Nr. 67.

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Berliner   Volksblaff.

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Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 1983.

Mittwoch, den 20. März 1912.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritzplatz  , Nr. 1984.

Der Pyrrhushieg der Zechenherren.

Als König Pyrrhus die Römer in zwei Schlachten ge-| die Regierung veranlaßten, das Streitrevier sofort mit einer durft, da ja wohl Ab machungen des Zentrums schlagen hatte, fühlte er sich derartig geschwächt, daß er klagend Unzahl fremder Polizeimannschaften und bald auch Soldaten mit den nationalliberalen Grubenherren ausrief:„ Noch ein solcher Sieg und ich bin verloren!" Wie zu überschwemmen.

von der Wahl her bestanden hätten. Auch das blöde Gerede über den Kontrattbruch fertigte Leinert schlagend damit ab, daß er nachwies, daß ja auch die Christen 1889 und 1905 in dem durch die Kampffituation einfach gebotenen Ron­traktbruch absolut tein Haar gefunden hätten. Das einer gelben Organisation alle Ehre machende Verhalten der Christ­ lichen   erscheine um so sonderbarer ,, als der christliche Führer Effert doch schon 1909 einen Kampf mit dem Grubenkapital auf Sein oder Nichtsein angekündigt habe. Und wenn die Christen jetzt mit den Grubenkapitalisten und allen Scharf­machern um die Wette nach dern Schutz der Arbeitswilligen schreien, so sei es gerade das Organ der christlichen Bauarbeiter gewesen, daß noch unlängst die Streitbrecher mit Vaterlands­verrätern auf eine Stufe gestellt habe. Der ganze schwarz­blau- nationalliberale Mischmasch habe sich als nichts anderes erwiesen, als die parlamentarische Hingegarde des Grubenkapitals.

der Draht aus Bochum   meldet, hat dort die Revierkonferenz In frecher Verdrehung des für jeden Gewerkschafts­nach vielstündiger Verhandlung beschlossen, den Streit praftifer ganz unverkennbaren Tatbestandes haben die christ­abzubrechen. Schweren Herzens, aber mit Bedacht müssen lichen Vertreter im Reichs- und Landtag so gefolgert: Der die Bergarbeitervertreter der drei Verbände einen solchen Be- Streit gewann an Ausdehnung nur, weil der Terror wirfte, schluß gefaßt haben. Reicht ist er ihnen sicherlich nicht ge- weil sich auch christliche Arbeiter in ihrer Streifbrecherfreiheit worden, denn trotz aller Siegesnachrichten der den Gruben- bedroht fühlten; als die Presse die terroristischen Taten ent­baronen und ihren Handlangern dienstbaren Presse stand noch hüllte, als Gendarmerie und Militär in genügender Zahl an immer mehr als die Hälfte der unter Tage Beschäftigten, also rückte, da schwand die Furcht der Eingeschüchterten und der wirklich in Frage kommenden Arbeiter im Streit. Aber schnellte die Zahl der Arbeitswilligen in die Höhe." Daß bei auf der anderen Seite waren nach der beispiellofen Kampagne, einem Streif von mehreren hunderttausenden fleinere Erzesse die von den Grubenherren, allen Parteien der Reaktion ein- borfommen, ist selbstverständlich. Jeder Christ weiß das und schließlich des Zentrums und der waderen christlichen Gewerk- auch jeder einigermaßen orientierte kapitalistische Ruli weiß, bereinler gegen die im Lohnkampf stehenden Arbeiter geführt daß die Streiferzesse, die auf die nur zu begreifliche Empörung worden war und täglich mit immer wilderem Ungestüm ge- der Streifenden gegenüber den Streifbrechern zurückzuführen führt wurde, auch die Chancen des Erfolges nicht so sicher, daß sind, gerade in den Ländern am zahlreichsten und schwersten es angemessen geschienen hätte, den Kampf bis zu den letzten find, in denen der Einfluß des Sozialismus auf die Gewerk­Konsequenzen durchzuführen. So brachen die Streifenden den schaftsbewegung am geringsten ist. Es liegt deshalb eine un- Nach Leinert nahm sich dieses Grubenkapitals zunächst Kampf ab. Ob die hochmütigen Grubenbarone, deren eiserne geheuerliche Tartüfferie und Perfidie darin, von solch beiläufi- der Konservative Herr Gescher und dann der nationallibe­Stirn durch die lakaienhafte Hilfsbereitschaft der Regierung gen Entrüstungsausbrüchen Streifender ein großes Wesen zu rale Abgeordnete Knupe an. Der erstere, ein persönlich und die erbärmlichen Streifbrecherdienste des christlichen Ge- machen. durchaus honoriger Mann, dessen ganzes Wesen aber vollge­werkvereins noch gestählt wurde, aus diesem Kampfe eine Zudem war das, was von den Regierungsvertretern und sogen ist von den Vorurteilen der Klasseninstinkte der privi­Lehre ziehen und wenigstens gewisse Zugeständnisse machen mit womöglich noch breiterem grinsenderem Behagen von den legierten Kaste. Der Nationalliberale war seines Zeichens werden, bleibt abzuwarten. Wie dem aber auch sei; der Kampf, Rednern der Christen vorgebracht wurde, kaum der Mede wert. Bergwerksdirektor im Arnsbergischen und das sagt ja wohl der am 19. März abgebrochen wurde, wird eines Tages wieder Was die Polizeibulletins des Herrn v. Dallwig wert sind, das schon genug. Er sprach pro domo, er verfocht ureigenste per­auffladern, wenn das Grubenkapital fortfahren wird, den hat ja die Entlarvung der Moabiter Polizeimärchen, die an sönliche Interessen, immerhin aber in geschäftsmäßig nich­brutalen Herrenstandpunkt den Arbeitern gegenüber heraus- Gerichtsstätte vorgenommen wurde, hinlänglich bewiesen. terner Form. Der Moabiter Polizeiminister Dallwig, zufehren. Und neben diesem Kampf gegen das Unternehmer- Was aber die Christen im Wetteifer mit Grubendirektoren der dann wieder zur Freude und Herzensstärkung des Gruben­tum wird auch der Kampf gegen diejenigen nun erst recht mit und sonstigen Zechenoffizianten vortrugen, das war mehr fapitals sein Sprüchlein herunterfrähte, erzählte allerhand Leidenschaft entbrennen, die vor allem dem Grubenkapital oder minder apokryphes Brief- und Bettelmaterial, das nicht Polizeigeschichten, um die Scharfmacherlegenden zu stüßen. diesen furzlebigen Triumph bereitet: der Kampf gegen den das Geringste bewies. Auf noch wurmstichigeres Tatsachen- Den Schluß machte Herr Bru st, der berüchtigste Ober-. christlichen Verband, der sich unter der unsäglich perfiden material geftüßt, schrien und brüllten Grubenherren und schieber christlicher Bergleute und er übertraf an Scharf­Leitung jener sogenannten Arbeitervertreter der Zentrums- Christliche um die Wette nach Gendarmerie- und Militärschuh, macherei, im Erzählen gruseliger Anekdötchen, im Schimpfen partei den traurigen Ruhm erworben hat, die Rolle einer ins bis schließlich im Ruhrrevier die Zahl der Behelmten über- und Verleumden der verhaßten Sozialdemokratie alle Scharf­Niesenhafte vergrößerten Streitbrechergarde zu spielen. Nicht hand nahm und die beabsichtigte Einschüchterung der Unor- macher, die Herren Minister nicht ausgenommen. Er sagte den Kameraden der Streifenden gilt dieser Kampf, nicht dem ganisierten erreicht war. Unter den Streifenden befanden beispielsweise, daß man nicht mit Unrecht vermute, daß die katholischen Grubengefährten und Arbeitsgenossen, sondern sich ja auch viele Tausende von Unorganisierten, die nur in sozialdemokratischen Streifführer mit den englischen Unter­der Frreführung dieser Arbeiterschichten durch eine strupel- dem instinktiven Gefühl der Solidarität und aus Empörung nehmern verhandelt hätten, um Streifunterstützung zu er­lose, den politischen Zwecken des Zentrums sflavisch dienst- gegen die Knechtung an dem Streit teilgenommen hatten. halten. Er meinte weiter, daß eine starke Vermutung be­pflichtige Führerschaft. Diese Unorganisierten setzten sich zum guten Teil aus Ele- stehe, daß sozialdemokratische Gewerkschaftsführer den Streif

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Im

weniger

Wie für die Grubenherren selbst, wird deshalb auch ir menten zusammen, deren Persönlichkeits- und Staatsbürger- nur angezettelt hätten, um den Börsenleuten dabei zu einer die Giesberts, Brust, Imbusch und Konsorten der Abbruch des bewußtsein noch außerordentlich wenig entwickelt ist. Und da besseren Konjunktur zu verhelfen. Daß unsere sechs Land­Streits nur ein fragwürdiger Pyrrhussieg sein. Mit je sie nun nicht nur in der nationalliberalen und Zentrums- tagsgenossen dies unsinnige Geschwäß durch entsprechende größerem Recht die chriftliche Leitung die Niederwerfung der presse des Ruhrreviers täglich die Beteuerungen der Verrucht- Zwischenrufe beantworteten und Herrn Brust als Irrsin­Lohnbewegung als ihr Werk betrachten kann, um so furcht- heit und Erfolglosigkeit des Streits lasen, sondern auch durch nigen und Deliranten, als reif für die Zwangsjacke bezeich­barer muß die Lawine von Empörung gegen sie anschwellen, den massenhaften Aufmarsch von Polizei und Militär ein- neten, wird man ihnen schwerlich verübeln können. die sie dereinst begraben wird. So wenig das Bündnis dringlichst darüber belehrt wurden, daß der herrschende Staat übrigen freilich ließen sie den endlos tristen Schwaz   mit zwischen dem Zentrum und der nationalliberalen Zechenpartei sich gegen die Streifenden wendet, klappten sie zusammen und heiterer Gelassenheit über sich ergehen. Nicht so die Zen­auf die Dauer den politischen Zusammenbruch des Zentrums wanderten wieder zur Grube. Das war der wohl beabsichtigte trumspartei selbst, der allmählich bei den schweißtreibenden in Rheinland- Westfalen zu hindern vermag, so wenig, ja noch 3wed des Polizei- und Militäraufgebots im Streifrevier, Delirien ihres Mannes bange zu werden begann. Zweimal weniger wird der chriftliche Verband seine Lebensdauer da- und als das in der Dienstag debatte des Abge- entsandte sie einen Mann zu Herrn Brust, der ihn zum Auf­durch verlängern können, daß er of fenkundig auf den ordnetenhauses der Genosse Leinert nachdrücklichst hören ermahnte. Genosse Hoffmann glossierte diese ver­Charakter einer ernsthaft ehrlichen Arbeiter- feststellte, als er betonte, daß es nicht in erster Linie auf den gebliche Intervention mit beißendem Spott. organisation verzichtete und sich zur Streit sogenannten Schutz der Arbeitswilligen abgesehen sei, sondern AIs unter dem lauten Bravo und da capo brechergarde für die hohnlachenden Gruben darauf, den Streit taput zu machen, da ließ in seiner Freunde als der Sozialdemokraten- Herr Brust endlich barone erniedrigte. überströmender Begeisterung ein konservatives Mitglied des abgetreten war, wurde schleunigst der übliche Schluß der Daß die Christen, wie man im Ruhrrevier die Firma Abgeordnetenhauses ein unvorsichtiges Sehr richtig" dem Debatte beantragt, just als Genosse Liebknecht an die Giesberts, Brust und Imbusch getauft hat, in der Tat ein allzu sorglosen Gehege seiner Zähne entfliehen. Die ganze Reihe gekommen wäre. Auch das Zentrum stimmte für Hauptverdienst daran haben, daß sich die Streifenden vom Stimulierung der sogenannten öffentlichen Meinung durch Schluß der Debatte, trotz der unsinnigen Provokationen des alten Verband, von der Hirsch- Dunckerschen und der polnischen die Scharfmacher- und Zentrumspresse, das enorme Aufgebot von ihm losgelassenen Redners. Genosse Liebknecht charakteri­Organisation nach nur neuntägiger Dauer des Streits zum von Gendarmen und Soldaten im Ruhrrevier ist es gewesen, sierte diese unverfrorene Schlußmacherei gebührenderweise Abbruch des Kampfes veranlaßt sahen, das soll ihnen nicht das die Ausbreitung des Streiks verhinderte. Daß es soweit als unerhörten Standal streitig gemacht werden. Selbstverständlich soll damit nicht fommen fonnte, daran trägt aber der christliche Gewerkverein Es traf sich gut, daß der Abbruch des Streiks zeitlich zu­gesagt werden, daß der christliche Verband an sich eine solche das Hauptverdienst und dies Verdienst wird ihm von den ins sammenfiel mit jener ebenso blöden wie unverschämten Scharf­Macht repräsentiert hätte, daß er einen Ausstand zu ver- Sklavenjoch zähneknirschend zurückkehrenden Bergknappen macherrede, durch die ein Zentrumsabgeordneter und soge­eiteln in der Lage gewesen wäre. Die, wie Herr Imbusch und all denen, die mit ihnen sympathisieren, nie vergessen nannter Arbeitervertreter die Streifenden sinnlos gehässig am Dienstag im Landtag selbst zugab, nur 40 000 werden! insultiert hatte. Die ganze streifbrecherische Aktion der Zen­christlich organisierten Bergarbeiter wären gar nicht in der Die Rede Leinerts im Abgeordnetenhause führte den trumschriften erhielt dadurch noch einmal das ihr gebührende Lage gewesen, den Ausstand aus eigener Straft zu durchkreuzen, Christen ihre Sünden noch einmal in wuchtiger Gedrängtheit Relief. Der Pyrrhussieg der Grubenbarone wird dem Zen. sintemalen ja zahlreiche christliche Arbeiter nur widerstrebend vor. Vorher konstatierte er die Tatsache, daß die national- trum, wird den Christlichen   teuer genug zu stehen kommen! der Parole ihrer Verbandsleitung folgten oder auch in liberale Partei des Abgeordnetenhauses durch ihren Sprecher offener Rebellion sich ihr widersetzten. Aber die Christen, Dr. Friedberg, der sich würdig erwiesen habe, ein Direk­

womit wir

Der Abbruch des Streiks. immer die Führer und nicht die irre- tionsmitglied des Zechenverbandes zu werden, gezeigt habe, geführten Arbeiter meinen, leisteten gleichwohl dem daß sie sich frei von jeder Verantwortung gegenüber den So wären also die mutigen Bergarbeiter noch einmal Scharfmachertum geradezu unschätzbare Dienste dadurch, Wählern der plebejischen dritten Klasse fühle. Die einzige niedergerungen! Ihrer Widersacher waren zu viele. Das daß sie zuerst das wüste Geheul über den Terror der Direktive für ihr Verhalten sei der Gesichtspunkt der Ver- großmächtige Grubenkapital nimmt keine Rücksicht Streifenden anstimmten, dadurch der gesamten tapitalistischen mehrung der Dividende gewesen. Die Christen aber seien auf die um ihr Recht kämpfenden Bergarbeiter. Es fennt Presse die wunderbarfte Gelegenheit gaben, die sogenannte es gewesen, die zuerst und am lautesten nach Polizei und nur den starren Despotenstandpunkt, dem selbst die Staats­öffentliche Meinung gegen die Streifenden einzunehmen, und Militär geschrien hätten. Sie hätten wohl nicht anders ge- männer sich beugen müssen. Wehe dem Minister, der ernst­