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Diese Sifudiott ist das Motiö, welches das Zentrum veranlagt, jetzt nicht mehr wie 1898 und INOo auf die Seite der Arbeiter zu treten. Die christlichen Gewerkschaften dürfen überhaupt nicht mehr an großen gewerkschaftlichen Aktionen teilnehmen. Ich erinnere an die Zwistigkeiten innerhalb des Katholizismus, an die An- sprüche, die von Rom aus in bezug auf das Verhalten der katholischen Arbeiter gestellt werden. Mit Rücksicht auf die Kirche dürfen die christlichen Arbeiter nicht streiken. Sie dürfen es aber auch nicht aus Rücksicht auf die Regierung. Die christlichen Ge- werkschaften wissen, daß sie beim verständigen Teil der Arbeiter- schaft nichts mehr zu gewinnen haben. Dieser Teil hat eingesehen, daß die dem Zentrum untergeordneten Organisationen die Jnter- essen der Arbeiter nicht vertreten, und er schließt sich den freien Gewerkschaften an. Als Ersatz haben die Christlichen ihre Augen auf die abhängigen E x i st e n z e n, auf die S t a a t s a r b e i- t e r gerichtet. Dafür brauchen sie aber die Gunst der Re- g i e r u n g und deshalb dürfen sie sich an einem solchen Streik nicht beteiligen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ein dreifacher Zwang ist ihnen auferlegt, ein dreifaches Bleigewicht schleppen sie mit sich herum.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Daher diese Scheingründe und das Geschrei von der Verhetzung durch die Sozialdemokratie, deshalb der Ruf nach Militär. Es ist bezeichnend, daß der erste Ruf nach Militär nicht aus- ging von einem nationalliberalen oder freikonservativen Scharf- macherorgan, sondern von dem Zentrumsblatt, das ,m Wahlkreise des Herrn Giesberts erscheint. sHört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Es ist das bedauerliche an diesem Schauspiel,, daß es Arbeiter sind, die gegen ihre kämpfenden Klassengenossen den Säbel und die Flinte mobil machen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn die christlichen Führer noch etwas an Kredit hätten ver- lieren können, dann haben sie ihn jetzt verloren.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Auch von unserer Seite wird zugegeben, daß bei der jetzigen Bewegung einzelne Ungehörig leiten vorgekommen sind. Derartige Ungehörigkeiten kommen im In- dustriegebiet aber alle T a jj e vor. Wenn man abzieht, was direkt erlogen ist und was ubertrieben ist. dann bleibt wirklich nicht viel übrig.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) D i e Bergarbeiter sind keine Salonmenschen und haben andere Manieren als die Monokelträger. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wer den Bergarbeiter kennt, wird ihm ein derbes Wort nicht übelnehmen, auch nicht, wenn ihn. der Ellbogen einmal ausrutscht. Dann muß man auch bedenken, daß viele Arbeiter aus dem O st e n bei uns wohnen. Diese Elemente sind noch ungezügelt. Sie haben ihre Er- ziehung genossen unter dem Regime unserer Junker und der Klerisei. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir werden sie aber auch zur Ordnung bringen, trotzdem es eigentlich die tun müßten, die diese Leute nach dem Westen gebracht haben.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) 1995 haben sich die Ordnungsmann- schaften der Arbeiter sehr gut bewährt. Aber das gefiel den Scharfmachern nicht. Die Herren B u r ck und Leidig haben das offen ausgesprochen. Denen lag nichts an der Aufrechterhal- tung der Ordnung, als vielmehr daran, daß die Arbeiter den Be- weis nicht erbrachten, daß sie selbst Ordnung halten könnten. Wäre es zu Zusammenstößen gekommen, so hätten sie der Oeffentlichkeit gesagt: seht, so betragen sich die Arbeiter.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Nun zu den Sch auermärchen, nament- lich des preußischen H a n d e l S m i n i st e r s. Mit dem ernstesten Gesicht von der Welt hat er uns geschildert, daß Ausstän- dige vor ArbeitswilligenPfui!" gerufen haben und daß Arbeiter- wciber um in seinem Stil zu reden zu Arbeitswilligen gesagt haben: wenn Ihr nichts mehr zu essen habt, werden wir Euch schon versorgen, kommt nur zu uns! Deshalb mußte Militär nach dem Ruhrrevier! Als ich das hörte, habe ich mich gefragt: wo stammt denn! der Hanbelsminister eigentlich her? Ist er jemals mit Bergarbeitern in Berührung gekommen? Wer den westfälischen Bergmanr kennt, weiß, daß er äußerst ruhig, bedächtig, sogar schwerfällig ist. Und als der Handelsminister sprach, ließ ich meine Blicke über diese Bänke(auf die RegierungS- bänke zeigend) streifen und. sah eine Anzahl von Gesichtern, auf denen in Keilschrift die Zeichen einer sehr temperamentvoll verlebten Universitätszeit eingetragen waren.(Heiterkeit links.) Da sagte ich mir: solange die preußische Regierung es nicht für nötig halt, die Universitätsstädte unter den Belagerungs- z u st a n d zu stellen und Gendarmerie und Militär dort hinzu- schicken, um zu verhüten, daß die Jugend der zahlungsfähigen Bourgeoisie gegenseitig aus ihren Gesichtern Hackfleisch macht(Große Heiterkeit links), so lange hat die Regierung auch kein Recht, Militär in das Streikrevier zu schicken.(Sehr wahr! links.) Herr Giesberts hat einmal gesagt, manchmal müsse man sich schämen, ein Preuße zu sein. Diese» Gefühl hatte ich auch während der Rede des Handels- Ministers. Mit welcher Hasenherzigkeit wird in Preußen regiert! Da hat Graf Posadowsky während des Streiks von 1905 einen viel vernünftigeren Standpunkt eingenommen. Was getan werden kann, um die Ordnung aufrecht zu erhalten, tun die Arbeiterorganisationen selbst, denn sie haben das größte Interesse daran. Die Antwort der Regierung auf diese Frage der Jnter- pellanten muß als durchaus einseitig bezeichnet werden. Diese Einseitigkeit wird so lange bleiben, solange sich die Regierung stützt lediglich auf die Informationen der Unternehmer und der Polizei.(Sehr richtig! b. d. Soz.) Aber zum beut- schen Bergbau gehört doch schließlich auch der Bergarbeiter. Auch ihn muß man hören. Es ist in letzter Zeit Mode geworden. zu sagen, man müsse die Seele der Arbeiter gewinnen. Wer dies? Seele gewinnen will, muß sie zunächst einmal kennen lernen. Man lernt sie aber nicht kennen aus Polizeiakten und einem statistischen Zahlenmaterial, das in einer Amtsstube ige- schäftSmäßig zusammengestellt wird. iSehr richtig! links.) Eine Regierung, die nur die Tagungen der Unternehmer besucht, die Or- gani'ationen der Arbeiter mißachtet, die sich für zu gut hält, mit den Arbeitern in persönliche Fühlung zu treten, kann nur zu verkehrten und einseitigen Anschauungen über die Bedürfnisse der Arbeiter kommen. Zur Erfüllung der Forderungen der Arbeiter hat die Regierung nichts getan. Sie hat nur Polizei und Militär ins Streikcevier geschickt, um mit Maschinengewehren. Brownings und geschwungenen Säbeln zu ver- hüten, daß Streikende spazieren gehen, und daß Strcitbrechcr in ihrer empfindlichen Ehre gekränkt werden, oder daß durch ein Scherzwort vonArbeiterweibern" der Bestand de» Reiches gefähv- det wird.(Sehr gut! b. d. Soz.) ES handelt sich bei dem Streik um eine Volksbewegung, um einen KamPffürdieheiligstenGüterdes Menschen, um einen Kampf der für unser Wirtschaftsleben wichtigsten Arbei- tcri'chickt um Luft und Licht, um Gesundheit und Glück, um Teilnahme an Bildung und Kultur. Dreimal sind die deutschen Bergarbeiter in diesen Kampf eingetreten, und die dritten die zwischen den Bewegungen liegen, sind immer kürzer aeworden Werden auch jetzt di? Bergarbeiter mit leeren Ver- sprcchung'en abgespeist, sollte der Belagerungszustand das einzige Ergebnis des jetzigen Kampfes sein, es wird keine sieben Jahre wieder dauern bis die Bergarbeiterschaft sich zum viertenmal erhebt. Die Schäden, die dadurch unserm Wirtschaftsleben geMagen werden, möacn sich diejenigen auf ihr Konto schreiben, die vom übertriebenen Herren standpunit oder aus sozialer Einsicktslosigkeit die Forderungen der Bergarbeiter beharrlich miß. achtet haben Die Forderungen sind vernünftig und recht beschei- den. aber auch dringlich, und sie werden durchgeführt werden. mag es biegen-der brechen.(Lebhafter Be.fall b. d. Soz.) Abg. Weener-SerSfeld(Ant.): Die Hetzer, die weit hinten stehen und mst ihrer Person.n S.cherh-it blesten sind schuld «m ivergarbeitcrstreik. der der Industrie schwere Wunden schlagt. (Sehr richtig? rechts.) Der Regierungspräsident von Münster hätte allerdings höflicher sein und nicht von Arbeiter., Weibern" sprechen sollen. Aber die Sozialdemokraten sind auch nicht höflich, das zeigt das Resüme desVorwärts" über die gestrige Sitzung. Die Arbeitswilligen müssen gegen die sozialdemokratische Freiheit" geschützt werden. Selbst Nordamerika hat scharfe Bestimmungen gegen das Streikpostenstehen. Die Reichsgerichtsent- scheidung, die das Streikpostenstehen als zum Koalitionsrecht ge­hörig betrachtet, hat geradezu Rechtsunsicherheit geschaf- f e n. Hier mutz für Wandel gesorgt werden. Redner schließt sich den Danksagungen der Rechten an dieChristlichen " an. Wie sagt unser Dichterfürst Schiller :Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten!"(Bravo ! rechts.) Die Weiterberatung wird auf Sonnabend 11 Uhr vertagt. Schluß 6% Uhr. _ Hbgeordrntenbaud« 87, Sitzung. Freitag, den 15. März, vormittags 11 Uhr. Am Minisiertisch: Unterstaatssekretär Michaelis, Präsi- dent der Genossenschaftskasse Heiligen st ad t. Der zunächst auf der Tagesordnung stehende Etat der Zentralgenossenschaftskasse wird genehmigt, nachdem in der Debatte mehrere Reoner ihre agrarischen Wünsche nach Erleichterung der Kreditgewährung zum Ausdrucke gebracht hatten. Ter Kultusetat. Abg. Dr. Tittrich(Z.): Unser christlicher Staat hat neben der Kirche die religiöse Grundlage des Staatslebens zu pflegen, er muß also vor allem der Kirche volle Freiheit lassen. Die Erziehung muß auf der altbewährten Grundlage der christlichen Lehre vor sich gehen. Der Redner be- klagt den unmäßigen Zudrang zu den höheren Schulen und Hoch- schulen; nur wer Talent hat. sollte studieren. Die Verwaltungs- behörden kommen nicht immer dem Gesetz von 1906, wodurch der konfessionelle Charakter der Volksschule festgelegt wurde, genügend nach. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche fand bisher seinen prägnantesten Ausdruck in der geistlichen Schulaufsicht, die aber immer mehr abgeschwächt wird.(Beifall im Zentrum.) Abg. Dr. v. Campe(natl.): Der katholischen Kirche und ihren berechtigten Ansprüchen geschieht in Preußen völlig Genüge.(Leb- hafter Beifall links, Oho! im Zentrum.) Aber die Klagen der katholischen Kirche sind s o a l t w i e s i e s e l b st. Papst Leo XIII . hat im Gespräch mit dem General Los ausdrücklich zugegeben, daß es der katholischen Kirche gerade im protestantischen Preußen gut gehe.(Sehr wahr!) Die Schule ist nach der Verfassung eine staatliche Veranstaltung. In den Unterrichtsgegen- ständen äußer oer Religion hat die Kirche nichts dreinzureden. 90 Prozent der katholischen Kinder werden in konfessionellen Schulen unterrichtet. Ist das noch nicht genug? Aber das Zentrum scheint einen größeren Vorstoß gegen die Staatsschule zu planen. Wird nach dem vom Ministerpräsidenten im vorigen Jahre verkündeten Grundsatz verfahren, daß Geistliche, die den Antimodernisteneid geleistet haben, nicht Deutsch und Geschichte unterrichten sollen?(Unruhe im Zentrum.) Der Staat und die Gemeinden leisten''- die Volksschulen jährlich 450 bis 500 Mil- lionen Mark. Durch die hohen Staatsbeiträge können die Anrechte der Gemeinde verkümmert werden. Gleichwohl sind viele Ge- meinden durch die Volksschullasten sehr belastet. Dabei sind die Gemeinden bei der Steuergebarung der letzten Jahre schlecht weg- gekommen; man denke nur an die Erörterung des Kinderprivilegs. So scheint die Entwickelung auf die Staatsschule zu drängen und diese Entwickelung kann ich nur bedauern. Ich erinnere des- halb an den Vorschlag des Freiherrn v. Zedlitz und des Ober- bürgermeisterS Struckmann, die Schule auf den Kreis zu berechnen.(Beifall links.) Abg. Freiherr, v. Zedlitz(fk.): Der Besuch der Universität geht weit über das Bedürfnis hinaus. So entsteht ein Missen- s ch a st l i ches P r o.let a r tat. das dem Staate gefährlich ist, Aus diesen Gescheiterten und den gebildeten Existenzen entnimmt die Sozialdemokratie ihre besten Kräfte. Die Ueberfüllung der Universitäten kommt zum Teil von dem Uebermaß an humanistu schen Gymnasien. Wir brauchen eine mehr realistisch-praktische Vor bildung. Im Kultusministerium scheint ein frischerer Zug zu herrschen. Die Ausgestaltung des Lehrerbil- dungS wesenS begrüße ich. Die Schulverwaltung greift viel fach in die Rechte der Gemeinden ein, das mutz reformiert wer- den. Dazu gehört aber auch eine Reform der Schulaufsicht. Eine geistliche Schulaufsicht kennt der preußische Staat nicht, sondern nur die Bekleidung eines Geistlichen, weil er dazu geeignet ist, mit der staatlichen Schulinspektion.(Lebhafte Zustimmung bei den Freikonservativen und bei den Liberalen.) Der Zustand, daß Kinder in Nachbargemeinden zur Schule gehen müssen, ist dringend verbesserungsbedürftig. Der Redner bespricht dann Gehaltsfragen der Lehrer und der Rektoren. Unsere Schule soll die Kinder zu guten Christen, guten Bürgern, guten Patrioten erziehen.(Lebhaftes Bravol bei den Frei konservativen.) Abg. Kopsch(Vp.): Wir beantragen die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht, die Einführung der fach männischen Kreis sich ulinspektion. die Zulassung der Lehrer zum Universitätsstudium und die B e s e i t i- g u n g der heutigen Vorschule. Wir befürworten auch den nationalliberalen Antrag auf Festlegung der gesetzlichen acht jährigen Schulpflicht. Andere Bundesstaaten haben das alles schon. DaS Schulwesen leidet unter der Verquickung der geist l'chen mit den Schulangelegenheiten.(Beifall links.) In 40 000 Schulen sind heute in 120 000 Klassen 6M Millionen Schüler untergebracht; dazu die höheren und Hochschulen reichlich Arbeit für ein eigenes Ministerium. Die Kirche darf nicht über die Schule herrschen. Wenn die Schule wirklich die Tochter der Kirche wäre so ist diese Tochter längst selbständig ge. worden und läßt sich nicht mehr kommandieren.(Sehr gut! links.) Die heutige Volksschulaufsicht ist längst nicht mehr zeit- gemäß, auch immer mehr katholische Lehrer wenden sich gegen die geistliche Schulaufsicht. Der Schulpflichtantrag Gott - schal!(natl.) ist fünfmal hier beraten und fünfmal in die Kam- Mission verwiesen worden aber immer noch kein Schritt vor- wärt«, weil in die Frage der Schulversäumnisse die der Dissidenten- linder hineinspielt.(Hört! hört! und Ava! links.) Wann be- kommen wir endlich das Unterrichtsministerium, das in allen Parteien Freunde hat. Trotz der an die Glanzleistungen des Zirkus Busch erinnernden, stürmisch applaudierten B e- schimpfu�gen der liberalen Lehrer auf der Generalversammlung des Bundes der Landwirte ist nicht daran zu Renken, daß, wie dort behauptet wurde. 20 Proz. der Lehrer konservativ sind.(Bravo ! links.) Es sind aber auch nicht 10 Proz. Sozialdemokraten.(Abg. Hoffmann(Soz.): V i e l mehr! Heiterkeit.) Nein, die Lehrer stehen treu zu Kaiser und Reich und wollen keinen Umsturz. Man will sie ja durch jene Statistik nur denunzieren!(Sehr wahr! links.) Warum nimmt der Minister die Lehrer nicht in Schutz? Statt dessen hat man Lehrer in Kalau -Luckau , die in der Stichwahl nicht gewählt haben, vernommen und gemahregclt(Hört! hört! links) sogar einen 3 0jährigen Lehrer, der zu Unrecht in öie Wählerliste eingetragen war.(Sehr gut! links.) Hat man auch Beamte ge- maßregelt, die sich bei Stichwahlen zwischen Linksparteien ent- halten haben? Jetzt nach den Wahlen geht man nicht nur gegen die Lehrer vor, sondern auch gegen Mitglieder der Schul- vorstände, weil sie an Stichwahlparolen für die Sozialdemo. kratcn beteiligt waren. Für die Stichwahlen sind doch taktische E r w ä g u n g e n maßgebend. Ein Freisinniger wird doch nicht zum Sozialdemokraten, wenn er in der Stichwahl sozialdemokratisch wählt. Auch Konservative und Zentrum haben direkt ober in­direkt Sozialdemokraten unterstützt, aber von Maßregelungen, konservativer oder ultramontaner Schulvorstände hat man nichts gehört. Redner Seriangt weiter, daß die Ketzergerichte in der evangelischen Kirche ü la Jatho und T r a u b auf- hören. Im Staate Friedrichs des Großen wirken solche Ketzer- gerichte sehr unangenehm.(Sehr richtig! links.) Man wird ein- wenden, der Kultusminister habe auf diese Dinge keinen Einfluß. (Sehr richtig! rechts.) Wenn das richtig ist, dann ist aber der Beweis erbracht, daß die Trennung von geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten absolut notwendig ist. (Lebhafter Beifall links.) Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr.(Kleinere Borlagen und Anträge; dann Fortsetzung der heutigen Beratung.) Schluß Uhr._ parlamentarifcbcs* Aus der Budgetkommissio« des Reichstags. Bei der Weiterberatung des Etats der Reichseisenbahnen trat Abg. Fuchs für die allgemeine Durchführung der neun- stündigen Arbeitszeit in den Betriebswerkstätten ein; ferner auch dafür, daß keinem bei den Reichseisenbahnen beschäftigten Arbeiter ein täglicher Lohn unter 3,50 M. bezahlt werden soll. Die Abgg. E m m e l und W e i I l schlössen sich diesen Ausführungen an und forderten, unter Darlegung der einschlägigen Ver» Hältnisse speziell eine Erhöhung der niedrigsten Löhne. Abg. Fuchs wieS noch darauf hin. daß manche Arbeiter jährlich Ueberstunden bis zur Gesamtdauer von 65 Arbeits« tagen machen mußten. Minister Breite nbach verhielt sich jedoch allen diesen Wünschen gegenüber recht zugeknöpft und ent« schuldigte die Ueberstunden mit dem famosen Hinweis, daß sie ja bezahlt werden, wohlgeme�kt, aber ohne Auf sch l a g. Die sozialdemokratische Forderung, die Altersgrenze für die Wahlen zu den Arbeiterausschüssen von 30 bezw. 25 Jahren auf das 20. Lebens« jähr herabzusetzen, bekämpfte der Minister durch die Bemerkung, daß diekörperlich und geistig noch nicht aus- gewachsenen Heißsporne" noch nicht in die Ausschüsse hinein- gehören. Die Abgeordneten W e i l l. Fuchs und E m m e l führten auch lebhafte Klage über die mangelhafte Beschaffenheit der Wagen vierter Klasse in den Reichslandcn. Die Kommission nahm eine Resolution an, die für die Unter« beamten und das sonstige Personal der Reichseisenbahnen dieselben Verbesserungen fordert, wie sie beim P o st e t a t für die Postbeamten von der Kommission gewünscht und angeregt worden sind. Nach einer längeren Debatte über die Uebertragbarkeit der einzelnen Baufonds, wobei ein einschränkender Beschluß gefaßt wurde, förderte Abg. E m m e l darüber Auskunft, ob eine zweite Hauptbahn von Straßburg nach Basel bald in Angriff genommen werde, und welche Stellung die Verwaltung zu dem Verlangen, den reichs« ländischen Landtagsabgeordneten Freifahrt zu gewähren, einnehme. Minister Breitenbach glaubt nicht an die baldige Erbauung einer zweiten Hauptbahn. Die Frage der Freifahrkarten müsse von anderen Nessorts entschieden werden. Damit ist der Etat der Reichs- eifenbahnen erledigt._ Die Geschäftsordnungskommisfion des Reichstags verhandelte am Freitag über den Antrag Gröber betreffend die Einschränkung der Interpellationen. Abg. Gröber führte zur Be- gründung dcS Anlrages Beispiele aus Oesterreich , Frankreich usw. an, wie dort durch Mißbrauch des Jnterpellationsrechts Obstruktion geirieben worden sei. Es müsse einer Störung der ordnungs- mäßigen Fortführung der Geschäfte des Reichstags vorgebeugt werden. Abg. Geyer entkräftete diese Begründung mit dem Hinweis, daß im Deutschen Reichstage noch nie eine Obstruktion unter Mißbrauch des JnterpellationsrechteS vorgekommen sei, vielmehr sei im Senioren- konvent mehrfach gegen die Verkümmerung des JnterpellationS- rechtes remonstriert worden. Auch die Abgg. L e d e b o ur und Frank wandten sich gegen den Antrag Gröber, während Abg. Kreth für ihn eintrat. Abg. v. P a y e r(Vp.) hatte nur gegen die Fassung deS Antrages Bedenken, stimmte ihm aber im Prinzip zu, während der Abg. Roland(natl.) treffende Ausführungen gegen ihn machte. Die Minderheit werde einen solchen Akt stets als Ver« gewaltigung betrachten. Bei der Abstimmung stimmte der Fortschrittler v. Payer nach unwesentlichen Abänderungen für den Antrag Gröber, den wir gestern mitgeteilt haben, der also durch die Stimme PayerS mit 11 gegen 10 Stimmen angenommen wurde. Da der Reichskanzler zu den Beschlüssen der ersten Lesung Stellung nehmen will, so wird es dem Vorsitzenden überlassen, für welchen Tag er die erste Sitzung zur zweiten Lesung ein» berufen will._ Aus den Kommisfione« des preußischen DreiklassenhauseS. Die Geschäftsordnungskommission de» preußischen AbgeordnelenbauseS bat bei Beratung des Antrages Branden- stein zunächst festgestellt, daß jede Fraktion zu ihrer Anerkennung ihr Programm und ihre Vorstandsliste einreicht(daS Zentrum hat doch gar kein Programm und die Nationalliberalen haben für jeden Fall cinS). Als Mindeststärke einer Fraktion wurde 15 bestimmt. Die B u d g e t k o m m i s s i o n erledigte den Kulturetat. Sozial» demokraten gehören ihr ja nicht an, also wurde fast nur über d i e Schulen gesprochen, die fast nur von den Kinder» der Besitzenden besucht werden können. Die Agrarko m Mission beschloß, dem Hause die Annahme eines nationalliberalen Antrages zu empfehlen, daß im nächsten Jahre 100 000 M. mehr zur Förderung des inländischen Obst- und Gemüsebaues aufgewendet werden sollen. SewerKscbaftlicbes. Berlin und Umgegend. Die Klempner in den Gasmrsserfabriken hatten durch ihre Ver« treter Unterhandlungen mit den Fabrikanten angebahnt, weil die Vereinbarung vom 22. Mai 1911 in verschiedenen! Punkten nicht eingehalten wurde.(In der Nummer desVorwärts" vom 7. Fe- bruar ist darüber berichtet wordem) Am Donnerstagabend kamen die Klempner in Mörners Lokal, Koppenstraße, wieder zusammen, um die Antwort der Unternehmer auf die eingereichte Beschwerde zu hören. Dietrich vom Deutschen Metallarbciterverband rese« rierte und legte den Schriftwechsel in der Angelegenheit den Ver- sammelten vor. Er bedauerte, daß es nicht möglich war, zu münd- lichen Verhandlungen zu kommen. Die Unternehmer zogen- es vor, unter sich die Fragen zu beraten, und dos Resultat den Arbeiter- Vertretern mitzuteilen. In der Beschwerde der Arbeiter wurde zuerst über die Firma Bessin geklagt, daß dort niedrigere Stun- denlöhne als die vereinbarten gezahlt würdem Klempner, die 13 Wochen lang mindestens 70 Pf. pro Stunde im Akkord ver- dient haben, sollten 70 Pf. verdienen, wenn sie auf Lohn be- schäftigt werdeng dagegen erhalten sie nur 65 Pf. Auf die Verein- barung über die Revision der alten Preise wird dann nachdrücklich aufmerksam gemacht und eine Reihe von Artikeln angeführt, die einer Preiserhöhung bedürfen. Ferner wird geklagt, daß der Satz der Vereinbarung, nach dem bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen, wo dieselben bestehen, unverändert bleiben sollen, nicht eingehalten wird. lieber die Firmen Jahn und E l st e r wird Beschwerde er- hoben, daß sie Klempner zu 60 Pf. anstatt zu 65 Pf. Stundenlohn einstellen. Von der Firma Kiesewctter werden für verschie- dene Artikel höhere Preise gefordert sowie die Lieferung des Ma- terialS zum Arbeitsplatz. Die Antwort auf diese Beschwerde war insoweit günstig, als versichert wurde, daß es sich bei den geringeren Stundenlöhnen bei Bessin um Irrtümer handelte und vaß eventuell Nachzahlung erfolgen soll. Auch bei Jahn und Elster seien Irrtümer vor- gekommen und würde man sich von jetzt ab streng nach der Ver- einbarung richten. In bezug auf die Revision der alten Preise sollen noch Erwägungen angestellt und Erkundigungen eingezogen werden; einzelne Preiserhöhungen wurden zugesagt. Die Versammelten