Mreftfort muß hier aufmerksam Verden und sich mik de« Lchul-arztberichten beschäftigen. ES fehlt unS noch an einerKonzentration der Kinderfürsorge;es wird sehr vieles getan, aber es sollte sehr viel getan werden,die Zersplitterung muß beseitigt werden. Das Geld, das fürkranke und schwächliche Kinder verausgabt wird, ist ein Kapital, dasgroßartige Zinsen trägt. Der Magistrat gibt Hann eine Schild«-rung unserer Heimstätten, die ihrem Wesen nicht gerecht wird. Ersagt, jetzt erschöpfe sich die Behandlung mit guter Luft und gutemEssen, bei der Bereinigung mit der Krankenhansverwaltung müßtenauch Aerzte, Arznei, Bäder usw. zur Verfügung gestellt werden,was die Kosten erheblich steigere. Ebenso müßte, während jetzt dieKanalverwaltung die Heimstätten auch in baulichen Würden erhalte,die Krankenhausdeputation eine eigene kostspielige Bauverwaltungerrichten. So schlecht, wie hier dargestellt, sind unsere Heimstättennicht. 16 768 M. stehen im Etat der Heimstätten allein für ärzt-licheS Honorar. Mit dem besonderen Dezernenten wird auch dasschwerfällige Verfahren nicht beschleunigt. Wir fordern eineorganische Reform, keine Flickerei.Tie Heimstätten müssen unmittelbar an die Krankenhäuser ange-gliedert werden. In unseren Krankenhäusern liegen 27 Proz., dieda gar nichts zu suchen hah«n, Genesende, Leichtkrank«, Tuberkulöseund Sieche. Hätten wir für alle diese Kategorien besondere An-stalten, so wären wir weiter. Auch im Interesse des Stadtsäckelsmüssen wir zu einem ersprießlicheren Verhältnis kommen, und alseinen Weg dazu sehen wir eine gemischte Deputation an.Stadtrat Kalisch: Wenn der Vorredner selbst bessev unter-richtet gewesen wäre, hätte er manche seiner Ausführungen nichtgemacht, � hätte auch nicht behauptet, in der Armenverwaltung seietwas nicht in Ordnung. Wir bringen doch die Kinder nicht bloßin Heimstätten unter. Im vergangenen Jahre haben wir in dieHeimstätten 464 Kinder geschickt, in diesem Jahre bis heute 916,in die Walderholungsstätten in diesem Jahre 383, im vorigen247, den privaten Heilstätten übergeben 964, im vorigen Jahre1982. Bis jetzt haben wir 2263 Kinder, im vergangenen Jahr«1709 Kinder untergebracht. Wir haben in der Armendirektionmindestens jeder ein so gutes Herz für die Kinder wie er selbst.Jetzt sind wir etwas strenger, d. h. wenn die Eltern zahlenkönnen, nehmen wir die Kinder nicht mehr auf, und wir passenda genau auf.Bürgermeister Dr. Rcicke verliest eine neue Verfügung desMagistrats, wonach versuchsweise vom 1. April ab auf ein �ahrden Direktoren der Krankenhäuser das Recht zu geben ist, stecheKranke unmittelbar in das Depot der Siechenanstalt zu verlegen.Die 231 Siechkranken, welche an einem bestimmten Stichtage sichin den Krankenhäusern befinden, werden künftig ohne den Umwegüber die Armendirektion dahin verlegt werden. Bei den Heim-stätten soll ja nun erst eine gemischte Deputation beraten; bOjiroz.der bisherigen Kranken in den Heimstätten würden eventuell aufdie Straße gesetzt werden, die müssen doch untergebracht werden.' Stadtrat Straßmann wendet sich auch gegen Dr. Wehl. Wirkönnen nur die- Kinder unterbringen, die uns gebracht werden; dieArmenärzte sind auch nicht zu ängstlich. Daß wir bei Ueber-Weisungen an die Heimstätten auch nach der Vergangenheit derPfleglinge recherchieren, ist einfach unsere Pflicht, denn Unbcschölten« müssen wir aufnehmen. Bescholtene nicht..'Stadtv. I s a a c gibt der Einsetzung einer gemischten Depu-taiion seine Zustimmung, ebenso Sfadtv. Dr. Lazarus(Fr. Fr.).Stadtv. Dr. Wehl(Soz.): Welches Recht haben wir denn,jemand, der sich in die Netze der Strafgesetze verstrickt hat, noch ein-mal zu bestrafen, wenn«r in eine Heimstätte aufgenommen werdensoll? Ich habe keine falschen Zahlen mitgeteilt. Was besagendenn die 2999 aufgenommenen Kinder gegenüber den 7899 Kindern..welche allein wegen Unterernährung unter Ueberwachung stehen?Es werden unnötig viel'Kinder in die Privatanstalten geschickt; esist doch ein Widersinn, wenn gleichzeitig unsere Heimstätten leerstehen. Wenn.in. die Armenverwaltung der Geist sozialen Ver-ständnisses wirklich einzieht, dann werde ich Herrn Kaiisch als. unfern Obergenossen begrüßen.(Heiterkeit.)Stadtrat Kalisch: Ich wünschte, ich wäre der Obergenosse derHerren; Sie würden dann etwas ganz anderes von m:r erlebenWir haben doch auch Verpflichtungen gegen andere al» Armen-kinder, denken Sie doch an den Mittelstand. Wir schicken alleKinder, die in die Heimstätten gehören, auch hin, eS sind aber Gottsei Dank nicht mehr Kinder da, uns wurden nicht mehr gemeldet.Wir selbst können doch nicht alle die Kinder machen, von deneniHerr Dr. Wehl sprach.(Stürmische Heiterkeit.)Dcr Antrag auf Einsetzung einer gemischten Deputation wirdangenommen.Die A l t e L i n k e hat am 13. Februar folgende Anfrage.«an den Magistrat gerichtet:1. Welche Umstände hindern die ortspolizeiliche Genehmigungder Anlage einesstädtischen Begräbnisplatzesauf dem Terrain in Buch-Karow?2. Welche Maßregeln gedenkt der Magistrat zu ergreifen, dieseGenehmigung herbeizuführen?Stadtv. Galland lA. L.) verweist auf die bekannten Vorgänge,die auf das Konsistorium zurückzuführen seien und auf die in derBürgerschaft dadurch verursachte Erregung.Stadtrat Rast: Tatsächlich hat das Konsistorium uns eineRechnung aufgemacht, wonach wir jährlich über 19 999„Frei-leichen" auf unseren vorhandenen Friedhöfen beerdigen könnten,und verlangt, daß wir die Zahlleichen ihm zuweisen. Dazu, dieZahlleichen abzuweisen, haben wir ja überhaupt kein Recht. WasFriedrichsfelde betrifft, so haben wir jährlich schon über 4999 Frei-leichen. oaiieben 1699 Zahlleichen; bis l. August 1912 ist der Fried-bof voll und wir müssen ihn schließen. Darum haben wir ja schonvan Ihnen die Ermächtigung erbeten, den Anstaltsfriedhof in Buchzu benutzen. Die größere Zahl d«r Zahlleichen sind Dissidenten,auch ungetaufte Kinder, Selbstmörder usw., welch« die Kirche ab-lehnt, müssen wir aufnehmen. Wir werden versuchen, friedlichzum Ziele zu kommen. Auf jeden Fall werden wir uns gegendiesen Eingriff in unsere Rechte zur Wehr setzen.Oberbürgermeister Kirschner: Der Oberpräsident hat unS denEinspruch des Konsistoriums mitgeteilt, der sich auf das AllgemeineLandrecht stützt, wonach nur mit Genehmigung der GistlichenOberen neue Friedhöfe errichtet werden dürfen. Diese Bestim-mung bezieht sich offenbar nur auf die von den Kirchen zu er-richtenden Friedhöfe.(Zustimmung.) Der Friedrichsfelder Fried-Hof ist eine freundliche Anlage, die allgemeinen Beifall findet;zahlreiche Gemeinden haben Aehnliches auszuweisen. Es ist kaumverständlich, wie da statt einer Anerkennung nur neue Schwierig-keiten uns erwachsen. Wir werden auf dem Recht bestehen, dasuns für Berlin schon vor 3l Jahren gegeben wurde.(Beifall.)In der Besprechung führt Stadtv. Galland aus. daß der Ober-präsident die neueren Gesetz«, die sich mit der Anlage von Fried-bösen befassen, nicht beachtet und auch eine oberverwaltungsgericht-liche Entscheidung ignoriert hat, die den betr.§ 764 A. L. R. fürantiquiert erklärt. Das Konsistorium habe also gar nicht mitzu-sprechen; mit welchem Recht verlange man also vom Magistrat.sich mit den kirchlichen Behörden inS Benehmen zu setzen? DasKonsistorium werde lediglich von finanziellen Rücksichten geleitet.Schließlich gebe eZ ja auch noch ein Oberverwaltungsgericht.Stadtv. Dave(A. L.): Das Konsistorium will ein Zwang?- undBannrecht für zahlungsfähige Leichen zugunsten der Kirche kon-struieren. Tagegen kann nicht scharf genug Front gemacht werden.Auch die Bürgerschaft mutz uns in diesem uns aufgezwungenenKämpfe unterstützen.(Beifall.)Stadtv. Leid(Soz.): In der Bürgerschaft herrscht die Auf.iassung, daß jeder ein Recht aus den Kommunalfriedhos hat. DieAntwort, die uns von der Behörde zuteil geworden ist, hat wirtlichmit kirchlichen Interessen nichts mehr zu tun. sondern chcrrakteri-fiert jich als einKampf«vi zaHkungSfShis« Leichenfman verlangt, unser Kommunalfriedhof solle nur ein Armenfrieb-Hof und höchstens noch ein solcher für Dissidenten sein. Tie Ber-liner evangelische Stadtshnove hat sich in waghalsige Spekulationenmit ihren Kirchhöfen in Stahnsdorf und Ahrensfelde eingelassen,und sucht sich nun durch diese Manipulationen gegen uns möglichstschadlos zu halten. Dabei wird schon mit den sogenannten Aus-lösungsgebühren arg gewirtschaftet. Wir kommen den Kirchen-behörden überhaupt viel zu sehr entgegen. Die Standes-ämter scheinen neuerdings den Kirchenbehörden Mitteilungen überden Tod von Kirchengemeindeqngehörigen zu machen; die Stadtteilt denselben Behörden die Steuerlisten mit. Aber die Sache hatauch ihr Gute?, sie wird viele, die innerlich längst mit der Kirchegebrochen haben, dahin bringen, auch den letzten Schritt noch zu tun,Damit schließt die Besprechung.Schluß �19 Uhr,_Jugendbewegung.Die vierte Landeskonferenz der JugendorganisationenNicderösterreichs,die am 11. Februar in Wien tagte, war von 1,23 Delegierten, 71aus Wien, S2 aus der Provinz, besucht. Die verschiedenen Partei-Vertretungen und Fraktionen hatten Vertreter entsandt. Der Be-richt der Landesleitung gab Kunde von reger Wirksamkeit.Ende 1911 gab es in Wien 21 Ortsgruppen mit 1993, in der Pro-vinz 46(Ends 1919 erst 17) Ortsgruppen mit 1635 Mitgliedern:zusammen 3S88 Mitglieder. In der Provinz gibt eS 4 Kreis-sekretariate. 1234 Mitglieder sind 14—16 Jahre, 1589 16—17, 42517—18, 219 13—29 und 80 über 29 Jahre alt. Versammlungenfanden 1699 mit 63 654 Teilnehmern statt, davon 273 öffentliche und963 Vortrags- und DiskussionSabende. Kürzlich wurde eineAbstinenten abteilung gegründet, der 229 Mitglieder in Wien,43 in der Provinz angehören. 254 Lehrlingsschutz fälle wurdenerledigt, 225 909 Flugschristen und Einladungszettel verteilt. WegenUebertretung des preßgesetzlichen Kolportageverbots wurden 84 KronenGeld« und 264 Stunden Arreststrafe verhängt.Besonders lebhaft war die Pflege des BildungSwesenS.Während 1997 erst 139 Vorträge gehalten wurden, waren es 1911schon 393. Als Hilfsmittel standen Tafeln und ein Lichtbilder-apparot zur Verfügung. Außerdem wurden 22 Vortragszyklen ab-Behalten. An sechs Sonntagnachmittagen fand ein Funktionär-ursuS statt, an dem 99 Wiener, 29 Provinzfunktionäre teil«nahmen. Dazu kamen Abgabe von Theaterkarten, teilweise mitvorhergehenden Erläuterungsvorträgen, von Textbüchern zu er-mäßigtem Preise, Turn- und Schwimmkurse, Exkursionen usw. Der.Jugendliche Arbeiter" hat im ganzen Reiche jetzt eine Verbreitungvon 15 999 Exemplaren, die Januarnummer vou 29 099.Von verschiedenen Organisations- und Propagandafragen, überdie Vorträge stattfanden, behandelte Genosse Danneberg dieAufgaben der Jugendbewegung, speziell die Forderungen anLehrlingsbildung, Einführung des TageSunterrichtS in dergewerblichen Fortbildungsschule usw.— Die Konferenz gab Zeugnisvon regem, geistigem Leben, das, wie auch die Anerkennung derberufenen Parteiinstanzen bekundet, der Arbeiterbewegung durchErziehung eines guten Nachwuchses wertvolle Dienste leistet.Hus Industrie und Ftandel.Großer Fischsang!Die Erträgnisse d«S Fischfanges in der Nord- und Ostsee warenim Januar 1912 im Vergleich mit dem gleichen Monat des Vorjahresaußerordentlich günstig. Die Fänge ohne Schaltiere ergaben7 598 297 Kilogramm gegen nur 5 769 991 Kilogramm in 191L.Der Gesamtwert hob sich von 1 824 793 M. au? 2 138 465 M., WaZeine Verminderung des Einheitspreises von 9,32 auf 9,28 M. bedeutet. Danach müßte mit. einer Verbilligung im Handel zu rechnensein. Einschließlich der Schaltiere wird der Wert der Erzeugnissevon Seetieren für Januar des Jahres auf 2 184 651 M. angegebengegen 1858 811 M. im Januar 1911. Die reichste Ernte lieferteder Kabeljaufang in der Nordsee. Auffallend wenig Heringe wurdengefangen: im vergangenen Jahre waren eS 171 331 Kilogramm, indiesem Jahre nur 24 181 Kilogramm.Amerikanische Arbciterverhältnisse.In einer Rede zugunsten eines demokratischen Antrags aufErmäßigung der Eisenzölle teilte B e r g e r einige amtliche Zahlenüber die Lohnverhältnisse mit. Da die Ergebnisse der Erhebungvon 1919 noch nicht vorliegen, gab er die Zahlen von 1995.„Dasfolgende sind die„hohen Löhne", mit denen der Abgeordnete fürPennsylvania prahlt. Ter durchschnittliche Wochenlohn für er-wachse ne männliche Arbeiter war 11,15 Dollar im Jahre1995. Es gab aber 132 964, die weniger als 3 Dollar verdienten.Das sind republikanische(amtliche), nicht sozialistische Zahlen!Der Durchschnittslohn für Frauen war 6,17 Dollar. Die Zahlder arbeitenden Frauen war in unserem gepriesenen Lande 5 319 499.Ter Lohn für Kinder unter 16 Jahren war im Durchschnitt3,46 Dollar. Von den arbeitenden Frauen verdienten IVi Proz.weniger als 3 Dollar, 19,9 Proz. weniger als 4 und 15,1 Proz.weniger als 5 Dollar im Wochendurchschnitt." Berger betont, daßdie Löhn« in den europäischen Ländern meist geringer, dafür aberFürsorgeeinrichtungen vorhanden seien, von denen man in denVereinigten Staaten nichts weiß.— Seit 1995 sind die Löhnezweifellos nicht unbeträchtlich gestiegen, weit höher jedoch dieLebensmitvelpreise, so daß der Reallohn heute erheblichniedriger steht als vor 7 Jahren.Die Entwickelung des Schiffsverkehr? in den wichtigsteneuropäischen Häfen hat sich nach einer Zusammenstellung iin.Prome«theuS" in den letzten 19 Jahren folgendermaßen gestaltet:SchiffsverkehrHafen in Reito-Register Tons Zunahme1990 1910London... 15 553 999 18 631 999 S 078Cardiff... 9 489 000 10 251 000 771Liverpool.. 9 316 000 10.881 000 1 565Hamburg.. 8 938 990 12 657 990 4 619Rotterdam.. 6 327 009 10 65�999 4 372Marseille.. 6 164 000 Ö4410J0 3 270Antwerpen.. 5 692000 10 756 000 6 064In diesem zehnjährigen Zeitraum hat sich die Reihenfolge dereuropäischen Häfen nach der Größe ihres Warenverkehrs wesentlichverändert. London nimmt zwar noch die erste Stelle ein. An diezweite ist aber Hamburg, das im Jahre 1900 erst den vierten Platzeinnahm, gerückt. Die dritte nimmt nach wie vor Liverpool ein;dann kommt aber gleich Antwerpen, das 1999 von den genanntenHäfen den geringsten Verkehr hatte, diesen aber seitdem fast ver-doppelt hat. Sehr gut entwickelt hat sich auch Rotterdam, das feinenWarenverkehr um mehr als die Hälfte steigerte.Cencbtö- Zeitung*Die gefährdete Autorität des Dorfschulzen.Weil er einem Befehl des Dorfschulzen nicht nachgekommen,war der Fischer W. in Steinbeck von diesem mit 19 M. Geldstrafeoelegt worden. Bei einem Brande auf einem Bauerngehöft inSteinbeck am 29. Oktober vorigen Jahres hatte der Beschuldigtefleißig geholfen, die Gefahr zu dämmen. Er hatte das gefährdeteVieh aus dem Stalle gerettet und sich sonst in jeder Beziehungnützlich gemacht. Das war aber dem Dorffchulzen nicht genügend,der als Spritzenmeister fungierte. Er erteilte dem Fischer denBefehl, er solle Waffer in di« Spritze tun. W. war auch bereit.dem Befehl nachzukommen und suchte einen Eimer.: Das betrach-ke!« der Schulz« augenscheinlich alS Widersetzlichkeit. Er bteder-holte seinen Auftrag und als ihm W. antwortete, daß er keinenEimer habe, sagte der schulze:„Nehmen Sie den Hut, verstehenSie." Dem war nun der Fischer allerdings nicht nachgekommenund deswegen das Strafmandat. W. erhob Widerspruch, wurdeaber von Schöffengericht Freienwalde verurteilt. Seine Zeugenzu hören erachtete das Schöffengericht nach der Aussage des Schul,zen für unerheblich. Auf seine Berufung hob jetzt die Straf«kammer in Eberswalde oas schöffengerichtliche Urteil auf undsprach den Beschuldigten frei unter Uebernahme der Kosten aufdie Staatskasse. Es wurde anerkannt, daß W. bei dem Brande injeder Beziehung seine Schuldigkeit getan hob« und daß er durchdas Wort des Schulzen, er solle den Hut zum Wasserschöpfennehmen, in überflüssiger Weise gereizt worden sei.Eine Warnung für Arbeitswillige.Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte waren heute di« Holz,arbeiter GeiSler und Ludwig wegen Nötigung und Beleidigung,begangen an dem Arbeitswilligen MatthieS, angeklagt. Letztererberundete, daß er bei einem Streik von zwei Streikenden als„Streikbrecher" bezeichnet und mit Schlägen bedroht wurde, wenner nicht die Arbeit niederlege. Er mußte aber, als er von demVerteidiger der Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld,eingeheiw befragt wurde, zugeben, daß er die beiden, die ihn be-lästigt hatten, nicht erkannt hatte, daß ihm nur der Arbeitgebermitgeteilt habe, die beiden könnten nur die Angeklagten gewesensein.Daraufhin mußte selbst der AmtSanwall die Freisprechung derAngeklagten beantragen, er beantrage aber gleichzeitig, deinZeugen MatthieS die Kosten des Prozesses aufzuerlegen, da er grob,fahrlässig die Anzeige erstattet habe.Der Verteidiger Dr. Rosenfeld beantragte ebenfalls die Frei«sprechung, widersprach aber der von dem Amtsanwalt beantragtenKostenentscheidung, da die Ehebung der Anklage weniger Schuldde? Zeugen als oer Polizei sei, die den Zeugen im Vorverfahrennicht einmal den Angeklagten gegenübergestellt habe.DaZ Gericht sprach beide Angeklagte frei, legte aber die Kost?«dem Zeugen auf.— Arbeitswillige, Ihr seid gevsarnt!Erpressung von— Mufik.DaS Landgericht Köln hat am 23. Oktober b. I. den GastwirtOtto M ü h l h a u S wegen versuchter Erpressung zu acht Tagen Ge»fängniS verurteilt. Er hatte für den 2. Osterfonntag 1911 mehrereMusiker für die Zeit von 4—12 Uhr abends engagiert. Um 12 Uhrersuchte er sie, weiterzuspielen, sie weigerten sich aber. Nun drohteer, er werde ihnen ihr Honorar nicht auszahlen. Nachdem sie bi»3 Uhr gewartet hatten, gab er ihnen endlich Geld, aber zwei Markweniger, als verabredet war. Seine Revision wurde am DienStazvom Reichsgericht verworfen.Anonyme Schmähbriefe.Ein Schreibfachverftändigenkougreh fand gestern!n demSitzungssaale der 147. Abteilung des Schöffengericht? Berlin-MilteSatt. Es bandelte sich um die bekannte BeleidignngSaffLre ausem Jnvalivenhaus«, in der zahlreiche anonyme Ätenähbriefe irndriKarten unflätigsten Inhalts eine Rolle spielen. Als Kläger tratder Hauptmann Leopold v. Ostrowski), vertreten von RechtsanwaltDr. Wittkowski), gegen den Leutnant Guido Geest und dessenGattin, verteidigt von den Rechtsanwälter Dr. Puppe und Dr. Bar«nau, auf. Der Klage und Widerklage liegt folgendes zugrunde:Die in dem Jnvalidenhaufe wohnhafte Familie des Leutnant» Geesterhielt schon seit dem Jahre 1993 fortgesetzt anonyme Karten un«flätigsten Inhalt?, auf denen sich außerdem unanständige Zeich,nungen befanden. ES wurde mehrfach angedeutet, daß die Frauender kranken Offiziere hinter dem Rücken, ihrer Männer Lieh),schuften angeknüpft hätten. In- manchen Karten war deutlich zuerkennen, daß als Motiv Eifersucht in Frage kam. Die fortgesetztenErmittelungen führten schließlich zu dem Ergebnis, daß als 11 o«Heber der anonymen Karlen der jetzige Kläger v. OftrowSky unddessen Tochter verdächtigt wurden. Diesem Verdacht»ab derLeutnant Geest wie auch seine Gattin mehrfach offen Ausdruck.Wegen dieser Beschuldigung erhob Hauptmann v. O. die jetzigePrivatklage, welche von dem Leutnant Geest mit einer Widerklagewegen der anonymen Karten beantwortet wurde. In der gestrige«Verhandlung bekundeten die beiden medizinischen Sachverständigen,daß der Hauptmann v. O. seit Jahren an einem chronischen Rücken-marksleiden erkrankt fei, welches bei ihm eine sogenannte Ataxiei Bewegungsstörung) erzeugt habe. Diese beschränke die Gebrauchs,fähigkeit der Gliedmaßen, insbesondere der Hände, derartig, daßv. O. gar nicht in der Lage sei, seine Schrift zu verstellen. DieSchrift des Herrn v. OstrowSky würde zu jeder Zeit einen patha,logischen Schriftcharakter erkennen lassen. Dies sei jedoch beijener anonymen Karte nicht zutreffend. Die SachverständigenDropolin und Altrichter äußerten sich übereinstimmend dahin, daßdie Karte jedenfalls mit der linken Hand geschrieben worden sei.Nach der Schilderung des ganzen Zustande? de? Herrn v. O. durchdie medizinischen Sachverständigen sei eS aber als sehr unwahr-scheinlich zu bezeichnen, daß dieser mit der linken Hand überhaupteine so flüssige Schrift liefern könne.— Auf die Vernehmung derübrigen Sachverständigen wurde verzichtet. Das Gericht fällt»folgendes Urteil: Es sei nicht erwiesen, daß die anonyme Kart»von dem Kläger v. OstrowSky herrühre. Mit Rücksicht darauf, daßder von den Beklagten ausgesprochene Verdacht ein sehr schwerersei und dadurch das Jnvalit�nhaus zum Gesprächsgegenstand«weiter Kreise geworden sei, habe das Gericht gegen den LeutnantGeest auf 199 M., gegen Frau G. als die Urheberin auf 499 M.Geldstrafe erkannt._ rHarte Strafe.Eine böse Suppe hatten sich der Nammer Wilhelm Stendalund der Arbeiter Franz Domriuk eingebrockt, die unter der An,klage der sogenannten intellektuellen Urkundenfälschung vor de»Schwurgericht des Landgerichts lll standen. Der Angeklagt«Stendal war früher Gastwirt in Rummelsburg. Er hatte sich ein«Verurteilung zu drei Wochen zugezogen und erhielt am 14. Maidie Aufforderung, die Strafe im Gefängnis zu Tegel anzutreten.Dies paßte ihm gar nicht. Er war sehr froh, als ibm Domrink,der bei ihm verkehrte und bei ihm in der Kreide stand, sich anbot,gegen etwas Kleingeld und Gewährung von Speise und Trankdie Strafe für ihn abzusitzen. Am 17. Mai pilgerten beide Angeklagte nach Tegel, dort wurde Domrink als„Stendal" in di«Register eingetragen und saß geduldig die 3 Wochen Gefängnis ab.Am 7. Juni wurde er als„Stendal" wieder entlassen. Die Sachewäre nicht zur Kenntnis der Behörde gekommen, wenn nicht demDomrink eines Tages in der Bezechtheit die Zunge durchgegangenwäre und er sich nicht laut seiner Tat gerühmt hätte. Da hier derschwerere Tatbestand des§ 272 St.-G.-B. vorlag, weil die Straftatbegangen war, um dem D. einen Vermögensvorteil zu verschaffen,so wurden beide Angeklagte zu je einem Jahre Zuchthaus ver»urteilt. Die. Geschworenen hatten das Vorliegen mildernder IlUwstände berneint.Schauspielerelenb.AuS Halle a. S. berichtet man unS: Der Schauspieler OttoJäger hatte bei dem Theaterdirekwr MusäuS im Sommer v. I.für eine Monatsgage von 79 M. mimen müssen. Er war derartigin Not geraten, daß er nur noch ein Hemd auf dem Leibe befaß.Als er eines Weites einen Bauern spielen sollte, mußte er sich voneiner Wirtin ein reines Hemd, ein Paar Strümpfe und einTaschentuch borgen. In seiner Notlage brannte er schließlich unterMitnahme der geliehenen Wäschestücke durch. Seine hinterlassen«Schuld betrug 78 M. In seinem Besitz ivurden nur einige Papier»kragen und eine alte Hose gefunden. Der miglückliche Mensch kamvor da» Schöffengericht und wurde wegen Unterschlagung derWäschestücke und Schädigung seiner Wirtin durch Betrug zu12 Tagen Gefängnis verurteilt.—„Ihr laßt den Armen schuldigwerden, dann übergebt ihr ihn dcr Pein!"