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Nr. 58. 29. Jahrgang.

1. Beilage des ,, Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Abgeordnetenbaus.

82. Sigung. Freitag, den 8. März, bormittags 11 Uhr.

Am Ministertisch: v. Breitenbach, Kommissare.

Der Bauetat.

Ein nationalliberal- fortschrittlicher Antrag will die Staats­regierung ersuchen, in Verbindung mit dem Wassergesetz und den Vorarbeiten für eine Verwaltungsreform die Zentralisation der Wasserbauverwaltung und der Wasserwirt­schaft in einer Behörde in Erwägung zu ziehen. Abg. Heine( natt.): Die Wasserkräfte der Eder und Diemel sollten mit denen bei Münden   vereinigt und durch eine Starkstromleitung nach Kassel   und Göttingen   ausgenutzt werden. Es ist aber von all dem merkwürdig still geworden. Minister v. Breitenbach stimmt diesen Anregungen zu. Die Pläne find fertig, es wird nur auf den Abschluß der Verhandlungen mit einigen großen Verbänden gewartet.

werden.( Bravo  ! rechts.)

Sonnabend, 9. März 1912.

Teile dem Antrage nachgebildet, den wir im Jahre 1909 gestellt Bugluft angeordnet werden, wie das in Württemberg   schon teilweise Hesten. Wir fordern eine geschehen ist. Preußen muß mit dem Bauarbeiterschutz vorangehen, denn nach ihm richten sich mehrere Bundesstaaten. Es bleibt aber

gesetzliche Regelung des Bauarbeiterschuhes. Wir verlangen, daß zu Baukontrolleuren auch Arbeiter hinter Württemberg   zurück. in freier Wahl gewählt werden sollen, die uns eine bessere Aussicht sollten ebenso aufgehängt werden müssen, wie die Unfallver­Die Polizeiverordnungen über den Arbeiterschuß auf Bauten für die Einhaltung der Arbeiterschußbestimmung bieten, als die Polizeibeamten, die in der Regel von dem Bauarbeiter- hütungsvorschriften und in den Fabriken die Arbeitszeit. Das wäre schutz gar nichts verstehen.( Sehr richtig! bei den Sozialdemo- biel wichtiger als die Aushängung aller gleichgültigen, völlig unbeach­teten Verordnungen in Straßenbahnen. Die Organisation fraten.) Hingegen haben die Vertreter aus den Arbeiterklassen selbst eine praktische Erfahrung. Der Bauarbeiterschutz beruht macht ja die Bestimmungen bekannt, aber damit sind sie noch nicht in Preußen vornehmlich auf Polizeiverordnungen, die in maßgebend für die Unternehmer und leider gibt es noch unorgani­der Regel den Grundzügen nachgebildet sind, die der Minister der sierte Arbeiter, z. B. die Ausländer bei Erd- und Kanalarbeiten, die öffentlichen Arbeit herausgibt. Die Durchführung dieser Arbeiter- fich gar nicht um die Schutzvorschriften fümmern. In Minden  schutzbestimmungen ist außerordentlich mangelhaft. Der werden die Vorschriften beim Kanalbau gar nicht eingehalten; auf Minister hat im Jahre 1909, als ich darauf aufmerksam machte, dies eine Beschwerde beim Kanalamt wurde dem Bauarbeiter­bertrauensmann die Berechtigung abgesprochen, auf das lebhafteste bestritten. Er erklärte, daß diese Organe, nämlich Klagen für die Arbeiter vorzubringen.( Sehr die Polizei usw., nach Auffassung der Staatsregierung vollkommen Sie wollen ja gar nicht, daß die Arbeiter dazu ausreiche, Unfälle vorzubeugen, und den Arbeiterschutz wirksam richtig! rechts.) zu arbeiten haben. zu gestalten, soweit dies im Bereich der Möglichkeit liege. Wir wissen, unter welchen Bedingungen sie Unsere Vertrauensmänner werden sich aber durch folde damals in diese Aeußerung den allergrößten Anschauungen in ihrem Eintreten für die Arbeiter nicht 3 weifel gesetzt. Nach dieser Debatte haben seit dem Jahre 1909 hindern lassen.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es handelte Bauarbeiterschußkonferenzen getagt, die überall das Gegenteil von hindern lassen.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es handelte dem festgestellt haben, was der Minister hier als ausreichend hin- sich da um die gestellt hat.( Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) schwersten Verfehlungen gegen Sittlichkeit und Gesundheit der

haben

Die auf diesen Konferenzen aufgestellten Forderungen beziehen

die

Arbeiter

Abg Goebel( 3.): Die Tarife auf dem Großschiffahrtswege Stettin  - Berlin   müffen fo boch wie möglich sein, damit nicht die englische Koble die schlesische ganz aus Berlin   verdrängt. Abg. Frhr. v. 3edlik( ff.) stimmt dem Abg. Goebel zu. Abg. Frhr. v. Malyahn( f.): Es handelt sich bei dieser Tar fierung um das Lebensinteresse Stettins gegenüber Hamburg  , ſich auf einen Landesgesetzlichen Bauarbeiterschuh, und da sollen sich die von den dafür verantwortlichen Polieren ab­alio um eine gesamtpreußische Sache. Ich sage das aber nicht Anstellung von Bauarbeitertontrolleuren, Er hängigen Arbeiter selbst zu beschweren wagen! Sie haben doch namens meiner Fraktion. Die Vernachlässigung des weiterung der vom Minister erlassenen Vorschriften und eine größere felbft hier erklärt, daß Behördenterrorismus die Hand­Berliner Marktes durch die schlesischen Gruben hat die Ein- Kontrolle. Im Jahre 1910 hat der Minister einen neuen Rund- werker von Beschwerden abhält!( Hört! hört! bei den Sozialdemo fuhr englischer Kobie gewaltig gefördert. erlaß über die außerterminliche Ueberwachung der Bauten heraus- traten.) Das Kanalbauamt hat selbst auf die Schäden zu achten; Abg. v. Pappenheim  ( f.): Die Staatsregierung soll gewiß alles gegeben. In diesem Erlaß heißt es, daß zwar die leberwachung er hat seine Pflicht verlegt, wenn er verlangt, darauf erst von jedent Mögliche für Stettin   tun. Aber das durch Tarifänderungen zu tun, der Bauten im allgemeinen sich etwas gebeffert habe und daß dies Arbeiter aufmerksam gemacht zu werden.( Sehr richtig! bei den würde Unsicherheit herbeiführen. Dasselbe gilt von den seinerzeit auch teilweise vorbildlich und anerkennenswert sei. Indes fei Sozialdemokraten.) Wir begrüßen die Anlage einer öffentlichen Statistik über die durch Kompromig eingeführten Schiffahrts abgaben. Daran andererseits nicht zu verkennen, daß die Polizeifürsorge in anderen Der Bundesrat sollte das im darf auch auf dem Groß chiffahrtsweg Stettin  - Berlin   nicht gerüttelt Gemeinden und zwar auch in solchen mit reger Bautätigkeit noch Unfallurfachen im Eisenbetonbau. viel zu wünschen übrig lasse. Diese Worte bestätigen ganzen Reiche veranlassen. Diese Statistit sollte rasch, in furzen veröffentlicht werden. Die Unfallberufungs Avg. Tr. Lippmann( Vp): Ja, wie soll denn dann den unsere Bauarbeiterklagen, die wir im Jahre 1909 vorgetragen 3wischenräumen Steuern geholien werden? Von allen Schiffen, die Stettin   an- haben. Außerdem enthält dieser Runderlaß die Bestimmung, daß vorschriften beabsichtigen ja einer Verschlechterung der Unfall­laufen oder von da auslaufen, wird bis 2500 Tonnen 6 Pf., über durch Berufsgenossenschaften geseglich aufliegende verhütungsvorschriften. Darauf müßte der Minister genau achten. 2500 Tonnen 12 f Vertiefungsabgabe erhoben, außer dem zwanzig- Pflicht zur Anstellung von Aufsichtsbeamten, die Polizeibeamten von Er hat ja vor der Genehmigung durch das Reichsversicherungsamt prozentigen bgc benzuschlag in Sivinemünde. Dadurch ist Schiffahrt ihrer Verantwortung für die Eicherheit auf den Bauten nicht befreit das Recht, sich zu äußern. In unserem Antrage fordern wir ferner Ausdehnung der und Hande! Stettins auf das schwerste gefährdet; er werden sollen. In diesem Erlaß steht ferner, daß die Gemeinden stagniert, die Stettiner Reedereien werden bankrott! Alle Beamte anzustellen haben, die in der Lage sind, den Baubetrieb Bauarbeiterschusvorschriften auf das flache Land anderen Cits und Nordieehäfen kommen glänzend vorwärts, also zu kennen, und daß dort, wo es einer Gemeinde nicht möglich ist, und die kleinen Städte mit ländlichen Verhält= fann es nur an der Ueberbelastung Stettins liegen. Längst find einen Beamten für sich allein anzustellen, für mehrere Genissen. Daß das nicht gleich geschehen ist, haben wir schon 1909 die Aufwendungen des Staates für die Vertiefung bezahlt und meinden ein solcher eingestellt werden soll. Hier hat der als großen Fehler bezeichnet. Was fümmern sich die Polizeibehörden überzahlt. Tie Vertiefungabgabe war eine vorweggenommene Minister einen Erlaß herausgegeben, der bei den Bauarbeitern auf dem Lande um Arbeiterschutz! Die führen nicht freiwillig die Schiffahrtsabgabe. Stettin   hat genug geblutet! Preußen volles Verständnis findet. Aber das wichtigste an diesem Erlaß ist, Grundiäße des Ministerialerlasses auf dem Lande ein. Ich muß die hat Hamburg   und Lübeck   begünstigt, seine erste Seestadt aber ver- daß er die Berechtigung unserer seinerzeit erhobenen Klagen be- dem Minister gezollte Anerkennung auf die Hälfte redu nachlässigt. Die hohen Tarife auf dem Großschiffahrtswege Stettin  - stätigt hat.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich muß zieren, weil die außerberlinische Ueberwachung des Bauarbeiter­Berlin geben Stettin  , den Rest. loben, daß hier Abhilfe geschaffen worden ist; aber es ist ja schutzes auf die Gemeinden mit über 100 000 Ginivolern beschränkt schließlich auch nur die Pflicht der Staatsbehörden, für ist. Dafür gibt es höchstens die Begründung" einer Fürsorge Leben und Gesundheit der Bauarbeiter zu sorgen.( Zustimmung für die Großgrundbesizer.( Sehr richtig! bei den Sozial­demokraten.) bei den Sozialdemokraten.) Hoffentlich schadet unsere Anerkennung des Ministerialerlasses Die pommeriche Bauarbeiterfugtonferenz in dem Minister nicht.( Heiterfeit.) In einem Erlaß von 1911 werden Stettin   hat im August 1911 festgestellt, daß auf dem Lande von einige neue Bestimmungen getroffen, darunter cine, daß in den einer Durchführung der Bauarbeiterschutzbestimmungen teine Unterkunftsräumen außer Sigen auch Tische enthalten sein Rede ist. Eine Bautenkontrolle auf 380 Bauten stellten denn Die Abga. Krause- Waldenburg( ft.) und Goebel( 3.) treten müssen. Früher waren nur Sige vorgeschrieben und daraufhin auch die schwersten Mängel sanitärer Art nochmals für Oberschlesien   ein, Abg. Dr. Lippmann( Vp.) für stellten die Unternehmer feine Tische bei. Anerkennenswert ist die Neuerung, daß bei Tiefbauten außerhalb gefchloffener Städte feft, sowohl auf den Bauten, als noch mehr in den Baubuden, von Abg. v. Bülow Homburg( natl.) verlangt ein Wohnungs- Wärmeeinrichtungen vorhanden sein müssen. Wir wünschen dringend, denen übrigens nur 11 wöchentlich gereinigt wurden. Die Aborte gefez. Billige, schnelle Verbindungen sowie Begünstigung des daß dies auch für Hochbauten angeordnet wird. Warum erst waren zum Teil im unglaublichsten Zustand usw. Kurz, ein un­seleinbausbaues durch die Bauordnungen sind eine Vorbedingung eine solche Unterscheidung? Es fehlen aber Bestimmungen auf Ein- glaubliches Lotterwesen im Bauwesen auf dem Lande. Für die richtung jeder Wohnungsreform. von Berbandstästen für erste Hilfe, Unterbringung der Arbeiter wird in feiner Weise gesorgt. Wir be Ministergehalt ist die allgemeine Sanitätsräume mit waschgelegenheit, genauere Re- antragen deshalb. baß für ausreichende Wohngelegenheit gesorgs Aussprache. Es liegt folgender sozialdemokratischer gelung der Reinhaltung der Bauten. Jede Baubude müßte werden muß, und daß diese so eingerichtet werden muß. Antrag vor: Die fönigliche Staatsregierung wird ersucht: täglich gereinigt werden! Nicht einmal Spud näpfe müssen auf daß Seuchengefahren usw. verhindert bleiben. Vier bis 1. einen Gefeentwurf zur Regelung des Bau- gestellt werden- im Zeitalter der Bekämpfung der Tuberkulose. sechs Wochev lang kommen die Leute nicht aus den Kleidern, ihr arbeiterschußes vorzulegen, der insbesondere die Anstellung inflar ist die Bestimmung über die Scheidewände zwischen den Lagerstrot verfault! In den Tarifverträgen fordert der Zentral­von Bautontrolleuren aus der Arbeiterklasse vorsieht; Abortfigen; sollte für jeden Sitz bestimmt werden. verband der Maurer immer Bestimmungen für die Unters 2. unverzüglich zu verordnen, daß a) der Beginn von Bau- Bei der wortgetreuen Auslegung solcher Elasse sind das alles keine bringung der Bauarbeiter auf dem Lande, fo daß die arbeiten auf dem Lande abhängig gemacht wird von dem Na ch= Kleinigkeiten. Statt Heizbarfeit" follte Heizung" der Arbeits- Betten mindestens 30 Zentimeter über dent Boden fein weise, daß für die beim Bau beschäftigten Arbeiter ausräume bestimmt werden. Anerkannt muß werden, daß die Ent- müssen, daß die Bettwäsche regelmäßig in vier bis sechs Wochen ge­reichende Wohngelegenheit vorhanden ist, b) sämtliche fernung der Aufenthaltsräume vom Arbeitsort von 750 auf 550 Meter wechselt, nötigenfalls desinfiziert werden müsse usf. Berordnungen über den Schuß der Bauarbeiter auf alle ländlichen der Bauarbeiterichugkommissionen und legt einige Photographien auf Beschlüsse der Bauarbeiterschutzkonferenz bestätigt, daß auf dem Lande herabgesetzt jei. Der Redner verweist auf das reichliche Material pommerscheu Landräte haben in den Antworten auf die Gemeinden und Gutsbezirke ausgedehnt werden. den Tisch des Hauses nieder. Die Winterbauten müßten 7 Monate tein Bauarbeiterschutz besteht, nur ,, berbitten Sie sich Abg. Leinert( Soz.): lang gedichtet werden, statt 5 Monate. Daneben muß auch Erwegen Ausfällen auf die Behörden" die Zusendung der Konferenz­Der jetzt zur Beratung stehende Antrag ist in seinem ersten wärmung der Winterbauten, nicht bloß Schutz vor protokolle.( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist das

Minister v. Breitenbach: Abgaben auf den Waferstraßen müssen erhoben werden. Wenn durch die Kanalbanten, die für viele Industrien andere Verhältnisse schaffen werden, Schlesien   bes sondere Vorteile baben sollte, wird zu prüfen sein, ob für Stettin  etwas geichehen soll. Durch hohe Abgaben werden die Interessenten der Wasserstraßen vor der Garantieleistung bewahrt. Die Ostsee­häfen liegen uns febr am Herzen.

Stettin  .

26 bürgerliche Abgeordnete,

die nicht zu Hofe gehen wollten!

Die Weigerung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, ihrem Kandidaten zur Präsidentenwahl im Reichstag   die Verpflich tung zum Hofgang aufzuerlegen, wird von der pseudo- liberalen und reaktionären Presse als fürchterliches Attentat wider die er= habene Institution des Gottesgnadentums verdammt, dessen auch Gott sei gedankt die umstürzlerische rote Rotte" fähig ist. Und erst die kritische Beleuchtung, die Genosse Scheidemann in einer Reichstagsrede der Regierungskunst der Hohenzollern   hat angedeihen lassen! Einfach fürchterlich!

nur

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Vielleicht interessiert die patriotisch entrüsteten Herren eine Meine Episode aus längst vergangener Zeit, als auch noch im Bürgertum so etwas wie Männerstolz vor Königsthronen" an­zutreffen war. Im Schwabenland hat sich das nette Geschichtchen zugetragen, Anno Domini 1869, als man dortselbst das 50jährige Bestehen der Landesverfassung feierte.

Der König Karl 1.   veranstaltete am Tage des Inkrafttretens der Verfassung, den 25. September, im Residenzschloß eine große Galatafel, zu der sämtliche Mitglieder beider Kammern Einladun­gen erhielten. Einer der Landtagsabgeordneten, nämlich der Führer der Württembergischen Volkspartei Dr. Carl Maher, Redakteur des Etuttgarter Beobachter", war jedoch Dienstlich verhindert", der Einladung Folge zu leisten. Er saß just im Ge­fängnis auf dem Hohenasperg  , allwo auch der Zeitungsschreiber und Dichter Christ. Friedr. Daniel Schubart   zehn Jahre ein­gekerfert war, weil er sich unziemlich über seinen Landesvater Karl Eugen   und dessen Maitresse geäußert haben soll. Carl Maher, furzweg der Schwabenmayer" genannt, hatte ein ähnliches Verbrechen begangen, wenn auch nicht am angestammten Landes­bater: er hatte die Hohenzollern   kritisiert! Aber ettas fräftiger, als das unser Genosse Scheidemann fertig bringt. Denn wenn ein Schwabe mal zu kritisieren anfängt, das fleckt schon anders! Der Handlanger" seines Herrn, Bismarck  , hatte die württembergische Justiz angerufen. Die Folge war ein Prozeß: Hohenzollern   tontra Schwabenmayer! Das Re­fultat: Sechs Wochen Gefängnis für Schwaben= mayer, die er am 9. September 1869 auf dem Hohenasperg  

antrat.

Soweit ist die Geschichte ganz alltäglich. Maher saß in be­schaulicher Ruhe in seiner Zelle und freute sich, für einige Zeit dem Getriebe dieser unruhigen Welt entrüdt zu sein. Nebenbei brütete er schon wieder über neue Attentate auf seinen Prozeßgegner.

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bas

Am Morgen des 18. September wurde dieses Jdyll auf etwas sonderbare Weise unterbrochen. Der Gefängniswärter brachte dem Verbrecher folgendes Brieflein auf die Belle:

Seiner Wohlgeboren

dem Herrn Abgeordneten Redakteur Dr. C. Mayer in Stuttgart  ! Euer Wohlgeboren

habe ich die Ehre auf höchsten Befehl Seiner König­lichen Majestät zu der Gala Tafel einzuladen, welche am 25. dieses Monats, dem Jahrestag des fünfzigjährigen Be­stehens der Landesverfassung, im weißen Saale des Sigl. Residenz schlosses zu Stuttgart   Statt findet. Hochachtungsvoll

Schloß Friedrichshafen  , den 15. Sept. 1869.

Generalmajor Graf Beroldingen Hofmarschall S. M. des Königs. Beit: 5 Uhr. Anzug: schwarzer Frad und weiße Hals­binde. Anfahrt: am grünen Teppichjaal.

Schwabenmayer war sehr erfreut ob dieser freundlichen Ein­ladung. Er fand aber, daß die vorgeschriebene Kleidung, Frad und weiße Binde, in seiner Gefängnisgarderobe leider fehlte. Er schrieb darum zurüd:

An das gl. Oberhofmeisteramt

in Stuttgart  !

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Die

Kgl. Civilfeftungsgefängnis und Strafanstalt Hohenasperg! 19. September 1869. Dem wegen ehrenrührigen Bezichts zur Erstehung einer sechswöchigen Kreisgefängnisstrafe hier befind­lichen Redakteur C. Mayer von Stuttgart   ist eröffnet worden, daß für den Fall er der an die Mitglieder der Ständeversammlung ergangenen Einladung zur Königl. Tafel am Samstag den 25. d. M. na ch zukommen Willens wäre, nach fgl. Justizministerial­erlaß vom 18. d. M. die Unterbrechung der Strafe auf die Dauer vom 24. bis 26. d. M. verfügt worden ist.

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Schwabenmayer war jedoch nicht willens, seine Ferien" nur auf zwei Tage zu unterbrechen. Wenn schon, denn schon! sagte er. Seinen Freunden teilte er mit, daß er zwar geneigt sei, seinen Ruhefit aufzugeben; hinaus gehe er schon, aber auf feinen Fall wieder hinein! Seine Parteifreunde waren der gleichen Meinung. Ebenso die Großdeutschen. Letztere teilten und fügten hinzu, daß, wenn der Kollege Schwaben­den Entschluß Schwabenmayers dem Justizminister Mittnacht mit mayer an Der Königl  . Galatafel nicht speisen

könne, auch sie dankend verzichten müßten. Der ünder wider das Gottesgnadentum der Hohenzollern   auf gute Justizminister wäre wahrscheinlich heilfroh gewesen, wenn er den Manier losgeworden wäre, mitsamt dessen ehrenrührigen Bezich= ten" gegen die Herrschertugenden der Prozeßgegner Schwaben  -­Hohenasperg  , den 18. September 1869. mahers. Aber traue einer dem Berliner Wind! Die Regierung Es ist mir heute von Hofmarschallamt Sr. Majestät des lehnte ab, den Majestätsbeleidiger länger als zwei Tage aus ihrer Königs Herrn Generalmajor Graf von Beroldingen auf höchsten Obhut zu entlassen. 26 Abgeordnete der Volkspartei Befehl eine Einladung d. d. Friedrichshafen   15. d. M. zu der und der Großdeutschen Partei beantworteten Gala- Tafel zugekommen, welche am 25. d. M., dem Jahrestag den ablehnenden Bescheid der Regierung mit der des 50jährigen Bestehens der Landesverfassung, im Kgl. Residenz Weigerung, an der Galata fel Sr. Majestät teil= schloß stattfindet, und werde ich in dieser Zuschrift angewiesen, zunehmen. 20 Minuten vor Beginn der Tafel wurden die darüber Ihrer berehrlichen Stelle Antwort zu geben. Dem Herrn Stühle der Abgeordneten aus dem Speisesaal des Schlosses ent­Hofmarschall war vermutlich nicht bekannt, daß ich, in der Er- fernt. Schwabenmayer brummte seine sechs Wochen treu und stehung von Gefängnisstrafen begriffen, zu welchen bieder ab. Seine Freunde aber gingen aufs Land hinaus und ich auf Selage der gl. Preußischen Regierung und des Grafen Bismard in Preßprozessen verurteilt wurde, hielten Reden, umstürzlerischer als sie der radikalste Sozialdemokrat 3ur Zeit nicht in der Lage bin, Einladungen jemals gehalten hat. anzunehmen.

Indem ich daher für die mir zugedachte Ehre höflichst danke, bin ich mit

Ausgezeichneter Hochachtung

( Unterschrift.)

Die Vermutung Schwabenmahers, das Hofmarschallamt habe feine Kenntnis von der dienstlichen Verhinderung" des Zeitungs­schreibers gehabt, war übrigens falsch. Mit dem Antwortschreiben Mayers freuzte nämlich folgende Verfügung:

Der berweigerte Hofgang ist auch poetisch verherrlicht worden. Jm Beobachter" vom 18. Dftober 1869 findet sich folgendes rührend schöne Poem eines ungenannten Verfassers:

Hört die traurige Geschichte, Die ich jetzt erzählen tu'. In dem schönen Schwabenlande Trug sich neulich dieses zu: