deshalb in Zukunft etwas vorsichtiger sein, ehe er anderen Leuten vorwirst, man könne aus statistischen Zahlen, je nach ihrer Gruppierung,„dies und da»" herauslesen. Der Krieg. Eine große italienische Flottcuaktion in Sicht? Mailand , 11. März. Die heutigen Morgenblätter bringen aus Rom eine Nachricht, wonach die Mitglieder der Regierung und die Ehefs des GeneralstabeS der Armee und der Marine augenblicklich ein neues Aktionsprogramm für den Feldzug gegen die Türkei aus« arbeiten. Dieses neue Programm wird in folgende drei Etappen geteilt: 1. Die Okkupation d er tü rkifch en Ins e ln im Aegäischen Meere; 2. die Blockade von Smhrna und Saloniki und 8. einen Angriff auf die Darda- nellen und Konstantinopel . Alle drei Punkte sollen an drei aufeinanderfolgenden Tagen zur Ausführung gelangen, die Aktion gegen die Dardanellen wird bis zuletzt zurückgehalten werden. In Spezia ist man augenblicklich mit der Konstruktion eines schwimmenden Schuppens für ein lenkbares Luft« schiff beschäftigt. Diese schwimmende Lustschiffshalle wird so ge- baut sein, daß sie imstande ist, der Flotte zu folgen. Sie wird wahrscheinlich im Mittelländischen Meere verwendet werden, da man in militärischen Kreisen der Ueberzeugung ist, daß bei einem Angriff auf die Dardanellen lenkbare Luftschiffe gute Dienste leisten würden. Ein Angriff der Türken auf Ainzara. Tripolis , 11. März.(Meldung der Agenzia Stefani.) Gestern früh 4 Uhr griffen ungefähr 1500«raber mit regulären türkischen Truppen eine Schanze bei Ainzara in einer sehr aus- gedehnten Front an, wobei sie bis auf 700 Meter Entfernung heran- kamen. Von der Schanze aus wurde das Feuer nicht erwidert. Um S Ubr 30 Minuten begann der Feind unter Kampfgeschrei weiter vorzugehen. Daraufhin wurde auf der Schanze das Feuer eröffnet, zunächst nur von den besten Schützen; auch die italienische Artillerie gab einige Schüffe aus 700 Meter auf Gruppen von 200 bis 300 Arabern ab. Ter Feind begann darauf mit dem Rück- zuge, auf dem er von italienischer Artillerie verfolgt wurde, die auf deutlicher fichtbare Gruppen schoß. Um 7 Uhr 30 Minuten war der Rückzug des Feindes allgemein. Die gegnerischen Verluste waren sicher beträchtlich; denn von der Schanze aus wurde deutlich beobachtet, daß in den feindlichen Reihen der Sanitäisdienst mit Trag- bahren in reger Tätigkeit war. Die Italiener hatten keine Ver« wundete. Während der Nacht wurden elf verdächtige Araber, von denen zwei mit Martinigewehren bewaffnet waren, von LScariS festgenommen. Arabischer Protest gegen die italienische Okkupation. Konstantin opel, 11. März. DaS Ministerium de» Innern ver- öffentlich! ein Telegramm von dem Bürgermeister und den Notabeln auS Dschebel-i-Gharbi in Tripolitanien , worin gegen den Beschluß des italienischen Parlament» protestiert und er- klärt wird, selbst wenn die Pforte der Annexion oder militärischen Okkupation TripolitanienS durch Italien zustimmen sollte, würden sie den Kampf ohne Unterlaß weiterführen. Zu der gemeldeten Unterbrechung der Telegraphen- linie Konstantinopel — Smyrna erklärt die Telegraphen- direklion, eS handle sich nur um Schwierigkeiten in der Depeschen- Übermittelung infolge Ueberlastung der Linie.— Tie Kabel« sNrbindung Kon st antinopel— Dardanellen ist unter- Krochen, da das Kabel reparaturbedürftig ist. *' Die Revolution in China . Juanschikai feierlich in daö Präsidcntenamt eingesetzt. Peking , 10. März. Juanschikai wurde heut« in dem neuen Waiwupupalast zum provisorischen Präsiöenten ein- gesetzt. Anwesend waren Vertreter der Mandschu, der Mon- golen, der Mohammedaner, der Tibetaner, ferner von Nanking , Wutschang und anderen Provinzen. Delegierte des Heeres, der Flotte, de» Handels und zahlreiche Fremde. Die fremden Gc- sandtschaften waren jedoch nicht vertreten. Juanschikai. in mili. tärischer Uniform, trat durch eine Seitentür ein und verlas gegenüber dem Throne stehenv folgende Erklärung: Da die Republik err'.chtet worden ist, müssen viele Werke vollbracht werden. Ich werde mich treu bemühen, die Republik zu entwickeln, die Nachteile der absoluten Monarchie zu beseitigen, die Vorschriften der Verfassung zu beachten, die Wohlfahrt des Landes zu fördern und eine starke Nation zusammen zu schweißen aus den fünf Raffen, die sie umfaßt. Wenn die Nationalversammlung einen dauernden Präsidenten ernennt, werde ich zurücktreten. DaS schwöre ich vor der chinesischen Republik. — Die Nankinger und die übrigen Delegierten gratulierten sodann Juanschikai und zwei LamaS in gelben Kleidern überreichten ihm Schärpen. Dieser Teil allein gab der Zeremonie einen orientalischen Einschlag, da die Mehrheit der Anwesenden Frack oder Uniform trugen. Eine Musikkapelle der Garden spielte angemessene Weisen. Der Ton der Zeremonie war feierlich, fast pathetisch. Das fremde Element bildete einen starken Gegensatz zu den Vertretern des alten Stils wie General Tschangkweiti. Ein Regierungsmanifest. Peking , 11. März. Ein Manifest begnadigt alle Ge- fangencn mit Ausnahme von Mördern und Räubern, erläßt die schon fällig gewesenen, aber noch nicht bezahlten Grunosteuern. kündigt die vorläufige Anwendung der alten Gesetze an, sofern sie nicht dem republikanischen Geiste zuwiderlaufen, und ermahnt alle Beamten, die Wohlfahrr der Republik zu fördern. politilcbe Qcberlicbt, Berlin , den 11. März 1912. Etatsberatuug im Junkerparlament. Ein Wähler, der sich zufällig einmal während der letzten Tage inS AbgeordnelenhauS verirrt und den Etatsberatungen beigewohnt haben sollte, muß einen eigenartigen Eindruck von der Gewissen- haftigkeit und der Pflichterfüllung der preußischen.Volksvertreter" gewinnen. Von den 443 Plätzen sind noch nicht 50 besetzt, die Bänke aller bürgerlichen Partei« weisen klaffende Lücken auf. voll- zählig ist nur die kleine sozialdemokratische Fraktion zur Stelle. Daß unsere Genossen anwesend sind, läßt sich die Mehrheit ja zur Not noch gefallen, aber daß sie reden, daß sie sogar über Fragen der Landesmelioration reden, da» nimmt sie ihr übel. Sachverständig für solche Fragen ist nach Anficht de» Herrn Strosser, dieses .Spezialisten für unfreiwilligen Humor", wie Liebknecht ihn treffend nannte, nur die Bourgeoisie, und innerhalb der Bourgeoisie auch nur der, der zufällig den Wahlkrei» vertritt, von dem gerade die Rede ist. Besonder« kraß trat die KirchturmSpolitik der bürgerlichen Mehr- heit bei der am DienStag beendeten zweiten Beratung de« Etat« der Bauverwaltung zutage. Fast»ur lokale Wünsche wurden in breiter Behaglichkeit vorgewagen, ja Herren, die man sonst noch nie- mal» gesehen hat, erschienen plötzlich, um die Aufträge ihrer Wähler zu erfüllen. Unbeeinflußt von Wahlrückfichten waren einzig und allein die Ausführungen des Genossen Liebknecht, der sich der kleinen Schiffer in den verschiedensten LandeSteilen in wirksamer Weise annahm— sehr zum Aerger der Gegner, denen dadurch eine Waffe gegen die Sozialdemokratie aus der Hand geschlagen wurde. Der Schluß der Sitzung wurde durch die weltbewegende Frage ausgefüllt, ob die Fahrstühle im Abgeordnetenhause an Stelle der Kurbelsteuerung Druckknopffteuerung bekommen sollen. Bekanntlich hat die Budgetkommission die vom Präsidenten beantragten 14 800 Mark zum Umbau der Fahrstühle gestrichen und der Präsident hat sich an den Minister gewandt und ihn um seine Hilfe zur Durch« drückung der Forderung gebeten. DaS zog, der Minister wies nach, daß der Umbau im Jntereffe der Sicherheit unbedingt notwendig sei, und eine Reihe von Rednern, darunter Genosse H o f f m a n n, pflichteten ihm bei. Insbesondere die launige Rede unseres Ge- noffen, ver an Hand dieses Beispiels die Rückständigkeit des Drei- klaffenparlamentS ironisierte, trug viel dazu bei, daß die von der Kommission gestrichene Forderung unter allgemeiner Heiterkeit wieder- hergestellt wurde. Am Dienstag fällt die Plenarsitzung auS. Mittwoch: Kleine Vorlagen, Etat des Herrenhauses und des Abgeordnetenhauses, Initiativanträge. Die neuen Militärforderungen und ihre Deckung. Bevor noch die Heeres- und Flottenvorlagen an den Reichstag gelangt sind, hat die sogenannte Deckungsfrage in den Regierungskreisen eine derartige Verstimmung oder, wie es im ministeriellen Jargon heißt,„Unstimmigkeit" hervor- gerufen, daß vielleicht schon in kurzem die Regierungsblätter den Abschied des Reichsschatzsekretärs Mermuth melden wer- den. Bekanntlich hatte der Reichskanzler die Minister der einzelnen Bundesstaaten nach Berlin zu einer Konferenz über die neuen Wehrvorlagen und ihre Deckung eingeladen, diese Konferenz aber konnte nicht stattfinden, weil einige süd- deutsche Regierungen, vornehmlich die bayerische, neue Ein- wände gegen die vom Reichsschatzamt ausgearbeiteten Deckungspläne erhoben haben. Sie erklärten, irgendeiner Erbschaftssteuer in keiner Form zustimmen zu können. Jetzt ist eine neue Konferenz angesetzt, die in den nächsten Tagen, wie die„Nordd. Allgem. Ztg." meldet, am Donnerstag in Berlin stattfinden soll. Eine Berliner halboffiziöse Korrespondenz meldet hierüber: .Tie Verhandlungen über die Deckungs. frage der Wehrvorlagen werden im Laufe dieser Woche zwischen den einzelnen Bundesstaaten wahrscheinlich zum Ab. schluß gebracht werden. Die aufgeschobene Zusammenkunft der Finanzminister der Einzelstaaten wird in den nächsten Tagen in Berlin erfolgen. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, sollen zwischen dem Reichsschatzsekretär und den Finanzministern einiger süddeutscher Bundesstaaten lebhafte Meinungsverschieden- heitcn über die Art der Deckung der neuen Wehrvorlagen gc- herrscht haben. Der Reichsschatzsekretär trägt sich nach wie vor mit der Absicht, eine Besitzsteuer dem Reichstage vorzuschlagen. Dieser Vorschlag hat seitens Preußens und Bayerns Bedenken äußern lassen. Wie verlautet, soll aber eine Einigung der einzelnen Ansichten nahe bevorstehen. Konsum, und Verkehrs- steuern werden als Deckung für die Wchrvorlagen nicht in Be« tracht kommen." Auf dem rheinischen Parteitage der Nationalliberalen hat sich gestern auch Herr Bassermann über die Deckungs- Pläne geäußert. Er meinte: .Unstimmigkeiten hierüber beständen in den Regierung»- kreisen. Zu bedauern wäre, wenn wir um dieser Frage willen unseren neuen Reichsschatzsekretär verlieren würden, der sich mit starker Hand bemüht, die ReichSfinanzcn in Ordnung zu halten. Die ZentrumSpartei hat ja schon erklärt, daß es neuer Quellen zur Deckung der Kosten für die Wehrvorlage nicht bedürfe. Die nationalliberale Fraktion werde jedenfalls keine neuen Steuern bewilligen, die den Konsum oder den Verkehr belasten. Wenn neue Geldmittel notwendig werden, dann müssen sie auf dem Wege einer allgemeinen Be- sitz st euer aufgebracht werden. Zu beachten sei, daß sich auch in der Zentrumspartei und in der konservativen Parte: Ansätze geltend machen, eS wegen der Dcckungsfrage nicht zu einer Krisis kommen zu lassen. ES sei aber an der Zeit und durchaus wünschenswert, daß sich die Regierung endlich darüber klar wird, ob sie Geld zur Deckung für die Wehrvorlagen brauche oder nicht, denn schließlich sei eS die Aufgabe der Re- gierung und nicht der Parteien, nach der Deckung zu suchen. Eine baldige klare Antwort sei erforderlich." Herr Bassermapn stellt allzu hohe Anforderungen an den langen, unzulänglichen Herrn v. Bethmann Hollweg . Er ver- langt eine klare Antwort vom Reichskanzler, und doch weiß dieser Philosoph der gottgewollten Abhängigkeit selbst noch nicht, was er will und möchte. Ein Symptom einer große« Militärvorlage? ES ist uns mitgeteilt worden, daß heuer bei der Musterung der Militärpflichtigen sehr geringe An- forderungen an die Tauglichkeit der Untersuchten gestellt worden sein sollen. Das deutet auf eine sehr große Militärvorlage hin. Wurde es vielleicht wieder so gemacht wie 1893. wo die Militärverwaltung die Anlagen der Heeres- ordnung, die die Bedingungen für die Militärtauglichkeit ent- hielten, noch vor der Bewilligung der neuen Militärvorlage im stillen so abänderte, daß Tausende tauglich wurden, die nach den bisherigen Anlagen der Heeres- ordnung gar nicht tauglich gewesen wären, und die Neudrucke an die Ersatzbedörden als.geheim" schickte, damit die braven Geldvcwilliger im Reichstage und das Volk von der Sauce nichts erfuhren. Es sieht gerade so aus, oIS ob es jetzt wieder so gemacht worden wäre. Im Reichstage kann man sich ja danach erkundigen. Auf jeden Fall tut man gut. sich auf eine Bomben-Milttärvorlage gefaßt zu machen. Ein junkerlicher Wahlrechtsvorschlag. In der„Konservativen Monatsschrift" ergreift der Graf Albrecht zu Stolberg-Wcrnigerode das Wort zu einer längeren Be» trachtung über die Reformbedürftigkeit des preußischen Dreiklasscn. Wahlrecht». Der Graf gibt zu, daß da» jetzt geltende Wahlrecht einseitig zugeschnitten ist, indem e» nur die Vermögensverhältnisse berücksichtigt. Diese? Eingeständnis ist zwar nicht viel, aber immer- hin steht es im Gegeniatz zu den Behauptungen der anderen Junker, die in dem Dreiklassenwahlrecht ein wahres Sammel- furium von Vorzügen erblicken. Graf Stolberg macht dann Vor» schlage zu einer Acnderung dieses Wahlrechtes, und er geht sogar so weit, daß er der Arbeiterklasse eine Vertretung zuerkennen will. Er teilt den Staat in 12 Provinzen zu je 10 Kreisen. Die drei Wählerklassen schafft er ob und führt dafür fünf Berufsstände ein, nämlich: 1. Großgrundbesitz. 2. Kleingrundbcsitz, 3. Industrie, Handel und Gewerde, 4. Freie Berufe, 5. Arbeiter. Daß« den Arbeitern überhaupt ein Wahlrecht einräumen will, entschuldig! der Graf folgendermaßen: „Es ist unbedingt erforderlich, auch die Arbeiter wahlberech- tigt zu machen. Zunächst haben sie schon die Wahlberechtigung zum Abgeordnetenhaus. Man kann ihnen die bei einer Reform nicht nehmen, zweiten» aber, und das ist da» wichtigst«, ist eS unumgänglich notwendig, soll nicht der ganze Staat an der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung zugrunde gehen, daß wir eine gesunde Arbeiterbewegung in die Wege leiten, Da» kann nur geschehen, wenn die Arbeiter überall zur Mitarbeit heran- gezogen werden, natürlich ohne daß eine reine Massenherrschaft daraus entsteht. Denn indem wir sie überall mitarbeiten lassen, fesseln wir sie an die Gemeinden, Kreise, Provinzen und schließ- lich auch an den Staat, in dem sie wohnen, da sie dann viel mehr Interesse an den ganzen Verhältnissen haben. Außerdem, und das ist noch wichtiger, werden sie durch die Mitarbeit in den kleinen Körperschaften zu einer vernünftigen, fruchtbringenden, verständigen Mitarbeit im Parlament erzogen. DaS ist von ganz eminenter Bedeutung. Ich halte diesen Weg überhaupt für den einzigen, der uns vor einem gewaltsamen Umsturz bewahren kann. Der Arbeiter gewinnt seine Gemeinde, seinen KreiS und damit auch den Staat mit allen seinen Einrichtungen nur lieb und versteht ihn nur, wem: er mitarbeiten kann, sonst steht er ihm als Fremder gegenüber und sucht, da eS ihm unmöglich ist, mit. zuarbeiten, ihm mit Geivalt umzustürzen." Die fünf genannten Klassen sollen nun jede Klaff« für sich je 6 Abgeordnete zum Kreistag wählen und je einen gleichzeitig für den Provinziallandtag. Letztere Körperschaft bestände dann bei 10 Kreisen auS 10x5=50 Abgeordneten. Jeder Stand hätte also dort 10 Abgeordnete. AuS diesem Provinziallandtag herau» sollen dann die Mitglieder des Abgeordnetenhauses gewählt werden, je 5 aus jedem Stand, also 25. Bei 12 Provinzen würden sich dann 300 Abgeordnete für den Landtag ergeben, von denen jedem Stande dann 60 Mandate zufallen müßten. Di« Agrarier hätten dann 60 Mandate, mit der ihnen ergebenen Masse der Kleingrundbesitzer zusammen 120 Mandate. Dem gesamten Handel, der Industrie und dem Gewerbe, die den Löwenanteil der Steuern aufbringen, sollen dagegen nur 60 Mandate eingeräumt werden. Da diese 60 Mandate sich auf 12 Provinzen verteilen, so hätte der industrie- arme Osten also genau soviel Mandate zu besetzen wi« der industrie- reiche Westen. Die 60 Arbeiterabgeordneten wären unter solchen Umständen auf immer zur Einflußlosigkeit verurteilt. Darüber, wie das Wahlrecht zu den Kreistagen, dem Unterbau dieser tollen parlamentarischen Vertretung beschaffen sein soll, schweigt sich Graf Stolberg vorsichtig aus._ Der neue Wahlkampf in Schwarzburg-Rudolstadt . Einen außerordentlichen Parteitag hatte der Landesvorstand Schwarzburg-Rudolstadt wegen der durch die Landtagsauslösung geschaffenen Situation auf Sonntag, den 10. März, nach Stadtilm einberufen. Vertreten waren 41 Orte durch 64 Delegierte. Außer- dem waren anwesend die LandtagSfraktion und die ReichStagSab- geordneten A. Hofmann und Baudert. Ucber die LandtagSwahlen sprach der Landesvorstand Gen. Hartmann. Er schilderte zu- nächst die Sachlage in der verflossenen LandtagSperiode. Die Fraktion fei angesichts der kleinen Verhältnisse, in denen sich die Geschäfte unseres Fürstentums bewegen, in einer sehr schwierigen Lage gewesen. Ter Satz, daß die Regierungen die Hausknechte der besitzenden Klassen seien, gelte auch für Schwarzburg -Rudol- stadt. Zwar habe sich die Regierung nicht von vornherein bock« beinig gestellt, aber die bürgerlichen Abgeordneten hätten sie so lange aufgehetzt, bis die Regierung diesen Einflüssen nachgegeben habe. Der äußerliche Grund der Auflösung sei die Wahlrechts- frage gewesen. Wie liegen die Dinge? DaS jetzige Wahlrecht sei 1870 geschaffen worden, Damals hätte eI 144 Höchstbesteuertc und 13 000 allgemeine Wähler gegeben. Heute seien die Höchstbe- steuerten auf 763, die allgemeinen Wähler auf 17 554 gestiegen. Im Jahr« 1306 würde der Antrag auf Herabsetzung der höchstbesteuerten Wähler gestellt. Regierung und bürgerliche Abgeordnete hofften durch Abschiebung von zirka 600 Höchstbcsteuerten in die allgemeine Klasse unS einige Sitze abnehmen zu können. Wäre ihnen da» gelungen, dann hätten sie die Verfassung geändert und vor allen Tingen daö Wahlrecht in ihrem Sinne„umgearbeitet". Wir mußten selbstverständlich ein derartiges Gesetz verhindern, nicht nur au? prinzipiellen Gründen, sondern auch deshalb, weil man die Steuergesetze damit verkuppelte. Wir verlangten, daß jede» Gesetz für sich abgeschlossen vorgelegt wird. Redner bespricht dann noch die einzelnen von der Sozialdemo« kratie im Landtag eingereichten Forderungen.„Die Gesamtlag« ist so: Wir sind der festen Ueberzeugung, daß e» der Regierung nicht gelingen wird, un» zurück. zuwerfen. Wir werden eS un» angelegen sein lassen, nicht nur in der gleichen Zahl, sondern verstärkt in den Landtag zurück- zukehren. ES steht für un» nicht nur Schwarzburg-Rudolstadt auf dem Sp-el, die ganze deutsche Sozialdemokratie sieht auf unS. Deshalb wollen wir kämpfen und siegen." In der Diskussion gab Gen. Frötscher eine recht interessant« Aeußerung des StaatsministerS Freiherr v. d. Recke bekannt, die allerdings vieles erklärlich erscheinen läßt. Danach sagte der Staatsminister: Volkswille und Volksrechte zählen nicht für mich, für mich gilt nur da» Grundgesetz, und in dem steht nichts von solchen Dingen." Ueber die Aufstellung der Kandidaten zur bevorstehenden Land- togSwahl referierte Gen. Otto. Er empfiehlt, die Genoffen wieder überall aufzustellen, wo sie gewählt wurden. Im Anschluß hieran gibt Gen. Hartmann eine Erklärung über die Präsi- dentenwahl im Landtage ab:„Eine Reihe gegnerischer Blätter behauptet, die Sozialdemokraten hätten in dieser Frage eine Ge- waltherrschaft ausgeübt. DaS ist absolut unwahr. Den Präsi- Kenten hatten wir zu beanspruchen. daS war unser gute» Recht, denn wir hatten die Majorität. Wir überließen den Bürgerlichen den Vizepräsidenten, als diese sich aber nicht an der Wahl beteiligten, waren wir gezwungen, auch den Vizepräsidenten zu be- setzen."— Der Bericht der einzelnen Orte über den Stand der Organi- sation war im allgemeinen zufriedenstellend. Die- Mitgliederzahl ist fast überall gestiegen.— Einen erfreulichen Fortschritt hat da» Parteiorgan, da» Saalfclder„Volksblatt" zu verzeichnen. Sein gegenwärtiger Abonnentenjtand deträgt 7250, davon kommen 3359 auf Schwarzburg-Rudolstadt . Fortschrittliche Gesinnungstüchtigkeit. Den Fortschrittlern im weimarischen Landtage ist wieder mal ihre Gesinnungstüchtigkeit verloren gegangen, vor ein paar Worden hatten die sechs fortschrittlichen LandtagSabgeordncten plötzlich Courage aekommen. Sie faßten den Mut— und unler�ichneten die bekannte Erklärung zugunsten der russischen sozialdemokratischen Dumaabgeordneten. DaS antisemitische amtliche Nachrichtenblatt kanzelte die Fortschrittler deswegen ab. Sie hätten sich in.russische innerpolirische Verhältnisse" eingemischt. Ihre Unterschrist unter der Erklärung bedeute eine Verbrüderung zwischen Fortschrittlern und Sozialdemokraten.— Da» war zu viel für den Mut der weimorischen Landtagsfortschrittler. Da» Herz fiel ihnen in die Hosen. Sie schickten durch eingeschriebenen Brief ihren sozialdemokratischen Kollegen folgendes Schreiben: „Auf Grund eine« FraktionSbeschlusse» habe ich Ihnen im Auftrage meiner Freunde folgendes mitzuteilen:
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