konnte. Die Haltung der ottomanischen Regierung diesen Gebieten gegenüber mußte unvermeidlich zu deren Trennung von dem übrigen Reiche führen und sicherlich hätte ein historisches Gesetz andere europäisch« Völker veranlaßt, diese zivilisatorische Mission auf sich zu nehmen, wenn Italien es versäumt hätte. Italien hätte den schwersten Fehler begangen, wenn es auf eine Mission, die ihm durch seine Geschichte, seine geographische Lage und seine sozialen Verhältnisse auferlegt wurde, verzichtet hätte. Der unvermeidlich gewordene italienisch-türkische Krieg brach in einem Augenblick aus, wo die ZLahrschcinlichkeit gefährlicher internationaler Erschütterungen möglichst gering war, und er ist bis jetzt in einer Weise geführt worden, welche solche Möglichkeiten tunlichst ausschloß. Tie der Kammer vorgeschlagene Lösung ist die einzige, welche solche Erschütterungen auch für die Zukunft zu verhindern vermag. Jede Lösung, die nicht jede politische Herr schaft der Türkei ausschließen würde, hätte einen äußerst gefähr- lichen internationalen Zustand geschaffen, indem sie unsichere juristische und diplomatische Verhältnisse zwischen Italien und den übrigen Mächten geschaffen, Italien gegenüber der einheimischen Bevölkerung alle? Ansehen geraubt, neue Konflikte mit der Türkei herbeigeführt und die wirkliche Friedensarbeit, die für Italien eine Ehrenpflicht bildet, beinahe unmöglich gemacht hätte. Das italienische Volk hat das mit feinem Verständnis begriffen. W Am Schlüsse wird die Frage der künftigen Verwaltung der annektierten Länder berührt und dem Islam, sowie den Rechten und Interessen der Eingeborenen die peinlichste Achtung zugesichert. Tann heißt es:Die Aufgabe, die Italien übernommen hat, ge hört zu den größten und schwersten, die ein Volk übernehmen kann. Durch seine ruhige, feste und patriotische Haltung hat das iialie nische Volk gezeigt, daß es das begriffen hat. Dieser gemein- samen Haltung aller Gesellschaftsklassen entsprach das heldenhafte Benehmen unserer Armee und unserer Flotte. Wir haben jetzt die Gewißheit, daß das Ziel erreicht werden wird, das Italien sich gesteckt bat. Aber damit es ein großes Zivilisationswerk dar äelle, darf die Tätigkeit deS Gesetzgebers und der Regierung nicht durch eine fremde politische Herrschaft behindert werden, daher muß die Souveränität Italiens über Libyen voll und unein geschränkt sein. TaS italienische Volk hat das begriffen. Wir hegen das volle Vertrauen, daß seine Vertretung es bestätigen wird." Rom , 22. Februar. (Meldung der Agenzia Stefani.) De putiertenkammer. Der Saal und die Tribünen waren überfüllt. Viele Damen waren anwesend. Ter Präsident der Kammer, M a r c o r a. Ministerpräsident Giolitti und alle Minister betraten zusammen den Saal, von andauernden begeister- tcn Kundgebungen empfangen.?llle Abgeordneten erhoben sich, und Marcora bracht« der Armee und der Marine seinen Gruß dar, was mit langanhaltendem, stürmischem Beifall aufgenommen wurde. Der Doyen der Kammer, Lacaya, schloß sich dem im Namen der- Kammer am r(Langer,: herzlicher Beifall.) Äriegsinin.ifter S'p i n g a r d i erklärte, die Armee schließe sich mit brüderlicher Liebe und berechtigtem Stolz den hohen Ehrungen an, die von so maßgebender Stelle und unter so begeisterter Zu- timmung ihren Brüdern v�i den Land- und Seestreitkräften ge- zollt würden, die so mutig in Libyen für die italienische Tüchtigkeit Zeugnis ablegten, durch ihr Leben die neuen Geschicke des Vater- landeS heiligten und sich opferten, damit daS Vaterland größer. glücklicher und mächtiger werde. Im Namen der Armee danke er den Vertretern der Nation, deren Beifall ein weirerer Grund und eine Aufmunterung sein werde, jetzt mehr als je auSzuhalten. Die Armee habe gewußt und wisse, daß das Vaterland mit seiner ganzen Seele bei ihr sei.(Fortgesetzter, begeisterter Beifall. All- gemeine Rufe: ES lebe die Armee I) Marineminister Eatollica, begrüßt von dem Rufe: Es lebe die Marine!, dankte km Namen der Marine für die Kundgebung.(Sehr lebhafter Beifall.) Der Präsident verlas eine Tagesordnung Lacava. Bettolo und Baccelli, durch die dem Heer und der Flotte Gruß und Beifall ge- spendet wird. Alle Abgeordneten und alle Tribünenbesucher er- ' choben sich und äußerten ihre begeisterte Zustimmung. Ter Präsi. dent �erklärte, die Tagesordnung sei durch Zuruf angenommen. Sodann erhob sich Ministerpräsident Giolitti. begrüßt von einer langandauernden großartigen Kundgebung, und brachte den Gesetzentwurf ein betreffend Gültigkeitserklärung des Dekrets, in dem die volle Souveränität Italiens über Tripolis und die Cyrenaika proklamiert wird. Die Kammer erhob sich von neuem; unendliche, eindrucksvolle Beifallskundgebungen begrüßten das Dekret. Als die Kundgebung, die von seltener Begeisterung ge- tragen war, sich gelegt hatte, beantragte Giolitti, die Kammer möge dem Präsidenten Vollmacht erteilen, eine Kommission von 21 Mitgliedern zu ernennen, die den Gesetzentwurf prüfen solle. Ter Antrag wurde unter Beifall angenommen und die Sitzung unterbrochen, um den Regierungsvertretern die Möglichkeit zu geben, dem Beginn der Arbeiten im Senat beizuwohnen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung teilt« der Präsident mit. daß zur Prüfung der Gültigkeitserklärung des Annexionsdekretes vom 5. November eine Kommission ernannt sei. der u. a. Baccelli. Guicciardini . Luzzatti und der Sozialist Enrico gerri angehören. Der Krieg. Christliche Toleranz aus dem ÄrirgSschauhlatz. Rom , 20. Februar.(Eig. Ber.) Wie di« Turiner Gazzetta bei Popolo" berichtet, haben die Militärkapläne in Tripolis wieder ein schönes Beispiel christlicher Nächstenliebe gegeben. In AuS- Übung seiner Samariterpflicht ist dort ein italienischer Sanität«- soldat gefallen, der zur Waldenser Kirche gehörte. Die Militär- kapläne verweigerten dem Gefallenen«in christliches Begräbnis und erlaubten nicht, daß seine Leiche in der geweihten Erde des christ- lichen Friedhofs begraben würde. Wenn man schon so mit An- gehörigen christlicher Konfessionen verfährt, dann können sich ja die Mohammedaner auf das freuen, was ihrer in Zukunft unter italienischem Regime harrt. v!e Revolution In China . AuanschikaiS Reise nach Ranking. London . 22. Februar...Daily Telegraph " meldet auS Schau« ghai vom 21. d. M.: Tangschaoyi hat heute in Begleitung von 21 hervorragenden Republikanern, darunter Vertretern au« Nanking und Wutschang, Schanghai verlassen, um sich zu D u a n> s ch i k a i zu begeben. Er wird in vier Tagen in Peking eintreffen. Auanschikai wird sich nach Empfang der Delegierten mit der Bahn nach Hankau und von da auf dem Fluß nach Nanking begeben, wo er in vierzehn Tgcn orwartct wird. Eine andere Lesart. Hankau, 22. Februar. Da D u a n s ch i k a i bisher die vier Punkte des Abkommens, nämlich Entfernung des Hofes von Peking , Auflösung der Garde, Abberufung der gegen Hankau operierenden Armee und llcbergabc des nördlichen Teils der Bahn Peking Hankan an die republikanische Regierung nicht erfüllt hat, begibt sich K r i e g s m i n i st e r.S u n ch u als Abgesandter nach Peking . um Duanschikai zur Leistung des Eides für die Republik nach Wutschang� zu laden. Die Mongolei und die Republik . Kiachta, 21. Februar. Am Ist. d. M. ist U r g a zur Haupt- stadt der Mongolei erklärt worden. Von der Mongolen- regierung wird«in Zoll auf chinesische Waren eingetrieben. Die Erklärung Chinas zur Republik wurde von den hiesigen Chinesen begrüßt, einige schnitten sich die Zöpfe ab. Die Straßen von Maimatschin wurden mit der neuen fünffarvigcn Flagge geschmückt. Tic Kämpfe in Weihaiwci. Weihaiwei, 22. Februar.(Telegr. des Reuterschen Bureaus.) Die Eingeborenen fahren in ihrem Widerstand gegen die republi- kanische Verwaltung fort, da sie nicht glauben wollen, daß die Man- dschus abgedankt haben. ES kam wiederholt zu Blutvergießen; sie sind jedoch nur schwach bewaffnet und voraussichtlich außerstande. ihren Widerstand lange fortzusetzen. Die Grenze der englischen Zone wird von englischen Truppen bewacht. Im Hasen liegen die englischen KreuzerKent" undMonmouth ". politilcke deberlicbt Berlin , den 22. Februar 1912. Tie Kartoffeldebat e. Aus dem Reichstag . 22. Februar. Kartoffeln, Kartoffeln und wieder Kartoffeln! Und wenn man noch so sehr den bittern, bittern Ernst der bebandelten Frage einsieht, daß zwei geschlagene Tage ohne Aussicht aus einen positiven Erfolg, denn z» Interpellationen gibt es keine Abstimmung, darüber geredet wird, könnte wahrhaftig dem Antiparla- mentarismus Nahrung zuführen. Trotzdem die Debatte stellenweise in der allgemeinen Interesselosigkeit zu ersticken drohte, wies sie doch einige belebende Augenblicke auf und rief sogar Redner auf die Tribüne, die etivas Neues zu sagen wußten. Zu ihnen gehörte der Genosse A n t r i ck, der als erster Redner die Raubgier der Agrarier mit scharfen Worten brandniarkte und nicht minder mit der Regierung als den Leibeigenen dieses unersättlichen Agrariertums ins Gericht ging. Ter Staatssekretär des Reichsschatzamts. Dr. W er« in u t h. mühte sich mit Zahlenzitaten nachzuweisen, daß wir in einer Zeit niedergehender Preise leben. Was er an Posi- tivem zu verkünden hatte, knüpfte an die vorgestrige Er- klärung seines Kollegen Delbrück an: Ter Bundesrat hataus Billigkeits�ründen" beschlossen, die Einfuhr vor- jähriger Kartoffeln bis zum 1. Mai zollfrei zu lassen. Nach ihm kam der Zentruinsarbeiter" G i e s b e r t s, eine der unsympathischsten Gestalten des Reichstags, der mit Mätzchen aus der München -Gladbacher Jesuitenseiulc die Sozialdemo- traten zu reizen suchte und mit demagogischen Kniffen darzu- tun sich mühte, daß trotz allen Zollwuchers auch das Zentrum ein Herz für die Notleidenden habe.' Der Konservative W e i l n b ö ck, der die Bös artigkeit der agrarischen Nimmer- atts mit süddeutscher Biederkeit drapierte, sang das Hohe- lied von der Kartoffel, die wirklich ein wundertätiges Nah- run>)smittel sei und war über das geringe Zugeständnis der Regierung in der Frage des Kartoffelzolls nicht besonders erfreut. Ter Fortschrittler F e g t e r. ein Mann mit land- wirtschaftlichem Wissen und landwirtschaftlicher Praris, wußte ihm nicht übel heimzuleuchten und entwickelte die Frage des Kartoffelzolls wie der Futterinittclzölle an der Hand ein- gehender Sach- und Fachkenntnisse. Nachdem dann Herr G e b h a r t von der Wirtschaftlichen Vereinigung nach Punkt 'oundsoviel des antisemitischen Programms den Großhandel ür die schwere Not der Zeit und die schwere Zeit der Not ver- antwortlich gemacht hatte, kam der Herr H e st e r nl a n n und erzielte einen ähnlichen Heitcrkeitserfolg wie in vergangener Woche Herr M u m m. Ter Bauernbund ist eine Hilfs» und <:chutztrupve des Rießerschcn Liberalismus, aber was Herr Hestermann vortrug, hätte auch uncer denbodenständi- zcn" Gestalten des Sportpalastes lebhaften Beifall erweckt, und w i e er es vortrug, begabt mit einem übertragen wir den Volksausdruck ins Parlamentarische! einem Maschinen­gewehrmundwerk. das amüsierte höchlichst. Herr Schweick- Hardt von der Fortschrittspartei brach für Großkapital und Großhandel gegen die Herren G e b h a r t und H e st e r m a n n .'ine Lanze und dann vertröpselte die Debatte in persönlichen Bemerkungen der Abgeordneten Kiel und A r n st a d t. Die morgige Sitzung mit der Tagesordnung: Ausführungs- gesetz zum internationalen Abkommen über Mädchenhandel. deutsch -türkilcher Handelsvertrag. Staatsangehörigkeit, be- ginnt um 11 Uhr.__ Abgeordnetenhaus. Die weitere Debatte über den I u st i z e t a t wurde heute durch sine grosse Rede de« Genossen Liebknecht eingeleitet, der zunächst sie zahlreichen Mißstände und Beschwerden behandelte, die gegen die areussische Justizverwaltung leider Jahr für Jahr vorgebracht werden müssen, von besonderem Interesse war die Mitteilung, daß ein Ministerialerlaß die Richter anweise, Beschwerden gegen irgendeinen Leamten nur nach vorheriger Erlaubnis der vorgesetzten Dienst» öehörde zu erheben. E» wäre das also ein richtiges Motu- aroprio für die preußischen Rick ter. Dem Zentrums- rbgeordneten Bell blieb es vorbehalten, au? diese ungeheuer ernste Sache mit einem faulen Witz zu antworten, indem er sagte: wenn :9 dem Motuproprio analog wäre, dann könne ja Liebknecht ganz iufrieden sein, denn dann gelte eS ja in Deutschland nicht. Nach >er Behauptung deS Justizministers soll die Verordnung nur sür achliche Konflikte zwischen Behörden gelten, nicht aber für irgend- velche persönlichen Angelegenheiten der Richter, was jedoch nur auf sine spitzfindige Auslegung des Wortlauts hinauszukommen scheint. DeS weiteren teilte Gen. Liebknecht eine bezeichnende Aeußerung deS lationalliberalen Herrn Dr. Friedberg mit. Als man in der Kommission über die Frage verhandelte, ob Richtern, die zum Reichs- aße kandidieren, Urlaub erteilt werden soll, fiel von feiten deS derrn Friedberg das Wort: man könne wohl annehmen, daß Richter, ne kandidieren, zu den bürgerlichen Parteien gehören, so daß die Regierung selbst ein Interesse an ihrer Beurlaubung habe. Damit st gesagt, daß die Regierung die Richter zu dem Zweck beurlauben olle, gegen die Sozialdemokratie zu agitieren. Mit Nachdruck adelte sodann unser Redner die skandalöse Tatsache, daß den Unter» ieamten in Berlin der Besuch einer Versammlung verboten worden st. Zum Schluß zeichnete Gen. Liebknecht in großen Zügen