900 000 Menschen, muß die Ausfuhr an sich erheblichsteigen; denn dieser Bevölkerungszuwachs, den die Landwirt»ichasl nicht unterbringen kann, muß in Handel, Gewerbe und In»dustrie untergebracht werden. Die englische Bevölkerung aber der-mehrt sich um 500 000 Menschen jährlich. Wenn nun die englischeAusfuhr, und England kommt ohne jeden Schutzzoll' aus,etwa ebenso gestiegen ist, wie die unserige, dann istunsere Situation im Vergleich zu England gar nicht besondersgünstig. Der Staatssekretär sagte, unser Zolltarif sei ein gutesInstrument für Handelsverträge. Nun, die Handelsverträge, die wirseitdem abgeschlossen haben, sind sehr ungünstig aus-g e s a l l e n, woraus zu schließen wäre, daß unser Zolltarif keingutes Instrument ist. Das Ausland hat uns eben diesen Tarif mitseinen Spezialisierungen nachgemacht, und wir sind nicht weitergekommen. Beim Vergleich mit England darf auch nicht über»sehen werden, daß dieses seinen Schiffsbau noch ganz andersforciert hat als wir und daß es mit seiner riesigenFlotte in ganz anderem Maße al� Deutschland der Frachtführerder Welt geworden ist.(Sehr richtig! links.s Die Auffassung, daßdie gegenwärtige Konjunktur günstig sei, ist doch recht optimistisch,wenn man sich den Kurszettel und die Abschlüsse derBanken ansieht, so ist von einer günstigen Konjunktur nichts zumerken. Zweifellos ist reichlich Arbeit vorhanden, und die Arbeits»löhne sind gestiegen, sie mußten aber st eigen, weil alle?teurer geworden ist und die Arbeiter sonst sich und ihreFamilie nicht mehr ernähren könnten.(Sehr richtig I links.) Derreichlichen Arbeitsgelegenheit steht gegenüber eme wesentlichgeringere Rentabilität unserer Industrie, die wieder eine geringereKapitalbildung zur Folge hat und damit eine Verlangsamung imSchaffen neuer ProduktionSstätten. Eine vorsichtige Bankpolitik istgewiß geboten, aber unsere Industrie braucht Bankkredit; ihn ein-schränken, hieße den Unternehmungsgeist lähmen.Herr Dr. Mayer klagte über das Steigen der Kohlenpreise,aber da die Lebensmittel teurer geworden sind, müsse» die Löhneim Bergbau steigen. Wenigstens ist den Bergarbeitern für de»1. April eine Erhöhung der Löhne versprochen. Hoffentlichwerden sie nicht damit in den April geschickt. HöhereLöhne aber bedeuten höhere Kohlenpreise. In derselbenRichtung wirkt die Erhöhung der Produktionskosten durchdie Vertiefung der Schächte. Auch die Syndikate wirkenpreissteigernd. Die Angriffe des Zentrums gegen die Syndikatenehme ich nicht ernst. Es will seinen Wählern nur sagen können,es habe gegen die Syndikate gewettert. Früher sprach man davon,daß ein Gesetz gegen die Syndikate im Schreiblisch des HerrnSpahn fertig läge, aber der wundertätige Schreibtisch blieb jähre-lang verschlossen und dann kam der jetzige mehr als barmlose Antragheraus, der wie weiße Saite gegen Krebsgeschwüre ist. sHeiter«kcit.) DaS einzige wirkliche Mittel gegen die gefährlichePreissteigerung der Kartelle ist. daß man die Möglichkeiteiner Konkurrenz aufrecht erhält. Der FiSkuS aber tutdas Gegenteil. Sein Beitritt zum Kohlenshndikat hat da».Brotder Industrie" nur verteuert. Das Kaligesetz hat da« striktesteGegenteil von dem erreicht, was der Staatssekretär von den Syndi-kalen erwartet. Denn ohne die? Gesetz könnten 15— 20 Grubendieselbe Menge Kali fördern, die gegenwärtig von 100 Grubengefördert wird. Spezialgesetze über das Syndikatswesen haben wirdereitets. DaS Branntwein st euergesetz ist doch nur einGesetz zur Förderung des Spirituskartells. Und zur Förderung desElsenkartells wirkt der Schutzzoll auf Eisen als Spezialgesetz.Der Kartellantrag des gentrunl» ist nichts als ein Feigen-Mall, um die Blöße der Gesetzgebung zu decken.die sie sich gegeben hat, indem sie gegen die Ausschreitung derKartelle versagte. Wenn man durch Ausfuhrprämien oder billigeAusfuhrtarife die Ausfuhr von Roheisen und Halbfabrikaten fördert.rim die Preise dieser Produkte im Inland hoch zu halten, so schädigtman die Berfeinerungsindustrien und den in ihnen tätigen gewerb-lichen Mittelstand. So erschweren wir die Qualitätsarbeit, statt siezu stärken. Der Schutzzoll kommt mit verschwindenden Ausnahmennur den kartellierten Industrien zugute; wie vielesind aber kartellsähig? Nur wenige, nur diejenigen, die von vorn-herein in wenigen Händen liegen. Für die Ferttgindustrien hat derSchutzzoll gar keinen Wert.Alle diejenigen, die auf da» Dogma vom Schutz dernationalen Arbeit schwören, sollten doch daran denke», daßder Bater dieses Gedankens, der große Gelehrte Friedrich Liszt, auchgesagt hat: Jeder Schutzzoll macht sich selbst n,it der Zeit illusorffchdadurch, daß durch die Steigerung der Produknon die innere Kon-kurrenz den Schutzzoll unwirksain macht. Abg. Dr. O e r t e l trathier für den lückenlosen Zolltarif ein und memte, er befände sichdamit in Uebereinstimniung mit der Industrie. Mir ist gar nichtsdavon bekannt, daß die Industrie diesen Wunsch hat. Mit demStaatssekretär bin ich der Meinung, daß eS wenig Zweck habenwürde, für die neue» Handelsverträge einen neue» Zolltarif zuschaffen. Es kommt weniger auf da« Instrument der Handele-Politik an. al» auf den Geist, in dem diese« Instrumentgehandhabt wird.(Sehr richtig I links.) Für die Aufstellung derProduklionsstatistik sollten die Fachvereine zur Hilfe herangezogenwerden. Erhebungen über die Wirkung der Schutzzollpolitik auf oieJnlandsindustrie halte ich für dringend nötig. Es ist leicht, zusagen: die Schutzzollpolitik hat sich bewährt! Der Staatssekretär hatdas auch»ur als seine Meinung feststellen können. Es gibt in derIndustrie zahlreiche bewährte Fachleute, die andererMeinnng sind.(Sehr richtig I links.) Wenn wir seit 187S in derZollpolitik stecken, dann wäre eOoch wirklich an der Zeit, einmalein klare» Bild von ihren Wirkungen zu gewinnen. Da mußeine allgemeine öffentliche Enqute veranstaltet werden,deren Objektivität durch die Hinzuziehung aller beteiligten Kreisegesichert werlwn muß. ES ist nicht angängig, daß man dieMillionen von Arbeitern, auch wenn sie sozialdemokratisch wählen,von diesen Erhebungen ausschließt.(Lebhafte Zustimmunglinks.) Sie haben bei dieser Handelspolitik in erster Lüne ihreHaut zu Markte zu tragen und sie wollen deshalb auchgehört werden. Die Anhänger der Schutzzollpolitik, die von ihremErfolg überzeugt sind, müßten doch selbst ein Interessean emer einwandfreien Feststellung ihrer Wirkungen haben.(Sehr richtig!) Ich freue mich, daß Herr v. O e r tz e»„sehr richtig!" ruft. Er dürfte nun also auch wohl für die von unsgewünschte Enquete eintreten. Die Frage, wem die Getreidezollenützen, ist ja noch umstritten. Die vom preußischen Staat darüber» in der La» /Wirtschaft aufgenommene Statistik ist in so ein»seitiger Weise zusammengestellt, daß sie geradezu«in Faust»schlag in» Gesicht jeder Wissenschaft ist.(Sehrrichtig! link«.? Diese ganze Erhebung ist nicht« anderes als einH u m b u g I(Lebhafte Zustimmung liuls.) Daß man jemand zumutet. er solle aus diese Erhebung irgendwelchen Wertlegen, das ist ein Zweifel an seiner Intelligenz.(Sehr richtig!link«.) Die objektiver aufgenommene gleichartige Erhebung inOesterreich hat ein sovernichtendes Urteil über dle Schutzzollpolitikeraeben. daß die österreichische Regierung sie gar nicht veröffentlichtbat und ihr Ergebnis erst auf anderem Wege in die Oeffcntlichleitaebracln wurde. Die Ausführungen de« Abg. Dr. Mayer dagegenwerden durch diese amtlichen Erhebungen vollständig widerlegt.Dr fieim der frühere Abgeordnete, der leider nickst mehr hierweilt hat für die bayerische Landwirtschast ja ähnliche Feststellungenaema'cht Die Preise der großen Güter sind nach einwand»freien Feststellungen besonders im Osten gewaltig g-»stteaen meist um so Prozent und mehr. Da« M merster Linie sür die Güter mit geringem Boden. Die Zeitenhoher Getreidepreise waren immer die der Ausdehnung de» Groß»grundbesttzes und die Zeit der CetreldeauSfuhr ebenso, während beider«ig-nversorgung eine, Lande« mit Getreide der Bauernbesitzblüht. Der«lembelrieb steuert der Entvölkerung Ein Bauern.dort ist den«aufleuten und Gewerbetreibenden der Kleinstadtviel lieber al« drei Latikundien oder Domauen. �.Der Präsident de» Landeskulturrat« Dr. M- tz hat erklart daßdie wangenheimschen Borschläge die innere Koloni ation unmöglichmachen würden. Der wfcnet dtweist eingehend, davder Großgrundbesitz unausgesetzt nach Vergrößerungund—- namentlich auch in Bayern— nach fideikommissa-rischer Bindung strebe. Oberpräsident a. D. Graf Zedlitz»Trützichler hat im Juni 1909 selbst erllärt. daß viele Grundbesitzerdie sügsamere» ausländischen Arbeiter den deutschen vorziehen.(Leb-Haftes Hört! hört! links.) Will man nicht eine parlamentarischeEnquete nach englischem Muster, so nehmen Sie unsere Resolutiono», die eine öffentlich« Enquete unter Beteiligung aller Parteienfordert. Wir wollen eine unparteiische Enquete im Interesse einerPolitik, die das beste für das Volk und für das Vaterland schafft.(Lebhafter Beifall links.)Ein Vertagungsantrag wird angenommen.Abg. Dr. Oertel(k.) erklärt in einer persönlichen Bemerkung:Der Abg. G o t h e i n hat die letzten Sätze meiner Rede eine Elegiegenannt. Da muß er mich mißverstandeir haben, elegisch war ichnicht. Er meinte auch, meine Weste stehe in Uebereinslimmung mitdem elegischen Klange meiner Ausführungen. Ich weiß nicht, ob esmöglich ist. eine persönliche Bemerkung im Namenmeiner Weste zu machen.(Große Heiterkeit.) Infolgedessenbegnüge ich mich mit der Bemerkung, daß der Abg. Gothei» auchden schwarzen Rand an meiner Weste vollständig miß-verstanden hat.(Heiterkeit.)Nächste Sitzung: Mittwoch, l Uhr nachmittags.(Fortsetzungder Etatsberatung.)Schluß 6'/« Uhr.parlamentarisches.Aus der Budgetkommission des Reichstages.In der Dienstagssitzung der Kommission wurde eingehendüber eine wirkungsvollere Bekämpfung der Maul, undKlauenseuche beraten. Da» Zentrum fordert in einer Re-solution, für die auch die Sozialdemokraten sehr lebhajteintraten und die dann auch einstimmige Annahme fand, die Aus»Wendung großer Mittel zur Bekämpfung der Seuche, die ja derdeutschen Landwirtschaft enorme Verluste zufügt. Von der Regie,rung wurde unerwarteterweise �er Resolution Mä d e r st a n dentgegengesetzt durch den Hinweis, daß eS weniger gelte, den Er-reger der Seuche'zu entdecken, als vielmehr praktische Arbeit zuleisten und ein wirksames Serum zu finden. Ein solches sei schonda, aber noch zu teuer, denn der Liter koste 100 M.; ein Stück Viehmit diesem Serum zu impfen, kommt auf 30 Mk. zu stehen. Vieleandere angepriesene Milte! seien wertlos. Von sozialdemokratischerund freisinniger Seite wird die Errichtung einer weiteren Ver»suchsstation auf irgendeiner geeigneten Insel gewünscht. ZurSprache kamen auch die Schädigungen, die durch den Scheidekatarrhund die ansteckende zu frühe Verkalkung bei den Rindern enr-stehen. Staatssekretär Delbrück erklärte, daß, wenn der Reichstagihm jetzt Mittel zu den erwähnten Zwecken zur Verfügung stelle.er tatsächlich nicht wisse, wie er sie verwenden soll. ES fehle nochdie Grundlage und das Ziel zu einer Verwendung der in Aus-ficht gestellten Gelder. Die Kommission war aber darin einig, daßalles getan und versucht werden müsse, der Seuche Herr zu werden.— Zu einer lebhaften Kritik der mangelnden Leistungs,fähigkeit des Ka i s e r i n-A ug u st a-B i kt o r i a.K i n d er-krankenhauseS in Eharlottenburg führt? der geforderte Unter.stützungsbeitrag von 60 000 M. aus Reichsmitteln.— Bon denSozialdemokraten war eine Resolution eingebracht worden,die die Einsetzung einer Kommission fordert, gebildetaus Mitgliedern des Bundesrat» und des Reichstags, um zuuntersuchen, ob sich nicht eine Zentralstelle anstatt der heute be-stehenden verschiedenen, vom Reich subventionierten biblio-graphischen Institute schaffen ließe. Gegen diese„SpirituSzentraleauf geistigem Gebiete" kämpfte lebhaft der Abg. D o v e an, ebensodie Regierung, worauf die Resolution zurückgezogen wurde.Die Wahlprüfungskommission des Reichstagsverhandelte am Dienstag drei Stunden lang über die Wahl desReichSverbändlerS Dr. Becker. Dieser ist in Bingen-Alzey mit12 012 Stimmen gegen 12 010, die aus den soMKrittlichen Kandi-daten Korell entfielen, gewählt worden. Gegen dies« Wahlliegen drei Proteste vor. Die Kommission verhandelte nun zunächstüber die beanstandeten Stimmzettel. DaS Resultat stellte sichschließlich so: Dr. Becker 12 016, Korell 12 015 Stimmen. InSprendlingen sind zwei Stimmzettel mehr gezählt worden,als Mahlkuverts vorhanden waren. Diese zwei Stimmen werdendem Dr. Becker abgezogen werden muffen; dann hätte HerrKorell eine Stimme mehr. Nun kommt es aber wesentlich daraufan. was von den im Wahlprotest aufgeführten Behauptungen er«wiesen wird.___Reich», und Staatsangehörigkeitsgesctz.Die Kommission de« Reichstags, der die Borberatung desReichs, und Staat«ang«härigteitsgesetzeS übertragen wurde, begannam Dienstag mit der Beratung de« tz 1, in oem ausgesprochenwird, daß die Reich«angehörigtcit durch die Staatsangehörigkeit ineinem Bundesstaat erworben wird und mit deren Bcrlust erlischt.Dazu beantragten die Bertreter der Nationalliberalen eineAenderung, die bezweckt, an die Spitze des Gesetzes eine Um,schreibung de» Begriffes Deutscher zu stellen. Die Bertreter derRegierung, de« Zentrums und der Konservativen hielten an derTechnik des Entwurfs fest: die Bertreter der Sozialdemokraten undder Fortschrittler- schloffen sich dem Grundgedanken des national.liberalen Antrag« an, schlugen aber Verbesserungen der Fassungvor. Auf Antrag der Abgg. Liebknecht. Blunk und v. Richt,Hofen wurde mit Mehrheit beschlossen, den tz 1 wie folgt zu fassen:..Deutscher ist: 1. wer die Staattongehörigkeit in einem Bunde«-staat besitzt, 2. wer die unmittelbare Reichsangehörigkeit besitzt."Im tz 2 wird bestimmt, wodurch die Staatsangehörigkeit ineinem Bundesstaat erworben wird. Die Abgg. Bernstein undGenossen beantragen Streichung der Ziffer 3, wonach die Staats»angehorigkeit durch Eheschließung erworden wird. Diese automa,tische Wirkung, so wird zur Begründung des Antrags ausgeführt,bedeute eine große Rücksichtslosigkeit gegen die Frau. Wen» manauch die verschiedene Staatsangehörigkeit von Mann und Frau mitallen Möglichkeiten vermeiden wolle, so könne man dem durch einenbesonderen Paragraphen Rechnung tragen. Bon nationalliberaler,fortschrittlicher und konservativer Seite wurde dieser Auffassungwidersprochen. Mehrere sozialdemokratische Mitglieder.führtendazu aus. auf jeden Fall niüsse der Ausländerin da« Recht vor-behalten bleiben, selbst zu entscheiden, ob sie die StaatSangehörig-kcit ihres Mannes erwerben wolle oder nicht. Die Bertreter derbürgerlichen Fraktionen erwiderten, alle Tradition im In» undAuslande spreche gegen den Antrag, mit dem auch den Frauen einschlechter Dienst erwiesen werde. Ein Antrag Dr. O u a r ck- Frank-furt, die Abstimmung auszusetzen und die Regierung zuvor um eineausführliche Darlegung der Rechtsfolgen de« Antrag« Bernsteinzu ersuchen, wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten unddes Dänen abgelchnt, und darauf mit derselben Mehrheit auch derAntrag Bernstein, die Ziffer 3 zu streichen, abgelehnt/ Abgc-lehnt wurde ferner ein Antrag der Nationalliberalen, in Ziffer 4statt„durch Aufnahme" zu sagen:„durch Aufnahme de« Ange»hörigen eines anderen Bundesstaates", und als Ziffer 5 anzufügen:„durch Verleihung an einen Ausländer". Dasselbe Schicksal wider»fuhr einem Antrag der Fortschrittler, der sagen wollte:„4. füreinen Deutschen durch Aufnahme, 5. für einen Nichtdeutschen durchEinbürgerung." Damit war tz 2 unverändert geblieben. In derGesamtabstimmung wurde der Paragraph bei mehreren Stimm-enthaltungen mit 8 gegen 6 Stimmen angenommen.Im tz 3 wird die Erwerbung der Staatsangehörigkeit durchGeburt näher geregelt. Ein« längere Debatte rief die Fragehervor, welche Staatsangehörigkeit ein Findelkind haben soll.Ein zunächst vam Zentrum eingebrachter Antrag fand schließlichin folgender, von Dr. Blunk(Fortschr.) vorgeschlagenen Fassungeinstimmige Annahme:..AIS Absatz 2 des Artikel» einzusvgen: EinKind, dessen Familienstand nicht zu ermitteln ist(Findelkind), giltals staatSangehörig in dem Bundesstaat, in dessen Gebiet e» a u f«g e l u n d e v worden ist." Aufgeworfen wurde noch die Frage, obnichk, tvenn eine Deutsche einen Staakenlosen heiratek, den Kiut idie deutsche Staatsangehörigkeit gewahrt werden soll. Manhielt sich die weitere Prüfung und die Aufnahme einer entspreche,:-den Bestimmung bis zur nächsten Sitzung(Donnerstag) vor,Bus der frauenbeilvegung.Heimarbeiterinnennot.Dem Vorgehe» der Herrenmaßschneider haben sich die Damen«mäntelschneiderinnen angeschlossen. Nach bekannter Manier sucht daSUnternebmertum ihre Lage als fast beneidenswert hinzustellen. Der„Konfektionär" behauptete gar, sie verdienten in der Saison wöchcnt-lich 21—45 M., ja, wer wolle, solle eS gar auf 60 M. bringenkönnen. Später gab das Blatt die Durchschnittslöhne auf 21 bis25 M. an. Daß auch diese Angaben den Tatsachen nicht entsprechen,beweist der neue Jahresbericht der Ortskrankenkasse der Schneiderund Schneiderinne», der Lohnnachweiie enthält, die aus Angaben derUnternehmer selbst beruhen. Danach gehören 60 Proz. aller Heim-arbeiterinnen der untersten Lohnklasse an(sie verdienen weniger als2 M. pro Tag). 21 Proz. der 3. Lohnklasse(mit einem TagiS-verdienst von höchstens 2.50 M.). 15 Proz. der 2. Lohnklasse(miteinem Tagelohn von 2,50—3,50 M.). Nur 4 Proz. finden sichmit mehr al» 3.50 M. in der obersten Lohnklasse. Also der weitausgrößte Teil, fast zwei Drittel aller Arbeiterinnen fallen in dieunterste Lohnklasse mit einem Wochenverdienst von höchstens 12 M.Ein trübes Bild entrollt der Bericht über die gesundheitlichenBerhältnisse. Die häufigsten Krankheiten sind neben den durchUnterernährung, überlange Arbeitszeit, schlechte Wohnungen hervor-gerufenen Lungenkrankheiten, Blutarmut und Bleichsucht vorallem die mit erschreckender Häufigkeit auftretenden Unterleibs-krankheiten, die beinahe der sonst verbreitetsten Erkrankung, derLungentuberkulose den Rang streitig machen. Das angestrengteMaschinentreten. das oft ohne Ruhepause bis tief in die Nacht be«trieben wird, wirkt überaus schädlich auf die Unterleibs organe derFrau und erklärt die hohe Erkrankungsziffer. Im Zusammenhangmit diesen Krankheiten berichtet die Krankenkasse von einer sehrhohen Anzahl Fehlgeburten, wie man sie sogar in der so gefürchtetenBleiindustrte nicht wiederfindet. Es kamen, nach dem letzten Bericht.auf 2911 normale Geburten, für die Wöchnerinnenunterstützunggezahlt wurde, 2556 Fehlgeburten.Hiid aller Gleit.Ein Sch ildbürgerstücklein.Folgendes, trotz seiner Tragik höchst amüsantes Geschichtchenwird der„Intern. Korreip." von einem Mitarbeiter mitgeteilt: DieStadtväler des altehrwürdigen Hessenstädtchens Fritzlar habeneinen Beschluß in die Tat umgesetzt, der ihrer Intelligenz alle Ehremacht. Wre vielerorts, so klagten auch die Landwirt« über Schäden.die hungrige Krähen nun einmal an jungen Saaten anzurichten Pflegen.In einer denkwürdigen Sitzung de? Stadtparlaments wurden sämtlicheKrähen zun: Tode durch Bergistung verdonnert. Man ging äußerstraffiniert zu Werke und laufte aus städtische Kosten einen großen PostenSchlächtereiabfälle, die sorgfältig mit Strychnin pr»-pariert wurden. Die Gegend wurde sodann mit diesen Fleisch«fetzen dekoriert. Diese sind auf Seckern ausgelegt, oder, was einenaußerordentlich unästhetischen Anblick gewährte, in die Aefte derBäume gehängt worden. Hier hing eine Lunge, dort eine Leber.Der Erfolg des BerfahrenS übertraf die hochgespanntesten Er-Wartungen. ES wurden in der betreffenden Gemarkung amanderen Morgen tatsächlich nicht weniger als 11(schreibe elf)mausetote Krähen gefunden. Zum maßlosen Erstaunender wackeren Stadtväter hatten aber etwa 20 Spechte undhunderte von Meisen die unglaubliche Dummheit begangen,ebenfalls von dem vergifteten Fleisch zu essen. Die Felder warenmit den Leichen dieser Tiere förmlich übersät.Wie verlautet, sollen beim nächsten Feldzug gegen die Krähen nebenden Fleischstücken Warnungstafeln für Meisen, Spechte und Hundeangebracht werden. ES haben nämlich nicht weniger als fünfEinwohner in der Mordnacht ihre zum Teil wert»vollen Hunde verloren._Unwetter im Kanal.Aus den französischen Hafenstädten laufen Meldungen ew überein schwere» Unwetter, das seit Montag im Kanal herrscht. EineAnzahl Fischerbarken sind in den Fluten untergegangen.zahlreiche Personen haben ihren Tod in denWellen gefunden. Der schwedische Dampfer„Thy" ist beiBabmeleS aufgelaufen; in höchster Seenot konnte die gesamt«Mannschaft durch die Besatzung des Avisos„Caudan" gerettetwerden. Großen Schaden hat ein orkanartiger Sturm inLi H a v r e angerichtet. Fast sämtliche Telephon- undTelegraphenleitungen nach Paris und London sindgestört. Bor der Reede von Havre ist der Dampfer„Herzoginvon Guts«" gesunken. Die Mannschaft konnte mit Mühe undNot gerettet werden.Auch auf den Azoren-Jnseln hat ein Sturm großenSchaden angerichtet. Biel« Plantagen sind verwüstet worden,auch mehrere Schiffsunfälle sind zu verzeichnen. Da»Meer hat bereits mehrere Leichen ans Ufer gespült.Ein schwerer Konflikt.fJin Landkreise Düsseldorf besteht für die GemeindenGückingen, Großenbaum und Buchholz eine gemein-ame freiwillige Feuerwehr, zu deren„Branddirektor" die Wehrleuteden Polizei wacht meist er von Hückingen erwählten. DerLandrat hatte wohl die Wahl beS„Branddirektors" bestätigt, aber ihmdas Tragen der Achselstücke Nr. 1(breite Raupen, wre sie dieStabsoffiziere tragen) nicht gestattet. Zur richtigen Löschung einesBrande« gehört nach der Meinung des Herrn Polizeiwachtmeistersein Branddirektor mit Raupen. Er verzichtete daher auf seine neueWürde. Die drei Gemeinden aber hat der heroische Entschluß inarge Bedrängnis gebracht; jeden Tag kann ein Brand ausbrechenund man besitzt keinen Branddirektor mit entsprechender repräsen»tativer Verfassung._Kleine Notizen.Das dankbare Vaterland. Vor dem Kriegerdenkmal inGeestemünde erschoß sich ein Objähriger Zimmermann, Veteranvon 1870/71, aus Nahrungssorgen. Nachdem der Lebensmüde eineStunde lang um da« Denkmal gewandert war, zog er plötzlich einenRevolver hervor und gab zwei Schüsse auf sich ab. Die ersteKugel ging fehl, die zweite durchbohrte ihm den Kopsvollständig._ Margarete Walkotte, die in Arbeiterkreisen bekannte und ge-schätzte Sängerin und Vortragsktinstlerin ist am Sonnabend auf dertahrt von Dresden nach Elberfeld au« dem v»Zug gefallen.u brach den linken Arm und liegt in Elberfeld schwer krankdarnieder,Gi» Boxkampf mit tödlichem Ausgonge. Am Sonnabendabendführten der Sekundaner Hinz aus Neustadt und der PrimanerLiezd aus Langfuhr in der Turnhalle de« Lauenburger Gym-»asinms eine» regelrechten Boxkampf aus. Dabei wurde Liezd sounglücklich getroffen, daß er in das Krankenhaus eingeliefert wurde.wo er bald darauf verstarb.Eisenbahnerlos. Beim Rangieren auf dem Bahnhof Star-g a r d wurde der Hilfsrangierwärter G« h r l e schwer verletzt. ErSeriet mit dem Arm zwischen die Puffer und wurde ihm derrm abgequetscht. Außerdem erlitt er schwere innereBerletzungeu. an deren Folgen er nach zwei Stunden ver«starb.