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Nr. 53. 29. Jahrgang.

3. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Tochmals der neue Mittelstand.

Das politische Problem dieser ganzen so widerspruchs­

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Sonntag, 3. März 1912.

Es scheint, daß er aus meinem Artikel die Ansicht herauslas, vollen Schicht habe ich untersucht, darunter auch das der wir sollten mit der Propaganda unter den Angestellten warten, proletarisierten Angestellten Genosse H. Lehmann weist darauf hin, daß mein Artikel über aber nicht das allein. bis der Liberalismus böllig abgewirtschaftet hat und sie bis dahin ben neuen Liberalismus und den neuen Mittelstand manchen zufassen, ist nicht leicht. Dies politische Problem in wenigen Worten aufammen als seine Domäne betrachten. Das wäre aber das gerade Gegen­Ich wies denn auch aus teil deffen, was ich erreichen wollte. Ich hielt es für selbstverständ­Widerspruch in den Kreisen der Privatangestellten erregte". Seine brücklich darauf hin, daß meine Ausführungen mit einem Körne lich, daß aus der politischen Wichtigkeit der Angestellten und ihrer Ausführungen beweisen mir, daß ich mich irrte, als mir mein Archen Sala" aufzufassen seien. Genosse Lehmann hat sie statt dessen zunehmenden Proletarisierung die Notwendigkeit lgt, die ener Ausführungen beweisen mir, daß ich mich irrte, als mir mein Ar­titel zu lang erschien. Ich sehe jetzt, daß ich noch ausführlicher hätte vergröbert. Go erklärt er 3. B.: werden müssen, wollte ich mich dagegen sichern, misverstanden zu gischste Propaganda unter ihnen zu betreiben. Ich wies doch aus­werden. Aber hoffentlich bedarf es nicht zu vieler Worte, um uns drücklich darauf hin, daß die Gewinnung der Masse des neuen zu verständigen. Mittelstandes" für uns ebenso wichtig sei, wie die der Zentrums­arbeiter und der Landarbeiter. Freilich, ich betonte nicht ausdrück­lich die Notwendigkeit eifriger Propaganda, aber das ist bei uns doch etwas, was sich von selbst versteht.

Der Gegensatz zwischen dem Genossen Lehmann und mir be­ruht vor allem darauf, daß ich stets die ganze Schicht des soge­nannten neuen Mittelstandes im Auge habe, er nur einen Teil davon, die Privatangestellten. Da kommt man leicht zu verschic­denen Resultaten. Er hält mir entgegen:

" Die lajfenbewußten Pribatangestellten fühlen sich durchaus nicht als ein neuer Mittelstand."

Am Schluß seines Artikels aber sagt er, daß erst 25 000 An­gestellte auf dem Boden des proletarischen Klassenkampfes stehen, fich als Proletarier fühlen. Soll ich, wenn ich eine Schicht unter­suchen will, die mehrere Millionen umfaßt, sie nach einer winzigen Minorität beurteilen? Lehmann selbst gibt zu:

" In ihrer Ideologie allerdings bewegt sich die Mehrzahl der Angestellten als zukünftige Bourgeois." Will man die Angestellten verstehen und auf sie einwirken. fo muß man vor allem herausfinden, warum sie sich als fünftige Bourgeois fühlen. Das zu tun, habe ich versucht. Genosse Leh­mann nimmt daran Anstoß. Er scheint in der Erklärung der Tatsache eine Rechtfertigung zu sehen und zu fürchten, daß dadurch die Agitation unter den Angestellten gehindert werde. Aber das wäre nur dann der Fall, wenn ich erklärte, sie hätten recht, sich als fünftige Bourgeois zu fühlen. Ich führe indes aus­drücklich aus, daß die ökonomischen Verhältnisse, aus denen dies Gefühl entsproß, aufgehört haben, daß die Masse der Angestellten immer mehr zu Proletariern wird, die bloß ihre wirkliche Lage zu erkennen brauchen, um Sozialdemokraten zu werden. Ich sprach ferner in meinem Artikel nicht von Angestellten allein. Hätte ich das getan, so brauchte ich für deren Bezeichnung fein anderes Wort zu wählen. Ich sprach bom neuen Mittel­stand". Auch darin scheint Genosse Lehmann eine Erschwerung der Agitation unter den Angestellten zu sehen, und er wendet sich dagegen:

Das Wort wird häufig gebraucht zur gemeinsamen Be­zeichnung von Volksschichten, deren ökonomische und soziale Interessen sich durchaus widersprechen. Man tut deshalb besser, diesen, die Lage der Angestellten feineswegs zutreffend bezeich nenden Begriff nicht anzuwenden."

Wie aber, wenn ich von den Angestellten allein nicht sprechen wollte? Daran nimmt Lehmann freilich auch Anstoß:

" Die sogenannten Intellektuellen, die Aerzte, Rechtsanwälte uft., die Kautsky   sicher rubriziert, waren ja auch schon vor dieser Entroidlung vorhanden und können feinesfalls dem neuen Mittelstand zugezählt werden."

Diese Berufe waren sicher schon vorhanden, aber hat es nicht vor einem halben Jahrhundert und selbst vor einem ganzen Jahrhundert( hon Techniker und Buchhalter gegeben?

Nur wenige der Berufe der Angestellten sind neu. Was neu ist, das ist die Massenhaftigkeit ihres Auftretens. Das gilt aber für die Mehrzahl der freien Berufe ebenso wie für die Ange­stellten.

Daß alle die mannigfachen Schichten des neuen Mittel­standes" sehr verschiedene Interessen haben, durch fein gemeinsames Slaffenintereffe zusammengehalten werden, das. habe ich selbst in meinem Artikel hervorgehoben. Noch schärfer tat ich es allerdings schon früher in meiner Schrift gegen Bernstein  , wo ich sagte:

Die anwachsende Intelligenz ist eine laffe, die für das tämpfende Proletariat wichtige und interessante Probleme in sich birgt. Sie ganz für das Proletariat in Anspruch zu nehmen, wäre übertrieben, aber noch irriger wäre es, sie einfach den Besitzenden" zuzurechnen. Wir finden in dieser Schicht in engem Rahmen alle die sozialen Gegenfäße bereinigt, die die gefamte tapitalistische Gesellschaft kennzeichnen, wir finden aber auch in diesem Mikrokosmos ebenso wie im gesellschaftlichen Gesamtkörper das proletarische Element im Fortschreiten." ( Bernstein und das sozialdemokratische Programm, 1899, S. 135. Vgl. auch meine Artikelferie über Die Intelligenz und die So zialdemokratie", Neue Zeit, XIII, 2, Seft 1-8.)

Es führt zu irrigen Auffassungen, wenn Kautsky   die zwei Millionen Angestellten sämtlich als eine Abspaltung aus den oberen Klassen charakterisiert."

Es dürfte ihm schwer werden eine Stelle anzuführen, in der ich das tue. Er zitiert wohl meinen Saz, die Mitglieder des neuen Mittelstandes sind nach ihrer Vergangenheit und noch mehr nach der Zukunft, die sic erwarten, Bourgeois", aber er übersicht, daß ich geschrieben hatte: sind vielfach nach ihrer Vergangenheit usw. Bourgeois."

Da aber Genosse Lehmann und vielleicht noch andere mein Stillschweigen über diesen Punkt falsch ausgelegt haben, sei aus­drücklich konstatiert, daß ich die eifrigste Propaganda unter den Privatangestellten für eine unserer dringendsten Aufgaben halte.

Streiten fann man natürlich darüber, ob die Bezeichnung Wie weit der neue Mittelstand den Liberalismus radikalisiert, neuer Mittelstand" für die von mir untersuchte Schicht die glück das bleibt abzuwarten. Die jüngste Phase des Liberalismus er­lichste ist. Ich habe jene Bezeichnung nicht geschaffen, sondern vor- scheint mir wichtig als Problem, das zu untersuchen ist, aber ge­gefunden. Ich würde eine andere vorziehen, wenn es eine andere rade wegen ihrer problematischen Natur nicht als feste Grundlage gäbe, die die Gesamtheit der so widerspruchsvollen Elemente besser einer gesicherten Politit. So weit es aber möglich ist, fennzeichnete. Aber die Worte Stopfarbeiter oder Intellektuelle den Liberalismus durch die Angestellten zu radikalisieren, geschieht erscheinen mir auch nicht glücklicher, um die Gesamtheit dieser das am wirksamsten durch eine energische sozialistische Pro­Schicht zu bezeichnen und vom bisherigen Lohnproletariat abzu- paganda unter ihnen. Dadurch wird die Begehrlichkeit" aller grenzen. Genosse Lehmann sieht freilich eben in diesem Streben Angestellten vermehrt, auch die der liberalen unter ihnen. Da­nach Abgrenzung meinen Fehler, aber er tann nicht die Tatsache durch wird aber auch die Notwendigkeit für die liberalen Politiker aus der Welt schaffen, daß wir es hier mit einer besonderen, eigene vermehrt, den wachsenden Ansprüchen der Angestellten durch poli­artigen Erscheinung zu tun haben, die wir abgrenzen müssen, wenn tische und soziale Reformen Rechnung zu tragen Wollten wir die wir sie untersuchen und erkennen wollen. Und auch die Tatsache Angestellten ohne Kampf den Liberalen überlassen, dann würde der fann er nicht beseitigen, daß diese Erscheinung in ihren Ursprüngen Reformeifer der letteren gewaltig abgekühlt werden. von bürgerlichem Geist beseelt ist und erst im Laufe ihrer Ent­widelung immer mehr ihrer Teile an das Proletariat abgibt. Der bürgerliche Geist des neuen Mittelstandes führt diesen nun meiner Ansicht nach zunächst zum Liberalismus. Auch dagegen opponiert Genosse Lehmann. Aber seine Zahlen widerlegen mich nicht, Ev beruft sich auf die 600 000 Mitglieder der Angestellten­organisationen und meint dabei, deren Bestehen spreche gegen meine Auffassung, daß die Angestellten Massenaktionen meist ber­ständnislos, ja mit Abneigung gegenüberstehen. Ich habe bei meinem Hinweis auf die Abneigung gegen Massenattionen nicht von Angestellten, sondern von Intellektuellen gesprochen, aber leider gilt das von mir Gesagte auch noch für die Mehrheit der Ange­stellten. Sagt doch Genosse Lehmann selbst:

Das mangelhaft entwidelte Solidaritätsgefühl der Ange. stellten hat bisher das Entstehen großer Gewerkschaftsorganisa­tionen der Angestellten verhindert.

Wenn die Fortschrittler jekt etwas steifnadiger auftreten, so dürfte das nicht zum mindesten dem Versuch der Demokratischen Bereinigung zuzuschreiben sein, ihnen erhebliche Zahlen von An­gestellten abzunehmen. Sie mußten mit ihr in Konkurrenz treten. Diese, Konkurrenz kann unsere große, siegreiche Partet in ganz anderem Maße fortseßen, als es der lebensunfähige Embryo der Demofratischen Vereinigung bermochte.

Darin bin ich also mit dem Genossen Lehmann völlig einig: eifrigste Propaganda unter den Privatangestellten ist eine unserer wichtigsten Aufgaben geworden. Ob diese Propaganda zunächst dahin führt, den Liberalismus zu radikalisieren, oder gleich dahin, daß die Angestellten in Maffen von ihm abfallen und zu uns kommen, das hängt vor allem vom Liberalismus selbst ab. Auf die Dauer wird er auf keinen Fall die Angestellten an sich fesseln tönnen, die Gewinnung ihrer proletarischen Glemente für uns muß früher oder später das Resultat unserer Agitation in ihren Reihen Wo sollen da Massenaktionen herkommen? Von den Ange- sein. Um aber das proletarische Klassenbewußtsein unter ihnen ftelltenorganisationen fagt er selbst, daß die sozialdemokratischen zu weden, müssen wir die Gründe ihres bisherigen bürgerlichen unter ihnen noch verschwindend klein sind. Ihre große Mehrheit Dentens bloßlegen und begreifen, Hat mein Artikel dazu bei­steht nach seinen eigenen Befundungen im Lager der National- getragen, dann hat er seinen 3wed erfüllt. liberalen, der Fortschrittler und der Demokratischen Vereinigung. Daneben gibt es noch eine Organisation von Handlungsgehilfen mit 100 000 Mitgliedern, die ausgesprochen antisemitisch ist. Vom Antisemitismus hatte ich in meinen Ausführungen nicht der Landesanstalt für Gewässerfunde, mitgeteilt vom Berliner   Wetterbureau. gesprochen, um sie nicht noch länger zu gestalten. Was die anti­femitischen Angestellten vom Liberalismus scheidet, ist nicht dessen Politit, sondern der Haß gegen die jüdische Konkurrenz. Der Anti­semitismus ist aber bei den letzten Wahlen so erheblich zurück­gegangen, daß man wohl annehmen darf, es habe sich von den bisher antisemitischen Angestellten ein großer Teil gewandelt zum Liberalismus oder zur Sozialdemokratie.

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Gerade aus dem letzten Wahlkampf habe ich den Eindruck ge= wonnen, daß der Liberalismus mehr als je von dem Bedürfnis beherrscht ist, die Angestellten zu gewinnen, daß er mehr als je von ihren Stimmen abhängig ist und daher in seiner Politik von ihnen beherrscht wird.

Ich sehe in den Ausführungen des Genossen Lehmann nichts, das geeignet wäre, diese meine Auffassung zu erschüttern.

Trotzdem heiße ich die Lehmannsche Kritik willkommen, denn fie gibt mir Veranlassung, einen wichtigen Bunft flarzustellen. Lehmann erklärt:

Nichts wäre verkehrter, als die Entwickelung des Liberalis mus, feinen endgültigen Bankerott und die weitere Radikali­fierung der Angestellten abzuwarten."

Wasserstand Memel  , Tilfit Bregel, Insterburg  Weichsel  , Thorn Dber, Ratibor  Stroffen Frankfurt Barthe, Schrimm Landsberg neye, Bordamm Elbe, Leitmeriz

Wasserstands- Nachrichten

am

feit

1. 3. 29. 2.

cm cm³) 133)+1 13)+33 4284)-2

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1)+ bedeutet Wuchs,

R. Raufsty.

Wasserstand Saale  , Grochlitz

avel, Spandau  ) Rathenow³)

Spree  , Spremberg   2)

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Wefer, Münden  

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Rhein, Maximiliansau 386

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Köln Nedar, Heilbronn

330-15

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Main, Wertheim  osel, Trier  

155

Eisstand.

Eisgang.) Eisfrel. Schwacher Eisgang. Fall) Unterpegel.

Der Eisgang in der preußischen, Weichsel   nimmt weiter einen guten Verlauf. Der Wasserstand ist heute vormittag bei Thorn  fchon auf 400 cm gefallen; bei Sturzebrad und Dirschau   ist die Weichses etwa auf den mittleren Hochwasserstand gestiegen. Auch die Nogat hat bet Marienburg   annähernd Wittelhochwasser erreicht.

An alle Bewohner Groß- Berlins!

Noch sind die Wunden nicht geheilt, welche die sogenannte Finanzreform" dem gesamten Wirtschaftsleben geschlagen hat, und schon wieder macht sich ein bitterer Feind bemerkbar, Die allgemeine Teuerung". In solch' harten Zeiten wird es gewiß von jedermann als eine Wohltat empfunden werden, wenn ihm Gelegenheit geboten wird, erhebliche Ersparnisse zu machen.

Die Herren- Kleider- Vertriebs- Gesellschaft, kurz H. K. G. genannt, bietet diese Gelegenheit. Die H. K. G. betreibt den Einzel- Verkauf von fertigen Herren-, Jünglings-, Knaben-, Sport- und Berufskleidern jeder Art zum

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Der Selbstkostenpreis besteht also nur aus den baren Auslagen für Ware und Unkosten. Die Umsatzprovision von 10% ist demnach der einzige Nutzen der Gesellschaft; irgend einen anderen Nutzen hat die Gesellschaft nicht.

Durch dieses Verkaufssystem ist die H. K. G. nicht nur die billigste Bezugsquelle für Herren- und Knaben- Konfektion, sie ist auch in Bezug auf Reellität unübertroffen, weil jede willkürliche Preisforderung oder jeder willkürliche Gewinn- Aufschlag ausgeschaltet wird, und vonseiten der Gesellschaft jedes Interesse an minderwertiger Ware fehlt.

Um dieses Verkaufssystem durchzuführen und große Ersparnisse für das kaufende Publikum zu erzielen, mußte die H. K. G. von vornherein darauf verzichten, ihr Heim in teuren Läden oder großen Geschäftspalästen aufzuschlagen, die Unsummen von Mieten oder Zinsen verschlungen hätten. Die Verkaufsräume der H. K. G. befinden sich in der ca. 1000 qm großen I. Etage des kürzlich neu erbauten Eckhauses Neue Schönhauser Straße 1, Ecke Weinmeisterstraße und Münzstraße. Die Verkaufsräume sind modern ausgestattet, auch stehen dem Publikum zwei Fahrstühle zur Verfügung. Die H. K. G. führt alle Artikel für Herren-, Knaben-, Sport- und Berufs- Kleidung. Die Läger sind in allen Preislagen, Größen und Weiten reichhaltig sortiert; der Selbstkostenpreis ist auf jedem Etikett vorgedruckt. Besichtigung unserer Verkaufsräume und Waren jederzeit zwanglos gestattet.

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Ecke Münz- und Weinmeisterstraße

Deutschlands   größtes Etagen- Geschäft dieser Art. II. K. G." gesetzlich geschützt.