Hr. 54. 29. Jahrgang. I jßtilW des.Amiick" Knlim WsdlM. Dienstag, 5. Mar; l91Z. Sie SemeiiKleutthIbewegimg. Tegel . Morgen, Mittwoch, den k. März, finden di« Er- satzwahlen zur Gemeindevertretung statt. ES ist in jedem Bezirk ein Ansässiger zu wählen. Die Wähler des 1. Wahlbezirks wählen im kleinen Saal des „TuSkulum am Tegeler See ", Hauptstraße 17a. Kandidat ist Genosse Ernst Rentner. Die Wähler deS 2. Wahlbezirks wählen im Saal des Lokals „Bellevue", Spandauer Straße 2. Kandidat ist Genosse Karl R a d u n z. Parteigenossen! Von der Bürgermeisterpartei werden die größten Anstrengungen gemacht, um uns die Mandate streitig zu machen. Jeder gehe so früh wie möglich zur Wahl! Die Wahlzeit ist von 12— 7 Uhr. Erkner . In einer gut besuchten Versammlung referierte am Sonnabend Stadtverordneter Genosse Dupont über das Thema: „Die Notwendigkeit der Sozialdemokratie in den Gemeindever- tretungen." Redner legte den Versammelten dar, wie notwendig ei ist, daß die sozialdemokratischen Kandidaten der 3. Klasse, die Ge- nassen Th. Steinborn und A. Henze, als Vertreter der Arbeiterschaft am Mittwoch, den 6. März.�in das Ge- meindeparlament geschickt werden. Unter keinen Umständen dürft einem gegnerischen Kandidaten die Stimme gegeben werden, da dieselben hauptsächlich die Interessen der Grundbesitzer ver- treten. In der Diskussion suchten zwei Herren als Vertreter des Bürgervereins das Gegenteil zu beweisen, sie erhielten aber durch verschiedene Diskussionsredner, sowie durch den Referenten eine glänzende Abfuhr. Die Versammlung klang dahin aus, alles daran zu setzen, den sozialdemokratischen Kandidaten morgen am 6. März zum Siege zu verhelfen. Die Wahl findet von vormittag» 11 Uhr bis nachmittags 7 Uhr statt. Genossen, sorgt für ein« rege Wahl- beteiligung und macht namentlich Kollegen, die in Erkner wähl- berechtigt sind, auf die Wahl aufmerksam. PeterShagen . Die Wahlen zur Gemeindevertretung finden am Sonntag, den 10. März, statt. Die Ersatzwahl in der Z. Klasse für den verzogenen Genossen Stimming erfolgt von 1 bis 3; die regelmäßigen Ergänzungswahlen erfolgen für die 3. Klasse von 3 bis S, die 2. Klasse von 5 bis 6 und die 1. Klasse von 6 bi» 6% Uhr nachmittags. Für dft Ersatzwahl ist von der Sozialdemokratie Genosse Paul Kranich, für die ErgänzungS- Wahl in der 3. Klasse Genosse Ferdinand Hermerschmidt auf- gestellt; in der 2. Klasse kandidiert Genosse Max Racko. An der Arbeiterschaft liegt es nun, dafür zu sorgen, daß diese drei sozial- demokratischen Kandidaten auch gewählt werden. Martenfelde. In einer von zirka 250 Personen besuchten Ver- smUmlung unter freiem Himmel behandelte Genosse K l ü tz das Thema:„Die Aufgaben der Sozialdemokratie in der Gemeinde." Empörend nannte der Referent den Zustand, daß in unserem Ort vier Wähler der 1. Klasse genau soviel Recht haben, wie 593 Wähler der 3. Klasse. Wie der Kampf um da» allgemeine, gleiche Wahl» recht zum preußischen Abgeordnetenhaus geführt wird, müsse er auch um die Vertretung des arbeitenden Volkes in den Gemeinden geführt werden. Der Vortrag wurde mit reichem Beifall auf. genommen. Die Gegner hatten nicht den Mut, sich an der Tis- kussion zu beteiligen, trotzdem sie in großer Zahl den Platz um- kreisten. Hierauf ergriff unser Kandidat, Genosse Fritz G r e u- l i ch, das Wort, der an einigen Beispielen zeigte, wie notwendig eS ist, daß die Arbeiter einen Vertreter in das Gemeindeparlament wählen. Vor 10 Jahren schon sei es einmal gelungen, einen Ver- treter durchzubringen, damals seien die Gegner überrascht gewesen, weil sie auf eine Beteiligung der Arbeiterschaft nicht gerechnet hatten. Den größten Vorwurf, den man unserem damaligen Ver- treter gemacht habe, sei der gewesen, daß er für die Aermsten der Armen, für die Einwohner unsere» Armenhauses, eingetreten sei. Es habe erst eines Artikels im„Vorwärts" bedurft, um die bürger- lichen Vertreter an ihre Pflichten zu erinnern. Nachdem der Vor- sitzende. Genosse Seiler, noch die Anwesenden aufgefordert hatte. am 7. März voll und ganz ihre Pflicht zu tun, schloß er mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf die Partei die Ver- sammlung. Hohen-Schönhausen. Ueber die Kommunalpolitik und ihre Aufgaben referierte in einer am Freitag stattgefundenen, zahlreich besuchten Wählerversammlung Stadtverordneter Genosse Dr. A. Bernstein. Dem Vortragenden wurde für seine von großer Sachkenntnis zeugenden Ausführungen reicher Beifall gespendet. In der hierauf folgenden Diskussion beteiligte sich u. a. ein Herr Dr. Goldberg sowie ein Herr Joh. Rein, letzterer glaubte bcson- derS Ursache zu haben, an dem Verhalten der sozialdemokratischen Vertreter Kritik zu üben, weil sie nicht immer nach dem sozial- demokratischen Kommunalprogramm gehandelt hätten. Gegen Herrn Rein schwebte das Ausschlußverfahren aus der Partei; einem Schiedsspruch kam der Herr zuvor, indem er vor 14 Tagen seinen Austritt aus der Partei erklärte. Ihm sowohl, wie auch dem bür- gcrlichen Herrn Dr. Goldberg wurde von den Genossen Obermeicr, Hinze, Gcmeindevertreter Thiele u. a. unter dem Beifall der Ver- sammlung gedient. Mit der Aufforderung de» Vorsitzenden, bis zum Tage der Wahl, Sonntag, den 10. März, für den Sieg der sozialdemokratischen Kandidaten zu aaitieren, wurde die Ver- sammlung in vorgerückter Stunde geschlossen.— Die Wahl selbst findet von 12 bis 6 Uhr nachmittags im Lokal von Rehher, Berliner Straße 93, statt. Tempelhof . Eine öffentliche, leider nur mäßig besuchte Ver- sammlung beschäftigte sich am Donnerstag mit den bevorstehenden Wahlen zur Gcmeindevertrewng. Stadtv. Genosse P o l e n s k e- Neukölln referierte über:„Die Bedeutung der Gemeindewahlen." Gestützt auf unser Kommunalprogramm und an der Hand prakti- scher Beispiele wie» der Referent nach, wie viel in der Kommune noch zu tun wäre im Interesse der Allgemeinheit.— Im Bericht der Gemeindevertreter gab Genosse Max Schmidt ein Bild von der Rückständigkeit der bürgerlichen Vertreter, die alle unsere An- trägejrbgelchnt haben. Scharf kritisiert wurde auch das Verhalten des Syndikus unserer Gemeinde, der in bürgerlichen Vcrsamm- luwgen gegen die Wahl sozialdemokratischer Gemeindevertreter agitiert.— Genosse Jrrgang schloß die Versammlung mit dem Wunsch, daß auch bei der Gemeindewahl den Gegnern eine solch« Niederlage bereitet werden möge wie bei den letzten ReichStags- wahlen. Wahlergebnisse. Pankow . In der am Sonntag stattgefundenen Gemeinde- Vertreterwahl wurden im I. Bezirk die Genossen Eichler und Tengler mit 1132 bezw. 1124 Stimmen gegen 719 bürgerliche gewählt: Im II. Bezirk erhielte» Genosse Otto Schmidt 1137, Genosse Gaß mann 1140 Stimnien, während es die Bürgerlichen nur auf 327 Stimmen brachten. Trotz der von den Bürgerlichen ge» machten großen Anstrengungen— sie hatten von früh an 6 Auto» in Betried— dürfte ihnen klar geworden sein, daß in der HI. Ab« teilung keine Lorbeeren mehr zu holen find. Weihensee. Bei verhältnismäßig schwacher Beteiligung Vollzogen sich am Montag die Gemeindeverordnetenwahlen der dritten Abteilung. ES erhielten die Genossen Fuhrmann 767, Schlemminger S73 und Taubmann 782 Stimmen. Gegenkandidaten waren nicht aufgestellt. Mariendorf -Südende. Bei der am Sonntag stattgefundenen Vemeindewahl wurde Genosse Reichardt mit 1005 Stimmen gegen 15 Stimmen, die sich im ganzen auf 5 bürgerliche Kandidaten. vereinigten, gewählt. Der frühere Vertreter der dritten Klasse. Herr Herzberg, bekam die stattliche Zahl von 6 Stimmen. Die Wahl- beteiligung am Sonntag war eine größere als früher, sie betrug rund 35 Proz. gegenüber 28 Proz. bei der vorigen Wahl. Es zeigte indessen der kurz vor 2 Uhr starke Andrang, daß die Wahlzeit hätte länger ausgedehnt werden müssen, wodurch zweifellos eine noch stärkere Beteiligung eingetreten wäre. Wir können mit dem Er- gebnis zufrieden sein. Die dritte Klasse ist sicherer Besitz der Sozial» demokratte. Drewitz. Die am Sonnabend, den 2. März, hier stattgesundene Gemeindewahl brachte unserem in der dritten Klasse aufgestellten Kandidaten Genossen Gustav Hintze den Sieg über den Gegner, auf den 58 Stimmen entfielen. Von 225 eingeschriebenen Wählern hatten 125 ihr Wahlrecht ausgeübt. In der zweiten Abteilung übten von 66 eingeschriebenen Wählern 50 ihr Wahlrecht auS. Hiervon erhielt der sozialdemokrattsche Kandidat Genosse Otto Haseloff 24, sein Gegner Mühlenbesitzer Hönike 26 Stimmen. Hätten noch vier fehlende Arbeiter ihr Wahlrecht ausgeübt, so wäre unS auch in dieser Klasse der Sieg zugefallen. In der ersten Klasse wurde der Tischlermeister Seidler al» Ver- tretet ernannt. Eichwalde . Bei der am Freitag stattgefundenen Gemeindewahl erhielt der bürgerliche Kandidat, Milchhändler B e u t l i n g— nicht Lautling wie es irrtümlich im Bericht in der SonntagSnummer des „Vorwärts" hieß— nicht 196, sondern 136 Stimmen gegenüber dem sozialdemokratischen Kandidaten Genossen König, auf den 96 Stimmen entfielen. Röntgental, Zepernick , Schönow . Bei der am Sonntag statt« gefundenen Gemeindevertreterwahl der dritten Klasse erhielten von 161 gültigen Stimmen der Kandidat der Sozialdemokratie Genosse Eranz Lange 96, der Kandidat der Grund« und Bauernbefitzer, err Olitzka, 64 Stimmen. Mithin ist Genosse Lange gewählt. Partei-£Inge!egenKeiteti. Steglitz ' Am Mittwoch, den 6. März, abends von 6 Uhr an, findet im 8., 9., 10., 11., 12. Bezirk von den Bezirkslokalen au» Handzettelverbreitung statt. Am Donnerstag, den 7. März, abends«>/, Uhr, bei Bredereck, Südende, Lickilerfelder Str. 13: Oeffentliche Versamm« l u n g. Die Einwohner de« 2. GemeindewahlbezirkS(oft« lich der Bahn) sind hierzu besonders eingeladen. Die Versammlung wird sich mit der bevorstehenden Gemeindewahl beschäftigen. Referent: Genosse Leimbach . Die Genossen, die bereit sind, am Montag und Dienstag nächster Woche sich den ganzen Tag für Gemeindewahlarbeiten zur Ver« fügung zu stellen, werden ersucht, heute abend um 8>/, Uhr sich bei Schellhase, Ahornstr. 15a, einzufinden. Der Vorstand. Ober-Schöneweide. Heute, Dienstag, abends 8l/3 Uhr, im Wik« helminenhof: Oeffentliche Gemeindewäblerversammlung. TageS « ordnung: Die Bedeutung der Sozialdemokratie in der Gemeindever- tretung. Referent: ReichStaaSabgeordneter Genosse Stolle. Auf- stellung des Kandidaten zur Gemeindevertretung. Erscheint zahlreich. Die Bezirksleitung. Karlshorst . Dienstag, den 5. d. M., abends 8'/, Uhr: Mitglieder- Versammlung im Restaurant.Fürstenbad', Jnh. Bartels. I.Vortrag: .Sozialdemokratie und Gememdepolitik". 2. Diskussion. 8. Mit« teilungen. Die Bezirksleitung. Biesdorf . Mittwoch, den 6. März er., abends 8'/, Uhr: Extra- Zahlabend bei Gustav Berlin, Marzahner Str. 24. Die Bezirksleitung. Spandau . Am Mittwoch, den 6. März, abends 8'/t Uhr, findet bei Madetzki, BiSmarckstr. 8, der dritte VorttagSabend de» Genossen W. Pieck-Berlin über: Deutsche Geschichte de» 19. Jahrhunderl« statt. Behandelt wird die Zeit vom Wiener Kongreß bis zur Grün« dung deS deutschen ZollverernS sl81ä— 1834). Beteiligungskarten sind im BortragSIokal zu haben.. Der BildungSauSschuß. Weißensee . Zu den am Donnerstag, den 7. März, nachmittag» von 5—7 Uhr in HeinerSdorf stattfindenden Gemeindewahlen der dritten Abteilung wird am heutigen Dienstag eine Flug blattv erb reitung vorgenommen, an der auch die Genossen WeißenseeS teilnehmen müssen. Treffpunkt abend» 7 Uhr bei Raddatz, TiniuSstc. 60.— Am Tage der Wahl sDonnerStag, den 7. März) müssen die Genossen der e r st e n und sechsten Ab« teilung Wahlhilfe leisten. Treffpunkt spätestens 6 Uhr abend» im selben Lokal. Genossen sorgt dafür, daß auch die HeinerSdorfer Gemeinde einen sozialdemokratischen Vertreter bekommt. Der Vorstand. Hohenschönhausen. Heute Dienstag, abend» 8'/t Uhr: Mitgliederversammlung bei Reyher. Der Vorstand. Berliner JVacbrlcbtena Frauen mit vor die Front! Nein— sie wollen nicht mehr abseits stehen und beiseite geschoben sein. Das Schlagwort von der„Evastochter, die für das Haus gerade gut genug ist," hat seine versauernde, geistlähmende Wirkung verloren. Der Versammlungssaat ist längst nicht mehr dos Agitationsfeld nur des stärkeren Ge- schlechts. Große öffentliche Volksversammlungen, in denen es um Menschenrechte geht, sind ohne tebhafte Beteiligung von Frauen nicht mehr denkbar. Und von dem Programm der wirtschaftlichen und politischen Freiheit der Frau war zur neuen Erscheinung der eigenen Frauenversammlung kein weiter Schritt. Da draußen beim„Zoo" unter himmlischer Instrumental- beiglcitung der waschechte Typus der nach dem Nuhmesgemüse schielenden, aus Ehrgeiz oder Zeitvertreib soziapolisierenden Geheimrätinnen, verarmte Edelssprossen, die allenfalls die hohle Nährbrust der Kunst für standesgemäß halten, eine Hochflut aufgeplusterter Wohltätigkeitsfeen, denen die Näch- stenliebe zun: guten Teil als einträgliches Geschäft gilt, ele- gante Mondainen und Reformdamen, die überall zu finden sind, wo man sein eigenes liebes Ich mit blendenden Toiletten, wallenden Pleureusen, blitzendem Schmuck in Parade vor- führen kann,— alles Repräsentantinnen jener Kreise, auf die, auch wenn sie die schönsten frauenlobendcn Schalmeien blasen, das Arbeiterproletariat mit höchstem Mißtrauen sehen mutz. Und hier und da und dort in den sozialistischen Frauenver- sammtungen am letzten Sonntag als lebendiger Massenprotest nur das Weib als solches in proletarischer Reinkultur, nur erfüllt von dem einen Gedanken, das schafsende, ringende, ausgesogene weibliche Geschlecht von der wirtschaftlichen Schmach des Jahrhunderts zu befreien,— fast nur Frauen und Mädchen, denen trotz der sonntäglichen Kleidung der Kampf um die Existenz heckenrosig auf den schmalen Wangen, in tiefen Runzeln auf den verarbeiteten Händen gezeichnet steht. Keine Autos mit galonierten Dienern, kein Festessen und Byzantinergesänge sind nötig zur Staffage. Das Volk strömt in Scharen auf Schusters Rappen herbei, amüsiert sich über die Furcht der Polizeihelden auf der Straße vor einer — Frauenrevolution. Eine Heeressäule ist es, getrennt marschierend von dem, was im feindlichen Lager„die Dame in Haus und Beruf" vorstellt. Lange vor der festgesetzten Zeit sind die Riesensäle bis auf den letzten Platz gefüllt. Frau Sorge macht an den Tischen mitteilsam die Runde, aber wenn die Referentin des erste zündende Wort spricht, sind unsere Frauen keine sprichwörtlichen Evastöchter mehr, nur noch kampffrohe Mitstreiterinnen um den grünen Baum des Lebens, um die Sonne der Freiheit. Atemlos hängt die Frauenwelt des Proletariats am Munde der Rednerin. Man fühlt, man weiß es... von da oben sprudelt der Quell, der das Weib in seiner Abhängigkeit verjüngen soll. Und da unten, wo in vibrierender Erregung das wahre Volk sitzt, ist kein aalglattes Bürgerparkett. Da will man keine konventio- nellen Lügen, keine schimmelnden Phrasen, keine gelehrte theoretische Wohlfahrtsmusik hören... nein, nur die grelle Wahrheit, die dem Proletarierweibe die Blutwelle der Em- pörung ins Gesicht schlägt und das Gelöbnis der Selbstbe- freiung aus dem Sumpf der Hörigkeit zum Kapitalgötzen tausendstimmig entfacht. Ja, sind denn das wirklich die Frauen, die daheim den Kochlöffel schwingen und die Kinder tn den Schlaf wiegen? Doch, sie sind es. Vielleicht weniger noch aus dem Selbsterhaltungstrieb als aus den goldenen Idealen der Freiheit haben sie die Berechtigung und die Kraft gesogen, mehr zu sein als bloß dem Manne die Frau, dem Kinde die Mutter. Und wer zum erstenmale die politisch reife Frau des Volkes auf dem Turnierplatz um Fraucnrechte sieht, dem muß ein Licht aufgehen, daß das Jahrhundert nicht seine Mitte erreichen wird, ohne dem am Webstuhl unserer Zeit schaffenden Proletarierweibe den Sieg zu künden. Bei„Fräulein Berolinchen". Unser alter, vertrauter Rathausturm hat dicht neben sich empfindliche Konkurrenz bekommen. Wer will denn heut« noch die qualvollen 403 Stufen zu seiner luftigen Höhe schwitzend und stöhnend emporkraxeln, wenn man es in dem neuen Stadthause durch Meister Hoffmanns fürsorgliche Künstlerhand so bequem hat mit dem Hinauffahren? Wir betreten das schöne Vestibül an der Jüdenstraße, werfen rasch einen neugierigen Blick in die großartige„Stadthalle" mit dem Postament des schreitenden Bären und lassen uns im mollig gepolsterten Fahrstuhl in wenigen Sekunden bis zur Tachhöhe bringen. Drei Schritte nach links nimmt uns das imposante Turmgewölbe auf. Man hat schon von der Straße aus ehrfürchtige Bewunderung vor der massigen Wucht dieses Achtsäulenbauwerks, aber hier oben ist man perplex von den Größenverhältnissen, noch mehr von der sinnreichen, eigenartigen Konstruktion der Fundamente, die das kolossale Gewicht des Turmes tragen. Die riesigen Mauern sind innen zum Teil ungeputzt, aber der Erbauer hat absichtlich diesen Rohbauzustand gelassen, um Kennern die Konstruktion besser zur Anschauung zu bringen. Rings herum stehen in halber Größe die Modelle der außerhalb des Turmes auf die Weltstadt herabschauenden Sandsteinfiguren. Von den Wänden hängt noch Tannengrün, das letzte Zeichen der gläsererhebenden Einweihungsfeier, die hier erst unlängst beim strahlenden Scheine von acht elektrischen Bogenlampen im traulichen Kranze magistratlicher Honoratioren stattfand. Acht große Blumenkästen sollen im Sommer mit den Kindern Floras gefüllt werden, um das Nüchterne der kahlen Mauern etwas zu verwischen. Vorläufig duftets noch nach Kalk und Farbe. Nach kurzem Umblick gilt unsere besondere Aufmerk- samkeit dem fast zierlichen, mit elektrischen Glühbirnen tages- hell erleuchteten Treppenbau, der neben einem zweiten Fahr- stuhl den Weg weist zur ragenden Kuppel. Und die 200 drei- ten hölzernen Wendelswfen steigen sich so wunderleicht, daß junge Beine ruhig auf die elektrische Höhenfahrt verzichten dürfen. Kann man doch in den einzelnen Stockwerken Station machen und von den Turmgemächern durch die aller- dings geschlossenen Fenster Umschau halten auf Stadt und Land. Immer näher rückt das Freilicht-Boudoir„Fräulein Berolinchens", wie der Spreewitz die Kuppeljungfrau mit dem Fllllhorn getauft hat. Frische Luft weht uns entgegen, wir treten auf die offene schmale Galerie, etwa 20 Meter unter der höchsten Spitze. Noch ist hier oben alles neu und wie unberührt. Der Turmwächter hat mit Recht strenge An- Weisung, jeden Schmierfinken, der sich an den weißgetünchten Wänden mit seinem Namen verewigen will, wegen Sach- beschädigung zur Anzeige zu bringen. Um diesen Unfug ab- zugewöhnen, liegt ein Buch zur Einzeichnung aus. Wer Talent dazu hat, kann also auch poetisch werden. Ob der Rundblick vom„Roten Hause" oder vom„Stadthause" wir- kungsvollcr ist, soll Geschmackssache bleiben. Auf dem alten Rathausturm, dessen Besteigung möglicherweise ganz einge- stellt wird, hat man eine bessere Umschau auf das Straßen- gewühl unter sich, während das neue Wahrzeichen mitten in den Resten Alt-Berlins aus der Vogelperspektive anziehender ist durch den verschrobenen Wirrwarr seiner aneinander- geklebten halbverfallenen Baulichkeiten und durch die Nähe der Spree . Vor wenigen Wochen war von hier aus die glitzernde Eisfläche des größten märkischen Sees mit den de- schneiten Mllggelbergen bei völlig klarer Winterluft ganz prächtig zu sehen, wenn nicht gerade die Schwaden der Groß- stadtschlote das Ferngemälde zerrissen. Bis jetzt ist der Einzclbesuch auf dem Stadthausturm sehr spärlich gewesen. Offenbar weiß das Publikum noch zu wenig, daß der Aufsfieg versuchsweise auch im Winter, am Montag und Donnerstag von 8 bis 3 Uhr sogar unentgeltlich gestattet ist. An den übrigen Wochentagen wer- den zu derselben Zeit pro Person 20 Pf., einschließlich Fahr- stublbenutzung, erhoben. Sonntags ist die Besichtigung nicht angängig. Kinder unter 14 Jahren haben nur in Begleitung Erwachsener Zutritt. Vereine haben sich schon zahlreicher angemeldet, den Schulen dagegen scheint diese Gelegenheit, eine bauliche Sehenswürdigkeit kennen zu lernen und gleich» zeitig über dem Menschengewimmel zu weilen, noch nicht ge- läufig zu sein. Man versäume auch nicht die Besichtigung der im vollen Sonnenlicht oder bei brillanter Deckenbeleuchtung ihre ganze Eigenart zeigenden, zu ebener Erde gelegenen Stadthalle._ Auch ein„Spielplatz". Zu dem Streit um die Spielplätze fürGroß-Berlin haben wir schon ausgeführt, daß die Angaben des Berliner Bürger- meisters Reicke ebenso mit Vorsicht aufzunehmen sind, wie die Behauptungen der Gegenpartei. Der Herr Bürgermeister hat in seinem Eifer, die Stadj Berlin zu verteidigen, allerlei in fem
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