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Die Differenzen zwischen dem ReichSmarinemnt«mV de« Schatzamt, ba§ ist der eigentliche Ausgangspunkt der endgültigen Krise, nahmen besonders scharfe Formen an, als Herr von Tirpitz nach den Erfahrungen des letzten Sommers die neue Marine- Vorlage, die ursprünglich eine viel größere Fas- sung hatte, für notwendig hielt! Damals verbündeten sich Auswärtiges Amt und Schatzamt zum Kampf gegen Herrn von Tirpitz; damals hielten Herr von Bcthmann und endlich einmal auch Herr Mermuth dem Kaiser Vortrag: Der Reichskanzler fürchtete, für den europäischen Frieden könne die Flottenvorlage gefährlich sein, der Staatssekretär wollte die Finanzen schützen. Beide hatten unrecht: die Flottenvorlage ist eine Notwendigkeit, was Herr von Bethmann auchspäter einsah, des Viscounts Haldane Besuch beruhigte ihn über die Konsequenzen; seitdem zog sich der Reichskanzler etwas von Herrn Mermuth zurück. Diesem aber war zweierlei geglückt: die Flottenvorlage zu ermäßigen und die vorläufige Zusage zu erhalten, die gesparten Ucberschüsse im Etat sorgsam versteckt sollten nicht zur Deckung der Kosten der Wehrvorlage herangezogen werden. Das Stichwahlabkommen. Der Parteivorstand hat gestern eine Erklärung veröffentlicht, deren Schlußsatz durch ein Versehen des Preffebureaus im.Vorwärts falsch wiedergegeben worden ist. Der Satz muß richtig lauten, wie er auch in der übrigen Parteipresse zum Abdruck gekommen ist .Die Einzelheiten des Abkommens sollten allerdings im beiderseitigen Einverständnis bis zum Abschluß der Stichwahlen nicht veröffentlicht werden'._ Abgeordnetenhaus und Arbeiterbildungsschule. Als am vergangenen Mittwoch unser Genosse Hoffmann dem Abgeordnetenhaus Mitteilung machte von der.Redneraka- demie", die der Bundeshäuptling Diederich Hahn in den Räumen des preußischen Parlaments abgehalten hat, kündigte er zugleich an, daß wir Sozialdemokraten künftig das gleiche Recht in Anspruch nehmen würden, wobei der konservative Führer Herr v. Pappenheim ihm zurief:Ist es Ihnen abgelehnt? Kommen Sie auch!" Infolge dieser freundlichen Aufforderung des Herrn v. Pappenheim ist der Versuch selbstverständlich sofort gemacht wor- den, indem Genosse Borchardt folgendes Schreiben an den Prä- sidenten des Abgeordnetenhauses richtete: Berlin , 15. 3. 1912. Sehr geehrter Herr Präsident! Da nach dem Ergebnis der Debatte über den Etat des Ab- geordnetenhauseS am 13. cr. die Benutzung einzelner Zimmer des Hauses durch Abgeordnete für Abhaltung von Stedncr- oder Vortragskursen als allgemeine Uebung aller Parteien angesehen werden darf, so erlaube ich mir, ebenfalls um Ueberlassung eines Zimmers für eine Reihe von zehn Vorträgen, die ich im Auftrage der Berliner Arbeilerbildungsschule zu halten gedenke, ergebenst zu ersuchen. Die Vorträge sollen stattfinden vom 15. April cr. an an sämtlichen folgenden Montagen iausgenommen natür- lich den Pfingstmontagl, also bis einschließlich den 24. Juni, abends von 8� bis 10 Uhr. Zugelassen wird nur eine Teil- nehmerzahl von höchstens 30 Personen. Der Saal 18 würde besonders gut dazu passen, seiner Größe wegen, wie auch, weil sich dort eine Tafel befindet. Hochachtungsvoll Julian Borchardt (Berlin ). Aber o weh! Herr v. Pappenheim scheint seinen Einfluß auf die Führung der Geschäfte im Hause verloren zu haben. Denn mit großer Geschwindigkeit kam vom Präsidenten der folgende ab- lehnende Bescheid: Eure Hochwohlgeboren haben durch das an mich gerichtete gefällige Schreiben von gestern den Wunsch ausgesprochen, daß Ihnen für eine Reihe von 10 Vorträgen, die Sie im Auftrage der Berliner Arbciterbildungsschule zu halten gedenken, ein Saal im Geschäftsgebäude des Abgeordnetenhauses überlassen werden möge. Ich erwidere darauf ergebenst, daß die Erfüllung dieses Wunsches meines Erachtens mit der Zweckbestimmung des Ge- schäftsgebäudes des Hauses der Abgeordneten nicht vereinbar sein würde. Wenn Sie aus der Rede des Herrn Abgeordneten Hoff- mann vom 13. d. Mts. den Schluß ziehen, daßdie Benutzung einzelner Zimmer des Hauses durch Abgeordnete für Abhaltung von Redner- oder Vortragskursen als allgemeine Uebung aller Parteien angesehen werden darf", so kann ich dieser Auffassung nicht beitreten. Uebrigens ist weder mir noch dem Di- rektor des Hauses etwas davon bekannt, daß früher von Abgeordneten Rednerkurse in den Räumen des Hauses abgehalten worden sind. Der Präsident Dr. Frhr. v. Erffa . Aus den letzten Worten dieser Antwort geht hervor, daß Herr Dr. Hahn mit teutschem Manncsmut seine Rednerkurse heimlich abgehalten haben muß, d. h. er muß die Räume des Hauses benutzt haben, ohne dem Präsidenten oder auch nur dem Bureaudirektor den wahren Zweck seiner Veranstaltung mitzu- teilen. Solche Schleichwege verschmähen wir Sozialdemokraten natürlich. Wir sagen offen heraus, was wir wollen, und werden dann, wie Figura zeigt abgewiesen. Was uns aber nicht das Vertrauen zu dem alten guten Wort rauben soll, daß ehrlich schließ- lich doch am längsten währt. Es wird sich wohl noch Gelegenheit finden, es im Abgeord- netenhause durchzusetzen, daß die ehrlichen Leute nicht hinter die Schleicher zurückgestellt werden. Tie Notwendigkeit der Erschließung neuer Steucrquellen wird in denBerliner Politischen Nachrichten" noch einmal, an- scheinend offiziös, mit allem Nachdruck betont. Es wird hervor- gehoben, daß die Einnahmen des Reiches nicht weiter in dem Maße steigen werden, wie in den letzten Jahren, um so weniger, als ein Ausfall bei der Zuckerstener zu erwarten ist. Die Darlegung schließt: Alle diejenigen Kreise, die die kommenden Wehrvorlagen als eine Notwendigkeit ansehen, werden im Interesse des Zustande- koinmens der letzteren gut tun, den Standpunkt, daß neue Ein- nahmen für die Deckung ihrer Kosten unnötig seien, zu verlassen, und sowohl im Interesse der Stärkung oer Wehrhaftigkeit des Vaterlandes, wie der Gesundung der Reichsfinanzen den Weg zur Deckung durch neue und durch alte Einnahmen zu beschreiten." Das klingt sehr mutig, wird aber dem Zentrum nicht entfernt imponieren, nachdem der Kanzler mit der Preisgebung Mermuths gezeigt hat, wie sehr er bereit ist, die Wünsche der Zentrums zu erfüllen._ franhrncb. Die Wissenschaft und die Polizei, Paris , 17. März.(Eig. Ber.) Die fianzöfischeAkademie der moralischen und politischen Wissenschaften " hat ein neues Mitglied erwählt den Polizeipräfekten L ö p i n e. Vermutlich haben die praktischen Leistungen dieser Persönlichkeit auf dem Gebiet sozialer Wohlfahrt, als da sind: Verhinderung von Arbeiter- demonstrationen, Einsperrung von Streikposten usw. den gelehrten Akademikern nicht minder Wohlgefallen, als seine theoretischen An- schauungen, die er erst kürzlich in Reden ausgesprochen hat, z. B daß der Zehnstundentag zum Laufen führen würde und daß es so viele Verbrecher gibt, weil zu wenig gestraft wird. Für diese Ge- sellschaft ist soziale Wissenschaft noch immer.Polizeiwissenschaft". Das Wahlreformgesetz. Paris , 19. März. Die.Deputiertenkammer hat gestern mit 286 gegen 245 Stimmen den vom Minister des Inneren Steeg be- fürworteten Artikel des WahlreformgesetzeS angenommen, wonach in jedem Departement bezw. Wahlkreis mehrere Listen sich verbinden können. Die Gegner der Wahlrcform hatten diesen Artikel seit Wochen leidenschaftlich bekämpft. Spanien . Bergarbeiterschutz. Das Amtsblatt veröffentlicht die Ausführungsverordnung zu dem Ende 1910 erlassenen Gesetze betreffend die Regelung der Arbeit in Bergwerken. Es bezieht sich auf den eigentlichen Bergbau, ferner auf Torfstecherei, Gewinnung von Baumaterialien, Bauhöfe, Salz gewinnung aus See- oder Mineralwasser. Die Arbeitszeit wird darin auf zehn, unter der Erde auf neun Stunden beschränkt. Jugendliche unter 16 Jahren und weibliche Personen jeden Alters dürfen nicht zu unterirdischer Arbeit verwandt werden, Knaben auch nicht zur Beförderung von Material unter der Erde oder zur Arbeit unter Verwendung von Explosivstoffen. Arbeiterinnen unter 18 Jahren dürfen nur mit Sortieren und Reinigen, nicht mit Laden oder Transport von Material beschäftigt werden. Jetzt fehlt nur noch, daß das bescheidene Schutzgesetz auch durchgeführt wird. Marokko. Ermordung eines französischen Offiziers. Fes, 19. März. Der französische Jnstruktions- offizier Guilasse wurde während einer Uebung von einem eingeborenen Soldaten getötet. Der Mörder wurde von den anderen scherifischen Soldaten halb tot geschlagen. Der Mord stellt, wie dieAgence Havas" meldet, einen ver- einzelten Fall(?) von Fanatismus dar. Der Offizier, der dem zweiten Schützen-Regiment angehörte, war von sehr ruhiger Natur. Hrnenha. Für Schaffung einer Buudes-Einkommenstener. Die Parteiversammlung der demokratischen Kongreß- Mitglieder beschloß Einbringung einer Vorlage aus Besteuerung aller Einkommen von 5000 Dollar(20 000 M.) an. Die Steuer soll mindestens 53 Millionen Dollars bringen und den Ausfall aus der beabsichtigten Aufbebung des Zuckerzolls decken. Da das Oberbundesgericht schon einmal die Einkommensteuer als verfassungs- widrig, mithin ein solches Gesetz als ungültig bezeichnet hat, will man die Steuer durch Amendement zum Gesetz betr. Besteuerung der Korporationen, die das Gericht schon als verfassungsmäßig anerkannt hat, einführen. Doch ist es zweifelhaft, ob das Obcrbundesgericht, daS schon so manchen Fortschritt durch Berufung auf die völlig ver- altete Verfassung des Bundes hintangehalten hat, das zulassen wird. Die gründliche Umgestaltung der Bundesverfassung, die wie ein Kinderkleidchen das Leben des längst zum Manne gewordenen Volkes der Vereinigten Stauten einschnürt, wird immer mehr als dringende Aufgabe anerkannt, die im Notfall eine Revolution lösen wird._ Die Jugendbewegung der Arbeiterschaft. An die proletarischen Eltern war der Ruf ergangen, sich ein- zufinden in den Volksdersammlungen, die gestern abend an 23 Stätten in Berlin und den Vororten abgehalten wurden. Es galt, den Eltern die Wege zu weisen, auf denen sie ihre Kinder, die heranwachsende Jugend, dem Ziele cntgcgenzuführen haben, das jedem für die Bestrebungen der klassenbewußten Arbeiterschaft begeisterten Vater, jeder proletarisch empfindenden Mutter als leuchtendes Ideal vorschwebt. Nicht, daß die Eltern der Arbeiter- jugend lässig wären in der Erfüllung ihrer erzieherischen Pflichten, nicht, daß man sie erst erinnern müßte an die Aufgaben, die jedem Vater, jeder Mutter als etwas Selbstverständliches erscheinen. Aber d�n Vätern und Müttern, die Tag für Tag in der Tretmühle kapitalistischer Fron ihre Kräfte aufreiben, bleibt meist nicht Zeit und Gelegenheit, diejenigen Mittel und Wege zu finden, die den heranwachsenden Sohn, die aufblühende Tochter vor schädlichen Ein- flüffen schützen und eine Entfaltung der Kräfte gewährleisten in der Weise, daß der jugendliche Nachwuchs sich nicht etwa im späteren Leben gleichgültig verhalte gegen die Ideale, für deren Verwirk- lichung Vater und Mutter gelebt und gestrebt haben. Von allen Seiten drängen sich falsche Freunde an die Arbeiter- jugend heran. Sie alle geben vor, daß ihnen das Wohl der Jugend am Herzen liege. In Vereinen und Veranstaltungen der ver- schiedensten Art suchen diese falschen Freunde die Jugend des Proletariats einzufangen. Auf den ersten Blick erscheint das, was sie der Jugend bieten, wohl barmlos, vielleicht gar nützlich. Doch wenn je das Wort:Ter Schein trügt", berechtigt war, so in diesem Falle. Nicht um harmlose Geselligkeit, gute Unterhaltung oder Verbreitung gediegener Bildung ist es jenen Leuten zu tun. Was sie in dieser Hinsicht bieten, ist nur Mittel zum Zweck. Mittel zu dem einen Zweck: Die Jugend des Proletariats abzudrängen von dem Wege, den die Eltern wandeln und sie hinüberzusühren auf jene Seite, wo hurrapatriotische Verblödung, Knechtseligkeit und Stumpfsinn als Tugenden gelten. Wer sich durch die Lockun- gen jener falschen Jugendfreunde betören läßt, der hilft selbst die Ketten schmieden, mit denen die mächtig vorwärtsstrebende klassenbewußte Arbeiterbewegung gefesselt werden soll. Die Gegner des klassenbewußten Proletariats wissen recht gut, daß die Jugend bestimmend ist für die Gestaltung der Zukunft. Deshalb sind sie bemüht, den Nachwuchs des Proletariats für sich zu gewinnen und gegen die Bestrebungen der Arbeiterschaft ein- zunehmen. Die Schule Volksschule und Fortbildungsschule soll es als ihre vornehmste Aufgabe betrachten, demunheilvollen Einfluß des Elternhauses" entgegenzuarbeiten. So wollen es die Feinde der Arbeiterklasse und so geschieht es leider. Die Kinder sollen den Eltern, soweit diese im Lager der modernen Arbeiter- bewegung stehen, entftemdet werden. Was die Schule in dieser Richtung beginnt, das soll fortgesetzt und vollendet werden an der schulentlassenen Jugend, und hier setzen dann die Bestrebungen jener Leute ein, die unter dem Aushängeschild von Bildung, Ge- selligkeit, Sport und dergleichen die Arbeiterjugend zur Militär- sÄwärmerei, zum Hurrapatriotismus, zur Unterwürfigkeit, zur Unfreiheit, mit einem Wort: zu Verrätern an den idealen Be- strebungen der Arbeiterbewegungerziehen" wollen. Und diese Verblödung der Arbeiterjugend wird unterstützt und gefördert durch die Behörden. Ein Millionenfonds ist vorhanden, aus dem Geld- zuwendungen an solche Vereine gegeben werden, welche die Jugend systematisch vom Wege der modernen Arbeiterbewegung abdrängen. Aber nicht genug damit. Solange die klassenbewußte Arbeiter- schaft in der Lage ist, auf ihre Jugend in ihrem Sinne einzuwirken, sind alle Bestrebunaen, den Nachwuchs der Arbeiter in das Lager ihrer Gegner zu führen, vergebens. Damit die Arbeiterfeinde un- gestört ihr Ziel erreichen können, wird die proletarische Jugend- bewegung geknebelt. Nicht genug damit, daß das Vereinsgesetz den jungen Leuten bis zum 13. Jahre verbietet, sich in Vereinen und Versammlungen politisch aufklären und bilden zu lassen. Polizei und Gerichte haben es durch sehr anfechtbare Auslegung gesetzlicher Bestimmungen fertig gebracht, solche Vereine der Arbeiterjugend zu verbieten, die, weit entfernt von politischen Bestrebungen, nur Ein Gendarm erschossen. Warschau , 19. März.(P. C. ) Wie aus Kielce gemeldet wird, wurde auf dem Bahnhofe von Malagosza ein Gendarmerie- Unteroffizier gerade in dem Augenblick, als er einen jungen Mann verhaften wollte, von diesem durch vier Rebolvcrschüsse ge- tötet. In der allgemeinen Verwirrung gelang es dem Mörder, _____________ zu entkom m e n.______ Lerantw. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Inseratenteil verantw.: Th. Glocke, Bervn. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr.u Verlagsanstatt Paul Singer LEo�BerlinLVV. Hierzu 4 Beilagen u.UntcrhaltungsbU der Pflege edler Geselligkeit, der Verbreitung von Wissen und Bildung im besten Sinne des Wortes dienten. Die Behörden und die Feinde der Arbeiterbeloegung, sie stehen zusammen, um der klassenbewußten Arbeiterschaft ihren jugendlichen Nachwuchs zu entreißen und einen im wahren Sinne des Wortes unheilvollen Einfluß auf die Kinder des Proletariats auszuüben. Die Gefahren, welche von jener Seite der Arbeiterjugend und damit der Arbeiterbewegung selbst drohen, sind nicht in jedem Einzelfalle zu erkennen, denn die kapitalfrommen, hurrapatrioti- schen Jugendverderber zeigen meist nicht ihr wahres Gesicht. Des- halb war es die Aufgabe der gestrigen Versammlungen, die prolc- tarischen Väter und Mütter aufmerksam zu machen auf diese Ge- fahren. Sie zu warnen vor jenen Veranstaltungen, die in Gestalt von Vereinen oder Wohlfahrtsbestrebungen in letzter Linie kein anderes Ziel verfolgen als das: Die Kinder des Proletariats zu Gegnern der Ideen zu machen, die im Eltcrnhause herrschen; die Arbeiterjugend zu willenlosen Knechten des kapitalistischen Aus- beutertums zu erziehen. Was Vater und Mutter hochhalten, das sollen ihre Söhne und Töchter in den Staub treten. Die Kiirdcr der klassenbewußten Arbeiter sollen in feindlichen Gegensatz zu ihren Eltern gebracht werden. Das wollen jene Leute, welche bei anderer Gelegenheit mit ftommem Augenaufschlag auf das Gebot verweisen: Du sollst Vater und Mutter ehren! Doch trotz Bedrängung und Bedrückung mancherlei Art gt die Arbeiterschaft noch lange nicht wehrlos gegen die auf Verdummung ihrer Jugend gerichteten Bestrebungen. Vertreter der klaffen- bewußten Arbeiterschaft sorgen dafür, daß wahre Bildung und Auf- klärung unter der Jugend verbreitet, daß der Sinn für alles Schöne und Gute, für alles Große und Erhabene in ihnen geweckt und ge- fördert werde. Arbeiter-Jugendheime bieten oen jungen Leuten eine Stätte, wo Geist und Gemüt angeregt werden durch edle Ge- selligkeit, durch Unterhaltung mancherlei Art, durch guten Lesestoff und durch Belehrung von sachkundiger Seite. Von diesen Einrich- tungen Gebrauch zu machen im Interesse ihrer Kinder, auch das wurde den Besuchern der Versammlungen ans Herz gelegt und die Anregungen, welche die Redner nach dieser Richtung gaben, fielen auf guten Boden. Referenten in den Versammlungen waren die Genossen Büchner. Oskar Cohn . Davidsohn. Däumig. Eichhorn. Gradnaucr. Grunwald. Henke, Adolf Soffmann. Langhammer. Hellmut Leb- mann. Liebknecht. Peters. Pieck, Ritter, Rosenfeld , Schenk, Heinrich Schulz . Ströbel. Waclawiak, Weber, Mathilde Wurm, Zretz. Wohin wir kamen, da sahen wir überfüllte Versammlungen. Selten nur war ein Saal nicht voll besetzt. Vor den Eingängen standen Polizeiposten. Im Vorortsgebiet sahen wir die Polizer wieder einmal als Ueberwachende in der Versammlung selbst. Der Zweck des polizeilichen Aufgebots war augenscheinlich kein anderer, als aufzupassen, daß nicht etwa ein Jugendlicher den Ver- such mache, von der vereinsgesctzlich verbotenen Frucht zu naschen. Doch, unnötig war die Sorge. Unsere Genossen hatten selber Vor- kehrungcn getroffen, um junge Leute, die in Unkenntnis ihrer Rechtlosigkeit etwa eine Versammlung hätten besuchen wollen, vor derUebertretung" zu bewahren. War es doch unsere Absicht, in erster Linie zu den Eltern zu sprechen. Die waren denn auch der Einladung in großer Zahl gefolgt. Was die Referenten über die polizeilichen Schikanierungen unserer Jugendbewegung sagten, wurde mit Entrüstung beantwortet. Die treffenden Kennzeichnungen jener Bestrebungen, die auf Korruption und Verdummung der Ar- beiterjugend abzielen, fanden überall entschiedenste Verurteilung. Volles Verständnis wurde den Darlegungen über die Jugend- bewegung der Arbeiterschaft entgegengebracht. Nicht vergebens war der Appell an die Eltern, wie an alle erwachsenen Arbeiter, ihre Kinder und ihre jungen Freunde den aufklärenden, bildenden und geselligen Veranstaltungen für die Arbeiterjugend zuzuführen und so mitzuhelfen, daß uns die Jugend und durch d,e Jugend die Zukunft gehört.. Die nachstehende Resolution wurde rn allen Versammlungen einstimmig angenommen. Die am 19. März in 23 Versammlungen versammelten Männer und Frauen protestieren gegen die behördliche Be- kämpfung der proletarischen Jugendbewegung. Sie verurteilen in gleicher Weise die imvaterländischen Geiste" betriebene Jugendpflege des Staates, der Gemeinde und aller möglichen Wohltätigkeitsvereine. wie die polizeilichen Versuche, der freien Jugendbewegung Fesseln anzulegen. Die Versammelten geloben, in HauS und Werkstatt dahin zu wirken, daß die Arbeiterjugend sich allen Bestrebungen der bürgerlichen Jugendbewegung fernhält und mehr noch als bisher alle für die Arbeiterjugend getroffenen Veranstaltungen besucht und unterstübt. Letzte Nachrichten. Die Nachtsitzung im Reichstag. Zu Beginn der Sitzung kam e? zu stürmischen Szenen. Präsi- dent K a e m p f erklärte in bezug auf eine Stelle in der Rede de? Genossen Cohn: Ich bin der Meinung, daß der Herr Abg. Cohn mit seinen Angriffen gegen den Staatsminister des Innern nicht hat sagen wollen, daß der Herr Minister einen des Meineides überführten Schutzmann im Amte erhalten habe. Aus diesem Grunde habe ich ihn wegen dieser Aeuherung nicht unterbrochen." Darauf sprach Staatssekretär Dr. Delbrück. Er wendet sich heftig gegen die Ausführungen des Abg. Cohn und sagt im Laufe seiner Rede u. a., er könne den Mitgliedern des Reichstages ein verfassungsmäßiges Recht zur Kritik an der Tätigkeit eines Ressorts eines Bundesstaats nicht zuerkennen. Es entsteht darauf große Unruhe. Zurufe bei den Sozial- demokraten: Wir lassen uns von einem preußischen Minister nicht beschimpfen. Die Konservativen rufen im Kaserssenton: Ruhe da drüben!, worauf aus den Reihen der Sozialdemokraten die Ant- wort kommt: Hier ist doch kein Herrenhaus, hier ist der Reichstag ! Von der Rechten erschallt der Ruf: Eine nette Volksvertretung! Staatssekretär Dr. Delbrück fährt fort: Es ist nach Lage der Verhältnisse vollständig ausgeschlossen, daß wir in preußischen Ressorten Beamte, die schwerer Verbrechen überführt sind, Pflicht- widrig in ihrem Amte halten. Aus mehrere von rechts kommende Zuruft: Und der Herr Präsident? erklärt Präsident Kaempf: Meine Stellung deckt sich vollkommen mit den Reutzerungen des Herrn Staatssekretärs. Hierauf tritt das Haus in die Beratung der Tagesordnung ein. Die Sitzung dehnte sich bis 1412 Uhr aus und bringen wir die Ver- Handlungen, in denen Genosse Ouarck über die herrschende Fleisctz- teuerung sprach, morgen. Ein Erfolg der englischen Bergarbeiter. London . 19. März.(W. T. B.) Im U n t e r h a u s e ist die Mindestlohnbill in erster Lesung einstimmig angenommen. Man glaubt allgemein, daß die Bill am Sonnabend Gesetz werden wird.