1. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt.Ur. 334.Donnerstag, den 3. Oktober 1893.10. Jahrg.Ein ZandidyU ans demGegenwartsstaat.Schauplatz: Mecklenburg, das Junker- und Bauernparadies.Zeit vom Herbst 1S91 bis in den letzten Winter. Da die Haupt-person todt ist, mußte der Verlauf des Idylls in ihrer Abwesen-Wesenheit festgestellt werden. Die Feststellung erfolgte vor demSchwurgericht in G ü st r o w am 29. September d. I. Und nunentrollen wir das Idyll nach der.Mecklenburgischen Zeitung"vom Letzten des vorigen Monats:Am 2i. Oktober 1891 trat die fünsundvierzigjährige un-verehelichte Sophie Bug. welche im März desselben Jahres alslandarm in das Landarbeitshaus eingeliefert und als wiederarbeitsfähig entlassen war, bei der Angeklagten in Dienst. Siewar schwachsinnig, konnte nicht gut hören und sehen, war aberbei schmächtigem Körperbau von gesundem Aussehen und thatals Einmädchen alle Arbeit. Der Präpositus Büttner in Thürkow,bei dem sie vorher vom 1. Juli 1891 ab in Dienst gestandenhat, bezeichnet die Büß als willig, aber in der geistigen Ent-Wickelung derart zurückgeblieben, daß sie als ein Kind habebehandelt werden müssen und über das ihr als Mensch Zu-kommende kein Vcrständniß gehabt habe. Am 24. Januar 1393wurde ein zweites Dienstmädchen angenommen und da die Büßunordentlich und sehr unsauber war. so sollte sie nicht mit demneuen Mädchen in einer Kammer schlafen, und es wurde ihr mitihrer Zustimmung eine Schlafstelle im Stallgebäudeund zwar in einem vom Kuh stalle abgesonderten Raum an-gewiesen.Wegen ihrer Unreinlichkeit wurden ihr Bettenund Laken nicht gewährt, das Lager bestand lediglichaus Stroh, in welchem sie in ihrem Tagesanzuge sich zu Schlafelegte. Wenn sie das Gebäude verlassen wollte, mußte sie durchden Schmutz des Kuh st alles hin durchtreten. Schonanfangs Januar halte sie Frost in den Füßen, so daß ihr dasGehen schwer wurde. Nun aber wurde ihr Zustand von Tag zuTag schlimmer. Sie magerte ab, ihre Zehen waren über undüber wund und sie verließ ihr Lager nur noch gezwungen undauf allen Vieren kriechend. Ohne Wechsel der Kleider that siesich keine weitere Reinlichkeit an. als daß sie sich ab und zu, dazugezwungen, das Gesicht bei der Pumpe wusch. Ter Platz, wo sielag, wurde niemals ordentlich rein gemacht, nur wurde von demStroh zum Streuen verwandt und dafür frisches wieder hin-gelegt. Von dem Lager ging denn auch ein widerlicher Geruchaus. Die Büß war ernstlich krank, trotzdem schickte die Dienst-Herrschaft nicht zu einem Arzte, die ganze Pflege beschränkte sichneben der Verabreichung von Essen und Trinken zu den Mahlzeiten darauf, daß man der Kranken anfangs Salben undPflaster gab, ohne sich darum zu kümmern, daß sie diese Mittelauch anwendete.Die Angeklagte verlangte von der Büß in der ersten Zeitnach der Umqartierung in den Stall, daß sie aufstehen undarbeiten solle. Wenn die Büß dann klagte, sie könne nicht auf-stehen, griff die Frau nach einem Stocke oder einem sonstigenGegenstande und hieb so lange auf die schreiende Krankeein, bis diese von ihrem Lager und aus dem Stallekroch. Sie mußte dann, ans den Knien liegend. Holzkleinmachen. Später wurde die Büß durch derartige Mißhand-lungen nicht mehr zur Arbeit getrieben, wohl aber angehalten,sich bei der Pumpe zu waschen. Es verging nach Be-kundung von Zeugen fast kein Tag bis zum7. April, wo es keine Schläge gab. Noch am7. April ist es gesehen worden, daß die Angeklagte die Büßmit einem Stücke Holz geschlagen hat. In an-scheinend bewußtlosem Zustande wurde sie an diesem Tagespäter hinter den Kühen liegend aufgefunden. Als der KnechtFischer sie aushob und auf ihr Strohlager legte, jammerte sie,dann sprach sie nicht weiter und nahm keine Nahrung mehr zusich. Endlich am 3. April wurde die Uebersührung der Büß insKrankenhaus zu Teterow beschlossen und ausgeführt. Um 4 UhrNachmittags kam sie als Sterbende dort an, wo sie an dem-selben Tage Abends verschied. Man fand den Körper zumSkelett abgemagert, mit einer Schmutzkrusteüberzogen, die Zehe» wund und an verschiedenenStelleu des Körpers Wunden vom Durchliegen.Die Leiche ist gleich von den Aerzten besehen.Erst jetzt erhielt die Behörde Kenntnis von diesem Falle.Die Leiche wurde am 18. Mai wieder ausgegraben und sezirt,die Untersuchung wurde gegen die Grambow'schen Eheleute ein«geleitet und gegen dieselben die Anklage erhoben, daß jeder vonihnen vorsätzlich mittels einer das Leben gefährdenden BeHand-lung, die Ehefrau auch mittels gefährlicher Werkzeuge, die Büßan der Gesundheit beschädigt habe, durch welche Körperverletzungder Tod verursacht ist.Die Angeklagten bestreiten in der heutigen Hauptverhand-lung ihre Schuld. Sie hätten einen Arzt nicht zu Rathe ge-zogen, weil sie geglaubt hätten, die Büß würde auch ohnehinwieder besser werden, da sie bis zuletzt guten Appetit gezeigt habe.Der Dr. med. Tarnke-Teterow bekundet, in Vertretung desKreisphysikus Dr. Scheven, über den Scktionsbefund, woraus derProfessor Geh. Medizinalrath Dr. Thierselder-lltoftock sein Gut-achten dahin abgab, daß als Todesursache das Fehlenausreichender Pflege in den letzten Wochen an-zusehen sei; die Schläge, welche die Büß erlitten, seien, dakeine Spure» am Körper zurückgeblieben, für nicht gefährlich zuhalten.Den verlesenen Schuldfragen wurde auf Antrag der Staats-vnwallschaft die Frage hinzugefügt, ob die Angeklagten der fahr--üssigen Tödlung schuldig seien. Der Vertheidiger erklärte, daß ersie Stellung der Frage nach mildernden Umständen nicht beantragenwerde, da er es nicht sür möglich halte, daß die Angeklagten fürschuldig befunden würden. Darauf stellte die Staatsanwaltschaftden Antrag auf Hinzufügung der Frage nach mildernden Um-ständen, welchem gewillfahrt wurde.Der Staatsanwalt führte aus: Angeklagte hätten Hand»lungen unterlassen, zu welchen sie verpflichtet waren. Siemußten für die in ihrem Dienst stehende Büß sorgen, ehe es zuspät war. Durch den Mangel an Pflege kam das Mädchenimmer mehr herunter und verfiel in Siechthum. Die Merkmaledesselben waren deutlich, Grambow habe sie gesehen. die Ehe-srau müsse sie ebenfalls wahrgenommen haben. Die Kranke habeselbst zu dem Mitmädchen gesagt, sie müsse ins Krankenhaus.Mindestens wären die Angetlaglen in außerordentlichem Maßejahrlässig gewesen.Der Vertheidiger hielt ein Unterlassen in dem Sinne, daßes vor dem Gesetze strafbar sei, nicht für vorliegend. An-geklagte hätten den Frost als einzige Ursache der Krankheit ge-halten, von dem sie glaubten, daß er bei wärmerer Witterungwieder weggehe. Grambow habe sonst. wenn seine Dienstleuteerkrankten, nicht gesäumt, den Arzt zu Holm.Wenn die Frau Grambow die Büß anhielt, an die frischeLuft zu gehen und etwas zu arbeiten, so war das in derOrdnung. Sie durch Schläge dazu anzuhalten, war geboten.weil die Büß anders nicht zu regieren war. Lediglich durcheigene Vernachlässigung sei der Zustand der Büß verschlimmert.Er beantragte daher, die Schuldjragen zu verneinen.Der Spruch der Geschworenen, verkündet durch den Ob-mann Bürgermeister Rath Müller, bejahte die Fragen nach derfahrlässigen Tödtung. Der Staatsanwalt beantragte gegen denEhemann 3 Monate, gegen die Ehefrau 6 Monate Gefängniß.Das Gericht verurtheilte ersteren zu 2 Monaten und letztere zu6 Monaten Gefängniß. Aus den Gründen ist hervorzuheben,daß die Angeklagten verpflichtet waren, für die Büß zu sorgen,und daß sie fahrlässig Handellen, wenn sie nicht rechtzeitig Hilfeund Pflege derselben angedeihen ließen. Die Fahrlässigkeit desMannes beruhte darin, daß er der Frau in ihrem Verhalten nichtentgegentrat."Wir enthalten uns jede? Kommentars. Die Thatsachenschreien zum Himmel, oder richtiger zu den Menschen, die einHerz in der Brust haben. Wie ist solches möglich? Und dasnennt sich Zivilisation? Die Hunde, die Scheine, hatten esbesser, als dieses unglückliche Weib aus dem Volk. Und Tausendsuud Tausende sind in ähnlicher Lage, wenn auch das tragischeEnde nicht so rasch und nicht so auffällig kommt, daß die blindeDame Justizia sich damit befassen muß.Wer die Verhältnisse auf dem Land kennt, der weiß, daßdie Lage des„Gesindes" und der Landarbeiter vielfach, wonicht in der Mehrzahl der Fälle schlimmer ist als die des Viehs.Und da sagt man: es giebt keine soziale Frage auf dem Land!—Pnukeincirlmrlikoir.Eine Züchtigung. Unser Halleschcs Partei-Organ schreibt:Die„Konservative Korrespondenz" widmet der Verurtheilungunseres Genossen Kunert in Breslau in dem sogenannten Akten-diebstahls-Prozesse zu 6 Monaten Gefängniß einen langen Jubel-artikel. Sie freut sich, daß„endlich einmal an einem sozial-demokratischen Verleiter zum Diebstahl vertraulicher Aktenstückeein Exempel statuirt sei." Der Diebstahl solcher Aktenstücke habenachgerade einen für die öffentliche Sicherheit gefahrdrohendenUmfang angenommen und das Psiichtgesühl eines Theiles derBeamtenschast gelockert erscheinen lassen. Die Verurtheilungwerde abschreckend wirken. Daß der„Kons. Korresp." der Ein-blick in die Geheimnisse des Militär-Strasverfahrens, in diedunklen Gebiete der Soldatenmißhandlung, in die Mysterien desSpitzelthums und der Anarchistenfabrikanten unangenehm ist, wieihn so manche unerwarteten Veröffentlichungen gewährten, außer-ordentlich fatal sein mag, ist sehr begreiflich, daß sie aber desweiteren den umständlichen Versuch unternimmt, die ThatKunert's als eine unpolitische, als gemeinen Diebstahl hin-zustellen, das beweist nur, daß sie mit den Machern der Reichs-tagswahl in Halle a. auf derselben sittlichen Stuse steht.Ei« sozialdemokratisches Kommunal-Wahlprogramm.Die Dortmunder Parteigenossen haben zur bevorstehendenStadtverordnetenwahl folgendes Wahlprogramm aufgestellt:1. Eintheilung der Stadt in Wahlbezirke für die Wählerklassen,welche über SM) Wähler zählen. 2. Unentgeltlichkeit der Lehr-mittel an sämmtlichen Volksschulen. Verpflegung der bedürftigenSchulkinder. Abschaffung der Vorschulen an den höherenLehranstalten. 3. Errichtung eines aus Vertretern derStadt, aus Aerzten und Erwählten der Arbeiter zusammen-gesetzten Arbeitsamtes zur ständigen Ueberwachung derArbeits-, Wohnungs- und Ernährungsverhältnisse der arbeitendenBevölkerung. Kostenfreie Arbeitsvermittelung seitens der Stadt.4. Gehaltserhöhung der untern Angestellten der Stadt, sowieder städtischen Arbeiter bei Einhaltung höchstens achtstündigerArbeitszeit. 5. Beseitigung des Submissionswesens bei Ver-gebung städtischer Arbeiten. Uebernahme derselben in eigeneRegie. 8. Errichtung eines Kommunalsriedhofcs. 7. Uebernahmeder Straßenreinigung auf Rechnung der Stadt. 3. Verweigerungaller städtischen Gelder zu sogenannten patriotischen oder Sports-zwecken. 9. Uebernahme der bestehenden und noch zuerrichtenden lokalen Verkehrsmittel in Verwaltung derStadt. 10. Abschaffung der Biersteuer und Bekämpfungaller etwa später zu planenden indirekten Steuern. Befreiungder zu den beiden Vorstufen zur Einkommensteuer zu veranlagendenPersonen.(Einkommen unter 990 M.) von den Kommunal-steuern. 11. Inangriffnahme nützlicher städtischer Arbeiten beivorhandener Arbeitslosigkeit. 12. Erhöhung des Armenbudgetsund mindestens Verdoppelung der Armenunterstützung unter Weg-fall des Modus, die unhemittelten Anverwandten der Unterstütztenzum Ersah der aufgewendeten Unterstützung heranzuziehen.Zu Kandidaten der dritten Wählerklasse sind die Parteigenossen Harm, Lands, Meyer und Stehr nominirt worden.Eine« Erfolg im Boykott haben die Erfurter Partei-genossen errungen. Nach einjähriger Sperre ist ihnen der Auen-keller wieder zur Verfügung gestellt worden. Die erste von dersozialdemokratischen Partei veranstaltete Versammlung wird dortam S. Oktober mit Th. v. Wächter aus Stuttgart als Referentenabgehalten werden.Ein Parteitag des 16. sächsischen Reichstags- Wahlkreisesfand am 1. Oktober in Chemnitz statt, um Stellung zum KölnerParteitag zu nehmen. Zu Delegirten wurden Händel undRosenow gewählt. Grenz erörterte in längerer Ausführung dieSchädlichkeit der Produklenverlheilungsvereine mit Abendverkaufund legte der Versammlung eine diesen Umstand besprechende Jnter-pellation vor. deren Absendung nach längerer Debatte an denParteitag beschlossen wurde.Man blutet ans jede» Fall. Am 3. und 22. Juli wurdenin Jeßnitz polizeilich angemeldete Versammlungen zur Vor-besprechung über Gründung eines„Arbeiter-Bildungsvereins" ein-berufen. Es wurde zunächst deballirt über:„Gründen wir einenpolitischen oder einen unpolitischen Verein?" Nach vielem hinund wieder wurde beschlossen, einen unpolitischen Verein zugründen. Es wurden dann Vorstände und Beisitzer gewählt,welche in erster Linie Statuten auszuarbeiten hatten. Kaumwaren die Statuten fertig gestellt, erhielt der Vorsitzende von derKreisdirektion zu Dessau die Ausforderung, die Statuten sowieMitgliederliste einzureichen. Die Statuten wurden zur Durchsichtmit dem Bemerken eingereicht, daß der Verein Einwirkung ausöffentliche Angelegenheiten nicht bezwecke, mithin dem Vereins-gesetz nicht unterliege. Die Kreisdirektion ist jedoch der An-ficht, daß nach dem Statut der Verein thatsächlich eine Ein-Wirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckt. Z 1 des Vereins sagt:„Der Zweck des Vereins ist, die Wohlfahrt seinerMitglieder, d. h. des deutschen Arbeiters nach Kraft und Ge-wissen zu fördern." Vor kurzem erhielt der Vorsitzende ein Straf-niandat über 30 Mark, der übrige Vorstand ein Strafmandatüber je IS Mark.— Nach eingelegter Berufung fand am27. September zu Jeßnitz Schöffengerichts- Verhandlung statt.— Der Vorsitzende des Gerichtshojes führte aus, daß nachdem Wortlaut der S'atuten der Verein eine Einwirkung auföffentliche Angelegenheiten allerdings bezwecke. Die Aeußerungenjedoch, welche in»er Versammlung gemacht worden sind,könnten als strafbar keineswegs in Betracht gezogen werden.Ter Amlsamvatt dagegen führte an. daß die Statuten demWortlaut nach, im Sinne des Gesetzgebers, als solche, welcheeine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken, nichtbetrachtet werden könnten, daß aber aus den Aeußerungen,welche in der Vorversammlung gemacht worden sind, thatsächlichhervorgehe, daß der Verein eine Einwirkung auf öffentliche An-gelegenheiten bezwecke resp. beabsichtige.— Wer hat nunRecht?— Die Ansicht des Amtsanwaltes steht der Ansicht desSchöffengerichts diametral gegenüber. Beide Theile, der Amts-anmalt sowohl als das Schöffengericht, erkannten einmülhig,daß mit einer Strafe von 30 M. sür den Vorsitzenden und je15 M. für die übrigen Vorstandsmitglieder des Arbeiter-Bildungsvereins zu Jeßnitz das Vergehen gegen die Ordnunggesühnt sei.Todtenliste der Partei.'In W i l st e r gab die Arbeiter-schaff am 30. September dem im Aller von 30 Jahren 8 Monatenverstorbenen Parteigenosse!» Markus Nottelmann das Grab-geleite.»»Polizeiliches, Gerichtliche?«.— Vom Schöffengericht Würzen wurde am Montag derRedakteur der„Wurzener Zeitung". A. D i e h l von der Anklageder Beamtenbeleidigung freigesprochen. Diehl hatte in seinerZeitung gesagt, daß der Ratyssekretär Hallbauer in seinem amt-lichen Verkehr mit den Einwohnern vielfach die entsprechendenäußeren Formen vernachlässige. Durch mehrere Zeugen wurdebestätigt, daß der milde Tadel, den Diehl erhoben hatte, vollaufgerechtfertigt war.Lolrerles.Der VertranenSbruch Cronheim'S, den wir mit der so-fortigen Entlassung des Herrn unserseits sür erledigt erachteten,hat den Vorstand des Vereins„Berliner Presse" veranlaßt, sichseinerseits ebenfalls mit der Angelegenheit zu befassen. HerrCronheim ist Mitglied des Vereins und hat auf Vorhaltenungenirt die Erklärung abgegeben, der wider ihn erhobene Vor-wurf jahrelang fortgesetzter Treulosigkeit entbehre der Begrün-dung. In der ersten Verblüffung über den entdeckten Verrathhatte Herr Cronheim in einem Zirkular an die BerlinerZeitungen allerdings selb st die Vertrags»vidrigkeitseiner„Mittheilungen" an die bürgerliche Presse zugegeben, seit-dem er aber m die Redaktion des Salin g-Spitz'schen„Kleinen Journals" eingetreten ist, hat er auch den sürdieses Organ erforderlichen Mangel an Wahrheitsliebe wiedergefunden. Und so konnten denn die von Herrn Cronheim im„Vorwärts" so oft nach ihrem Werth gekennzeichneten Ehrenmännerdes„Kleinen Journals" der Welt die freudige Mittheilungmachen,„wie glücklich sich der von dem„Vorwärts" nach zehn-jähiger treuer Dienstzeit grundlos entlassene RedakteurCronheim in unserem(des„Kleinen Journal") Bureau nach solanger Zeit wieder zum ersten Male unter anständigenMensche» fühlen werde".Nicht ganz so selbstverständlich scheint dem Vorstand des„Vereins Berliner Presse" die Ehrenhaftigkeit des Herrn Cron-heim zu sein, denn dessen Vorsitzender, Herr KammergerichtsrathWich ert, hat sich in zwei Briefen von unserer Redaktion dieBeweisstücke des Vertrags- und Vertrauensbruchs erbeten, umden Ehrenrath des Vereins entscheiden zu lassen, ob Cronheimnoch weiter Mitglied des Vereins bleiben könne, bez.„ob HerrCronheim anderen Blättern Mittheilungen über Vorgänge inder sozialdemokratischen Partei gemacht hat, von denen er nurin seiner Eigenschaft als Redakteur des„Vorwärts" Kenntnißerhalten haben konnte und wußte oder den Umständen nachwissen mußte, daß ihre Geheimhaltung erwartet werde".Wir haben zwar mit dem Verein nichts zu thun; die„Vorwärts"-Nedakteure zählen nicht zu dessen Mitgliedern, wiranerkennen auch keine besondere journalistische Ehre, aber wirhalten es sür angebracht, dem höflichen Ansuchen Folge zuleisten.Wir sind in erster Linie unseren Parteigenossen zur Kenntniß-gäbe verpflichtet; durch die Veröffentlichung an dieser Stelle werdensowohl diese als auch der Ehrenrath und die Mitglieder der„Ber-liner Presse" in den Stand gesetzt, ihr Urtheil zu sällen. Dennnicht blas vom Standpunkt unserer Partei, sondern von der jedesanständigen Menschen muß der Vertrags- und Vertrauensbruchdes jetzige» Redakteurs des„Kleinen Journals" als unehrenhaftverurlheilt»Verden.Sollte jemand an der Echtheit unserer Mittheilungen zweifeln,so kann ein Einblick in die Originalstücke den Beweis erbringen.Seit Jahr und Tag hat Herr Cronheim Mittheilungen ver-schiedenster Art, die er, sei es in seiner Vertrauensstellung alsRedakteur des„Vorwärts", sei es durch den aus dieser Stellungresultirenden kameradschaftlichen oder freundschaftlichen Umgangerfahren hatte, sür baares Geld an die gegnerische Presse verkaust,obgleich er bei einer ganzen Anzahl von Notizen sehr genauwußte, daß ihre Nichtveröffentlichung selbstverständliche Boraus-setzung und Ehrenpflicht war.Durch volle drei Jahre, vom September 1393 biS in denSommer 1890 zurück reichen die uns vorliegenden.von der Hand Cron heim's herrührenden Beweis-stücke. Aus dem reichen Vorrath wollen»vir zum Belege unsererDarstellung nur ein paar Notizen veröffentlichen;»vir verzichtendarauf, eine Anzahl freundschastlich-familiärer Begleitbriefewiederzugeben, obgleich sie eigentlich erst recht die Geivissenlosig-keit und Frivolität kennzeichnen, mit der Herr Cronheim diesesHandwerk betrieben hat.Herr Cronheim hat bekanntlich auch lange Zeit die Ver-antwortlichkeit für den„Vorwärts" getragen; aus dieser Zeitzeigt nachstehende Notiz, mit»velcher Selbstachtung er das vonihm gezeichnete Blatt in der gegnerischen Presse um die paarHonorargroschen charakterisirte. Er schrieb im November 1891:„In einer Erklärung der heuligen Nummer der„Ver-liner Volks- Tribüne" sagt der bisherige Redakteur HerrPaul Ernst, daß er infolge der letzten Vorkommnisse in derPariei die Redaktion niedergelegt habe.Wer die Vorkommnisse in der Partei näher kennt, wirdden wahren Werth der Berichtigungen des„Vorwärts"mit bezng ans diese Angelegenheit zu schätzen wissen."Herr Cronheim hatte auch ein seines Ehrgefühl für die ausdem freundschaftlichen Umgänge mit seinen Kollegen erwachsendenVerpflichtungen; die privaten Verhältnisse seines Chefredakteursverwerthele er solgendermaßen:„Die beiden ältesten Söhne des Abg. L i e b k n e ch istudiren an der hiesigen Universität Jura: danach sch-Herr Liebknecht senior die bestehende Rechtsordnungsür einige Zeit für gesichert zu halten."Die geschäftliche Verläßlichkeit in der Beobachtung der.daktionsgeheimnisse verräth folgende Notiz, in der erBourgeoispresse über schwebende Unterhandlungen bez. pelicher Veränderungen in der„Vorivärts"-Nedaktion uuterrich.„In die Redaktion des sozialdelnokratischen Zent.organs„Vorwärts" tritt am 1. Januar Dr. Carl Hi.aus Paris ein. Dr. Hirsch ist bekanntlich lange Ja'rL