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WaS die gefürchtetenAusschreitungen' anbelangt, so haben diese leider nicht lange auf sich warten lassen. WolffS Bureau muß diese Nachricht derbreiten: Essen <Ruhr), 11. MarA. Die Lage im Streikrevier wird als ruhig bezeichnet. Bis jetzt liegen keinerlei Mel- düngen von Ausschreitungen vor. Die arbeitenden Bergleute gehen im Gegensatz zu 1305, wo sie truppweise ge- schützt von Polizeiorgancn ihre Arbeitsstätte aufsuchten, ein- zeln ungehindert zur Arbeit. Die arbeitenden Berg- leute werden von den Streikposten nicht behelligt und auch mit Zurufen verschont. Im ganzen sind für den Bezirk mehrere Tausend Schutzleute und Gendarmeriemannschaften zusammen- gezogen worden. Im Gegensatz zu dem westlichen Teile des Ruhrreviers kam es im Dortmunder Revier zu einigen kleinen Zwischenfällen. so auf der Zeche Scharnhorst, wo heute früh vier Arbeitswillige von einem Streikendenbelästigt" wurden, den sie dafürver- prügelten". Ein Streikenderbelästigt' vier Arbeitswillige! Daß der Streikende von vier Arbeitswilligen verprügelt wurde, scheint niemand von den Tausenden vonSicherheitsorganen" im Revier bemerkt zu haben! »» O Me«He Cbnftcti fchwuideln I Daß die politischen Interessen des Zentrums eine be dingungslosc Unterwerfung der Bergarbeiter unter die Fuchtel des" Kohlenkapitals verlangen, beweist das Verhalten des christlichen Gewerkvereins. Bekanntlich hat er, den Bedürf uissen der Grubenbesitzer und ultramontaner Fraktionspolitik entsprechend, in mehreren 100000 Exemplaren ein Flugblatt verbreitet, in dem zum Zwecke der Irreführung der Arbeiter die Wahrheit stranguliert wird. Zunächst sucht man den Anschein zu erwecken, alS hätten die Grubenkapitalisten Lohnerhöhungen versprochen. Solche unwahre Behauptungen sollen die Arbeiter zu ruhigem Abwarten veranlassen, zu Starren machen, die da hoffen und harren. Sodann wird behauptet, man dürfe nicht streiken, das käme den Eng ländern zugute. 1906 hätten die Engländer zur Unterstützung des Streiks in Deutschland wohl etwas Geld. gesandt, aber gleichzeitig im Verein mit ihren Arbeitgebern unserer In- dustrie möglichst große Absatzgebiete abgenommen. Gleich nach dem Streik hätte daher die Industrie mit Absatzmangel zu kämpfen gehabt, jahrelang unter der englischen Konkurrenz gelitten. Solche Behauptungen setzen eine sehr starke na sagen wir Phantasie voraus! Die Einfuhr von Steinkohlen aus Großbritannien , die im Jahre 190-4 rund 5,8 Millionen Tonnen betragen hatte, stieg auf 7,5 Millionen Tonnen im nächsten Iahte, weiter auf 7.6 Millionen Tonnen im Jahre 1906, um schließlich, lange nach Beendigung des Streiks, im Jahre 1907 auf 11,9 Millionen Tonnen zu steigen. In der- selben Zeit entwickelte sich die Einfuhr von Koks aus Groß- britannicn wie folgt: 1904: 12119 Tonnen, 1905: 31 085 Tonnen, 1906: 17 466 Tonnen und 1907: 38 685 Tonnen. Also im Streikjahre keine Zunahme der Kohleneinfuhr und Rückgang der Einfuhr von Koks. Die Ausfuhr nach Groß- britannien betrug: 1904 38 374 Tonnen Steinkohlen und 1115 Tonnen Koks, 1905 37 929 Tonnen Steinkohlen und 35 633 Tonnen Koks, 1906 9737 Tonnen Steinkohlen und 26 360 Tonnen Koks und im Jahre 1907 nur 386 Tonnen Steinkohlen und 16002 Tonnen Koks. Also im Streikjahre war unsere Ausfuhr nach England größer als im Jahre später. Es ist also genau das Gegenteil von dem richtig, ' was das christliche Gewerkvereinsflugblatt behauptet. Ein spezieller Nachweis über die Einfuhr nach Hamburg zeigt ebenfalls, mit welcher Kühnheit die Christenführer die Wirk lichkeit im Interesse des Kapitals auf den Kopf stellen. Bon 1905 auf 1906 stieg die Einfuhr Hamburgs an britischen Kohlen von 3 587960 Tonnen auf 3 770 000 Tonnen oder um 171040 Tonnen. Die gleiche Zeit brachte eine Zunahme der Einfuhr westfälischer Kohlen von 1 975 450 Tonnen auf 2 317 000 Tonnen oder um 341 550 Tonnen. Also im Streik- jähre eine erhebliche relative Verdrängung der englischen Kohle! Und wie steht eS mit der gesamten Ein- und Ausfuhr? Hier die Angaben in 1000 Tonnen: 1904 1908 Einfuhr: Steinkohlen 7L99 0 400 Koks... SSV 714 Ausfuhr: Steinkohlen 17 997 18 167 Koks... 2 717 2 761 Im Streikjahr 1906 ist die Einfu Koks zurückgegangen bei gleichzeitiger also damit rechnen, daß am nächsten Montag in be hauptsächlrch st en Kohlenbergwerken eine Anzahl Gruben stillgelegt werden. ES wirb erwartet, daß am ersten Tage etwa 12 000 Arbeiter nicht einfahren, eine Zahl, die sich voraussichtlich schnell vermehren würde. Der Braunkohlen- bergbau wird zunächst von dem Streik nicht berührt werden, ebenso der Plauensche Grund. Etwa 200V königstreue Knappen des Oels. nitz-Lugauer Bezirkes werden nicht mitmachen. Für die Stirn. mung ist kennzeichnend, daß in einer Versammlung dieses Bezirkes gestern der Eintritt in den Streik verlangt wurde. Von den 33 000 sächsischen Kohlenarbeitern entfallen auf den Zwickauer und OelSnitz-Lugauer Bezirk etwa 20 000. Dresden , 11. März. Im Verlaufe der Sitzung der Zweiten Kammer erklärte Ministerialdirektor Geheimer Rat Dr. Wahl bei Beratung des Bergetats: ES sei zuzugeben, daß die Löhne 1909 etwa? niedriger waren als l908, und 1910 etwas niedriger als 1909 Für 1911 liege noch keine Statistik vor. Wenn eine Lohnbewegung eintreten sollte, so se» die Regimmg gerne zur Bermittelung be- reit. Dr. Wahle schloß: Die Sozialdemokraten mögen die Berg arbeiter beruhigen. Dif Arbeiter mögen sich an lhre ArbeiterauS- schüsse und an das Bergamt als EinigungSamt wenden. Wenn das nicht genügt, so- steht auch die Regierung zur Verfügung. Wir hegen den dringenden Wunsch, daß die Lohnkämpfe ohne Ar beitseinstcllung auf gesetzlichem Wege geregelt werden. * Die Bewegung in Schlesien . Beuthen , 11. März. Im hiesigen Bezirk fanden gestern vierzig Bergarbeiterversammlungen statt, in denen dringend vom Streit abgeraten und der Arbeiterausschuß aufgefordert wurde, mit den Grubenverwaltungen erneut in Verhandlungen zu treten, damit eine Lohnerhöhung auf friedlichem Wege durchgesetzt werde. Die vier Organisationen hatten vor einigen Tagen ein Gesuch an die einzelnen Zechenverwaltungen um eine ISprozentige Lohn erhöhung gerichtet. Hierauf sind bis jetzt fünf Antworten ringe- laufen, die dahin lauten, daß die Verwaltungen sich mit den Ge werkschaften in keinerlei Verhandlungen einlassen wollen, da ja hierfür die ArbeiterauSschüsse vorhanden seien. 1906 9 263 666 19 661 3 416 hr von Steinkohlen und Steigerung der Ausfuhr. 1907 13 721 684 20 061 3 793 Nach dieser Beleuchtung ultramontaner Behauptung weiß man, waS von der ganzen Aktion dieser Seite zu halten ist: Die Arbeiter sollen im Interesse des GrubenkapitalS beschwindelt werden.' Im lacbfilcbeti Kohlenrevier. Lugau-OelSnitzer Revier fanden Sonntag vier riesig be- suchte Versammlungen statt. 76 Proz. der gesamten Belegschaften waren vertreten. Es wurde auf das ablehnende Verhalten der Berg- Herren, mit der Organisation zu verhandeln, folgende Resolution angenommen: Die stark besuchte Versammlung ist mit den von den Grubenvertrauensleuten aufgestellten und von der Organi- sationslcitung an die Werksleitungen eingereichten Forderungen einverstanden. Sie bedauert die ablehnende Haltung der Werks» Vertreter, mit der Organisation in Verhandlungen einzutreten. Die Versammlung ist der Ucberzeugung, daß die geforderte Lohn. erhöhung noch nicht ausreicht, um die durch die Verteuerung der Lebensmittel notwendigen Mehrausgaben zu bestreiten. Da die Versprechungen der Werksbesitzer im vorigen Jahre, die Löhne aufzubessern, nicht eingelöst wurden, beauftragt die Versammlung die Arbeiterausschüsse, spätestens bis Dienstag die Einberufung einer Sitzung zu betreiben, wo über die eingereichten Forde. runaen bestimmte Erklärungen der Werksverwaltung verlangt werden müssen. Wenn keine Zugeständnisse gemacht werden, sollen die letzten Konsequenzen gezogen werden." Die Versammlungen waren von leidenschaftlicher Kampfes- stimmung beseelt, und die Neigung zur sofortigen Arbeitsnieder. legung war außerordentlich stark. Nur mit großer Mühe gelang eZ der Verbandsleitung im Bezirke zu verhindern, daß die Arbeits- cinstellung sofort erfolgte. Dresden , 11. März. Heute sollen sich die Bergwerksverwal- tungen entscheiden, ob sie bereit sind, die ihnen schon vor einigen Tagen mitgeteilten Forderungen der Bergleute zu bewilligen. Die ArbeiterauSschüsse haben für ihre Unterhandlungen die Weisung erhalten, die Entscheidungen der Verwaltungen nicht etwa durch eine ausweichende Antwort hinausschieben zu lassen, sondern auf klare Stellungnahme zu dringen. In einigen Tagen sollen hierauf die Vertrauensleute der Bergarbeiter zur Entgegennahme der Antwort in allen Bezirken zusammenkommen, und am nächsten Sonntag sollen neue Versammlungen stattfinden. in denen die Entscheidung über Streik oder Weiterarbeit, je nach dem Verhalten der Grubenverwaltungen, fallen wird. Man muß Der engltlche Bergarbeiter Itreih. London , 10. März.(Eig. Ber.) Zehn Tage sind nun schon seit dem Beginn des Generalstreiks der Bergarbeiter vergangen und die Lage ist im großen und ganzen dieselbe geblieben. Die Kohlenbesitzer von SüdwaleS und Schottland weigern sich nach wie vor� den Minimallohn irgend­einen Minimallohn anzuerkennen. Die Kohlenbesitzer Eng lands stimmen den Vorschlägen der Regierung mit gewissen Vor behalten zu. Die Bergarbeiter im ganzen Lande bestehen auf ihrer Minimallohnliste. Trotz der vielen entgegenstehenden Be richte haben die Arbeiter nirgends auch nur die leiseste Anoeutung gegeben, daß sie gewillt sind, ihre Forderungen zu revidieren. TaS einzige neue Faktum in den Verhandlungen bildet die Ein» ladung zu einer unverbindlichen Besprechung zwischen Arbeitern, Unternehmern und Regierung, die die Regierung dem Vorstand der Föderation zugestellt hat. Der Vorstand konnte dieser Ei». ladung nicht zustimmen, versprach aber, sie der schnellstens Isieder einzuberufenden Bergarbeiterkonferenz zu unterbreiten unter der Voraussetzung, daß daS Prinzip des Minimallohne» nicht diS- tutiert werden soll. ES soll also nur die Minimallohnl'ste zur Sprache kommen. Die Bergarbeiterkonferenz wird morgen im Ministerium des Aeußern stattfinden, die gemeinschaftliche Kon- ferenz jedenfalls am folgenden Tage. Es fragt sich jetzt, ob die südwalifischen und schottischen Unter- nehmer an der Konferenz teilnehmen werden. Ferner ist auch un- gewiß, ob die Bergarbeiterkonferenz ihren Vertretern erlaubm wird, mit den Kohlenbesitzern und RcgierungSvertretern die Minimallohnlisten zu diskutieren. Es ist also noch sehr ungewiß, ob die von der Regierung vorgeschlagene Besprechung überhaupt stattfinden wird. Noch fraglicher ist eS� ob die Besprechung zu irgendeinem Resultat führen wird. Es wäre denkbar, daß man sich auf eine modifizierte Form der Bergarbeiterforderung:n einigen wird. In dem Falle liegt jedoch da» Ende de» Stre'kS ebenfalls noch in ziemlich weiter Ferne. In Northumberland , Durham und SüdwaleS haben die Arbeiter beschlossen, keinen Ber- trag anzunehmen, der durch eine Urabstimmung nicht rat'fiz.irl worden ist. Die Presse hat sich heiser geschrien und ihr Schii.cpfwörter- lexikon so ziemlich erschöpft. Sie fährt jedoch fort, die B-'g- arbeiter beim Publikum anzuschwärzen und übertreibt bei der Schilderung der Folgen des Streiks wie zuvor. Allmählich ist es ihr zum Bewußtsein gekommen, daß bei dem herrschenden milden Wetter die Krokodilstränen, die sie täglich um die Kohlennot der Armen weint, etwas lächerlich aussehen. Im Augenblick sollen 460 000 Arbeiter aus anderen Berufen arbeitslos fein. Das mag vielleicht stimmen; ob diese Arbeitslosigkeit aber eine Folge des BergarbeiterftreikS ist, ist eine andere Frage. Die Wirkung des Generalstreiks auf die Industrie im allgemeinen wird sich erst in dieser Woche empfindlich bemerkbar machen. Viel wird noch davon abhängen, ob die neuen Unterhandlungen Aussicht auf einen frühen Frieden geben werden. Denn diele Betriebe werden sich jeden- fall? zu einer Einschränkung entschließen, wenn eS gewiß wird. daß die Möglichkeit, neue Kohlenvorräte zu erhalten, noch in weiter Ferne liegt. Der Umfang der Bewegung. London , 10. März. Wie nunmehr festgestellt worden ist, be- trägt die genaue Zahl der Streikenden 1681 839 Manu, davon sind 1 003 000 Grubenarbeiter und 678 830 Arbeiter anderer Ge- werbe. Am stärksten ist die Zahl der beschäftigungslosen Metall. arbeiter. Diese beträgt 203 000 Mann, dann folgen die Ofensetzer mit 80 000 Mann, die Hasenarbeiter mit 35 000 Mann und die Eisenbahner mit 37 200 Mann. »» » Der Demonstrationsstreik in Frankreich . Paris , 11. März. Der für heute festgesetzte vierundzwanzig. stündige Streit der französischen Bergleute, der die Aufmerksamkeit de» Parlament? auf ihre Forderungen lenken soll, ist bisher ohne ernsten Zwischenfall verlaufen. Voll- ständiger Streik herrsch: in Tret» im Departement Bauches- du-Rhone, in St. Etienn«, Firminy , in Terre Noire im Departe- ment Loire , ferner in Cransac. DecazeSville sowie in den Schiefer» brüchen von Trelaze. Teilweiser Streik herrscht in Roche- la-Moliere, in St. Chamant, im Tale deS GcrS und in den Stein- brüchen von Segrö. Part», 11. März. Der Ausstand ist vollständig in den Berg« werken von LenS. Sievin, Fline», Moniceau-leS-Mine». Spinae, -teilweise in den Bergwerken von Bötbune. Snzin. Douchy. AnicheS, Marie». AlaiS und Commentry . In Bruay fehlt« niemand bei der Arbeit und in den Steinbrüchen von Mayenne fast niemand. Paris , 11. März. Der Hauptausschuß des Verbandes der fran- zösischen Zechenbesitzer erklärt in einer Zcitungsnote, er hoffe, daß der vierundzwanzigstündige Streik in aller Ruhe verlaufen werde. Zwischenfälle seien vielleicht morgen bei der� Wiederauf- nähme der Arbeit zu befürchten. Im übrigen seien die Zcchenbesitzer nach wie vor bereit, die Forderungen der Bergleute, insbesondere die nach Ruhegehaltmit Wohlwollen zu prüfen". Bergarbeiterstreiks in Rußland und Amerika . Petersburg 10. März. In Charkoff hat gestern eine Konferenz der Bergwerksbesitzer stattgefunden, um die Frage einer Lohn- erhöhung für die Grubenarbeiter zu besprechen. In Dombrowo find bereits Bergleute im Ausstand! New Kork, 11. März. Tie Haltung der Börse ist unbestimmt, da man den Ausbruch eines Streikes von 176 099 Arbeitern ans de» Aathrazitkohlengrubrn für die nächste Woche befürchtet» Diez und das. Genosse Julian Borchardt schreibt uns: Als ich in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Fe- bruar die Ergebnisse der preußischen Steuerveranlagung darzu- legen hatte, gebrauchte der Finanzminister Herr Dr. Lentze in seiner Erwiderung unter anderem die Worte: Manche von den Zahlen waren richtig, manche wieder voll- ständig ander? gruppiert worden. Man kann aus einer Sta- tistik dies und das herauslesen." Erst nachträglich bin ich dahinter gekommen, daß Herr Dr. Lentze noch am selben Tage einen geradezu überraschenden Be- weis für diese Behauptung erbracht hat. Sobald er sich selbst aufs Gebiet der Zahlen begab, zeigte er, daß es in der Tat der- blüffend leicht ist, aus den Zahlendies und daS" herauszulesen. Ich hatte in meiner Rede auch zur Sprache gebracht, daß die großen Einkommen(über 3000 M.) aus Grundbesitz auf dem Lande eine auffällige Steigerung zeigen von dem Jahre 1909 auf das Jahr 1910. AuS der MonatsschriftStatistik und Verwal» tung"(herausgegeben von Mitgliedern de» König!, preußischen statistischen Landesamts) hatte ich entnommen, daß eine so starke Steigerung von einem Jahr zum anderen nie zuvor beobachtet worden sei. bis 1892 zurück, d. h. solange unser Einkommensteuer- gesetz in Kraft ist. Und ich hatte daran die�Frage geknüpft, ob viel- leicht im Jahre 1909 die Regierung insgeheim Maßnahmen ge- troffen habe, um die großen agrarischen Einkommen schärfer zur Steuer heranzuziehen. Herr Dr. Lentze empfand das offenbar als einen Vorwurf, den er mit Nachdruck abwehren müsse. Zu diesem Behuf verlas er eine Tabelle, die zu beweisen schien, daß das ländliche Einkommen über 3000 M. von jeher nicht unbeträcht- lich geschwankt habe, so daß hieran» irgendwelche Schlüsse nicht ge- zogen werden könnten und daß speziell die Steigerung von 1909 auf 1910 gar nicht» außergewöhnliche» gewesen sei. Betrachten wir zunächst die Zahlen, die er angab. Danach war die Gesamtsumme(aller Einkommen über 3000 M. au» länd- lichcm Grundvermögen) jedesmal wie folgt gegen das Vorjahr ge- stiegen oder gefallen: So vors Auge gestellt machen die Zahlen schon einen anderen Eindruck, als wenn man sie bloß flüchtig vorlesen hört. Man sieht nun sofort, daß eine s o bedeutende Steigerung, wie die von 1909 auf 1919<48,8 Millionen Mark) denn doch sonst nie vorgekommen ist. auch nicht im Jahre 1906, das Herr Dr. Lentze speziell hervor- hob. Man steht auheroem, daß von 1906 an die Schwankungen überhaupt aufgehört haben, daß von da ab vielmehr mrt ein- ziger Ausnahme des JahreS 1907 regelmäßig eine viel tärkere Zunahme eingetreten ist als zuvor. Trotzdem hat bei der Verlesung gerade die Zahl des JahreS 1906 einen großen Eindruck gemacht, auch auf mich, weil sie der von mir angegebenen Zahl für 1910 ziemlich gleich kam. Ich hatte nämlich für 1910 nicht 48.8 Millionen angegeben, sondern nur 40,9 Millionen. Dieser Unterschied fiel beim flüchtigen Vorlesen nicht auf. Man merkt ihn erst, wenn man die Zahlen schwarz auf weiß vor sich hat. Wenn in der Tat schon 4 Jahre zuvor eine Steigerung um 37.8 Millionen stattgefunden hat. so lann die Stci- gerung um 40,9 Millionen(von 1909 auf 1910) nicht mehr so sehr auffallen. Wie verhält eS sich nun aber damit? Beim Nachforschen stellte sich heraus, daß die Zahlen de ? Herrn Finanzministers nach etwas anderen Grundsätzen ausgewählt sind, als die von mir angeführten. Bei meinen Dar- legungen kam eS lediglich auf das agrarische Einkommen an. Deshalb hatte die ZeitschriftVerwaltung und Statistik", der ich meine Zahlen entnommen habe, mit vollem Recht nur daS auS landwirtschaftlichen Betrieben stammende Einkom- men in Betracht gezogen. Die Zahlen des Herrn Dr. Lentze da» gegen enthalten außerdem noch das Einkommen ausMieten infchliehlich des Mietwerts der eigenen Woh- nung" auf dem Lande- ES liegt auf der Hand, daß diese Zahlen mit unserer Er- örterung nichts zu tun haben. Tie Frage, wieviel einer durch Ver- mieten von Wohnungen auf dem Lande einnimmt und wie hoch er den Mietwert seiner eigenen Wohnung veranschlagt, hat nichts zu tun mit der Frage, wieviel ihm der Acker und die Viehzucht einbringt. Deshalb war«S falsch, diese Summen mit hineinzu- rechnen. Das macht aber einen ganz bedeutenden Unterschied auS. Leider habe ich die betreffenden Zahlen nur für die letzten 3 Jahre bei der Hand(weiter zurück gibt sie daS Statistische Jahrbuch nicht an), aber schon diese wenigen Angaben zeigen, wie falsch die ganze Rechnung dadurch wird. E» stieg daS Einkommen nur auS der Landwirtschaft, ohne die Mieten von 1907 auf 1908 um 16,4 Millionen Mark , 1903 1909, 19.7 , 1909, 1910. 40.9 Dagegen stieg daS Einkommen aus Mieten auf dem Land« von 1907 auf 1908 um 4.3 Millionen Mark 1908. 1909. 6.4. . 1909. 1910. 7.3.' DaS MietSeinkoMmcn zeigt also keine plötzliche, annormale Steigerung; da« WirtschaftLeinkommen dagegen zeigt einen ge- waltigen, plötzlichen Sprung. Rechnet man nun beide Arten von Einkommen ineinander, ist so klar, daß der Sprung verwischt wird und das Resultat anders aussieht als die Dinge wirklich liegen. Ich bin nun weit entfernt davon, dem Herrn Finanzminister in diesem Falle eine absichtliche Verschleierung vorzuwerfen. Im Gegenteil, ich habe ja selbst gesehen, daß er die Zahlen im Augenblick gar nicht bei der Hand hatte, und daß sie ihm erst nach- träglich zugetragen worden sind. Die Herren aber, die sie im Finanzministerium in der Eile herausgesucht haben, wußten natür- lich nur, daß der Minister die Summen desEinkommen» über 3000 M. aus ländlichem Grundvermögen" seit 1393 haben wollte, und sie haben diese Summen in gutem Glauben angegeben, da sie ja den Inhalt der Debatte und folglich den Zweck, dem die Zahlen dienen sollten, gar nicht kannten. Da» ändert aber nichts an der Tatsache, daß daS Bild, welche» der Minister au» diesen Zahlen entwarf, falsch gewesen ist. Hoffentlich wird Herr Dr. Lentze