Einzelbild herunterladen
 
Untersuchungen auf über tOOOOO M. erhöbt wird, statt der 560 000 Mark, die im Etat angesetzt sind. Die Freisinnigen wollen die Kaliabgaben aus 15 Pf. pro Doppelzentner herabgesetzt wissen. Die Sozialdemokraten fordern, die Ausgaben für praktische Untersuchungen und bei der Propaganda von insgesamt 4 050 000 auf 3 300 000 M. herabzusetzen. Ferner stellten sie den gestern schon mitgeteilten Antrag betreffend Arbeiterlöhne. Staats- sekretär Mermuth   macht darauf aufmerksam, daß die Reichs- einnahmen durch alle vorliegenden Anträge geschädigt würden. Staatssekretär Delbrück   schließt sich diesen Ausführungen an. Das Reich könne die Abgaben nicht entbehren wegen der hohen Kosten, die ihm durch die Einführung des Gesetzes erlvachsen. Er glaube auch nicht, daß der Bundesrat jetzt geneigt sein werde, sich auf den Boden der Anträge zu stellen. Im vorliegenden Etat so tief eingreifende Aenderungen eintreten zu lassen, sei geradezu unmöglich. Die 5wli Propaganda werde nicht übermäßig, sondern vielmehr noch zu gering betrieben. IZus der parteü Geheime Tripolis  -Freundlichkeit sozialistischer Abgeordneten? Rom  , 30. Februar. sEig. Ber.) Mit großer und schmerzlicher Bestürzung nimmt man in italienischen Parteikreisen zur Kenntnis, daß bei der geheimen Abstimmung, die der namentlichen Ab- stimmung über das Annexionsdekret folgte, nur neun schwarze Kugeln gezählt wurden, obwohl 21 sozialistische Abgeordnete sich an dem Votum beteiligt haben. Man fragt sich nun, ob es möglich ist, daß Parteigenossen in geheimer Abstimmung anders gestimmt hätten als in öffentlicher, oder ob etwa eine Fälschung des Resultats bei der Auszählung der Kugeln durchgeführt wurde. Wie es heißt, wollen einige Parteigenossen, die an der Abstimmung teilgenommen haben, ihren gleichfalls anwesenden Kollegen eine Erklärung ab- verlangen, in der auf Ehrenwort versichert wird, daß sie bei beiden Abstimmungen in gleichem Sinne gestimmt haben. Begreiflicherweise wird die durch die vorliegenden Zahlen geschaffene Sachlage von der gesamten Partei als peinlich und demütigend empfunden, so daß es dringend wünschenswert wäre, Aufklärung zu verschaffen. Falls die beiden bürgerlichen Abgeordneten P i n ch i a und Fürst C a e t a n i bei der geheimen Abstimmung ebenso gegen das Dekret gestimmt haben, wie bei der namentlichen, so fiele auf 14 Sozia- listen der Verdacht, in geheimer Abstimmung Tripolisfreunde zu sein und dabei nicht einmal den Mut ihrer eigenen Ueberzcugung zu haben._ Biffolati aus der Partei ausgetreten. Rom  , 29. Februar.(Privattelegramm desVorwärts".) In einer Fraktionssitzung erklärte Bissolati seinen Austritt aus der Parteifraktion, um ein Element der Uneinigkeit zu beseitigen. Daraufhin beschlossen die Abgeordneten die Gründung einer einzigen Parteifraktion auf der Grundlage der Parteidisziplin. AuS den Organisationen. Der sozialdemokratische Verein für den Wahlkreis Frank- furt a. M. beschloß in seiner letzten Generalversammlung, den Monatsbeitrag für die männlichen Mitglieder von 40 Pf. auf 50 Pf. zu erhöhen. Der Frauenbeitrag bleibt 30 Pf. Die Veranlassung zu der Beilragserhöhung gaben die außerordentlich hohen Ausgaben bei der Reichstagswahl und die Rücksicht auf die bevorstehenden Wahlen. Im vierten Quartal 1911 steigerte der Verein seine Mitgliederzahl um 1100 auf 3937. Zurzeit dürfte er gegen 10 000 Mitglieder zählen.'_ Bezirks-ParteisekretariatNordwest". Die wachsenden Partei- arbeiten veranlaßten den Ende August v. I. tagenden Bezirks- Parteitag die Errichtung eines Bezirks-Parteisekretarials zu beantragen, Der Parteivorstand stimmte Ende v. I. diesem Beschlüsse zu, so daß das Bezirks-Parteisekretariat am 1. Februar eröffnet werden konnte. Der BezirkNordwest" umfaßt: Bremen  , den 0., 17., 18. und 19. hannoverschen Wahlkreis. Der Sitz des Sekretariats ist Bremen  , Geern 0/8. Zunr Sekretär wurde Genosse L. W a i g a n d gewählt. poUzeUicbes, ßericbtiichcs ufw. Die Gemeindeautorität. Wegen Beleidigung eines Nachtwächters von Langenhain   wurde Gen, G e i t h n e r vomGothaer Volksblatt zu 20 M. ver- urteilt. Dem Nachtwächter war der Vorwurf gemacht worden, daß er in den schönen Augustnächten die Aepfelbänme der Einwohner ableerte, anstalt sie zu beschützen. Zwei Zeugen bestätigten vor dem Schöffengericht am Mittwoch den von ihnen zweimal beobachteten Vorgang, aber der Amtsanwalt und das Gericht nahmen den Wächter stark in Schutz, da sehr wohl eine Verwechselung vorliegen könne und es sich um eine glaubwürdige Person, die eine Autorität im Dorfe sei, handele._ Der HeicHsverband als Kläger  . Zur Ehrenrettung des Reichsverbandes hat sein gesamter Vor- stand, 12 Personen mit Herrn v. Liebert an der Spitze� eine Be- lridigungsklage gegen unseren verantwortlichen Redakteur, Gc- nassen Barth, eingereicht. Ten Anlaß zur Klage bot ein am 9. November v. I. veröffent- lichter kurzer Artikel über den Wahlkampf in Lübeck  . Der Reichs- verband, dem kein Mittel zu schlecht ist, wenn es im Kampfe gegen die Sozialdemokratie Verwendung finden kann, der Reichsverband, dem es auf eine Handvoll Unwahrheiten gar nicht ankommt, wenn sie nur eine Wirkung gegen die Sozialdemokratie versprechen, ist bekanntlich sehr empfindlich, wenn die von ihm Verunglimpften sich mit scharfen Worten wehren. In diesem Falle haben es dem klagenden Vorstande zwei Sätze unseres Artikels angetan. In dem einen Satz heißt es, der berüchtigte Reichsverband gegen die Sozialdemokratie habe schon im Wahlkampf 1907 auch in Lübeck  den Gipfel der Niedertracht zu erreichen versucht. Der andere Satz lautet:Im Fürstentum Lübeck   hoffen die bürgerlichen Parteien den Wahlkampf ebenfalls durch die Mitwirkung des Rcichsverbandes vergiften zu können." Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfcld, bot Beweis dafür an, daß sich der Reichsverband 1907 in Lübeck   nicht nur bemüht habe, den Gipfel der Niedertracht zu erreichen, sondern daß ihm das auch gelungen sei. Der Verteidiger verwies darauf, daß ein Flugblatt des Reichsverbandes in Lübeck  1907 die schon wer weiß wie oft widerlegte Lüge verbreitete, der alte Liebknecht   habe imVolksstaat" die Soldaten, welche aus dem Kriege von 1870/71 heimkehrten, als zweibeinige Tiere in Uniform bezeichnet. Nachdem diese Behauptung durch ein sozialdemokrati- sches Flugblatt als Lüge nachgewiesen war, hat sie der Reichs- verband aufs neue verbreitet, in etwas abgeschwächter Form zwar. aber doch so, daß die Leser annehmen mußten, der alte Liebknecht habe die Soldaten schlechtweg als zweibeinige Tiere in Uniform beschimpft. Da dem Verfasser dieses Flugblattes der authentische Wortlaut jener ganz anders lautenden Aeußerung Liebknechts bekannt war, so habe er also wider besseres Wissen die Unwahrheit verbreitet. Die Bezeichnung, die derVorwärts" für diese Kampfesweise wählte, sei demnach durchaus berechtigt. Ter Satz, welcher davon spricht, daß die bürgerlichen Parteien hoffen. den Wahlkampf vergiften zu können, sei für den Reichsverband überhaupt nicht beleidigend. Datz der Reichsverband berüchtigt fei, werde dadurch bewiesen, daß eine Reihe anständiger Politiker aus dem bürgerlichen Lager sich die Hilfe des Reichsverbandes ganz entschieden verbeten haben, weil sie dessen Kampfeswcise für unanständig halten. Im übrigen genieße der Angeklagte zweifellos den Schutz des 8 193, denn als Redakteur des Zentralorgans der sozialdemokratischen Partei habe er ein ihm persönlich nahe an- gehendes Interesse, die Angriffe des Rcichsverbandes auf die Sozialdemokratie abzuwehren und müsse deshalb freigesprochen werden. Rechtsanwalt Holz, der die Kläger   vertrat, nahm für den Reichsverband das Recht, scharfe Worte zu gebrauchen, in An- spruch, gegen den Angeklagten aber, der doch auch nur scharfe Worte gegen die bekannte Kampfesweise des Reichsverbandes ge- braucht, beantragte der Anwalt eine empfindliche Freiheitsstrafe. Es kam hierauf noch zu einer längeren Auseinandersetzung zwischen den beiden Anwälten über die reichsverbändlerischc Kampfesweise, die schließlich auch vom Angeklagten Barth mit einigen- kräftigen Strichen gekennzeichnet wurde. Das Urteil des Gerichts zeigt ein weitgehende? Verständnis für die Wünsche der klagenden Reichsverbandsführer. Genosse Bart wurde zu einer Woche Gefängnis verurteilt. Das Gericht hat dem Angeklagten zwar den Schutz des Z 193 zugebilligt, aber in dem Ausdruck, der Reichsverband sei bestrebt gewesen, den Gipfel der Niedertracht zu erreichen, erblickt es die Absicht der Beleidigung. Dagegen hält das Gericht den Passus, der besagt, daß die bürger- lichen Parteien hoffen, den Wahlkampf durch die Methode des Reichsverbandes vergiften zu können, nicht für beleidigend. Soziales. Ter Bergsklaven Los. Aus dem tiefen, dunklen Schacht, wo er den schwarzen Dia- manten gräbt, tritt cher Bergmann nun in das Licht der Oeffent- lichkcit. Das Kapital anklagend, heischt er etwas mehr Anteil an dem Segen des Bergbaues. Den Unternehmern ist er die Quelle reicher Gewinne, der Bergmann   opfert ihm Gesundheit und Leben. Einst gehörte er einem privilegierten Stande an. Er genoß Steuerfreiheiten, Soldat brauchte er nicht zu werden, seine Berufs- arbeit galt als wichtiger. Der Kapitalismus hat längst auch den freien Bergmann   zu einem rechtlosen Lohnsklaven gemacht. Und er gehört wahrlich nicht zu den beneidenswerten. Abgeschlossen vom Sonnenlicht, meist in Gesellschaft von nur zwei oder drei Kameraden, verrichtet er Tag für Tag seine schwere, aufreibende Arbeit. Heute ist er den An- griffen trockenen, in die Lunge eindringenden Kohlenstaubes aus- gesetzt, morgen von herabrieselndem Wasser durchnäßt, eine Beute von Erkältungskrankheiten. Bald mutz er Häuptlings seine Spitz- hacke einschlagen, bald auf den Knien, bald auf der Seite, oft sogar auf dem Bauche liegend sein Gerät handhaben. Das zermürbt Geist und Körperl Schnell geht der Bergmann   zugrunde. Immer früher wird er invalide,bergfertig", wie der Fachausdruck lautet. Mancher neidet ihm seine kurze Arbeitszeit. In Wirklichkeit ist sie gar nicht so kurz. Zu den 8 Stunden in der Grube kommt noch die Ein- und Ausfahrt, das Waschen und Umkleiden, Schon sind aus den 8 Stunden 8s4 bis 9 Stunden geworden. Und dann wohnen die Bergarbeiter zu einem großen Teil% bis 1 Stunde von der Grube entfernt. Ihr Fernsein vom Hause dehnt sich bis zu 11 Stunden und länger aus. Dabei trägt der Bergmann   jeden Tag sein Leichenhemd. Niemand weiß beim Fortgehen, ob er noch einmal zurückkehrt, noch einmal Weib und Kind, Vater, Mutter und andere Lieben wiederschaut. Die Summ« der Unfallgefähren, die ihn be- drohen, ist größer als die in anderen Bernsen. Sämtliche gewerb- liche Berufsgenossenschaften verzeichneten im Jahre 1910 auf 1000 Versicherte 51,00 Unfälle, die Knappschafts  -Berufsgenofsenschaft aber 13 6,20. Fast jeder siebente Bergsklave verunglückt ein- mal im Jahre. Im Bergbau ist die Unglücksgefahr 2�mal so groß als im Durchschnitt bei allen gewerblichen Berufen! Die Statistik der entschädigungspflichtigen Unfälle macht das Bild nicht freundlicher. Während die Schwerverletzten nach der Gesamtziffer für alle gewerblichen Arbeiter 7,39 pro 1000 Versicherte ergeben, sind es bei den Bergarbeitern 14,07, also doppelt so viel! -Wie groß das Risiko des Bergmannes ist, beweisen ferner die Rechnungsergebnisse der Krankenkassen. Das Durchschnittsalter der Grubenleute steht weit unter dem aller gegen Krankheit versicherten Personen. Trotzdem sind jene mehr von Krankheiten heimgesucht. Im Jahre 1909 entfielen auf je 100 in den Krankenkassen Deutschlands   Versicherte 40 Erkrankungsfälle und 82,0 Krankentage, bei den Knappschaftskassen jedoch ergaben sich 5 7,1 Erkrankungsfälle und 99,70 Krankentage. Die Beschwer- lichkeit und Trostlosigkeit der Arbeit, die hohe Unfall- und Er- krankungsgefahr, das frühe Siechtum und das kurze Leben der Bergsklaven in die Rechnung eingestellt, ergibt wahrlich kein be- neidenswertes Los. Und der Bergmann   ist doch auch ein Mensch mit heißem Drang nach TaseinSlust und Glück. Er hat ein Recht, zu verlangen, daß der Ertrag seiner freudlosen Berufsarbeit ihn wenigstens vor tagtäglichen Hungerssorgen schütze. Er darf, er muß sich aufbäumen gegen die Last der Existenznöte, er trägt genug an der Hätz in der Grude. Das achtet das Kapital nicht. Schwerer und schwerer seufzt unter seinem Druck der Bergmann  . Die alle Produktionsprozesse umwälzende Technik steigerte auch im Bergbau die Ausbeutung der Arbeitskraft. Von der Einfahrt an muß jeder Muskel, jeder Nerv bis zum äußersten angespannt, dem Kapital tributpflichtig sein. Gemeinschaftliche Gebete, die Abhaltung sogen. Bergämter in der Grube, wobei neben beruflichen Fragen solche politischer und familiärer Natur in den Kreis der Erörterung ge- zogen wurden, verkürzten früher die nominelle Arbeitszeit. Vorbei ist es mit solchen Pausen. Wie jeder Arbeiter, gilt auch der Berg- mann dem Kapital nur als Objekt der Plusmacherei. Die Unternehmer suchen gern den Anschein zu erwecken, als ab die Gruben leute als Entschädigung für all ihr Mühen, für all ihre Not und Pein, für alle Risiken der Arbeit reichlich hoch entlohnt würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Im Ruhrrevier hält sich der Lohn um zirka 150 M. unter dem Jahresdurchschnittslohn der Walzwerks- und Hüttenarbeiter; in den anderen Revieren ist er noch niedriger. Bei der Würdigung der Löhne muß man die ge- samten Verhältnisse berücksichtigen. Die Schwere der Arbeit bedingt eine reichliche und gute NahrungSzufuhr, soll der Bergmann   nicht schon als ganz junger Mensch invalide werden, ins Grab sinken. Obwohl das Kohle nsyndikatdiePreisefa st ununter- brachen heraufsetzt, schwanken die Löhne auf und ab. Im Jahre 1908. wurde eine Preissteigerung für Kohlen durchgeführt, gleichzeitig das Einkommen der Bergarbeiter geschmälert. Ihr Jahresdurchschnittslohn betrug im 3. Vierteljahr 1907 4,94 M., in der gleichen Zeit 1911 nur 4,72 Mk, trotz der voraufgegangenen Lohnsteigerung, auf die sich die Unternehmer als Ursache der kürz- lich erneut vorgenommenen Preiserhöhung beriefen. Nach den Jahresdurchschnitten ergeben sich folgende Tageslöhne: 1907: 4,87 M., 1908: 4,82 M., 1909: 4,49 M 1910: 4,54 Mk. und für die ersten drei Vierteljahre 1911: 4.07 M. Tagegen kostete beispiels- weise Stückkohle ab Werk Dortmund   im Januar 1907 11,75 M., seit 1908 aber 12.75 M. Dazu kommt jetzt noch der kürzlich be- schlossene Preisaufschlag. Die Lohn- und Preisentwickelung steht zweifellos in einem argen Mißverhältnis. Daß die Gruben bisher schon ganz gut abschnitten, bestätigen die Abschlüsse der Bergbau- gesellschaften. Nach den im Jahre 1911 imReichsanzeiger" ver- öffentlichten Bilanzen verteilten 33 Steinkohlenbergwerke mit einem Aktienkapital von 420 Millionen Mark eine durchschnittliche Dividende von 8,3 Proz. Dieselben Gesellschaften hatten im Jahre vorher nur 8,2 Proz. herausgebracht. Berücksichtigt man den ganzen Bergbau, einschließlich Hütten, so ergibt sich für 237 Gesellschaften mit über 2 Milliarden Mark Aktienkapital eine Erhöhung der Durchschnittsdividende von 8,4 auf 9, 1 Proz. Laut einer Zu- sammenstellung in Nr. 54 derFranks. Ztg.", die 13 Bergwerks- gesellschaften umfaßt, war deren Ueberschuß von 12,4 Millionen Mark im 3. Vierteljahr auf 14,9 Millionen Mark im letzten Viertel dieses Jahres gestiegen. Auch diese Resultate unterstreichen recht kräftig die Forderung der Bergarbeiter. Während eine Reihe anderer Berufe den im Jahre 1907 erzielten Lohn schon überholt hat, bleibt der Bergmann   noch weit hinter dem damaligen Satz zurück. Mittlerweile steigerten sich für den Unternehmer die Er- lös«, für den Arbeiter aber die Kosten der Lebenshaltung. Höhere Preise für Nahrungsmittel und Gebrauchsartikel, dazu eine Ver- Minderung des Einkommens, das bedeutet eine wesentliche Ver» schlechterung. Die Schildträger der Verteuerungspolitik und der Dividendenschlucker behaupten trotzdem, von der glänzenden wirt- schaftlichen EntWickelung hätten die Arbeiter ihr vollgerüttelt Maß empfangen. Bei solcher Lage ist der Drang der gequälten Knappen begreif- lich durch Massenaktionen ihrer berechtigten und notwendigen Forderung den nötigen Nachdruck zu verleihen. Tiiis Industrie und Kandel  . Haben Lohnerhöhungen die Produktion verteuert? Dem preußischen Landtag ist die übliche Nachwcisung über den Betrieb der fiskalischen Bergwerke, Hütten und Salinen im letzten Etatsjahr zugegangen. Der preußische Fiskus ist der größte Berg- Werksbesitzer Deutschlands  . Die Gesamtzahl der auf den fiskalischen Montanwerken beschäftigten Personen belief sich 1910 auf 104 000, wovon fast 100 000 allein auf Kohlen-, Erz- und Salzbergwerke entfielen. Ein so großes Unternehmen kann in seinew Geschäfts­berichten auch eine Unterlage bieten für die Untersuchung des Ein- flusses der Lohnhöhe auf die Produktionskosten. Leider ist die Untersuchung mangels ausreichender statistischer Angaben nicht für alle Betriebszweige durchzuführen, aber schon die ermöglichte Teil» Untersuchung gibt eine wichtige Auskunst auf die gestellte Frage. Veginnen wir mit den Steinkohlenbergwerken, weil bekanntlich die Erhöhung der Preise stets mit derErhöhung der Lohn- kosten" begründet wird. Nun ist zwar nicht einmal für alle fiskalischen Steinkohlenarbeiler im Etatsjahr 1910 eine absolute Lohnerhöhung eingetreten: in Oberschlesien   ging der Lohn sogar noch absolut zurück. Aber es kommt bei unserer Untersuchung weniger auf den pro Schicht ausgezahlten Lohn, sondern vorzüglich auf den relativen Anteil der Löhne an den Produktionskosten pro Tonne an. Da ergibt sich nun folgendes: Für die ober- s ch l e s i s ch e n fiskalischen Kohlengruben betrugen pro geförderte Tonne die Selhstkosten davon insgesamt an Löhneu 1909.» l. 7,84 M. 4.00 M. 1910.... 7.37 3.80. Danach gingen die Selbstkosten um 47 Pf. zurück; pro Tonne find 14 Pf. weniger Lohn gezahlt worden. Die generell aufgestellte Be- hauptung, die Lohnkosten nähmen einen stets größer werdenden Teil der Produktionskosten in Anspruch, trifft sonach zunächst schon für die oberschlesischen fiskalischen Kohlengruben nicht zu. Für die fiskalischen Saarkohlengrnbcn sind die Ver« gleichszahle» nicht detailliert angegeben. Es wird nur mitgeteilt, daß die Selbstkosten pro Tonne von 10,39 M. auf 9,99 M., also um 40 Pf. fielen, während der Verkaufserlös nur durchschnittlich um 30 Pf. zurückgegangen war. Da in derselben Zeit der Durchschnins- lohn der Gesamtbelegschaft um 1 Pf.(!) auf 3,97 M. stieg, ist hier eine erhebliche Selbstkostenverminderung bei gleichzeitiger, wenn auch jämmerlicher Lohnerhöhung eingetreten. Das Lohnbild bei dem Kohlenbergwerk am Deister  (Hannover  ) ist klarer. Hier haben be- tragen pro Tonne die Selbstkosten davon der Durchschnitts- insgesamt Lohnkosten schichtverdienst 1909.. 8.95 M. 5,63 M. 3,43 M. 1910.. 8,93. 5,18, 3,53, Demnach find die Selbstkosten überhaupt um 2 Pf., die Lohn» kojjen pro Tonne um 45 Pf. gefallen und der absolute Lohn's: doch um 5 Pf. gestiegen. Von einer Verteuerung der Produk.-.on durch gestiegene Lohnkosten kann auch hier durchaus keine Rede sein. Für die zur Hälfte dem Fürsten Schaumburg-Lippe   gehörigen Kohlen- bergwerke der vier fiskalischen Braunkohlengruben bei E g g e r s« dorf, Löderburg  , Langenbergen und Tallwirt (Prtov. Sachsen  ) stiegen die Verkausserlöse pro Tonne um 0 Pf., die gesamten Selbstkosten fielen um 2 Pf., die Lohnkosten pro Tonne aber um 31 Pf. I Das beweist auch, daß einmal die stärkste Steigerung der Produktionskosten überhaupt nicht durch Lohn- erhöhungen erfolgte, und daß bei Vernnnderung der Selbstkosten die verstärkte Ausnützung der Arbeitskräste die Hauptrolle spielt. Schließlich sei an dem Beispiel der fiskalischen Kalisalz» werke aufgedeckt, daß das elvige Jammern der Unternehmer über diestarke Verteuerung der Produktionskosten durch die Lohn» steigerung" eine dolose Irreführung der öffentlichen Meinung ist. ES haben nämlich bei dem Staßfurter   Werk betragen pro Tonne für Kalistücksalze für Chlorkalium 1909 1910 1909 1910' die Selbstkosten überhaupt 7,15 M. 5,93 M. 114,50 M. 109,20 M Lohnkostcn.... 3,04, 3,84. 13,53 11,43. Bei dem Werk Bleicherode   gingen die Selbstkosten der erstklassig rentablen Fabrikate von Chlokalium von 92,89 auf 04,89 M, die Lohnkosten allein von 23,77 auf 17,42 M. zurück! Dabei stieg der Arbeiterlohn in Staßfurt   um nur 4 Pf., der in Bleicherode   um 21 Pf. pro Schicht sDurchschnitt). Tie riesige Verbilligung der Produktion ist erzielt worden neben einer leider nur zu mäßigen Lohnaufbesserung. Damit ist auch erwiesen, daß im Verhältnis zu ihrer Leistung die Arbeiter schlechter als vorher entlohnt wurden. Die zur Begründung fast aller Preiserhöhungen be» hauptetefortgesetzte Steigerung der Lohnkosten" ist. wie unser« Beispiele beweisen, in wichtigen Industriezweigen nicht eingetreten Sericbts- Leitung. »Frühlings-Erwachen" freigegeben. Gestern setzte das Oberverwaltungsgericht die Verfügung deS Polizeipräsidenten von Königsberg   außer Kraft, die die öffentliche Aufführung von Wcdekinds erschütterndemFrühlings-Erwachcn" im Stadttheater untersagte. Ter Rcgicrungs- und der Lbcrpräsi- dcnt hatten dieses Verbot für gerechtfertigt erachtet, da das Stück eine die Sittlichkeit gefährdende Wirkung habe. Die Anwälte des Thcaterdircktors, Hofrais Varena, wendeten sich in ihrer Klage gegen den Oberpräsidenten grundsätzlich gegen die Zulässigkeit der Theaterzensur überhaupt. Jedenfalls sei aber das Verbot ungerechtfertigt. Entscheidend müsse sein, ob da? ganze Stück als einheitliche Komposition eine unsittliche Wirkung ausübe. Das aber sei ausgeschlossen. Es sei ein ernstes Stück. das eine ernste Tendenz verfolge. Die in dem Stück vorkommen-