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GewerkfcbaftUchea. - Die Koblctiftrife in Großbritannien , t f' London , 21. Februar 1S12.(Eig. Ber.I Die Sensation�?resse tut ihr Bestes, um die öffentliche Meinung ' über den bevorstehenden Kampf in der britischen Bergwerksindustrie i irrezuführen oder zu verwirren, und selbst sonst gut informierte Blätter publizieren den haarsträubendsten Unsinn über eine Be- i megung, die für jemand, der sich für das Leben der Bergarbeiter i etwas interessiert, nicht allzu schwer zu verstehen ist. Die Panik, ! die die bürgerliche Gesellschaft Großbritanniens ergriffen hat, ist f die Reaktion auf die sorglose Stimmung, die noch bis vor kurzem < herrschte. Man glaubte nicht, daß es die Bergarbeiter mit ihren > Forderungen ernst meinten, daß sie, wenn nötig, in den General- j, streik treten würden, um den individuellen Minimallohn zu er- ' ringen. Die Bergarbeiter waren ruhig, und einen Bergarbeiter- { streik ohne Tumulte und Aufregung hielt man nicht für möglich. i Aber gerade das ruhige, methodische Vorgehen der Bergknappen hätte die Welt der Arbeitgeber warnen sollen. Es zeigte, daß es die Arbeiter ernst meinen. Tumulte und Aufregung sind meist ein Zeichen der Schwäche. Wenn man. wie der britische Bergarbeiter, eine starke Organisation von über(500 000 Untertagsarbeitern im Rücken hat und über einen Kriegsschatz von 3 bis 4 Millionen Pfund > Sterling verfügt, hat man keine Ursache, sich sonderlich aufzuregen, \ sondern macht sich hurtig an die Arbeit, seine Machtmittel in bester Weise auszunützen. Der Kampf der britischen Bergarbeiter dreht sich um den indi- - ptduellen Minimallohn für alle Untertagsarbeiter. Bisher bestand in allen Revieren, außer Durham und Northumberland , ein söge- nannter allgemeiner Minimallohn, der sich zusammensetzt aus einem festen Grundlohn(dem Durchschnittslohn der Jahre 1877, 187g oder 1888) und dem dazu bezahlten prozentualen Zuschlag. Die unterste Lohngrenze bildet je nach dem Revier ein Zuschlag von 3714 und SO Proz. Darüber hinaus variiert der Zuschlag mit dem Steigen und Sinken der Kohlenpreise, die meist alle paar Monate festgestellt werden. Die Löhne werden von den Einigungs- ämtern ausgemacht, in denen Arbeiter und Arbeitgeber in gleicher Stärke vertreten sind. Es gibt fünf solcher Einigungsämter: das englische oder mittelenglische, das südwalisische, das schottische und die Aemter für Durham und Northumberland . In der Theorie verdienen alle Bergarbeiter, die ehrlich arbeiten, mindestens den Minimallohn, der im Einigungsamt von den Vertretern der Ge- werkschaficn und den Arbeitgebern abgemacht worden ist. In der Praxis ist eS jedoch wesentlich anders. Der eigentliche Bergarbeiter, der Hauer, arbeitet im Akkord; für die Tonne Kohle, die er ans Tageslicht fördert und die dort von dem Wiegemeister des Unter- nehmerS unter der Aufsicht des Wiegemeisters der Arbeiter ge- wogen wird, erhält er so und so viel. Wären nun die Kohlenflöze überall gleichmäßig und entstünden keinerlei Betriebsstörungen, so könnte der Hauer zweifelsohne stets auf seinen Lohn kommen. DieS ist jedoch nicht der Fall. Im Laufe seiner Arbeit stößt der Bergmann auf schwierige Stellen, wo es ihm mit dem besten Willen nicht möglich ist, den Minimallohn zu verdienen. Betriebsstörungen aller Art kürzen ebenfalls häufig den Lohn des fleißigsten Knappen. Die zuverlässigsten Autoritäten schätzen die Zahl der Bergleute, die jahraus, jahrein nicht auf ihren Lohn kommen können, auf LS Proz. der gesamten Bergarbeiterschaft Großbritanniens. Die britische Bergarbeiterschaft trachtet nun danach, diesem Uebel abzuhelfen und den allgemeinen Minimallohn zu einem wirk- lichen, einem individuellen zu machen, der schon für eine groß« Zahl der unterirdisch im Tagelohn stehenden Hilfsarbeiter der Hauer besteht. Ihre Forderung bedeutet den weiteren Ausbau oder besser die richtige Anwendung des bestehenden Lohnregelungssystems. Die letzte Generalversammlung zu Southport faßte den Beschluß und verpflichtete jeden der Föderation angeschlossenen Verband zur Solidarität in dieser Frage, die wenn notwendig durch den General- streik gelöst werden sollte. Seit dieser Konferenz haben lange Ver- Handlungen zwischen den Arbeitern und den Arbeitgebern statt- gefunden; aber die Verhandlungen haben keinen Erfolg gehabt. In den einzelnen Revieren lehnten die Unternehmer die Forderung der Bergarbeiter kurzerhand ab. In Schottland und Südwales weigerten sich die Unternehmer gar, die Frage überhaupt zu dis- kuticren und gaben als Grund ihrer Weigerung an, daß die Forde- rung der Arbeiter mit der Drohung eines Generalstreiks ein Bruch der noch nicht abgelaufenen Lohnkontrakte bedeute. Die Bergarbeiter weisen jedoch darauf hin, daß von einem Kontraktbruch nicht die Red« sein könne. Mit ihrer Forderung bezweckten sie nur, der all- gemeinen Lohnabmachung in jedem Falle Geltung zu verschaffen. Jedes Jahr gäben die Verbände Tausende aus, um einzelne Arbeit- gcbcr zu zwingen, ihren Arbeitern die abgemachten Löhne zu be- zahlen. Wenn die Unternehmer über Kontraktbruch klagen wollten, so hätten sie dies schon längst tun sollen. Die Arbeiter gingen jetzt auf der ganzen Linie vor, um dem Uebel für immer den HlarauS zu machen. Nur die mittelenglischen Kohlenbesitzer zeigten sich ge- neigt, mit den Arbeitern ernsthaft über den individuellen Minimal- lohn zu verhandeln. Gleich zu Anfang nahmen die Vertreter der Arbeitgeber in diesen Revieren die Minimallohnfordcrung prin- zipiell an; vor einigen� Tagen boten sie sogar den Arbeitern einen Minimallohn in der Höhe von 6 Schilling und IVi Pence an, der jedoch von den Arbeitervertretern als unzureichend abgeschlagen wurde. Auch die Verhandlungen, die auf nationaler Grundlage, d. h. zwischen den Vertretern der Dcrgarbeiterföderation und der Gesamtunternehmerschaft des Landes gepflogen wurden, sind gänz- lich fehlgeschlagen. Die Mehrheit der Unternehmer erklärt, daß ein Minimallohn für im Akkord stehend« Hauer unmöglich durch- zuführen sei, es sei denn, daß die Arbeiter Garantien gegen Schädi- gung der Arbeitgeber durch faule Hauer schüfen. Tie Arbeiter sind auch geneigt, diese Garantien zu schaffen. Sie schlagen besondere Ausschüsse vor, die die Klagen der Unternehmer über träge Arbeiter anhören sollen. Das genügt den Kohlenbesitzern jedoch nicht. Per- schicdene andere Vorschläge sind von der Unternehmerschaft gemacht worden. So ist ein Projekt erörtert worden, nach dem allen Berg- arbeitern des Landes eine Lohnerhöhung von 6 Proz. gewährt werden soll. Die Lohnerhöhung soll aber nicht den einzelnen Arbeitern ausgezahlt werden, sondern in eine von der Gewerk- schaft zu verwaltende Kasse fließen, aus der die Löhne der Arbeiter, die nicht aus den Minimallohn kommen, zu ergänzen wären. Natür- lich hüten sich die Arbeiter, diesem gefährlichen Plan zuzustimmen. Uebrigens ist die Frage der trägen Arbeiter nicht von der Bedcu- tung, die ihr die Kohlenbesitzer aus taktischen Gründen geben. Es wäre töricht, zu verneinen, daß es auch ukiter den Bergarbeitern wie in jeder Bevölkerungsschicht träge Menschen gibt. Aber wenn die Bergarbeiter als Klasse ein Laster haben, so ist es sicher nicht die Trägheit. Ihr Laster ist vielmehr, daß sie. um ein paar Pfennig« mehr zu verdienen, zu- viel arbeiten. Ter garantierte Minimallohn wird die Hauer nicht'davon abhalten, zu versuchen, genau so wie heute, mehr zu verdienen als dt» nitdrigsten Lohn. Mitte Januar erklärten sich die briiischen Bergarbeiter mit 41? 501 gegen 115 921 Stimmen für den Generalstreik, der nun aller Wahrscheinlichkeit nach am 1. März ausbrechen wird. Seit der Konferenz, die am 7. Februar zwischen den Vertretern der Berg- erbeiterföderation und der Gesamtunternehmerschaft Großbritan- Verantw. Redakteur: Albert Wachs, Berliw Inseratenteil verantw�: nien» stattfand, hat sich trotz aller gegenteiligen Behauptungen wenig oder nichts geändert. Die Bergarbeiter erklärten damals den Unternehmern, die ihnen die Regelung der Frage der abnormen Arbeitsstellen anboten und die Minimallohnforderung ablehnten, in einer Resolution: .Wir bedauern, daß sich die Kohlenbesitzer geweigert haben, das Prinzip eines individuellen Minimallohnes für alle unter- irdisch beschäftigten Männer und Knaben anzuerkennen, da wir wissen, daß der gegenwärtige Streit nicht beigelegt werden kann. wenn dieses Prinzip nicht anerkannt wird. Jedoch angesichts der Tatsach«, daß wir nicht den Wunsch hegen, es in der Kohlenindustrie des Landes zu einem Bruch kommen zu lassen, sind wir bereit, mit den Kohlenbesitzern zu irgendeiner Zeit zusammenzukommen, um die Angelegenheit weiter zu diskutieren, wenn die Kohlenbcsitzcr den Wunsch äußern, dies zu tun." Das war klar und deutlich. Sertln und Umgegend. Friede in der Damenkonfektion! Unter diesem Titel brachten im Laufe der vergangenen Wochen fast sämtliche Berliner Blätter eine Notiz. Wie wir nun erfahren, ist dieser Frieden durch die von den Unternehmern dieser Branche gemachten prozentualen Zu- schlüge, welche in den Kreisen der selbständigen Schneider sowie in denen der organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen eine große Mißstimmung hervorgerufen haben, für die Dauer nicht gewähr- leistet, und haben die letzteren zur Aufklärung dieser Angelegenheit eine öffentliche Versammlnug einberufen, zu welcher auch die Firmcninhaber ganz besonders geladen sind. Achtung, Friseurgehilfen! In die Liste der taristreuen Ge- schäfte ist noch nachzutragen: Marx, Wiesenstraße 19, Loth, Hochstr. 33, B e ck, Rhinower Straße 7, I ä ck e l, Strelitzer Str. 12, Sommerfeldt, Buggenhagener Str. 6, Bernhardt, Mariendorf , Kurfürstenstr. 48. Verband der Friscurgchilfen. Deutsches Reich . Auch ein Kennzeichen für die Stimmung im Ruhrgebiet . Eine die Situation im Ruhrgebiet beleuchtende Wahl wurde am 22. Februar auf Zeche.Viktoria" in Lünen vollzogen. Die Wahl hatte um so mehr Bedeutung, als es die erste im Ruhrgebiet ist, die nach der Streikbruchproilamation der christlichen Führer stattfand. Zur Wahl standen drei Arbeiterausschußmitglieder. Es erhielten Stimmen: Verband 175, Gewerkverein 30. Bei der letzten Wahl am 4. April 1911 erhielten: Verband 80, Gewerkverein 41. Der Verband hat 95 Stimmen zugenommen, der Gewerkvcrcin 11 Stimmen verloren. Trotzdem behaupten die Christlichen , nur sie allein besäßen das Vertrauen der Masse. Arbeitswillige Vandalen. IN Lübeck befinden sich seit mehreren Monaten die Mühlen- arbeiter der Firma Brüggen in einem harten Kampf um eine geringfügige Forderung. Die Firma, die angeblich nicht in der Lage ist, den bescheidenen Forderungen ihrer Arbeiter zu ent- sprechen, ließ sich gegen schweres Geld eine Anzahl Hintzebrüder aus Hamburg kommen, mit deren Hilfe man die Streikenden kirre zu machen hofft. Welche Elemente sich aber unter diesen Stützen des Kapitals befinden, dafür lieferte eine Schöffengerichtsver- Handlung, die am letzten Donnerstag in Lübeck stattfand, einen sprechenden Beweis. Fünf dieser..Edlen" hatten sich wegen Haus- friedensbruchs, Sachbeschädigung, Diebstahls und Körperverletzung zu verantworten. An einem Sonntag im Januar begaben sich die Arbeitswilligen Brüse, Viereck, Dromowitz, Noack und Landowsky in eine Gastwirtschaft. Sie gaben sich hier als Schifferknechte aus und zechten. Als die Burschen betrunken waren, begannen sie eine Balgerei, in deren Verlauf sie einen Musikautomaten zertrümmerten. Der Wirt gebot hierauf Feierabend. Nun schlugen sie einen großen Zigarrenabschneider entzwei, demolierten die Lampe und warfen mit Gläsern und Stühlen in der Gaststube herum. Die Gäste flüchteten. Der Wirt, der sich der unangenehmen Gesellschaft nicht ertvehren konnte, eilte in seine im Oberstock befindliche Wohnung, von Brüse verfolgt. Dieser schrie fortwährend:Wir wollen morden, morden, morden!" Nachdem Brüse und Landowsky die WohnungStür zertrümmert hatten, ergriffen sie den Wirt, einen alten Mann, warfen ihn zu Boden und mißhandelten ihn. Der Wirt trug eine nicht unerhebliche Wunde am Kopf davon. Schließ- lich eignete sich Viereck noch einen fremden Ueberzieher an, den er unterwegs an Brüse abgab. Darauf enrfernten sich die Burscheu, von der inzwischen alarmierten Polizei verfolgt.. Es gelang, die- selben noch am gleichen Abend dingfest zu machen. Die Angeklagten, die sämtlich erheblich wegen aller möglichen Delikte vorbestraft sind, benahmen sich vor Gericht äußerst frech. Der Staatsanwalt be­antragte gegen Brüse 14 Monate, gegen Viereck 8 Monate, gegen Dromowitz und Noack je 5 Monate und gegen Landowsky 10 Mo- nate Gefängnis. Das Gericht erkannte gegen die rüden Streik- brecher auf wesentlich mildere Strafen. Brüse erhielt 5 Monate, Viereck 7 Wochen. Dromowitz 5 Wochen. Noack 1 Monat und Lan- dowsky 14 Wochen Gefängnis. Das sind dienützlichen" Ele- mcnte, denen nach Meinung gewisser Regierungskreise em erhöhter gesetzlicher Schutz zugesichert werden soll. Zur Porzellanarbeiteraussperrung berichtet die bürgerliche Presse aus Rudolstadt , daß am Montag 19 000 Porzellanarbeiter ausgesperrt werden. Diese Meldung ist total falsch, da eS in Rudol. stadt voraussichtlich überhaupt zu keiner Aussperrung kommt. In Rudolstadt werden insgesamt nur etwa 600 Porzellanarbeiter be- schäftigt, von denen 300 für die Aussperrung in Betracht kommen könnten. Nach dem Beschluß der Unternehmerorganisarion soll es nach acht Tagen den Unorganisierten freigestellt sein, die Arbeit wieder auszunehmen. Wenn die Unorganisierten die Arbeit auf- nehmen, so verbleiben etwa 150 Ausgesperrte. Die von der bürger- lichen Presse angegebene Zahl von 19 000 entspricht ungefähr der für ganz Deutschland in Frage kommenden Zahl der Ausgesperrten. /ins der Frauenbewegung. Ter Schutz des Hauses. Ten Reaktionären gilt eS als eine ausgemachte Sache, daß da-Z Haus und die Landwirtschaft als die Pflcgestätten wahren Frauentumtz und der Sittlichkeit zu gellen habe». Tie Fabriken und Werkstätten, Kaufhäuser usw. sollen Brutstätten der Unzucht und Liederlichkeit sein. Im Lichte der Statistik sieht die Wirklichkeit allerdings etwas anders aus. Mit solcher Konstatierung wollen wir keineswegs be- baupten. daß die gewerbliche Tätigkeit da» moralische Niveau bebe. Aber sie ist eine Logik der ganzen wirtschaftlichen und technischen Ent- wickelung. Das Lob der haus- und landwirtschaftlichen Tärigleil ent- springt übrigens ja auch nur der Sucht nach Argumenten gegen die moderne Frauenbewegung und allen sich aus den gesellschaftlichen Pflichten und Lasten der Frau ergebenden Rechtsansprüchen. Wie wenig die Ehrenrettung des Hanfes und der Landwirtschaft als Boll- werk der Sittlichkeit nach streng bürgerlicher Auffassung berechtigt ist, demonstrieren folgende Zahlen, die wir der amtlichen preußischen Statistik entnehmen. Danach wurden in Preußen im Jahre 1910 nicht weniger als 94 446 lebende Kinder unehelich geboren. Die unehelichen machen 9,2 Proz. der ehelich Geborenen au«. Tot- Th. Glocke, BerLq. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u Lerlagsanftalt geboren wurden zudem noch 4249 Kinder unehelich, gleich 13 Proz. der ehelich Totgeborenen. Das sind gewiß hohe Anteile unehelich Geborener an der Gesamtzahl. Nun ist aber von Interesse zu unter« suchen, auS welchen Berufen sich die Mütter refp. Väter der unebe« lichen Kinder rekrutieren. Folgende Aufstellung gibt darüber Auf« fchluß. Bon den unehelichen Geburten entfallen auf Land- und Forstwirtschaft. 29 998 Häusliche Dienste.... 23 419 zusammen 53 417 Diesen beiden Benlfsgruppen gehören zusammen noch nicht 30 Proz. der Gesanttbevölkerung an, aber sie stellen 54 Proz. aller unehelichen Geburten. Dazu ist weiter zu berück- sichtigen, daß unter den unehelichen, gewerblich tätigen Müttern sehr viele als schwanger dasschützende" Hau? verlassen mußten, in dem sie bis dahin als Dienstmädchen tälig waren. Sodann war von den ohne Berufsangabe gemeldeten und in Anstalten befindlichen unebelichcn Müttern auch wohl der größte Teil ebenfalls ehemals als Dienstbote oder ländliche Arbeiterinnen tätig. Verlassen und ver- stoßen suchten sie irgendwo ein Unterkommen; in den Verzwciflungs« fällen flüchteten sie nach der großen Stadt, um hier ungckannt uniec« zutauchen. Diese Verhältniffe sprechen natürlich nicht für die Aufrecht- rechterhalning der Rechtlosigkeit der Frau. Im Gegenteil, sie unter- stützen in sehr energischer Weise die Forderung nach Aufhebung der Gesindesklaverei, der Sicherung wirtschaftlicher Selbständigkeit der Frau, staatsbürgerlichem Recht für sich, ausreichendem Schlvangercii-, Mutler- und SäuglingSichuy und vor allem: bedingungslose Legali« sierwig der unehelichen Kinder und ihrer Mütter. I�et2te Nacbrichtcn. Fortsetzung der Anncxionsdebatte in Rom . Rom , 23. Februar. Barzilai erklärte, auch im Namen anderer Republikaner , daß er für die Vorlage stimmen werde, trotz- dem er ein Gegner dcS Kabinetts fei. Der Krieg um Tripolis ' sei eine unaufschiebbare historische Notwendigkeit für die Politik Italiens gelvcsen. lLebhafter Beifall.) Das Parlament könne das Dekret, das durch das beste italienische Blut bereits Geltung erhalten habe, nicht mehr außer Kraft setzten. Italien müsse und werde in Libyen bleiben.(Lebhafter Beifall.) Enrico F e r r i sprach sich zugunsten des kolonialen Unternehmens aus und er- klärte, daß er für die Gültigkeit des Dekrets und für die Regierung stimmen werde, zu der er das Vertrauen habe, daß sie das an- gekündigte Programm demokratischer, ökonomischer und politischer Reformen zu Ausführung bringen werde. Durch seine heutige Abstimmung werde das italienische Parlament der zivilisierten Welt gegenüber die neue Bestimmung des italienischen Volkes seier- lich bestätigen. G i o l i t t i erklärte unter großer Aufmeicksamkeit des Hauses. er stelle mit Genugtuung fest, daß die Beifallsbezeugungen der Kammer bewiesen, daß die große Mehrheit derselben die Gesetzes- Vorlage billige. Er müsse aber dennoch auf verschiedene Bemer- kungen der Vorredner antworten. Er erkenne mit Sonnino an, daß die heutige Abstimmung nicht die Bedeutung einer Vertrauens­kundgebung für die Regierung haben müsse. Es handle sich viel- mehr um eine weit höhere Frage, die die wichtigsten Interessen des Vaterlandes berühre. Beifall.) Das Beispiel aller zivilisierten Länder beweise, daß das koloniale Problem sich als oberste Not- wendigkcit aufdränge und er wünsche von Herzen, daß ti keine anderen Kriege als Kolonialkriege geben möge, die Kriege der Zivilisation seien. Lebhafter Beifall.) Italien hätte niemals dul- den können, daß andere von Tripolis , seinem ständigen Ziel, Be- sitz ergriffen, und weiteres Abwarten würde zu schmerzlichen Kon- flikten geführt haben. �Lebhafter Beifall.) Giolitti fuhr fort, das Dekret sei nicht die Annexion. Es bestätig« die Souveränität Italiens, die sich in der Weise em- wickeln werde, wie es die Spezialgesetze bestimmen werden, die auf die besonderen lokalen Bedingungen und die religiösen Ge- fühle dieser Völker Rücksicht nehmen würden. Italien habe sich nicht damit einverstanden erklären können, bah die politische Souveränität der Türkei in diesen Ländern fortdauerte. Um alle Illusionen zu nehmen, um zu zeigen, daß das Land um jeden Preis entschlossen sei(sehr ledhafter, lananhaltender Beifall), über diesen Punkt nicht zu verhandeln, und damit Freunde, Verbündete und Feinde wüßten, welches der Punkt sei, über den Italien in seinen Zugeständnissen nickt werde hinausgehen können, habe sich das Dekret als eine absolute Notwendigkeit aufgedrängt.(Sehr leb- hafter Beifall.) Giolitti schloß, indem er die Kammer aufforderte, den Gesetzentwurf anzunehmen und so den Beweis zu geben, für den festen Willen der Kammer als Dolmetfck des treuen, festen und einmütigen Willens des Landes.(Der Präsident der Kammer, die Minister und Deputierten erhoben sich unter lebhaften und be- geisterten Beifallsrufen von ihren Sitzen.) Nach Sckluß der Debatte hat die Deputiertenkammer durch namentliche Abstimmung mit 431 gegen 38 Stimmen und einer Stimmenthaltung eine von der Regierung gebilligte Tagesordnung Carcano angenommen, die besagt: Tie Kammer geht, in der sicheren Ileberzeugung, damit dem allgemeinen Gefühl des Landes zu entsprechen, zur Besprechung der einzelnen Artikel dcS Gesetzentwurfes betr. da? Annexionsdekret vom 5. November über. Der Gesetzentwurf betreffend die Genehmigung de« Dekrets vom 5. November 1911 wurde in geheimer Abstimmung mit 423 gegen 9 Stimmen angenommen. Preßanklagen cnaros in Kroatien. Lgram, 23. Februar.(P. C.i Die Staatsanwaltschaft ha» 186(!) Anklagen gegen Redakteure der Agramer Blätter erhoben. In den Anklagen wird Bezug genommen auf die während der kurzen Amtszeit des neuen Banus konfiszierten Artikel, die Per- gehen gegen das Preßgefctz enthalten. Der Untersuchungsrichter hat bereits mehrere der angeklagten Redakteure verhört; einer der Redakteure hatte an einem Tage nicht weniger als 10 Lerhire zu bestehen. Die Massenkonfiskationen der kroatischen Blätter dauern an. Ende der englischen Lldrcßdcbatte. London , 23. Februar.(W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses wurde die Adreßdebatte fortgesetzt und schließlich die Adresse angenommen. Zur belgischen Wahlreform. Brüssel , 23. Februar.(W. T. B.) Ter Minister de? Innern hat in der Kammer einen Antrag eingebracht, wonach auf Grund der Ergebnisse der letzten Volkszählung vom 1. Januar 1911 die Anzahl der Deputiertensipe um zwanzig und die Anzahl der Sitze im Senat um zehn erhöht werden. Die Dcputicrtenkammer wird demnach anstatt 166 in Zukunft 186 Sitze und der Senat 94 an- statt 84 Sitze haben._ Kämpfe in der Mandschurei . Mukden, 23. Februar.(W. T. B.) Nach hartnäckigem ßainpse mit den Revolutionären hat das von hier alPefandte Detachement Tieling eingenommen. Die revolutionäre Abteilung, die 370 Mann stark war, zog sich auf die Station Tschungku zurück. Ein Ueberfall der Revolutionäre auf Fakumen wurde zurück« e- schlagen. Kuldscha, 23. Februar.(W. T. B.) Bei dem Kampfe in der Nähe von Sclükho verloren die Revolutionäre 20 Tote und 50 Ver- wundete. Die Verluste der Regicrungstruppen an Toten u>id Ver- Mündeten sind sehr bedeutend. Tie Regierungstruppen zogeqlawp auf Schikho zurück und liehen auf dem Scklachtfelde vierMWü' schütze zurück. Die Revolutionäre nahmen 200 Mann gefangM�« Paul Singer L Co., Berlin SW. Hierzu 4 Beilagen».