ßeBctt. Ein Bursche ist erschossen worden, der nichts getanhatte; er hatte sich eine Zigarre geholt und stand dann in seinemHause auf der Treppe.(Hört! hört! b. d. Soz.)Weiter hat die Polizei Arbeitswillige ausgefordert, mit Steinen aufStreikende zu werfen!(Hört! hört!) Ich kann Zeugen nennen, die das unter Eidbestätigen werden. Nicht die Streikenden, sondern der U e b e r-ei fer der Polizei hat den Anlaß zum Blutvergießen ge-geben(Sehr richtig! b. d. Sog.) Bevor noch der Streik beschlossenwurde, hat man Hunderte von Polizeimannschasten nach dem Ruhr-revier geschickt. Das hat wie eine Provokation auf die Berj>arbeiter gewirkt, weil es auf sie den Eindruck machte, als wolle dieRegierung den Streik mit Gewalt verhindern. Wirsind aufs äußerste bemüht, die Ruhe im Ruhrrevier aufrecht zuerhalten. Aber die Behörden verbieten in Streikversamm-lungen den G« brauch der polnischen Sprache, sogargeschlossene Mitgliederversammlungen des polnischen Berufsvereinswerden auseinandergejagt.(Hört! hört« b. d. Soz.) Ichfrage den Staatssekretär: wie sollen wir uns denn mit unserenArbeitern bei dieser Lohnbewegung verständigen? Billigt derStaatssekretär diesfrivole Vorgehen der Polizei,das dem Reichsvereinsgcsetz widerspricht, und wie gedenkt er solcheIlebergriffe für die Zukunft zu verhindern? Man hat uns sogardie Streikbureaus auseinandergejagt. Wie sollenwir da unsere Leute aufklären? Das will die Regierung offenbarnicht, sie will das Blutvergießen.Vizepräsident Dr. Paasche: Das dürfen Sie nicht sagen, ichrufe Sie deshalb zur Ordnung.Abg. Sosinski(fortfahrend): Daß die Arbeitgeber wünschen,daß Militär kommt, ist klar, sie erwarten, daß damit ein schnelleresEnde des Streiks herbeigeführt werden wird. Der preußischeBergfiskus in Oberschlesien behandelt die Arbeiterebenso wie die Grubenprotzen im Ruhrrevier, auch er hat auf eineEingabe der Bergarbeiterorganisationen nicht geantwortet.Dabei find in Oberschlesien die Löhne besonders niedrig, sie sindnoch um 1 M. bis l,5l> M. niedriger als die Löhne im Ruhrrevier.Bei den Hungerlöhnen müssen die Arbeiter noch dazu 1l),12, ja 16 Stunden arbeiten.(Hört! hört! bei den Polen.) Manbehauptet, daß die Arbeiter dort so viel feiern und deshalb wenigerverdienen. Aber was ist der Grund? Wenn ein Arbeiter in Ober-schlesien auch nur einen Tag krank wird und er meldet sich beimAerzt, so muß er sofort ins Krankenhaus. Um nunnicht immer gleich ins Lazarett zu müssen, bleiben die Leute lieber3 bis 4 Schichten zu Hause. Die Ueberschüsse der Gruben-besitzer in Oberschlefien sind in den letzten Jahren ungeheuerg c st i e g e n. Der Fiskus ist in Oberschlesien der größte Arbeit-geber, er sollte mit gutem Beispiel vorangehen.— Möge derpreußische Handelsminister, der ja hier ist, die Erklärung abgeben,daß die Löhne der Arbeiter auf den fiskalischen Zechen erhöhtwerden sollen, dann haben wir wenigstens in O b e r s ch l e's i e nRuhe. Und wenn die Regierung auch im Ruhrrevier mit gutemBeispiel vorangeht, so werden wir den Frieden in Deutschlandhaben.—(Beifall bei den Polen und Sozialdemokraten.)Abg. Mertin(Rp.Z: Die Antwort des Staatssekretärs hat unsbefriedigt, besonders die Entschiedenheit seines Tones.Den haben wir in letzt e'r Zeit wiederholt ver-mißt.(Beifall rechts.) Regieren heißt vor allem: Ordnungschaffen, die Ordnung aufrecht erhalten.(Bravo l rechts.—Zuruf links: Ein echter Junker!) Ich war nie ein Junker und ichweiß nicht, ob ich es je werden werde.(Heiterkeit rechts.) HerrSachse hat es gestern als eine freche Lüge bezeichnet, daß derStreik andere als rein sachliche Gründe habe.(Sehr richtig! beiden Sozialdemokraten.) Sie haben nicht das Recht, sich als Rich-ter darüber aufzuspielen, was wahr ist und was nicht.(Abg.Dr. A r e'n d t: Sehr richtig!— Lachen bei den Sozialdemokraten.)ES bleibt dabei, daß der Streik politische Ursachenhatte.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Behandeln Sie dochdiese ernste Frage auch ernst.(Zuruf bei den Sozialdemokraten:Wir lachen ja über Sie!) Dann sind Ihre Ansprüche auf Heiter-keit und Komik sehr bescheiden.(Stürmische Heiterkeit.) Siewollen eben die Bergarbeiter wiedergewinnen, die sich von Ihnenabgewendet haben.(Abg. Sachse: Beweisen Sie es doch!) Ichkann hier nur meine Behauptungen vertreten und nichtsbeweisen.(Heiterkeit links.) Wir bestreiten nicht die Bcrech-tigung jeder Arbeiterforderung. Aber die Forderung von 15 Proz.Lohnerhöhung geht zu weit. Herr Sachse hat gestern gesagt,die Arbeiter würden sich auch mit weniger zufrieden geben. Wes-halb hat er das nicht vor dem Streik gesagt?(LebhafteZurufe bei den Sozialdemokraten: Ist längst geschehen!) Dasweiß ich nicht, da ich bei den geheimen Verhandlungen nichtdabei war. Jedenfalls ist der Streik frisch vom Zaun gebrochen.(Beifall rechts.) Die Anregung, die Regierung möge vermitteln.ist leicht ausgesprochen. Aber eine solche Vermittelung ist gefähr-Xich. In England schlug die Vermittelung fehl und die Folgewar der gesetzliche Minimallohn. Will Herr Gothein diese Konse-quenz ziehen? Was die Regierung aber tün kann und soll, istdie Arbeitswilligen zu schützen.(Aha-Rufe bei denSozialdemokraten.) Meinen Sie denn, daß ich das nicht sagenwürde? Nach Herrn Sachse haben die Streikenden jetzt nichtsanderes zu tun. als Arbeitswilligen den Revolver abzunehmen.(Heiterkeit rechts.) Wir sind den Christlichen dankbarfür ihr besonnenes Verhalten. Wenn eine großeOrganisation aus wohlerwogenen Gründen einen Streik nichtmitmacht, so sind ihre Mitglieder deshalb doch nicht Streikbrecher.Bedauerlich sind die scharfen Worte des Abg. Schiffer gegen diesogenannten gelben Gewerkschaften. Diese 34 606 vaterländischenArbeiter, die ohne Speichelleckerei ihre patriotischen Pflich.ten erfüllen, müssen gegen diese Angriffe in Schutz genommenwerden.(Beifall rechts.) Der Streik dehnt sich aus, aber nurweil der Terrorismus zunimmt.(Lachen bei denSozialdemokraten.) Augenzeugen bewundern die Ruhe und Kalt-blütigkeit der Behörden.(Große Heiterkeit bei den Sozialdemo-kraten.) Gesetzgeberische Maßnahmen jetzt während des Streikskönnen ja nicht mehr getroffen werden. Aber der Streik wirdein Beispiel dafür sein, ob die Behörden mit den jetzigen Mittelnauskommen können.(Beifall rechts.) Wenn A u s s ch r e i t u n-gen wirklich vorgekommen sind, dann sind Sie(zu den Sozial-Demokraten) daran schuld, die Sie diese maßlose Erregungins Volk hineingetragen haben, lllnruhe bei den So,ialt>emo-kraten.) Auch wir wünschen eine schnelle und unparteiische Justiz.Es liegt uns gar nichts daran, daß ein paar Leute mehr ein-gesperrt werden.(Sehr richtig! rechts). Herr Sachse hat denGrafen W e st a r p ausgefordert, sich in die Lage eines Bergarbei-ters zu versetzen, der mit 5 W. täglich 16 Kinder ernähren muß.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Aber versetzen Sie sichdann auch in die Lage eines Schutzmanns, der von einer Menschen.menge umringt und bedroht wird und nun zur Waffe greift.Dann schreien Sie hier: Bluthunde und draußen spielen Sie sichals die Vertreter der Unterbeamten auf.(Sehr gut! rechts.) Alsowir sind gegen eine Einmischung der Regierung in denStreik.(Beifall rechts.)Abg. Behrens(Wirtsch. Vgg.): Ueber die Berechtigungder Lohnforderungen der Bergarbeiter gibt es keine Differenzen.und die Mehrheit des Reichstages hat sick ja auch dafür au»-gesprochen. Aber Herr Sachse hat maßlos übertrieben. Erkämpfte für eine verlorene Sache, ja für eine die Arbeiterbewegungschädigende Sache.(Sehr richtig! rechts.) Nur den Streik haltenwir jetzt nicht für richtig. Für uns kommt nur das Wohl derBergarbeiter in Frage. Politische Fragen spielen im Gewerkvereinchristlicher Bergarbeiter keine Rolle, eS ist eine un�hryeu, wenndie soAialdemokratischen und liberalen Blatter das behaupten. iZu-rufe im Zentrum: Das Berliner Tageblatt.) Das„Ber-findet Tageblatt" wollen wir nicht zu oft erwähnen, sonst bekommendie Herren in der Jerusalemer Straße den Größenwahn.(Heiter-keit recht».)— Redner schildert die Entwicklung de» Streiks. Wirzähen uns an der Lohneingabe nicht beteiligt, weil sie un-beding! zum Streik führen mußte und ein Streik in der jetzigenSituation für die Bergarbeiter aussichtslos war. Da die englischenBergleute auch streiken, sind die deutschen wie die englischen Berg-Herren die Sorge um ihre Absatzmärkte los, sie haben kein Privat-interesse mehr daran, ob der Streik andauert oder nicht. Sie könnenruhig zusehen, was die Regierung gegen die schweren Schädigungende-' ganzen Erwerbslebens die der Streik zur Folge haben muß,tut. Nach unserer Ansicht hat der Streik politische Motive, erist die Revanche für Bochum.(Abg. Sachse(Soz.): Lüge!Vizepräsident D o V e ruft den Zwischenrufer zur Ordnung.�Und zum zweiten kommt es dem alten Verband auf die Ver-nichtung des christlichen Gewerkvereins an. DerHiesch-Dunckersche und der polnische Gewerkverein, dieer jetzt als bürgerliches Schild gern mitnimmt, werden dann natür-lich auch an die Reihe kommen.(Sehr richtig! rechts.) Daß esdem sozialdemokratischen Verband nicht um den Frieden zu tunwar, bewies die Aufstellung von 16 neuen Forderungen, nachdemdie Antwort auf die ersten sehr zahmen Forderungen eingelaufenwar. Den Minister ersuche ich um eine klare, bestimmte Auskunft,ob nach dem Gesetz von 1967 die Arbciterausschüsse im Bergbau be-fugt sind, in Lohnfragen zu verhandeln. Nach meiner Ansicht istdas der Fall. Das ganze Vorgehen des alten Verbandes in diesemFalle widersprach aller gewerkschaftlichen Taktik.(Abg. Sachse:Ach quasseln Sie doch nicht, Sie haben es 1965 ja ebenso gemacht!— Vizepräsident Dove: Ich ersuche Sie, sich hier in den Formenzu bewegen, die gesellschaftlich üblich sind.) Der sozialdemokratischeVerband trägt infolge dieser verfehlten Taktik die Verant»Wartung für die Not und das Elend, für die Verwundeten unddie Toten.(Sehr richtig! rechts.) Der Streik hat erst an Ausbrei-tung gewonnen, als der Terror einsetzte.(Lachen bei denSoz.) Ich schätze die Zahl derer, die aus Furcht vor dem Terror inden Streik eingetreten sind, auf 36 666 bis 46 066. Daß sich dieChristlichen schließlich bewaffnen, kann man verstehen!, wennauch nicht gerade billigen; man kann schließlich nicht von ihnenverlangen, daß sie sich die Knochen kaputschlagen lassen.(Sehrwahr! rechts.) Wo Herr Effert gesteckt hat. ist ja nun auf-geklärt. Er war krank und ist. sobald er wieder gesund war,sofort ins Ruhrrevier gefahren, wo er ganz den Standpunkt deschristlichen GewerkvcreinS vertritt. Wie die Stimmung im Ruhr-revier gegen uns ist, kann man aus der Halhrng und dem Tonschließen, den Herr Sachse gestern hier zur Schau trug. Wieder Herr, so'? Gescherr. Wenn man hier von christlichen Halunkenund Judassen spricht— hier sitzt doch die Elite der sozialdemokra-tischen Partei(Große Heiterkeit rechts) und wenn die sich sowenig im Zügel halten kann, was wollen Sie dann von den Leutenim Lande verlangen.(Sehr gut! rechts.) Ob Hue zu der Kon-ferenz bei Dr. Delbrück eingeladen ober uneingeladen gekommen ist, das ist ganz gleichgültig. Wir wollen uns nurdagegen wenden, daß es im..Bochumer Vvlksblatt" so hingestelltworden ist, als ob der Staatssekretär ihn als Vertreter des Wahl-kreises Bochum eingeladen hätte und mit dem UnternehmerknechtH e ck m a n n nichts zu tun haben wollte. So wird ein ehrlicherBergmann, der in seinem Beruf verunglückt ist, von den Sozial-demokraten besudelt.(Pfuirufe im Zentrum.) Wir wünschen gewißnicht, daß das Militär zu Polizeizwecken gebraucht wird, aber dasist Sache des Staates, zu entscheiden� ob der Schutz der Polizei aus-reicht oder nicht. Hoffentlich braucht das Militär nicht einzugreifen.Als Maschinengewehrfutter sind mir auch meineozialdemokratischen Kameraden zu schade. Esarbeiten- mehr Sozialdemokraten, als Christliche streiken. Ichschließe mit dem Wunsche, daß dieberechtigtenWünschederBergarbeiter bald erfüllt werdrn(Beifall rechts und imZentrum.)Handelsminister Sydow: Auf die Anfrage des Vorredner» er»widere ich, daß die preußische Bergverwaltun� auf dem Stand-Punkt steht, daß die Lohn frage der Zuständigkeit der Ar-beiterauSschüsse gehört. Sie ist auf den fiskalischen Werkenbisher auch stets auf diese Weise verfahren.Abg. Dr. Erdmann(Sog.):Vor 7 Jahren hat auS Anlaß des Bergarbeiterausstandes von1965 in diesem Hause eine ähnliche Debatte stattgefunden. Damalskonnte der zweite sozialdemokratische Redner feststellen, daß dasganze Haus mit Ausnahme der Konservativen, des Herrn B e u m e rund einiger anderer Herren von den Nationalliberalen, darin einigsei, daß es sich bei diesem Streik umeine Volksbewegunghandelte, die nicht von einzelnen Personen oder einer Partei ge-macht war, sondern aus den Verhältnissen heraus ge-wachsen war. Und der zweite Zentrumsredner Dr. Spahnbezeichnete es als die Ueberzeugung der großen Mehrheit desHauses, daß die Sympathien des deutschen Volkes auf der Seiteder Streikenden ständen.(Hört! hört! links.) Ich be-daure, heute eine ebenso günstige Feststellung machen zu können.Und doch liegen die Dinge jetzt nicht anders als 1965. DieBergarbeiterbewegung von 1965 bildet ein Ehrenblatt in der Ge-schichte der deutschen Arbeiterbewegung.(Bravo! bei den Sozial-demokraten.) Heute hat sich Herr Behrens bemüht, diesesEhrenblatt herabzureitzen und mit Füßen zu treten.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Was er gegenden jetzigen Bergarbeiterausstand angeführt hat, trifft in gleicherWeise auf den Ausstand von 1965 zu. Er hat gerügt, daß die Ar-beiter die Arbeit unter Kontraktbruch niedergelegt haben.War das 1965 nicht der Fall? Er hat die geringe Zahl derOrganisierten beklagt. War 1965 die Zahl der Organ, siertennicht noch viel geringer? Er hat die Not und das Elend einesBergarbeiterausstandes geschildert. War denn 1965 die Not nichtin demselben Maße vorhanden? Alles, was Herr Behrens gegenden jetzigen Ausstand gesagt hat, hat er auch gesagt gegen denAusstand von 1965, an dem die C h r i st l i ch e n mit so großerEntschiedenheit teilgenommen haben.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten.) Was die Stimme im Hause anlangt, soliegen die Dinge zweifellos ungünstiger als 1965. Aber dochnur deshalb, weil das Zentrum, das im Hause räumlich nachrechts gerückt ist, auch in der Beurteilung sozialer Angelegenheitensich auf die rechte Seite geschlagen und einen Bund ge»schlössen hat mit den Konservativen und dem scharfmacherisch ge-sinnten Flügel der Nationalliberalen.(Sehr wahr! bei den Sozial-demokraten.)Die christlichen Gewerkschaften haben verschiedene Gründe fürihre Nichtbeteiligung am Streik angegeben. Der Streik soll zurück-zuführen sein auf die Verhetzung der Bergarbeiter durchdie Sozialdemokraten und Anarchosozialisten. Man fügtdieses Wort aus ganz bestimmten Gründen hinzu, um der Bcwc-gung einen anrüchigen Charakter zu geben. In einem Artikel der..Kölnischen Volkszeitung" wird gesagt, daß viele Tausende vonAnarchosozialisten im sozialdemokratischen Verbände säßen, die derVerhandlungsleitung über den Kopf gewachsen seien.(Lachen bei denSozialdemokraten.) Wer die Verhältnisse kennt, weiß, daß daSein ausgemachter Schwindelist.(Sehr richtig! bei den Sozialdemoiraten.) Gewiß gibt eS eineAnzahl von Anarchosozialisten im'Industriegebiet. Aber sie zeichnensich höchsten? durch ihren großen Mund aus. Die Führer des Berg-arbeiterverbandes lassen sich von ein paar Schreihälsen wirklich nichtan der Nase herumführen. Aber es-liegt System in der Ver-breitung des anarchosozialistischen Märchens. Man will der Berg-arbeitcrbewcgung einen möglichst gefährlichen und umstürzlerischcnAnstrich geben. Herr Behrens hat gemeint, der Streik sei dieRevanche für unsere Niederlage in Bochum. Mit demselbenRecht könnte ich sagen, daß das Verhalten der Christlichen eine Re-vanche für ihren Reinfall in Köln ist.(Sehr richtig! links.)Sie wollen die Gunst der Nationalliberalen wieder gewinnen. Aberich sage daS nicht. Die„Kölnische Volkszeitung" geht noch weiterund bat es fertig bekommen, den Ausstand in Zusammenhang zubringen mit dem gestrigen Attentat in Rom.(Heiterkeit bei denSozialdemokraten.) Sie schreibt:»Eine Kundgebung gegen da»sierabscheüungswürdlge Attenkat auf d'en König von Italien lelteledie heutige Sitzung des Reichstags ein, die passende Ouvertüre fürdie Jnterpellarion über den sozialdemokratischen Streik im Ruhrrevier. Hier gelten die Kugeln den Köpfen der Polizisten, denHütern der Ordnung und den Arbeitswilligen, dort dem Hauptedes Königs. Aber die sie abschössen, sind hier wie dort dieselbe»Elemente: gewissenlose Hetzer'und revolutionäre Fanatiker."(Lautes Gelächter bei den Sozialdemokraten.) Wenn man dieAttentäter auf ihre Heimat untersucht, wird man stets auf urkatho-lische Gegenden stoßen.(Sehr, richtig! links.) Auch der gestrigeAttentäter soll sehr religiös gewesen sein. Doch liegt es mirfern, sein Attentat mit seinem Glauben in Zusammenhang zubringen. Mit um so größerer Entschiedenheit weisen wir es zurück,daß irgend ein Zusammenhang mit dem Attentat in Rom konstruiertwird. Wer die Verhältnisse im Ruhrrevier kennt, weiß, baß Kikdort nicht zu Hetzen brauchen.Die Verhältnisse Hetzen für uns.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten,) Wenn im Industrie»gebiet eine einzelne Person, und noch dazu eine Dame, über ein«Kapitalmacht von 186 Millionen verfügt und über ein Heer von166 666 Angestellten gebietet, dann muß das auch den rückständigstenArbeiter zu einer gewissen Erbitterung über derarttge Zuständetrcibem(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn dieBergarbeiter sehen, daß 366 Personen in Deutschlanddas gesamte Wirtschaftsleben beherrschen, dannmuß ihnen ein Verständnis für den Sozialismus, für die Unhalt-barkeit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung aufgehen.(Beifallbei den Sozialdemokraten.) Diese Erbitterung über das elendeDasein der Arbeiterschaft im allgemeinen macht sich bei den Berg.arbeitern im besonderen Matze geltend. Die Arbeitsweise desBergmanns ist mühsamer und härter als die eines jeden anderenBerufes, die Unfallgefahr im Bergbau größer.Fast jeder 7. Bergarbeiter verunglückt einmal im Jahr.Die Zahl der Schwerverletzten ist doppelt so groß wie durch»schnittlich in anderen Berufen. Ein ganzes Heer von Berusskranl-heilen tragen die Bergarbeiter mit sich. All dieses Elend und dieRechtlosigkeit der Bergarbeiter muß notgedrungen von Zeit zu Zeitzu einer Entladung durch einen Ausstand führen.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Dazu kommt, daß das Ver-hältnis zwischen Unternehmer und Arbeiter nirgendsso unerträglich für den Arbeiter ist als gerade im Bergbau. DerAusdruck meines Freundes Sachse: die Bergunternehmer behandelndie Arbeiter wie Hunde, war gewiß hart, aber dem Sinne nachtrifft er vollständig zu. Herr von B i e b e r st e i n, der sich sodarüber aufregte, sollte nur die Bergarbeiter selbst fragen, siewürden ihm wahrscheinlich antworten: Wir werden nicht behandeltwie die Hunde, wir werden schlechter behandelt.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Mancher wird sagen, daß erfroh wäre, wenn er behandelt würde wie die Hunde undPferde der großen Millionäre dort.(Sehr richtig!bei'den Sozialdemokraten,) Dazu kommen die Lohnrückgänge unddie Teuerung. Der preußische Handelsminister meinte zwar, 6,36Mark sei doch kein Hungerlohn. Ich glaube, er würde andersdenken, wenn er selbst darauf angewiesen wäre, einszahlreiche Familie mit einem solchen Tagelohn zu ernähren.(Sehrgut! bei den Sozialdemokrateri.)Nun soll der Streik politischen Untergrund haben.Gewiß, es kommen politische Momente dabei in Betracht. Nament-lich die P o l i t i k de s schwarzblauen Blocks hat zweifellosdie Erbitterung der Bergarbeiter gesteigert und ebenso die Bchand»lung der preußischen Wahlreform. Wissen doch die Bergarbeiter,daß die Berggesetzgebung Landessache ist und daß sie bei dem Heu»tigen Wahlgesetz keinerlei Einfluß auf ihre Gestaltung haben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Gewundert habe ich mich,daß gerade das Zentrum den Vorwurf des HetzenS gegen die So»zialdemokratie erhebt. Es gab eine Zeit, da wurde von Klerikaleneine Kritik an dem Kapitalismus geübt, wie sie schärfer vonkeinem Sozialdemokraten geübt werden kann.Ich erinnere an die Schriften des Bischofs Ketteler und desKaplans Hitze, der die Unternehmer auf dieselbe Stufe stellte mitrömischen Sklavenhaltern, die ihre Sklaven den Fischen zur Speisehinwarfen. Seinerzeit sprachen Zentrumsblätter von demnationalliberalen Mastbürgcrmit wohlgefülltem Geldbeutel und steinhartem Herzen, derder erste sein sollte, dem man die Gurgel abschneidet.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) An einer anderen Stellehieß eS: an den Bettelstab müßten solche Unternehmer ge-bracht werden, die von dem Schweiß der Arbeiter ihrenfaulen Körper ernähren,(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Sind das keine Hetzereien?Die Rede des Herrn Schiffer war mir nicht neu. Ich hattesie schon in Form eines Artikels des Generalsekretär?Stegerwald in der.kölnischen Volkszeitung" gelesen.(Heiter-keit bei den Sozialdemokraten.) Ich weiß nicht, weshalb er mit sogroßem Eifer jede Gemeinschaft mit den.Gelben" ablehnte, da dochdie Christlichen so enge Beziehungen zu den Organisationen halten,die sich selber vor kurzem noch als„Gelbe" bezeichnet haben, näm»lich zu den katholischen Fachvereinen. Auf bischöfliche Anweisungvon 1967 müssen sie ja mit diesen ein Herz und eine Seele seinund erhalten gemeinsame Anweisungen für dieTaktik.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten,) Wie kommtHerr Schiffer dazu, die christlichen Arbeiter als die allein ver»nünftigen zu bezeichnen? Von 8 Arbeitern, die das Bedürfnishaben, sich zu organisieren, gehen 7 zu den Roten und 1 zu denChristlichen. Wie kann man da die 7 als rückständige und geradeden einen als Edelmenschen hinstellen. DaS ist eine B e l e i d i-ung der deutschen Arbeiterschaft.(Sehr wahr! beitn Sc�ialdemokraten.) Auf dieTerroriSmuSklagenist mein Freund Sachse schon genügend eingegangen. Ich hatteeinmal Gelegenheit, mich mit einem Unternehmer imMünsterland« zu unterhalten. Er war Zentrumsmann und'chimpste sehr auf die Sozialdemokraten und die freien Gewerk-chaften. Er zitierte das bekannte Wort:„Und willst Du nicht mcinörudcr sein, dann hau ich Dir den Schädel ein." Er meinte aller-dings, die christlichen Gewerkschaften trieben e S picht vielbesser, nur sagten sie:„Und willst Du nicht mein Bruder sein.dann schlag ich Dir den Schädel ein, in Gottes Namen—A m e n."(Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten,) Sie tätenalso dasselbe mit ein wenig frommer Verbrämung. Beweise dafürstehen uns in Fülle zur Verfügung. Herr Schiffer meinte dannweiter, 1965 sei alles anders gewesen, da sei niemand mit Ge-walt von der Arbeit abgehalten. O nein, in der Scharfmacherpressekonnte man damals ebensoviel Klagen über sozialdemokratischenTerrorismuS finden wie jetzt in der Zentrumspresse. Und damalswurde genau so nach Militär gerufen wie beute.Herr GieSbertS machte neulich den Arbeitern einen Vor-wurf daraus, daß sie den Ausstand in eine Zeit verlegen, dieihnen als die günstigste erscheint. Sie sollten auf dieSchädigungen des wirtschaftlichen Lebens Rücksicht nehmen. Soweitsollte aber auch Herr GieSberts mit der Technik der Arbciterbewc-auna vertraut sein., daß die Arbeiter selbstverständlich immer de»günstigsten Zeitpunkt zum Streik aussuchen müssen. Und wenn wirk-lich das Wirtschaftsleben durch den Streik geschädigt wird und mananerkennt, daß die Forderungen der Arbeiter berechtigt sind.was liegt da näher als den Vorwurf, die Industrie zu schädigen.gegen die Unternehmer zu richten, die die berechtigtenForderungen der Arbeiter nicht erfüllen.(Sehr gut! bei den Sozial-demokraten.) Die politischen Motive liegen vielmehr auf feiten derChristlichen. Bereits 1963 war das Zentrum darauf aus, um seineSitze in Rheinla nd-Westfalen zu retten, Anschluß beiden N a t r o n a l l i b e r a l e n zu suchen. Inzwischen sind aus demZentrumsturm gewaltige Steine herauSgebrockelt. In diesem Jahreist sogarfeie Krone Köln gesgllea,