Einzelbild herunterladen
 

Diese Auffassung wird in weiten Kreisen deS deutschen Volke? nicht verstanden werden. Vor einigen Tagen erst hat ein Gericht in Dresden die Filiale einer Gewerkschaft zu einem politischen Verein gestempelt, weil diese Filiale 500 M. dem örtlichen sozialdemokrati- scheu Wahlkomitee überwiesen aber wieder zurückerbalteu hatte. In dem Versuch, nicht etwa selbst in den politischen Kampf einzugreifen, sondern nur einer politischen Partei einen einmaligen Beitrag zu den Wahlkosten zu überioeisen, hat also das Gericht bereits die Merkmale einer politischen Betäti- gung erblickt. Um wie viel mehr find dann aber Flottenverein und Wehrverein politische Vereine! Die Leitung des Flottenvereins hat im Wahlkampf 19l)ü/19v7 nicht nur eine überaus rege volitische Tätigkeit entfaltet, sondern durch ihren Vor- sitzenden, den General Keim, direkt in die Wahlbewegung erngegrisfen. Die Ziele des Flottenvereins sind hochpolitische, die des Wehrvereins nicht minder. Es löht einen ganz unglaub- lichen Tiefstand rechtlichen Empfindens erlennen, wenn angesichts dieser Tatsache zu bestreiten versucht wird, daß man es hier mit politischen Vereinen zu tun habe. Die deutsche Zarenpresse lügt weiter. Die, D e u t s ch e T a g e S z e i t u n g* hat die Züchtigung, die wir ihr wegen ihrer Haltung zum Prozeß der unschuldig verurteilten Dumaabgeordneten erteilten, stillschweigend hinnehmen müssen. Run greift sie aber, ihrer Natur getreu, zu weiteren Lügen und Fälschungen. In ihrem gestrigen Abendblatte behauptet fi«, .daß auch die Liberalen in der russischen Reichsduma nach ein- gehender Untersuchung der Angelegenheit sich auf den Standpunkt stellen mußten, daß die Verurteilung jener ftüheren Dumamitglieder zu Recht erfolgt sei". Diese Behauptung ist eine faustdicke Lüge. Es war gerade der Moskauer Abgeordnet« Teßlenko, ein Mitglied der konstitutionell-demokratischen Partei, der in seiner Rede in der Duma vom 17./3V. Oktober v. I. die Tatsache auf- deckte, daß die Kommissiou der zweiten Duma, die die Anklage gegen die sozialdemokratische Frakrion zu prüfen hatte, zu der einmütigen Ueberzeugung gelangt war, daß es sich hier nicht um eine Verschwörung der sozialdemokratischen Fraktion gegen die Staatsgewalt, sondern.um eine Verschwörung der.Ochrana"(politischen Polizei) gegen die zweite Reichsduma ge- handelt". Als Berichterstalter jener Kommission, deren Beschluß durch die sofortige Sprengung der Duma und durch den Staats- streich des Zaren beantworiet wurde, war Herr Teßlenko über die Borgänge in jener Kommissionssitzung auf das genaueste unter- richtet, und eS ist bloß zu bedauern, daß er SVj Jahr über diese Angelegenheit geschwiegen hat. Daß er bei seinem Hervor- treten völlig im Einvernehmen mit seiner Partei gehandelt hat, geht daraus hervor, daß die konstitutionell-demokratische Duma- ftaktion für die diesbezügliche sozialdemokratische Interpellation in der Duma eintrat, und gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den radikalen Bauernabgeordnclen den Kampf gegen die Ver- gewaltigungsversuche der MehrheitSpartcien der Duma führte. Mit dieser Lüge ist eS also nichts, werte.Deutsche Tageszeitung" Wie steht'S mit der weiteren, die zur Verteidigung der erbärmlichen Behauptungen in der Sonnabendnummer in die Welt gesetzt werden sollen? Dastolerante" Zentrum. ES ist noch in frischem Gedächtnis, welchen Frevel daS Zentrum mit der Wahlfreiheit der Beamten getrieben hat. Bei der Nachwahl in Düffeldorf im Herbst vorigen Jahres hat es diejenigen Beamten denunziert, die in der Stichwahl sich der Stimme enthalten hatten. Daß war eine.Begünstigung" der Sozialdemokratie; die Beamten hätten, so wollte eS da? Zentrum, unter allen Umständen für das Zenilum'stimmen müffen,' und weil' sie eS nicht taten, wurden sie denunziert. Bei den Wahlen im Januar hat das Zentrum in ärgster Scharfmachermanier die Beamten, die nicht im Sinne der schwarzblauen Reaktion wählen würden, der Verletzung des Diensteides beschuldigt; e« hat einen Staatsanwalt, der als nalionalliberaler Kandidat sich auf die Stichwahlbedingungen ver- pflichtete, der Beachtung der Justizbehörde empfohlen dasselbe Zentrum, das in früheren Zeiten, wo es selber noch unter der Un- gunst von oben zu leiden hatte, nicht genug über Imparität, über Zurücksetzung und Vergewaltigung katholischer Beamten jammern konnte, und das auch jetzt noch vernehmlich Lärm schlägt, wenn irgendwie einem Beamten in den eigenen Reihen aus politischen Gründen zu nahe getreten wird. Vor einigen Tagen brachten liberale Blätter in Danzig die Mitteilung, daß ein dortiger Eisenbahn-Obersekrctär nach Magde- bürg versetzt sei, wobei hingewiesen wurde aus die politische Wirk- samkeit des Betreffenden im letzten Wahlkampf. Darauf äußexte daSWestpr. Volksblatt", das Danziger ZentrumSorgan, die Meinung, daß die Versetzung auS politischen Gründen geschehen und als Maßregelung aufzufassen sei. DaS Blatt wandte sich an die Sisenbahndirektion und erhielt von dieser die Sittwort, daß die Ver- setznng im Jntercffe deS Dienstes erfolgt fei. Darauf schreibt dqs ultramontane Blatt: Offenbar wiffen die Hintermänner der liberalen Preffe mehr als sie jetzt verraten haben. Sie wollten nicht mehr verraten, aber doch im Interesse ihrer Partei andeuten, daß der Beamte. der sich in Danzig herausnimmt, sich als Zenlrumsmann und Gegner der liberalen Partei zu betätigen, aus Weftpreußen herausfliegt. Als im Oktober vorigen Jahres die liberale Partei ihre Geschosse gegen den Eisenbahnselrctär Dettlaff richteten, sagten wir sofort, daß der Feldzug den Zweck habe, die Zentrumsanhänger unter der Beamtenschaft kopsscheu zu machen. Herr Dettlaff ließ sich aber nicht kopsscheu machen und jetzt verweist die liberale Preffe triumphierend auf seine Versetzung. Sollte die liberale Partei die Versetzung eines politischen Gegners betrieben und erreicht haben?" Trifft es zu, daß der Beamte wegen seiner Tätigkeit für das Zentrum versetzt, d. h. gemaßregelt worden ist, so wird das von keinem gerecht Denkenden gebilligt werden. Welches Recht hat aber eine Parlei, sich über den Fall zu beschweren, die. wie das Zentrum. selber den ärgsten Terrorismus gegen abhängige Existenzen zu üben pflegt?_ Was Matthias Er, berger die katholischen Jung- frauen lehrt. Einseitigkeit ist nicht die schwache Seite des Herrn Erzberger. ES gibt wenige Gebieie des öffenilichen Lebens, auf denen dieser berühmie Zeittrumsparlamenlarier sich nicht betätigt. In letzter Zeit ist seine weitverzweigte Täligkeit um eine neue bereichert tvorden: Her? Matthias hat sich als Schulmeister für die w e i b l i ch e katholische Jugend etabliert. In der Januarnuminer der in Münster i. W. erscheinenden Zeitschrift.DiechristlicheJung- frau" unternimmt er«S, die katholischen Jungfrauen über dieZiele der sozialde in akratischen Bewegung aufzuklären. Bisher hat er noch auf keinem der vielen Ge- biete, auf denen er sich schon betäligte. die an ihn gestellte Er« Wartungen geiäuscht, er tut eS auch auf diesem neuen Felde seiner Tätigkeit nicht. Er schreibt nämlich wörtlich: Die Sozialdemokraten wollen die Religion überhaupt aus- schalten aus dem Menschenleben; höchstens in der Stube zu HauS soll sie noch ein kümmerliche? Dasein fristen; aber nicht in der Schule, in der Geineinde, im Staate. Daö Volk soll religionslos und damit sehr schnell sittenlos gemacht werden; tritt doch die Sozialdemokratie auch für die stete Ehe ein, wodurch das ganze »»eibliche Geschlecht unter die brutale Gewalt des männlichen Geschlechts kommen würde und Sitten- und Schamlosigkeit freien' Laufpaß hätten, Unsere kaibolischen Jungfrauen wehren sich gegen eine solche Herabwürdigung, weil sie wiffen, wie die katholische Kirche ihren Stand schätzt, schützt und adelt. Wahlvorbereitungen in Schwarzburg -Rndolstadt. Die durch die Landtagsauflösung geschaffene ernste Situation hat den Landesparteivorstand veranlaßt, auf kommenden Sonn- tag einen außerordentlichen Landesparteitag nach Stadtilm einzuberufen nnt folgender Tagesordnung: 1. Die bevor- stehende Landtagswahl. 2. Kandidatenfrage. 3. Abrechnung von den letzten Wahlen. 4. Bericht der Ortsgruppen. 3. Presse._ Fiasko der preußischen Ansiedelungspolitik. Welche unsinnigen Resultate die Bekämpfung der sogenannten polnischen Gefahr gebiert, sieht man aus der Polenbewegung in Hinterpommern. Im Kreise Bütow, der etwa 60 000 Hektar umfaßt, waren 1S00 etwa 7500 Hektar in polnischer Hand, 1S11 aber 9225 Hettar. Die polnische Bevölkening betrug 1900 bei LS 000 Ein­wohnern 3575, im Jahre 1911 aber bei einer Einwohnerzahl von 28 125'bereits 4535 Köpfe. Im Kreise Lauenburg befinden sich jetzt 3500 Hektar in polnischem Besitz gegenüber 1800 Hektar im Jahre 1900. Im Kreise Stolp gab es 1910 noch keinen polnischen Besitz, im Jahre 1911 aber schon 129 Hektar. Die Zahl der polnischen Einwohner betrug in diesem Kreise 1900: 93, 1905: 116 und ist im Jahre 1911 auf 815 Einwohner gestiegen. Ein nächtliches Kasernenbild. Vor dem Kriegsgericht der 9. Division in G l o g a u standen vor einigen Tagen die beiden Kanoniere W o y c z i k und S o b i e c z k i voA der 1. Batterie deS Futzartillerie- Regiments v. Dieskau (SchlesischeS) Nr. 6. Beide harten sich an einem Sonntag schwer betrunken und waren, ohne Urlaub zu haben, bis nachts 12 Uhr ausgeblieben. Als W. dann in seine Stube kam, sang er laut, was ihm zunächst von dem in derselben Stube liegenden Obergefreiten P o S p i e ch verboten wurde, worauf W. erwiderte:»So siehst Du auS, Du freiwilliger Stift, Du willst Rekruten schlagen." Daraufhin sprang der Obergefreite Pospiech aus dem Bett, faßte den Kanonier W. an der Kehle und ohrfeigte ihn. Nachdem das Licht ausgelöscht war, sind drei Ober- gefreiten über W. hergefallen und haben i h n schwer mißhandelt. Als der Unteroffizier vom Dienst durch den Lärm herbeigelockt erschien, ließ dieser in der Stube wieder das Licht anzünden, wobei er sah, daß W. im Gesicht stark blutete. Der Mißhandelte, der nun wieder den Obergefreiten Pospiech erkennen konnte, ergriff einen Scheu, el und ging damit diesem zu Leibe. Der Schemel konute ihm aber rechtzeitig entriffen werden, worauf er zum Seitengewehr und zu einem Messer griff, um sich damit auf seinen Peiniger zu stürzen. Pospiech applizierte dem W. dafür noch eine Ohrfeige und verschwand dann durch eine Tür. Unteroffiziere und Mannschaften aus anderen Stuben erschienen ebenfalls auf dem nächstlichen Kampf- platz, darunter auch Sobieczki, der mit W. gekneipt hatte. Luch er wollte sich auf den Obergesreiten stürzen, wurde aber daran ge- hindert. Diese Vorgänge hatten für die beiden Kanoniere Woyczyk und Sobieczki ein Nachspiel vor dem Kriegsgericht. W. behauptete stei und fest, er sei vom Obergefceiten Pospiech zuerst geschlagen worden und dann erst habe er sich verteidigt, keinesfalls aber in der Absicht, gegen den Borgesetzten tätlich vorzugehen, sondern nur. um weiteren Angriffen vorzubeugen. Der Obergefreite P. bestritt zwar, zuerst geschlagen zu haben, blieb aber als Urheber der Prügelei unvereidigt. Der Anklagevertreter beantragte trotzdem gegen Woyczik vier Jahre und gegen Sobieczki zwei Jahre Gefängnis. Da» Gericht erkannte: von der Anklage des tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten werden beide fteigesprochen. Das Gericht nahm an, daß der bezw. die Obergefreiten den Kanonier W. zuerst schwer körperlich gemißhandelt haben. Wegen Beleidigung von Vorgesetzten dagegen wird W. zu zwei Monaten Gefängnis ver- urteilt. Seine Trunkenheit im Dienst muß S. mit vier Wochen strengem Arrest büßen. Wird nun Anklage wegen Mißhandlung von Untergebenen gegen die an der nächtlichen Prügelei in der dunklen Kaserneiistube Beteiligten Obergefrciteo erhoben werden? kcbwefc. Wahlersolgc und Proporz. Zürich , 4. März.(Eig. Bcr.) Bei der Nationalrat». Ersatzwahl im Züricher Seekreise erhielt der sozial- demokratische Kandidat, Genosse W i r z, 6325 Stimmen gegen 3408 am 29. Oktober 1911 bei den Hauptwahlcn, also um rund 3000 Stimmen mehr, während sein siegreicher Gegenkandidat mit 8238 Stimmen um 1020 weniger erhielt als sein verstorbener Vor- gänger vor vier Monaten. Der gclvählte Agrarier Rellstab, ein millioiienreicher Großbauer, l>at offenbar doch abschreckend auf die vielen noch rückständigen Arbeiter gewirkt und sie in daS sozial­demokratische Lager getrieben. In drei Wochen findet im gleichen Wahlkreise eine abermalige Ersatzwahl in den Itationalrat statt, für die die Bürgerlichen bereits den Advokaten Dr. Odinga in Horgen als ihren Kandidaten auf- gestellt haben. Dieser Advokat gehört zu den schlimmsten Scharf- machern und Arbeiterfeinden im Kanton Zürich und er war auch einer der schlechten Väter des vor mehreren Jahren geschaffenen Antistreikgesetzes. Im 4. Kreise der Stadt Zürich hätte beinahe unsere Partei zum erstenmal aus eigener Kraft bei der KantonsratSwahl gesiegt, indem ihr Kandidat 1397 und der bürgerliche Gegenkandidat 1407, also nur 10 Stimmen mehr erhielt. Da keine Wahl zustande kam, also ein zweiter Wahlgang stattzufinden hat, besteht die Mög- lichkeit für die Erringung eine» Sieges in diesem Wahlkreise. Im KantonGenfist man im Begriff, den kommunalen Proporz für alle Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern einzuführen. Es sind die sozialdemokratischen, katholischen und konservativen Mindcrheitspartcien, die zusammen gegen die Opposition der Radikalen dem politischen Fortschritt die Bahn frei- machen. frankrdch. Die Wohutmgsrefor« auf dem Marsche. Der schwächliche Vorschlag des Seine-Präfckten. die WohnungS- reformer mit 30 Millionen abzuspeisen, hat den Fortgang der ernst- haften Bewegung nicht gehindert. Die GemeinderatSkommission für Beschaffung billiger Wohnungen hat bei den zuständigen Ministern und der Kommission für soziale Fürsorge innerhalb der Kammer Würdigung ihrer Bestrebungen gesunden. Es soll ein Gesetz vorgelegt werden daS den Gemeinden das Recht gibt, zu Wohnungszwecken Anleihen aufzunehmen, Grundstücke zu erwerben und zu bebauen. Die Kommisston selbst Hai gemäß dem Borschlage deS Genossen Brunei sowohl der Aufnahme einer Anleihe als der Summe von 200 Mill. Frank nach eingehender Diskussion mit allen gegen eine Stimme zugestimmt. Damit ist die Reform natürlich noch nicht im Hasen. In der Kammer wie namentlich im Senat dürfte das zu erlaffende Gesetz noch manchen Schwierigkeiten begegnen. Und im Gemeinde- ratsvlenum werden die Interessenten des WoHnungSwucherS auch nichts unversucht lassen, um den Plan Bruneis zu Falle zu bringen oder doch möglichst unwirksam zu machen. Immerhin wird, wie Brunei betont, eine Körperschaft, die zur bloßen Verschönerung der Stadt 900 Millionen bewilligt und die Enteignung bieler Grund- ilücke genehmigt hat. dem dringendsten Bedürfnis der BolkSmaffen gegenüber nicht versagen dürfen. Cnglanck. Der Polizcikampf gegen die Frauen. London . 5. März. Die Polizei drang heute abend in daS Hauptquartier des sozialpolitischen Frauen. Verbandes von London ein, verhaftete mehrere der dort an- wcsendcn Frauen und belegte die Räumlichkeiten mit Beschlag. ZUrkel Die türkische Wahlkampagne. Aus Konstantinopel schreibt uns ParduS: Die Wahlkampagne ist nun in vollem Gange. Uebersehen lassen sich die Ergebnisse noch nicht; wohl aber unterliegt eS keinem Zweifel mehr, daß die politische Zersetzung, die zur Auflösung des Parlaments geführt hatte, nunmehr erst recht an allen Ecken und Enden um sich greift. Die Auflösung war ein Triumph desKomitees" und verstärkte dessen Ansehen. Der gelungene Streich verblüffte, die furchtsamen Elemente duckten sich und erivartungsvoll sah man den Dingen eut- gegen, die nun kommen sollten. Anderseits ließ die Regierung auf allen ihr zugänglichen Wegen verbreiten, daß sie nunmehr Reformen vornehmen werde. Sie hat es ja zuletzt zu einer stehenden Redens- art gemacht, daß das Parlament das Haupthindernis der Reformen geworden sei. Jetzt, da sie diesen Ballast losgeworden war, da wollte sie auf dem Wege der Verordnungen, die allerdinge einer nachträglichen Bewilligung des Parlaments bedürfen, rasch Re- formen durchführen, um das Parlament vor vollendete Tatsachen zu stellen. Nun ist aber schon Zeit genug verflossen, seitdem das Parlament nicht mehr tagt, und von Reformen ist nichts zu merken. Auch hat sich die öffentliche Meinung von ihrer ersten Bestürzung erholt, und die Wogen der Opposition be­ginnen schon wieder, das� Komitee und die Regierung zu über- fluten. Ein wichtiger Machtfaktor bleibt allerdings in den Händen de» Komitees: es hat die Regierungsgewalt und den Regierung?- apparat bei den Wahlen in seinen Händen. Das bedeutet überall viel, in den Balkanländern aber erst recht. Das kann aber nicht verhindern, daß die Organisation des Komitees sich innerlich zersetzt. So tauchen jetzt an allen Ecken und Enden Parlamentskandidaturen der Komiteepartei auf. In einzelnen Wahlkurien stehen sich ein Dutzend und mehr eigener Kandidaten der ParteiUnion und Progres" gegenüber. Es ist eine vollständige Auflösung aller Parteiordnung. DaS Zentral- komit« scheint jeden Einfluß verloren zu haben. Die lokalen Gruppen stellen ihre Kandidaten auf; jeder, der über ein Halb» dutzend Anhänger verfügt, hofft zu reüssieren; die Mandatjägerei ist zu einem Geschäft tttid zu einem Sport geworden, und der Einfluß der. Zentralorganisation scheint sich nur darauf zu de- schränken, daß all diese Leute sich fürUnion und ProgreS" er« kläven.' Daß daS Komitee mit Hilfe des RegierungSapparat« eine Ma» jorität bei den Wahlen zusammentrommeln wird, ist wohl sehr wahrscheinlich: sicher aber ist, daß es diese Majorität noch weniger wird zusammenhalten können, als die des aufgelösten Parlaments Die Verlegenheit deSKomitees" wird auch durch die Ben» folgungen dokumentiert, welche die Behörden bezw. das Kriegs» gericht gegen die Leute der Opposition unternehmen. So wurde Genösse Bonaraya in Saloniki auf offener Straße verhastet. ins Gefängnis geworfen und dann per Schub nach Konstantinopel gebracht, von wo man ihn weiter nach der bulgarischen Grenze schaffen wollt«. Es gelang allerdings in Konstantinopel , ihn stei» zubekommen, jedoch nur unter der Bedingung, daß er nicht nach Saloniki zurückkehre. Bonaraya ist in Bulgarien geboren, er hat sich aber in aller Form das ottomanische Bürgerrecht erworben. Er war unter anderem einer der ersten, die mit der BesteiungS- armee nach Konstantinopel zogen, um mit den Wafstn in der Hand die junge Konstitution gegen den Staatsstreich zu schützen. Der Grund ist die Erstarkung der Arbeiterorganisa» tion in Saloniki und die energische Wahlkampagne, die von der Sozialistischen Föderation geführt wird. Das selbständige entschlossene Auftreten unserer Partei, die in Saloniki bereits über bedeutende Massen verfügt, erweckt steigend« Befürchtungen und Erbitterung in den Reihen de».Komitee»", Deshalb die Repressalien und Racheakte. Nützen wird natürlich Bonarayas Ausweisung nicht das geringste; denn die Organisation in Saloniki steht schon längst so fest, daß sie auch ohne die Mit- Wirkung des einzelnen auskommen kanu; dagegen schaffen die Ver- folgungcn eine gewaltige Erbitterung der Arbeitermasse«, die sich gegen dasKomitee" kehrt. Die Situation ist aber so. daß unsere Partei bei den nächsten Wahlen in Saloniki, trotz der ungünstigen Wahlkreiscinteilung. dem indirekten Wahlrecht und andren Schikanen, zu einer ausschlaggebenden Kraft werde» dam». Bvigarfat. Das Proporzionalwahlrecht. Sofia , 6. März. Die S o b r a n j e hat den Gesetzentwurf be» treffend die Einführung de« Proportionalwahk« s y st c m s für die Sobranje im ganzen angenommen. Marokko. DieFriebenSarbeit" des französischen Protektorat». Paris , 6. März. AuS Easablanca wirb gemeldet: Zwei Kompagnien, die einen Aufklärungsmarsch südwestlich von Suk el Arba unternommen hatten, wurden von Leuten de? Andjerastammes angegriffen. Die Eingeborenen wurden nach hartnäckigem Kampfe mit beträchtlichen Verlusten in die Flucht geschlagen; auf stanzöfi- scher Seite wurden zwei eingeborene Soldaten verwundet. Hmerifta. Der Bürgerkrieg in Mexiko . Mexiko , 6. März. Die Zapatisten haben die S t a d t A t I i x c o eingenommen; bei dem Kampfe wurden 20 Mann der Re- gierungstruppen und 13 Aufständische getötet. In der Nähe von Torreon fielen Regierungstruppe» in einen Hinterhalt, wobei sie 50 Mann verloren. New T»rk. 6. März. Nach einer Meldung aus Guahaquil ist General Julia Andrade, der Kommandeur von Guahaquil, gestern abend in Quito von seinen Soldaten ermordet worden.