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Kr. 60. 29. Iahrgaug. i. KcilU des JdtmWs" Kerlim NxlksdlM. {IMag, 12. Wy 1912. Legen den ruiilichen fultizmord! Eine große Anzahl Intellektueller erhebt Protest gegen die elende Justizkomödie, durch die die zarische Regierung die unglücklichen sozialdemokratischen Abgeordneten in den Kerker gebracht, in Tod oder Wahnsinn getrieben hat. Der Protest hat folgenden Wortlaut: Nur Recht! 31 Volksvertreter eines europäischen   Staates leiden auf Grund eines gerichtlichen Urteils seit 4'/, Jahren im Z u ch t h a u s e. Eine Reihe von Tatsachen liegt vor, die den .Rechtsspruch' als völlig haltlos kennzeichnen! Und ein europäisches Gericht weigert sich, ein Wieder» aufnahmeverfahren einzuleiten! Es handelt sich um Rußland  , das auch kulturell zu Europa   ge- hören will und um die sozialistische Fraktion der zweiten Reichs» duma! Die politische Gesinnung ist hier gegenstandslos! Im Juni 1907 forderte die russische Regirrung von der Duma unter Bezichtigung des Hochverrats die Auslieferung der ge- samten S5 Personen zählenden sozialdemokratischen Fraktion an die Gerichte. Eine unparteiische Kommission der Duma, der keine Soziali st en angehörten, prüfte das An- klagematerial und lehnte nach Anhörung der Staatsanwaltschaft die AüS liefer ckng ab. Die Re- gierung antwortete mit der Auflösung der Duma, mit der Ver- hastung und Stellung jener Abgeordneten vor ein Ausnahmegericht, das hinter verschlosienen Türen und und in Abwesenheit der An» geklagten verhandelte und 31 Volksvertreter zu langen Jahren Zwangsarbeit und Verbannung verdammte. Zwei von ihnen erlagen bereits den Leiden des Gefängnisses, ein dritter wurde irrsinnig! Gegenüber dem Urteil einer unparteiischen Dumakommisfion. gegenüber dem Umstände, daß die Zusammensetzung der zweiten Duma der russischen Regierung ein Dorn im Auge war und ihre Auflösung mit einer Aenderung deS Wahlsystems endigte, gegenüber der Tatsache, daß die Verurteilung von einem außerordentlichen Ge richt unter Ausschluß der Oeffentlichkeit erfolgte, erschien daS Urteil allen unabhängig denkenden Kreisen Europas   von vornherein verdächtig. Heute stehen aber Tatsachen fest, die ein Wieder« aufnahmeverfahren zwingend machen! Der Berichterstatter der erwähnten Dumakommission, der Ab geordnete TeSlenko der konstitutionell demo- kratischen Partei, bezeugte in der gegenwärtigen Duma, daß jene Kommission damals einmütig zur Ueberzrugung gelangt war. daß in diesem Falle. k e i n e Verschwörung der sozial- demokratischen Fraktion, sondern eine Ver schwörung der Ochrana spolitisch« Polizei) gegen die zweite ReichSduma' vorgelegen hat. Und ferner hat der ehemalige Geheimagent Brodski, der auf Befehl des Chefs der Geheimpolizei eine Militärverschwörung zu organisieren und die Grundlage jener Hoch> Verratsanklage den Anschein einer Verbindung zwischen jenen und der gesamten sozialdemokratischen Fraktion zu liefern sich bt mühte, diese Machinationen eingestanden und die Grundlosigkeit der Anklage aufgedeckt. Cr hat sich dem russischen Justizminister zur Verfügung gestellt, um den vollen Nachweis vor einem öffentlichen Gericht anzutreten. Der russische Justizminister hat bisher die Untersuchung abgelehnt. In Rußland   ist eine lebhafte Volksbewegung im Gange, um ein Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen. Sie wird demnächst in einer Dumaverhandlung gipfeln der letzten und ausschlug» gebenden Gelegenheit, um der Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen. Aber diese Angelegenheit ist nicht allein Sache deS russischen Volke«. Hier stehen abgesehen von den Menschenopfern Fragen allgemeiner Menschlichkeit, der Kultur, de« Rechts st aat» auf dem Spiele, deren Vernachlässigung rückwirkend auch auf andere Länder sein müßte. Deshalb betrachten die Unterzeichneten abseits aller politischen Ueberzeugungen ein Wiederaufnahmeverfahren gegen die un» kleines feuilleton. Details von der Südpolentdeckung. Die englische Presse hat jetzt hohe Zeiten, die Blätter wetteisern in der Veröffentlichung von JnlerviewS mit Amundsen, der sich vorläufig noch in Hobart sTaS- manien) befindet. Vor allem sucht man Scott« Verdienste hervor- zuheben. Da indes keinerlei direkte Nachrichten von Scott vorliegen und Amundsen ihn nicht getroffen hat, müssen die Engländer sich mit folgender Erklärung deö Norwegers begnügen: Ich habe keine Spur gesunden, daß Scott vor mir den Pol entdeckt hat. Wenn er dennoch dort gewesen sein sollte, so deuten jedensalls keine Zeichen darauf hin. Ich hoffe jedoch lebhaft, daß Scott auch am Pol ge- wesen ist. Er hätte diesen Erfolg verdient. Ueber die Schwierigkeiten des Vorstoßes nach dem Südpol   bemerkt Amundsen: Die größten Schwierigkeiten, die unser« Expedition zu über- winden hatte, bereitete» uns die furchtbaren Schneestürme, die uns zwangen, oft tagelang in einer Hülte zu übernachten und uns jede Hoffnung auf ein weiteres Vordringen zu rauhen schienen. Während des letzten Teiles unserer Forschungsreise befanden wir uns fast sechs Wochen lang in einer hohen Regjon mit Eis und Schnee bedeckten Bergen in Höhe von ungxfähr KXX) Meter über dem Meeresspiegel. Der Pol selbst befindet sich auf einem Plateau in einer Höhe von 3200 Meter. Wir hatten sehr unter AtmungSbeschwerdcn zu leiden. Unendlich mübsam gestalteten sich die Messungsarbeiten am Pol. Oft drohten UNS.die Kräfte zu versagen. Wir mußten stundenlang ausruhen, um unsere Arbeiten zu Ende führen zu können. Von besonderer Bedeutung ist. waS Amundsen über die Er- nährungSirage mitteilt: Wir haben glücklicherweise nie unsere Ration einzmchränken brauwcn WaS man>edoch unter voller Er­nährung in diesem Klima versteht, ist lange nicht daS, was ein gewöhnlicher Mensch in gemäßigtem Klima verzehrt. Der Appetit hat keine Grenzen und man könnte unaufhörlich essen. Während der Rückreise hatten wir nicht nur unsere volle Ration, sondern konnten sogar von dem Proviant nehmen, den wir tn unserem Depot am 36. Grad niedergelegt hatten. Die ersten Hunde waren wir bei '/z Grad zu toten gezwungen. Wir schlachteten vierundzwanzig. Trotzdem die Hunde nicht allzuviel Futter bekommen hatten, war daS Fleisch doch sehr fett und ein Leckerbissen. Ueber denGesundheitSzustand der ExpeditionSmitgsieder erfährt� man: Unser Gesundheitszustand war während der ganzen Reise äußerst befriedigend. Die schweren Entbehrungen, die körper- lichen wie auch geistigen Anforderungen hatten unser Wohlbefinden nicht im mindesten beeinflussen können. Wir nahmen an Körper- . gewicht sogar zu. Einen LuxuS haben wir allerdings während der Reise entbehren lernen müssen: daS Waschen. glücklichen Volksvertreter als eine Kultur frage und erwarten von der Duma, daß sie freie Bahn für volle Gerechtigkeit, für einen erneuten Rechtsspruch im hecklen Lichte d»r Oeffentlichkeit schafft. Dr. Max Apel. Jultu» Bab. Hermann Bahr  . Dr. Marie Baum  . Ingenieur E. Bernhard. Lily Braun  . Dr. Heinrich Braun  . Dr. Martin Buber  . Minna Cauer  . Richard Dehmel  . Alma Dzialoszynski. Frederik van Eeden  . Dr. Max ErmerS. Dr. Karl Federn  . VerlagSbuchhändler S. Fischer. Prof. Dr. Aug. Forel. Prof. Dr. Paul Förster  . Richard Gädke, früher Oberst. H. von Gerlach. Dr. A. Grotjahn. Prof. L. Gurlitt. Prof. Dr. Ernst Haeckel  . JuliuS Hart  . Wilhelm Hegeler  . Lnselma Heine. Dr. Adolf Heflborn. Dr. El. Heiß. Rechtsanwalt Hißbach. Felix Holländer  . Dr. Otto Juliusburger  , Oberarzt. B. Kampffmeyer. Prof. Kampmann. Alfred Kerr  . Dr. R. Knittel, VerlagSbuchhändler. HanS Land  . Gustav Landauer  . Prof. Dr. Leimbach. Maria LischnewSka  . Dr. H. Lux. Prof. Masaryk  , Mitglied de« österreichi- schen ReichSratS und der Delegation. Dr. Franz Oppenheimer  . HanS Paasche  , Kapitänleutnant a. D. Dr. Rud. Penzig  . Professor L. Ouidde, Mitglied de« bayerischen Landtage«. Emanuel Reicher  . Paul Schirrmeister. Dr. Eugen Heinr. Schmitt. Dr. Frz. Schönen- berger. Karl Schräder. Wilhelm Schwaner  . Magnus Schwantje  . Prof. Dr. F. Staudinger. Prof. Ludw. Stein. Dr. Reinhard Strecker. Maria Stritt. Ludwig Thoma  . Prof. Dr. Ferdinand Tönnie«. Em. Verhaeren. Dr. Walther Vielhaber. Prof. Alfred Weber-Heidelberg. Frank Wedekind  . Dr. Bruno Wille  . Justtzrat Ludwig Wreschner. Jedermann, der diesem Aufruf zustimmt, wird um Einsendung seine« Namens zur Veröffentlichung gebeten. Ubgeoränetendaus. 34. Sitzung. Montag, den 11. März, vormittags 11 Uhr. Am Mimsterttsch: v. Breitenbach. Die zweite Lesung de« BauetatS wird fortgesetzt. Abg. Fürbringcr snatl.) tritt erneut für den Lau eines Kanals vom Rhein   nach Emden   ein. Abg. Frhr.». Maltzahn sk.) wünscht Schaffung eine» Fischerei- Hafens an der O st s e e k ü st e. Minister v. Breitenbach betont die Schwierigkeiten der AuS- führung eines solchen Projekt«. Abg. Trimbor»(Z.) wünscht, daß die Wasserbau- a r b e i t e r, die jetzt an die Pensionskassen der Eisenbahnverwalmng angeschlossen werden sollen, dieselben Wohltaten wie die Eisenbahn« arbeiter, die Mitglieder der Kassen sind, erhaljxn. Näher gelegen hätte wobl die Schaffung einer selbständigen Kasse. Wa« geschieht mit den Wasserbanarbcitern über 40 Jahren im Hinblick darauf) daß die PensionSkasse der Eisenbahner Leute über 40 Jahren nicht auf nimmt? UnterstaatSsekretär van der Brügge  : Die Wasserbauarbeiter, die in die Kasse ausgenommen werden, sollen dieselben Rechte erhalten wie die Eisen bahnarbeit« r. Leider aber wird eS nicht möglich sein, auch die älteren Arbeiter aufzunehmen, für sie wird in der bisherigen Weise gesorgt werden. Abg. von Böhlendorf-Kölpin ik.) verlangt Errichtung eine« neuen Leuchtfeuer« auf der Insel Wollin  . Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): bringt Klagen der Fischer aus der Gegend Stettin  -Swindemünde vor. Bei eintretendem Tauwetter geraten ihre Netze, ja sie selbst durch die sich loslösenden Schollen in Gefahr. Ein ihnen so entstehender Schaden wird ihnen nicht ersetzt. Die Fischer wünschen, daß, wenn da« Ei« eine bestimmte Stärke erhalten hat, die Tätigkeit der Eisbrecher eingestellt werden möge. Natürlich können die großen Verkehrsinteressen nicht hinter den Interessen dieser Schiffer zurücktreten, aber es müßte doch möglich sein, ihnen wenigstens den epentuell entstehenden Schaden zu ersetzen. (Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Abg. Wodarcz sZ.) erörtert den Bruch de« OderwehrS an der Neißemündung." UnterstaatSsekretär van der Brügge  : Durch den Wehrbruch sind die Schiffer zwar geschädigt, aber viel mehr doch durch den im Von sonstigen Einzelheiten sei hervorgehoben: 11 Hunde haben die Fahrt überlebt und sind in guter Verl  fassung an Bord der.Fram' angelangt. Wir haben nichteinen einzigen Rasttag während der Rückreise gemacht. Nicht einmal am WeihnachtStage haben wir uns Ruhe gegönnt. Bei jeder Witterung setzten wir unseren Rück- marsch sort. Wir haben während der ganzen Reise kein« Abenteuer erlebt, ober sie war durchaus mühevoll. Ueber die weiteren Pläne Amundsen« wird depeschiert: Amuydsen bleibt in Hobart  , bis die.Fram' den Hafen verläßt. Er wird sodann einen Monat hindurch Vorträge in Australien  alten. In Buenos Aires   wird er sich wieder an Bord der.Fram' -geben und durch die Behringstraße daS nördliche Eismeer auf- suchen. Fridtjof Nansen   würdigt im.Daily Chronicle' Amundsens  Tat also: Amundsen hat daS letzte geographische Rätsel gelöst. Er brachte Licht in da« Dunkel, das die antarktische Zone bisher um- hüllte. Amundsen verdankt seinen Erfolg nicht einem Zufall. Die Entdeckung deS südlichsten Punktes der Erde ist das Resuttat langer Forschungen und daS Ziel eines seltenen Willens. Amundsens   Name ist unvergänglich. Theater. Freie Volksbühne(im Neuen Schauspielhaus):.Das Leben ein Traum  ' von C a l d e r o n. Ueber die deutsch  - romantische Schule find wir auch zu Calderon  , dem bedeutendsten Dramatiker des Katholizismus, gekommen; jene, stark unter semem Einfluß verharrend, hat ihn uns vermittelt. Aber trotz aller Be- mühungen ist er.unS fremd geblieben. Am wenigsten läßt sich von einem berühmtesten Schauspiel:»DaS Leben ein Traum  ' zur Ideen- well der heutigen Mensawcit eine Brücke des Verständmlles finden. Als Kleriker, der Calderon   noch in vorgerücktem Alter wurde, noch mehr als Zeitgenosse und Anbeter des tyrannischsten aller Tyrannen: Philipps IL lag sein Geist dock zu sklavisch in Banden, um sich, un- beschadet aller hohen Dichterflügf. von der Finsternis jenes durch die Inquisition ewig gebrandmarkten Zeitalters losringcn zu können. Ist also Calderon insofern der Wiederschein seiner Epoche, und allenfalls noch rein historisch zu erfassen, so vermögen wir Kinder deS zwanzigsten Jahrhunderts seiner Mystik gegenüber allem, waS Welt und Leben heißt, erst recht keinen Gewinn zu ernten. Nicht als ein.Traum' deucht uns das Leben, 'ondern als eine kontrollierbare Realität, mit der wir uns stündlich herumschlagen, der wir unsere Befreiung von aller geistigen und ozialen Knechtschaft stündlich und täglich abtrotzen durch die Tat. Soll uns diese fleisch  « und blutlose Schemenphilosophie noch einiger« maßen munden, sollen uns CalderonS Marionetten noch verständlich werden, soll uns endlich seine unzureichende Psychologie und seine Anschluß daran austretenden Wassermangel. Doch sollen den durch den Wehrbruch direkt geschädigten Schiffern bare Beihilfen ge- währt werden. 160 000 M. sind bereits ausgezahlt. Es werden auch nicht nur preußische, sondern auch auswärtige Schiffer unter- stützt. Abg. Fürbringer snatl.) wendet sich gegen die Einführung des Schleppmoyopols auf dem Dortmund-Ems-Kanal. Ein solches Vorgehen würde nach der Ansicht berühmter Rechtsgelehrter gegen das Gesetz verstoßen. Minister v. Breitcnbach: Die Regierung ist nicht dieser Ansicht und wird sich in ihrer Anschauung auch durch etwaige entgegen- stehende Gutachten einzelner Rechtsgelehrter nicht beirren lassen. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Bei der Oderregulierung und den dabei notwendigen Umlegungen von Grundstücken wird an einer Stelle darüber geklagt, daß die Verteilung zum Schaden der kleinen Grund- besitzer erfolgt, daß die als Entschädigung ausgeworfenen Grund- stücke im argen Mißverhältnis stehen zu dem Grundbesitz, der den Leuten entzogen ist. Hier darf auf keinen Fall pro Lsoo gearbeitet werden. In einer Petition verschiedener Korporationen Breslaus   wird im Interesse der Gesamtbevölkerung die ungesäumte Ausführung deS sehr wichtigen SchwarzwasserprojekteS gefordert. Ist die Staats- regicrung dazu bereit? Die Erhöhung der Ufergelder in Berlin   ist eine recht erhebliche, bei'sechstägiger Liegezeit ist sie schon b M., bei zehntägiger 9 M. pro Tonne. Das ist eine sehr schwere Belastung namentlich der kleineren Schiffer, sie wird durch das neue Melde- Wesen nicht gerechtfertigt, dessen Vorteile ich übrigens nicht geleugnet habe. Manche Empfänger lassen sich die telephonische Meldung zu jeder beliebigen Zeil auch gar nicht gefallen. Dagegen sind die Schiffer wehrlos, sie hätten dann die erhöhten Lasten, aber keine Gegenleistuyg I Mit den Erklärungen des Regierungsvertreters über den Zusammenbruch des Wehres an der Neiße- mündung kann ich mich nicht zufrieden geben. Er hat zugeben müssen, daß die Eichenstämme etwa zwei Meter unter der Oberfläche gelegen sind; er sagte aber, man könne doch nicht bis zum Mittelpunkt der Erde gehen I! Bei guter Untersuchung deS Baugrundes hätte man die Stämme finden müssen. Ich habe erfahren, daß die Strommeister oberhalb des Wehrs den Schiffern längst vor dem Zusammenbruch gesagt haben, an dem Wehr finde man keinen Grund! IHört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Je mehr solche Stämme sich da ansammelten, um so mehr war genaue Untersuchung geboten; sie wurde aber nicht vor- genommen l Die Fürstenberger Schleuse soll angeblich nicht zusammengebrochen sein. Aber auf der einen Seite hat sich das Fundament von der Mauer um Handbreite gelöst, so daß das Wasser nicht in der Schleuse festgehalten wurde. Dieser Schaden muß schon lange bekannt gewesen sein. Die Reparatur konnte unter Auf- rechterhaltung der alten Schleuse in 810 Tagen vorgenommen wsrden, wie es ja jetzt zu geschehen scheint. Wenn es eine ganz normale Reparatur war, die im Winter gemacht wird warum ist das denn nicht geschehen? Im Winter wurde die Schleuse offen- gehalten, erst am 6. März wurde die Schließung bekanntgegeben. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Staatsregierung hat also ein Verschulden und sie sollte meinen Anklagen doch mehr Beachtung schenken. Die Schiffer machen den Umstand vexantwort- lich, daß das herabstürzende Wasser das Wehr unterspülte. DaS kann auch bei anderen Wehren eintreten, und die Schiffer ver- muten es geradezu. Sie klagen darüber, daß die Schleusen von Kasel bis Breslau   zu spät, erst im letzten Moment aufgemacht werden, so daß die Schiffe aufs Trockene kommen. Die Verwaltung hätte also allen Anlaß, auf die Männer der Praxis mebr zu hören.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Man scheint aber darauf mit bureaukratischem Hochmut herab- zusehen. Die heutigen Ausführungen deS Unterstaatssekretärs zeigen, daß meine Forderung nach Entschädigung auch nichtpreutzischer Schiffer als berechtigt anerkannt werden muß. Aber es sollte bei der Gewährung der Entschädigungen rascher vorgegangen werden. Ob 400 000 M. ausreichen werden, ist fraglich. Auch für den Schleusen- bruch in F ü r st e n b e r g ist die Staatsregierung ebenso ersah- p f l i ch t i g wie für den Vorfall an der Neißemündung. sSehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herrn Strosser aber sage ich: wir müssen uns mit allen möglichen Materien befassen, ohne unS deshalb als Sachverständige zu erklären. Wir sind ja nicht so viele wie Sie auf der Rechten und können keine Spezialisten stellen,(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) UnS fehlen auch die Speziali st en für unfreiwilligen Humor, die Sie z. B. an Herrn Strosser haben.(Sehr gut! bei den Sozial- demokraten.), obzwar schöne, doch kalte VerSsprache erwärmen, wenn sie sich in langen Monologen oder in lehrhaft moralisierenden Schlußsentenzen ergießt, dann verlangen wir aber auch eine Darstellung, die das B e st e dransetzt. Die Freie Volksbühne kann sich auf keinen Fall zum Spielball für Repertoire-Verlegenheiten hergeben. Diese Vorführung trug fast durchweg de» Charakter deS Unfertigen an sich. Keine Flüssigkeit des Dialogs; zumeist unrichtige, obendrein durch peinliche Verlegenheitspausen zerhackte Verssprache; keinerlei Geschlossenheit der schauspielerischen Leistungen. WaS Wunder, daß einige Akte total wirkungslos verpufften. Nur Josef Cammer vermochte mit seinem hanswurstigen Diener Clarin ein wenig Heiterkeit zu erregen auch das mitRhabarber-Rhabarber' und preußischen Hornistensignalen unterspickte Blech- vulgo Kampfgetöse. e. k. Musik. Die Königliche Kapelle, d. i. daS Orchester deS Opern« Hauses, veranstaltet seit langem Sinfonie-Abende, deren Ertrag dem Witwen- und Waisenfonds der Kapelle zukommt. Lange Zeit war mit ihnen der Name ihres Dirigenten Weingartner ver« knüpft; jetzt leitet sie Richard Strauß  . Aus der hierund bei anderen Orchestern üblichen klugen Einrichtung, die Generalprobe gegen relativ billigeren Eintritt öffentlich zu- gänglich zu machen, entstanden feste Voraufführungen am Mittag desselben Tages,Matineen'; sie sind um so erwünschter, als die Hauplaufführungcn jetzt gänzlich den Abonnenten gehören, und sind wohl so gut wie immer ausverkauft. Das VIII. der dies« jährigen Konzerte brachte zwei Neuaufführungcn moderner Werke, die sonst schon bekannt waren. Bor allem kam nton Bruckner zu Wort. Der Meister war, nach den üblichen Verkennungsjahren, der Schützling einer heftig strampelnden Opposition gegen seine wirklichen oder angeblichen Verkenncr geworden. WaS man schon damals bei einiger Ruhe urteilen konnte, dos konnte man auch jetzt urteilen, atS unsere Sinfoniker seine letzte, unvollendete, IX. Sinfonie vortrugen: lauteres musikalisches Gold, wie aus einem Füll- Horn dahingestreut, eines neben dem anderen, unbekümmen um die Fassung des Hörers und auch unbekümmert um das, was mit den Orchestcrfarben zu machen sein würde. Dann gab es von dem französischen Modernen Vincent d'Jndy Sinfonische Variationen Jstar'; eine von den musikalische» Darstellungen reichster Kompo- sitionSkunst, bei denen doch alle Wendungen und Windungen deS erläuternden Programmbüchleins den Zusammenhang mit dem Pro- gramm nicht überzeugend werden lassen. R. Strauß   dirigiert nicht so.heroisch' wie seine Vorgänger und nicht so, daß man sich um etwas Eigenes von seiner Art herum» streiten könnte. Abes es liegt soviel Solides, Vornehmes und Maß- volles(besonders durch Vermeidung extremer Zeitmaße) in seinem Dirigieren, daß der das Konzert abschließende Vortrag von Beethovens V.(.Schicksals'«) Sinfonie wohl auch dem ältesten Lieb« haber etwas Neues zu sagen hatte. ez.