Die bisherige Tntwickelung ic«r Kaliindustrie Hai den Ve. weis geliefert, daß diese Annahme leine zu optimistische ist. ES könnte also hier eine Einnahmequelle erschlossen werden, welche- ohne Belastung der Allgemeinheit dem Deutschen Reich« mit Leichtigkeit große, stetig steigende, durch ein Natur. Monopol Deutschlands sichergestellte Erträge schaffen würde. Allein die Ausnutzung einer solchen vielleicht nie wieder« kehrenden Gelegenheit geht möglicherweise über das Verständnis der zunächst in Betracht komme nden Autoritäten hinaus, vielleicht auch werden andere Rücksichten Maßgebend sein, um eine solche Ausnutzung zu verhindern. Es soll durch diese Erörtcruug keinesfalls für ein Monopol Stimmung gemacht werden; wenn man aber ein solches vor- schlagen will, daim sollte man nicht eine totgeborene Sache, wie das Petroleummonopol, sondern das dem Deutschen ' Reicke von der Natur verliehene Kali-Welt Monopol in Erwägung ziehen." Ohne Atveifel sind die vorgebrachten Gründe für ein Reichs- Kalimonopol sehr beachtenswert. Für die Sozialdeuwkratie um so nichr, weil die„Kölnische VoUszeitung'' in der Hauptsache ja nur das wiederholt, was die sozialdemokratischen Vertreter ISIO in der für die Beratung des Kali- gesetze? eingesetzten Reichstagskom Mission dort zugunsten eines ReichS.KalrmonopolZ vorbrach- ten! Die„Kölnische Bolkszeitung" pflügt mit dem sozial- demokratischen Kalbe, ein bemerkenswertes Verfahren in einer Zeit, wo die Zentrumspartei jeden Bürger, der auch nur sozialistischer Gesinnung„verdächtig" erscheint, verfemen möchte. Die Sozialdemokraten haben m der Kaligesetzkommission zu. nächst die Uebernahme der Kalisalzindustrie aus das Reich beantragt. Was jetzt die„Kölnische Bolkszeitung" anführt, daS erklärten vor zwei Jahren bereits unsere Genossen, und zwar: Deutschland besitze ein natürliches Welimonopol von Kalisalzen. Das müsse im Allgemeininterefle verwertet werden. Nun sei es an der Zeit, der Spekulation in Kalstverten und der drohenden Zerstörung unersetzlicher Naturschatze dura» die maßlose Werks- gründerei einen Riegel vorzuschieben durch die Monopolisierung der Kali Verwertung zum Nutzen der ReichSsinanzen. Die sicher zu erwartenden hohen Einnahmen au» dem Kalimonopol könne man in den Reichsetat einstellen und dann mit der sukzesiven Auf- Hebung der drückend st cn indirekten Steuern be- ginnen. Als für die Ablösung der Gerechtsamen nötige Summe wurden damals sozialdemotratischerseits 600 bis 800 Millionen Mark angenommen, also etwa soviel wie jetzt die„Kölnische Volks- zeitung" höchstenfalls veranschlagt. Damals aber wehrten sich auch die Zentrumsvertreier heftig gegen ein ReichS-Kalimonopol. be- bauplend, die erforderliche AblösungSsimme werde weit über eine Milliarde hinausgehen und leine ausreichende Verzinsung finden. Tatsächlich war aber vor.zwei Jahren die Zahl der betriebenen und der im Bau begrifsenen Kalischächte erheblich niedriger wie jetzt; demxnrsprechend tvar auch die für die Einführung des Reichs- KanmonopolS erforderliche Ablösungssumme bedeutend geringer als die jetzt von der„Kölnischen Volkszeitung" kalkullcrte Summe von 900 Millionen. Der sozialdemokratische Voranschlag bemaß die Ablösungssumme nicht zu niedrig. Wenn jetzt die„Kölnische Volks» zeitung" schreibt, nun sei„eine vielleicht nie wiederkehrende Ge- legenheit" geboten, das fragliche Naturmonopol im Allgemeininteresse auszunutzen, so muß betont werden, daß die noch sehr viel günstigere Gelegenheit vor zwei Jahren nicht znletzt durch die �chuld,-chc� Sutrums dxrpM, wo�steff. ifj�Fs hqt nicht cfnmgl ,�ür den sozialdemokratische» Eventualantrag, wenigstens den Handel mit Kalisalzen zugunsten der Reichskasse zu »«ovopolisieren, gestimmt! Was damals, auch von den Zentrums- Vertretern in der Kaligesetzkommisfion den sozialdemokratischen Antragstellern entgegengehalten worden ist, daS wendet nun, fast wörr- lich, die„Post" gegen die.„Kölnische Volkszeitung" ein. Handelt cS sich bei ihrer Anregung um mehr als eine demagogische Ablenkung von dem Sreuerprojekt lErbanfallisteueri, mit dem die Konservativen und Klerikalen„nicht brüskiert" werden wollen, dann erhobt die „Kölnische Volkszeitung" den außerordentlich schweren Vorwurf gegen die Zentrumsfraktion, 1910 die ReichSsinanzen um hunderte Millionen Mark geschädigt zu haben! Denn damals würde die Einführung eines Kalimonopols der Reichs lasse um hunderte Millionen Mark billiger als 1912 zu stehen gekommen sein. Tie ZentrumSvcrtreter in. der Kallgesetz- kommifsion haben, mit Ausnahme des weniger eifrigen Abg. Müller- Fulda, sich sehr eifrig.um die Erhaltung des kapitalistischen Ausbeutungsvorrechts an dem nationalen Kalisalz - schätz ins Zeug gelegt. Sie haben selbst die sozialdemokratischen Anträge abgelehnt, die ein« Vorzugsstellung der StaatSwerke bei der Bemessung der BeteiligungSziffcc am Absatz bezweckten. Tie Rentabilitätsberechnung der„Kölnischen VolkSzeitung' steht mit den tatsächlichen BetriebScrgebnissen nicht im Wider- spruch. Nach einer vorläufigen Zusammenstellung haben allein die für das verflossene Jahr bereits mit ihren Ueberschußziffern an die Oesfentlichkeib getretenen Kaligewerischaftcn im Jahre 1911 zirka LS Millionen Mark Ausbeute verteilt, nachdem viele -Millionen Mark vorher„zurückgestellt" worden find. Dazu kommen noch die großen Aktiengesellschaften Aschersleben . SalvaglM. Westcregeln, Thiederhall usw. Der Gesamtüberschuß aus der deutschen Kaliindustrie wird für daS Jahr 1910 sicher zwischen 40 bis 60 Millionen Mark ausmachen. Die durch das ReichSkaligesctz vorgeschriebene Ermäßigung der Berkaufspreise hat, wie voraus- gesagt, den Kaliabsatz gesteigert, so daß es dem Kalisyndikat 1911 gelang, den Absatzvoert um 22 auf 145 Millionen zu erhöhen. Von dieser Summe kann man ruhig ein Drittel als Unternehmergewinn in Ansatz bringen; wurde doch bei der Beratung des Reichskcli- gesctzes von sehr sachverständiger Seite(Unternehmer) versichert, 50 Proz. des Verkaufspreises seien Uebcrschüsse? Di« Ermäßigung der Verkaufspreise hat zwar die Profitrate prozentual geschmälert, aber der gestiegene Absatz glich diesen Verlust absolut mehr als aus. Hatten doch die Kaliwerte de» preußischen Fiskus 1910 einen rech- nungsniäßigen Ueberfchuß von 4.8 Millionen Mark, bald eine Mil- lion Mark mehr wie 1909! Ter Stcuerpolitiker in der„kölnischen VolkSzeiinng" hat also vollkommen recht mit seiner Rentabilitätsberechnung. Er hat auch recht mit seiner Behauptung, ein Reichskalinwnopol eröffne der Reichs kasse eine reiche Einnahmequelle, die den seltenen Vorteil hat, die Allgemeinheit nicht stärker wie bisher zu belasten. Warum soll das Reich das Kalimonopol nicht einführen?„DaS Geld liegt für. das Reich förmlich auf der Straße." schrieb 1910 während der Beratung de» KaligesetzeS sogar ein Industrieller, der auch emp- fahl, die Kaliverwcrtung für die ReichSkaffe nutzbar zu machen. Wenn eS auch gerade keine 150 bis 160 Millionen Mark jährlich wären, über 100 Millionen Mark pro Etatsjahr würde die Reichs- kasse doch aus dem Kalimonopol vereinnahmen, ohne auch nur im geringsten die Lebenshaltung des Volkes zu verteuern. Vielmehr würde sich dann ohne Schmälerung der Reichseinnahmen die Auf- Hebung einiger der drückendsten Verbrauchssteuern durchführen lassen.„Da» Geld liegt auf der Straße"— wird die Regierung, wird die Partei der»Kölnischen Bolkszeitung" eS aufheben? Der Krieg. Nationale Wahnsinnsausöruche. Das italienische Parlament ist am Donnerstag der Schaltplatz einer wahnwitzigen nationalen Selbstverherrlichung gewesen, wie sie vielleicht noch kein Parlament der Welt ge- sehen hat. Man war von vornherein schon aus ein gut Stück patriotischen Größenwahns gefaßt, aber der über das Riesen- maß gehende Beifall, den die Regierung für ihre Annexion von Tripolis erntete, übersteigt alle Erwartungen. Die bürgerlichen Parteien sind von einem imperialistischen Haschischrausch ergriffen, dem eine um so grausamere Er- nüchterung folgen muß. Das Jubelgeschrei, das die Erwäh- nung der Taten von Heer und Flotte auslöste, beweist, daß den bürgerlichen Politikern rechtes klares Denken abhanden gekommen, ist. Denn sonst mußten sie sich sagen, daß die Dinge aus afrikanischer Erde durchaus nicht glänzend stehen. Mit 50000 Mann wollte man Anfang Oktober einen mili- tärischen Spaziergang nach Tripolis machen. Jetzt, nach 5 Monaten, stehen 200 000 Mann aus afrikanischem Boden. Aber sie sind keinen Schritt weiter gekommen, sie sitzen in den Küstenstädten wie in belagerten Festungen, und die Araber, von denen man angeblich das türkische Joch nehmen wollte, sind begeisterte und unermüdliche Bundesgenossen der kleinen türkischen Arniee. Der Krieg hat dem italienischen Volke schon setzt mehrere Hunderte von Millionen gekostet und die Rechnung wird noch viel größer werden. Und doch diese wahnwitzige Begeisterung bei den parlamentarischen Ver- tretern des Bürgertums! Die Vorgänge in Italien beweisen, wie leicht sich ein Volk durch nationale und imperialistische Großmannssucht in eine Kriegsstimmung hineinhetzen läßt, bei der jede ruhige Ucberlegung verloren geht. DaS einzige Gegenmittel gegen diese Erscheinung ist die sozialistische Auf- klärungsarbeit, die im Imperialismus den größten Feind sieht, der nicht nur nach außen Gefahren über Gefahren austürmt, sondern auch im Innern jede soziale Reformarbeit lahmlegt oder ganz unmöglich macht. Dem italienischen Volke werden trotz aller Jubelausbrüche im Parlament die bitteren Folgen seines imperialistischen Rausches nicht erspart bleiben. Die Parlamentsgroteske. Rom . 23. Februar. Kammer. Der Sitzungssaal ist voll besetzt. Ministerpräsivent Giolitti veria» eine Tankdepesche des Generals L a n e v a.(Allgemeiner lebhafter Beifall. Samt- liche Abgeordnete erheben sich von den Sitzen.) Der Berichterstatter der Kommission zur Prüfung des Gesetzentwurfs betr. das Dekret vorn 5. November 1911, Martini, betonte. eS sei überflüssig, die Kammer zur Genehmigung des Dekrets auszu- fordern. Die gestrige einmütige Beifallskundgebung habe die Mei- nüng der Kammer dargetan. Italien sei zur Besetzung Libyens nicht durch eine plötzliche heftige Begierde nach Eroberungen ge- trieben worden, sondern durch langempfundene Notwen- digkeit seine politischen und wirtschaftlichen Interessen zu schützen und seine Stellung als Mittelmeermacht zu wahren. Ge- nehmigen wir das Dekret vom 5. November, damit die Welt wisse, daß daS, was ein Akt der Regierung war, der unwiderrufliche Wille der Station ist. Der Bericht wurde mit begeisterten Kundgebungen angenommav„ G a.l li trat warm für die Bestätigung de» An. nexionSdekretS ein. Als Gegner des gegenwärtigen Kabinetts billige er gleichwohl das Vorgehen in Tripolis und werde den Gesetzentwurf annehmen.-Er werde alle Wittel bewilligen, die die nationale Regierung unter ihrer Verantwortung für einen guten Ausgang de» Unternehmens für notwendig halten werde.(Beifall.) Der Sozialist Ciccotti erklärte, er sei der einzige von den Depu- tierten des Südens, der gegen die Annahme des Dekret» stimmen werde, und begründete unter dem Lärm de?'Hauses seinen Standpunkt. B i s s o la t i. der anfangs gegen die Unternehmung in Libyen war, erklärte, er glaube nicht, daß sich die sozialistische Partei von den Gefühlen der ganzen Nation trennen dürfe. Er huldige mit patriotischem Herzen der heroischen Tapferkeit der Kämpfer zu Wasser und zu Lande, die dazu beigetragen habe, den moralischen Wert Italiens in der Welt immer mehr zu erhöhen, i!)(Lebhafter Beifall.) Er erkenne an. daß Italien die Besetzung Libyens seitens einer anderen Nation niemals hätte dulden können.(Allgemeiner Beifall.) Von der Opportunität des Dekrets vom 5. November sei er nicht überzeugt, aber er glaube und begreife, daß die Kammer eS billigen werde. Redner erklärte, er werde gegen den Entwurf iimmen, erkannte aber an, daß daS Unternehmen gewollt und durch einen ungeheuren Ausbruch nationaler Begeisterung aufgezwungen worden sei. Weder er, noch seine Freunde wollten der Regierung in diesem feierlichen Augenblick Schwierigkeiten schaffen.(Leb- hafter Beifall.) Diejenigen, die in Konstantinopel auf die Stimme der Sozialisten warteten und auf ihre Opposition rechneten, sollten wissen, daß die Sozialisten es auf keinen Fall an Rück- icht auf dieJnteressen d e S Vaterlandes fehlen lasfcnwürden.(Lebhafter Beifall.) A l e s s i o gab im Namen der radikalen Partei seine volle. offene und bedingungslose Zustimmung zu dem, was die Regierung rät daS Unternehmen in Libyen getan habe und noch tun müsse. Er billigte daS Dekret als eine Bekräftigung dessen, was Italien ich vorgenommen habe und wolle. Ein anderer Führer der Sozialisten. T u r a t i, erklärte, eine peinliche Pflicht erfüllen zu müssen, indem«r seiner abweichen- den Meinung Ausdruck gebe. Unter lärmendem Widerspruch des Hauses legte Redner die Gründe dar, warum er die Unter- nehmung nicht für angebracht halte und erklärte, er wolle«ine Kolonialpolitik der Arbeit, nicht der Waffen. E h i e s a fragte die Regierung»ach den Gründen für die Unternehmung und gab der Meinung Ausdruck, daß eine erleuchtet«. kluge, diplomatisch« Tätigkeit die italienischen Interessen unter Vermeidung eines Konfliktes hätte sicherstellen können. Keine Flottenaktion? Genf - 23. Februar. Der Pariser Korrespondent de»„Journal Geneve" teilt seinem Blatte mit: In letzter Zeit verlautete imuier wieder, daß gleich nach dem Zusammentritt de» italienischen Parlamente» eine neue und verstärkte Tätigkeit der italienischen Flotte in der europäischen Türkei einsetzen werde. Nunmehr wird au» bestinformiertcn Kreisen mitgeteilt, daß man von dieser Ab- ficht abgekommen sei. da man befürchtet, daß die italienischen Schiffe durch die im Bosporus gelegten Teeminen zwecklos zer- stört werden würden. Ran hat daher diesen Plan jetzt vollständig fallen lassen. Die Revolution in Ctzina. Mißtrauen gegen Japan . London , 23. Februar. Ter„Tailv Telegraph" meldet au» Peking : Große Beunruhigung ruft hier da» Vorgehen Japan » hervor. Neuerding» hat die japanische Regierung unter der Be- hauptung, daß augenblicklich keine Regierung in China vorhanden sei. über die chinesische Provinz Fing ften(Mandschurei ), provisorisch einen japanischen Gouverneur eingesetzt. politische deberlicbt. Berlin , den 23, Februar 1V12. Mädchenhandel und Staatsangehörigkeit. Aus dem Reichstage, 23. Februar. Am Freitag ging es recht ruhig und friedlich zu. Das Haus war nament- ich auf den rechten Bänken sehr leer, deren Besitzer sich offenbar schon daheim von den vielerlei Strapazen der agrari- chen Woche erholten. Es herrschte fast Ferienstimmung, und )ie Reihe der Redner sprach mehr zu den Stenographen als zu den spärlich vorhandenen Abgeordneten. Ter erste Gegenstand der Tagesordnung, die inter - nationale Konvention gegen den Mädchenhandel, begegnete allgemeiner Zustimmung, die von den verschiedenen Parteien reilich in sehr verschiedener Form gefaßt wurde. Schließlich 'ann man von den Sozialdemokraten nicht verlangen, daß sie ler Regierung besonders feierlich und bewegt danken, wie es namentlich der Nationalliberale Meyer und der Zentrums- abgeordnete Dr. Pfeiffer taten. Genosse G ö h r e. der Redner unserer Fraktion, zog es vor, unter grundsätzlicher An- Erkennung des Entwurfes die Lücken und Mängel hervor- zuHeben, die der Konvention anhaften, und auf die tieferen ozialen Ursachen des ganzen Uebels hinzuweisen. Viel geringer war die Einmütigkeit des Reichstags bei dem Entwurf eines neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes. Es väre erstaunlich gewesen, hätte die„preußische" Reichs- cegiernng nicht den Versuch gemacht, diese Neuregelung zu nner Ausdehnung der Rechte und Befugnisse der Verwaltung ;u mißbrauchet:., Genosse Dr. Liebknecht, der an erster Stelle für die Fraktion sprach, legte vor allem den Nachdruck seiner Kritik ruf diesen Teil des Werkes. Jhin erscheint mit Recht die Ein- lämmung der Polizeiwillkür die Hauptsache. Wie diese Willkür schon mit dem geltenden Recht umspringt, zeigte er an einigen prägnanten Fällen der Handhabung der Fremden- oolizei/ Jetzt will Preußen die schmale Einfallpforte für un» oequeme Ausländer in Süddeutschland schließen. Unser Redner machte gar keinen Hehl daraus, daß wir das Gesetz ab- lehnen werden, wenn die Verpreußungsversuche nicht beseitigt würden. Noch reformbedürftiger als daS Gesetz sei freilich Sie ausführende Verwaltung. Auch die Redner der anderen Parteien— dos Zentrum, die Konservativen, die Nationalliberalen und die Volks- oartei— kamen noch in den Abgg. Dr. Spahn. Dr. Gieie, Leck-Heidelberg und Waldstein zu Wort, hatten allerhand Einzelheiten an dem vom Staatssekretär Delbrück niit einer vrofessoralen Kathederrede eingeführten Entwurf auszusetzen. So konnte infolge der Notwendigkeit gründlicher Aussprache die Ueberweijung an eine Kommission noch nicht erfolgen. Am Dienstag geht es also weiter. Abgeordnetenhaus. Zu Beginn der heutigen Sitzung brachte Genosse Sorchardt eine Schikane der Tanziger Justizbchördeit gegen unser dortiges Pärteiblatt zur Sprache. Man macht lich dort den Spaß, dem Redakteur Genossen Crispien aen Zutritt zum Pressetisch bei den Gerichtsderhand- lungen zu versagen, weil er ein..bestrafter" Mensch ist. In der Tat hat er einmal wegen„gemeinschaft- lichen Hausfriedensbruchs" 14 Tage im Gefängnis gesessen. Mit scharfer Ironie wies unser Redner nach, daß es sich um sine rein politische Bestrafung bandelte, an der die Herren (liberalen die Hauptschuld tränen, weil sie damals— es war im Jabre 1903— sich noch nicht so weit'entwickelt hatten, um nit Sozialdemokraten über Wahlhilfe auch nur zu dis- (utieren. Die Sache spielte damals in Königsberg . Dies gab dem freisinnigen Herrn G y ß l i n g, dem Königsberger Abgeordneten. Veranlassung, durch einen Zwischenruf zu ver- sichern, daß man es in seiner Vaterstadt heute noch ebenso mache. Genosse Borchardt konstatierte demgemäß, daß die Liberelen in Königsberg heute noch genau so rückständig sind vie vor neun Jahren. Im übrigen legte er dar, daß das tlles doch nur Vorwände seien, während in Wirklichkeit die Justizbehörden in Tanzig hoffen, durch solche kleinlichen Nadelstiche unser Blatt und unsere Bewegung zu schädigen. Dem Justizminister waren die Ausführungen ersichtlich unangenehm; er verteidigte das Vorgehen seiner Untergebenen mit keinem Wort, sondern zog sich hinter die Erklärung zurück, daß er über die Zulassung zu Verhandlungen den Gerichts- vräsidenten keine Vorschriften machen könne. Der Wink ist deutlich genug; hoffen wir, daß ihn die Herren Präfidenten in Danzig beherzigen. Swndenlang stoß alsdann die Debatte öde wie ein trübes Wässerlein dahin, bis es nachmittags 3 Uhr dem Herrn Äronowski vom Zentrum einfiel, eine scharfe Attacke gegen die Sozialdemokratie zu reiten. Er be- !ant es fertig, sich darüber zu beschweren, daß sozialdenio- statische Zeitungen— noch zu wenig anklagt werden! Der Minister möge die Staatsanwälte anweisen, noch öfter im angeblichen„öffentlichen Interesse" Anklage zu erheben. Sein Parteigenosse Bell verlangte sogar, daß der Staatsanwalt 'einen Schutz auch auf die Abgeordneten ausdehnen solle. Es var bttter. daß Herr Gronowski aus dem Munde des Ministers hören mußte, wie überflüssig sein Verlangen sei, la das. was er will, schon jetzt„gar nicht selten geschieht". Im übrigen ließ es unser Redner. Genosse B o r ch a r d t, an siner derben Abfertigung nicht fehlen. Er wies nach, daß ;. B. die„Deutsche Tageszeitung" fast jeden Abend unflätige Angriste gegen die sozialdemokratischen Abgeordneten ver- affentticht, so daß sie gar nicht aus dem Gefängnis heraus- 'ame. wenn wirklich unparteiisch nach den Wünschen der Herren GronowSki und Bell verfahren würde. Er verlas ein Urteil des Zentralorgans der katholischen Geistlichkeit Bayerns , wonach� in„roher, raffiniert verletzender Preß- volemik" die katholische Presse„noch schofler" ist als die tegnerische. Für sich und seine Parteifreund« wies er den Schuö des Staatsanwalts nachdrücklich zurück. Vor allem aber betonte er, daß die Herren vom Zentrum ihr Verlangen einstellen würden, wenn sie nicht ganz genau wüßten, daß gegen sie selbst und ihre Presse der Staatsanwalt doch nicht vorgehen wird. Und nun geschah das Gewohnte, tief Beschämende; noch einmal bestteg Herr Gronowski die Tribüne, um allerlei Beschuldigungen gegen die Sozialdemokratie vorzubringen— und dann wurde ein Schlußantrag angenommen, obwohl noch die Genossen Borchardt und Ströbel zum Wort ge- meldet waren. Im Zentrum stimmten unter anderem die Herren B r u st und Im b u s ch,.Arbeitervertreter", für den Schluß.
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