Hr. 69. 39. Jahrgang.2. feilaje Ks Jotiiiirts" Knlim liollislilntt.fttitng, 22. März 1912.Hbgeordmtenbaus.42.'Sitzung. Donnerstag, den 21. März,vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: v. T r o t t z u S o l z.Zu einem Antrag des Abg. Dr. M i z e r s k i(Pole) auf Ein-fiellung eines Strafverfahrens gegen den Abg. K o r f a n t h be-antragtAbg. v. Brandenstein sk.) Ueberweisung an die Geschäfts-ordnungskommission, weil dies e Anträge nicht mehr reinschematisch angenommen, sondern jedesmal, selbstverständlichohne jeden Unterschied der Partei und der Sache, in der Kom-Mission geprüft werden sollen.Das Haus beschließt demgemäß.Der Etat des Vottsschulwesens.Zweiter Tag.Abg. Hirsch(Soz.):Die gestrige Rede des Abb. Dr. Heß war, abgesehen von denAusfällen auf die liberalen Lehrer, einfortgesetzter Angriff gegen die Sozialdemokratie.Wenn Herr Heß meinen Freund Borchardt als einenparlamentariichen Anfänger bezeichnet hat, so ist die Nichtigkeitdieser Tatsache nicht zu bestreiten. Aber ein parlamentarischer An-fänger kann sehr gute und ein alter Parlamentarier braucht deshalbnoch nicht sehr weise Reden zu halten. Auch das parlamen-tarische Alter schützt vor Torheit nicht.<Sehr gut Ilinks.) Wenn man den wissenschastlichen Wert einer Rede, den HerrHeß der Rede BorchardtS bestritt, lediglich nach der Selbstgesällig-keit beurteilt, mit der sie vorgetragen ist, dann müßten wir aller-dings dem Abg. Heß die Palme der Wissenschaft zu-erkennen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr Heß nenntdie Forderungen nieines Freundes Heinrick Schulz einfach„Wahn-sinnige Forderungen". Andere, bemerkenswertere Männerurteilen anders über das Buch von Schulz. So zum Beispielder Uuiversilätsprofessor Dr. Rein-Jena in der„FrankfurterZeitung". Er sagt:„Sieht man von den parteipolitischen Grundlagenab, von denen der Verfasser ausgeht, namentlich von der Ausschaltungder Familie als Erziebungssaktor, so kann man sich mit nichtwenigen der Reformvorschläge einverstandenerklären, bor allem dem. die historisch gewordenen Schulein-richtungen durch eine einzige nationalor ganisch e Ge-s a m t h e i t zusamnienzufassen, die aus einer gemeinsamen Grund-schule herauswächst, wobei die persönlichen Anlagen unddie damit verbundene Leistungsfähigkeit den Ausschlag für die Wahlder über die Volksschule hinausliegenden Schulgattungen zu gebenhaben. Die Reform, die der sozialdemokratische Verfasser vorschlägt,knüpft eng an daS Vorhandene an uud sucht von hierauS die künftige Gestaltung vorzubereiten."(Hört I hört! bei denSoz.) Herr Heß hat ober auch die Gesamtheit der sozialdemokratischenWähler als u r t e i l S l o S bezeichnet. Nun, Herr Heß, wennIhnen, nachdem Sie Ihre Anschauungen den Wählern einer kulturellentwickelten Gegend vorgetragen haben, auch nur ein einziger seineStimnie gibt, will ich Ihnen gern konzedieren, daß die Wählerurteilslos sind.(Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten.) Aber, wo«S denkende Menschen gibt, wird Sie keiner wählen. Das, wasHerr Heß gestern erzählt hat, bat er schon im vorigen Jahre inzwei langen Artikeln der„Kölnischen Volkszeitung" geschrieben, nurunsere ernste parlamentarische Pflichierfüllung kann uns be-stimmen, bei dem wiederholten Vortrag solcher Ansichten auch nochzuzuhören. Den äußeren Erfolg in diesem Hause, der allerdingswenig besagen will, hat er gewiß gehabt, namentlich als er be«hauplcte, daß die Sozialdemokratie den Schulunterricht bereits niitdem dritten Lebensjahr beginnen lassen wolle. Das ist abergar nicht wahr, sondern wir fordern, daß für die zahllosenKinder in noch nicht schulpflichtigem Alter, die des Heimesund der elterlichen Fürsorge entbehren, etwasgeschieht, damit sie nicht zugrunde gerichtet werden. WeißHerr Heß nicht, daß die katholische Kirche sich derKinder vielfach noch viel früher, wenn auch zu selbstischenZwecken, annimmt? Schulz unterscheidet sehr genau zwischenunserem Zukunfisideal und unseren, schon heute durch-zusetzenden Forderungen. Das alles durcheinander zu würfeln, bliebHerrn Heß vorbehalten. Mit allen einsichtigen Pädagogen fordernwir eineHerabsetzung der Klaffenfrequcnz auf 30.Die Rechnung, mit der uns Herr Heß vernichten will, ist einSchulbeispiel doiür. wie man eS nicht machen darf, wenn man dieWahrheit erforschen will. Während er in der„Köln. Volkszeitung"berechnete, daß die Verwirklichung der sozialdemokratischen Schul-forderungen 4 Milliarden erfordern würde, waren es gestern schon6 Milliarde n. und wenn er seine Rede vielleicht erst morgenhätte hallen können, wären eS 7 oder 8 Milliarden geworden.(Heiterkeit links.) ES ist ein Grundirrtum. daßsich mit der Herabsetzung der Klassenfregucnz auf dieHälfte alle Ausgaben verdoppeln müßten. Die Ausgaben fürUnterrichtsmittel würden sich gar nicht. die für Schul-gebäude lange nick» in dem Maße vermehren, denn die Klassenwürden ja dann kleiner sein können. Bei Herabsetzung derFrequenz würde mancher Kreisschulinspektor über-f l ü>' s i g werden. Weitere Ersparnisse könnte man durch die Be-seiligung der Schulen für konfessionelle Minderheiten machen.(Sehr lvahr I bei den Sozialdemokraten.) Eine genaue Rechnung,selbst auch nur Schätzung der Kosten, ist unmöglich. Die Frage iitin der Tat nicht, ob die Verwirklichung unseres Schulideals eineMilliarde mehr oder weniger kostet, sondern ob wir imstande undwillens sind, die für die Volksbildung erforderlichen, einesKnlturstaates angemessenen Aufwendungen zu machen. Nehmenwir an, daß die Kosten drei Milliarden wären— das wärenur der zehnte Teil des von Professor Delbrück berechnetenJahreseinkommens aller preußischen Staats-bürg er zusammen. Ja, ist Ihnen der zehnte Teil des Ein«kommenS der preußischen Staatsbürger zu viel iür die Bildung derJugend des Volles? Rechnen Sie unsere Ausgaben fürMilitär. Marine und Kolonialpolitik, für kirch-liche Zwecke und für Bekämpfung der Polen— wennSie das alles sparen, dann haben Sie Geld in Hülle und Fülle,um unsere Volksbildungsforderungen zu erfüllen.(Sehr wahr l beiden Sozialdemokraten.)Ich würde Herrn Heß sehr gern auf das Gebiet seiner Neugierfolgen, wie es im sozialdemokratischen Z u k n n f t S st a a tausseben werde. Aber der Präsident wird nicht der Meinung sein,daß der sozialdemokratische Z u k u n f t S st a a t zu demKapitel ElcmcntarnnterrichtSwesen des Ecats gehört. Und wenn dochHerr Heß am Schluß prophezeit hat, daß eS zu dem Zuknnstsstaategar nicht kommen werde, ja, warum ist er dann so neu-gierig wie es in einem Staate aussieht, den es nach seiner Mei-mmg niemals geben wird.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)Es'gibt Leute die mehr fragen, als lausend Weise beantwortenkönnen.(Sehr gut l bei den Sozialdemokraten.) Wollte ich daraufeingehen, so würde da« Zentrum über den Mißbrauch der Zeit desHauses durch die Sozialdemokraten schreien I UebrigenS haben wirmit der Kritik der heutigen Volksichulzustände so ungeheuer viel zutun. daß wir die Eiörterung dcS Zukunftsstaates einstweilen ruhigvertagen können. Ich halte eS mit Goethe:Das Drüben kann mich wenig kümmern.Schlägst Du erst diese Welt in Trümmern,Die andere mag danach entstehn.Bevor ich mich dieser Kritik aber zuwende, möchte ich demAbg. Heß noch den Dank meines Freundes Schulz aussprechenfür die vorzügliche Reklame, die er für sein Werk gemacht hat.(Sehrgut! bei den Sozialdemokraten.)Die Zahlen, mit denen Abg. Borchardt letzthin nachgewiesenhat, wie verhältnismäßig wenig der Staat für die Volksschulen auS«gibt, sind von keiner Seite angezweifelt worden. Sie beruhen jaauf amtlichem Material. Die Schulstatistik vom 24. Mai 1911 stelltfest, daß, was ich auch zugebe, der Lehrermangel ab-genommen hat. Die Zustände haben sich in dieser Beziehungganz wesentlich gebessert. Aber am 2. Oktober 1911 waren immernoch 383 Lehrstellen unbesetzt. ES gab immer noch 13 S4S Schulenmit zusammen 661 147 Kindern, die in cinklassigenSchulen unterrichtet wurden. Weiter 4197 zweiklassigeSchulen mit 438 819 Kindern, und 4199 dreiklassigeSchulen bei 2 Schulstcllen mit 578 173 Kindern; an sonstigen drei-und mehrklassigen Schulen waren vorhanden 19 189 mit über vierMillionen Kindern und an Halbtagsschulen 6352 mit 526 999 Kindern.Angesichts dieser Zahlen kann man von einer vollkommenenBeseitigung des Lehrermangels nicht sprechen. Und immer nochkommen auf einen Lehrer in der Stadt 49, auf dem Lande sogar61 Schüler. Nach amtlicher Mitteilung waren am 1. Mai v. I.7396 Schulen mit 1 219 000 Schulkindern überfüllt,darunter befanden sich Klassen, die eine Frequenz von 190 bis150 Kindern aufwiesen. Besonders schlimm ist das im Osten;im Regierungsbezirk Posen beträgt die niedrigste Schülerzahl ineiner Klasse 87 und auf den einzelnen Lehrer entfallen im Durch-schnitt 128 Kinder. Rechnet man auf jede Klasse 69 Schüler,so fehlen in den 23 Schulgemeinden nicht weniger als33 Lehrer. Für Germanisierungsbestrebungen hat der StaatGeld übrig, nicht aber für die Erfüllung seiner Pflichtenauf dem Gebiete des Bolksschulwesens. Aber selbst in der ProvinzBrandenburg haben wir Zustände, die jeder Beschreibungspotten. So existieren im Bezirk Potsdam 124 Volksschulen, indenen auf einen Lehrer 89 Schüler kamen und im RegierungsbezirkFrankfurt a. O. sogar 227 solcher Volksschulen.(Hört! hört! beiden Sozialdemokraten.) Das Lehrziel der Volksschule wird vielfachnicht erreicht und selbst in Charlottenburg, wo das Volks-schulwesen anerkanntermaßen auf einer gewissen Höhe steht, habenknapp zwei Drittel der Volksschüler das Ziel der Volksschuleerreicht.In einer Schrift deS Kölner Professors Adolf Weber über„Die Großstadt und ihre Probleme" werden trostlose Beispiele überdie Erfolge Berliner Volksschulen angeführt. Auf die Frage,warum wir Ostern feiern, gaben von 23 Vierzehnjährigen9 gar keine, 5 eine grundfalsche Antwort. Die Frage: Wie heißtder Stifter der christlichen Religion? beantworteten9 Schüler init Dr. Mariin Luther, 2 Schüler wußten überhauptnach achtjährigem Unterricht keine Antwort. Als ZeitgenossenW i l h e l ni s I. wurden Blücher, Gneis enau und derGroße Kurfürst angegeben.(Hört! hört I bei den Sozial-demokraten.) 9 dieser Schüler, die die Volksschule verließen, wußtenvon Bismarck kein Wort und 2 kannten nicht einmalden Namen des Deutschen Kaisers. Wenn das dieErfolge in B e r l i n, in den nach Ihrer Ansicht wichtigsten Fächernsind, dann können Sie sich denken, wie es in den anderen Gegen-ständen und erst auf dem Lande aussieht.(Zuruf rechts: Vielbesser!) Wer behauptet, daß die Schulen in den Großstädten weitschlechter sind, als die auf dem Lande, beweist nur, daß er nicht im-stände ist, objektiv zu urteilen, sondern nur durch die Brille derParteileidenschaft. Ich kann es nur alsleeres Gewäschbezeichnen, wenn man immer und immer wieder davon spricht, daßin Preußen die Kulturaufgaben nicht leiden. Ich wähleabsichtlich diesen meinem Geschmack nicht entsprechenden Ausdruck,weil der Berichterstatter der Budgetkommission die sozialdemokratischeBehauptung von der Vernachlässigung der Kulturaufgaben als einleeres Gewäsch bezeichnet hat. Das ist der Ton in derKommission, in der die Sozialdemokratie nicht vertreten ist. DiesesBeispiel beweist Ihnen, die Sic behaupten, wir trügen zur Ver-rohung des Tones im Hause bei, daß wir hier im Hauseverdorben worden.(Große Heiterleit links; verlegenes Lachenrechts.) Aus den von verschiedenen Parteien gestellten Anträgengeht hervor, daß auch andere Parteien den Lehrermangel empfinden.Die Verordnung, die die Regierung gegen denMißbrauch der Hütekvidcrerlassen hat, enthält nicht ein Wort über die Dauer der Arbeitszeitund gestaltet, daß schon Kinder im elften Lebensjahrezum Hüten verwendet werden. Solche Kinder müssenkörperlich und geistig zurückbleiben(Widerspruch rechts.) Sie sagen,was soll das den Jungen schaden? Wahrscheinlich haben Sie inIhrem Leben nicht als Hütejunge gedient und Sie würden IhreKinder auch nicht als Hülekinder von Sonnenaufgang bis Sonnen-Untergang arbeiten lasicn. Der Schulunterricht wird dabei voll-ständig vernachlässigt, nicht einmal eine einigermaßen aus-reichende Sonntagsruhe haben die Kinder. Und da sollen dieKinder auf dem Lande wer weiß was lernen. Das System derHütekinder muß aus erzieherischen und gesundheitlichenGründen beseitigt werden.(Zustimmung bei den Sozial-demokraten.)Der' Redner bespricht dann die Ergebnisse der Erhebungen dervon der Berliner Arbeiterschaft eingesetzten Kinder schütz-kommission; als er dabei die Regierung auffordert, Hand ansWerk zu legen und dafür zu sorgen, daß eine kräftige Jugend heran-wächst, die dereinst imstande ist, den Kampf ums Dasein zu bestehen.wird von der Rechten gerufen: Lauter Stubenhocker!—Dieser Zuruf ist bezeichnend für Sie! Ein GefäugniSlehrer Erfurtvon P l ö y e n f e e hat auf der Lehrerverfammlung in Breslau 1898ausdrücklich erklärt, daß unter den schweren Verbrechern viele sind,die in ihrer Jugend als K e g e l j u n g e n und Semmel-träger arbeiten mußten und dabei zu kleinen Dieb-stählen und Betrügereien verleitet wurden. Wenn die Re-gierung Mittel auswirft, um diesen unheilvollen Zuständenein Ende zu machen, dann tut sie eintausendfach vernünftigeresWerk, als wenn sie Mittel vergeudet zur Bckänwfung der sozial-demokratischen Fugend.(Sehr richtig I bei de»'Sozialdemokraten.)Für die Schulgesundheitspflege muß mehr geschehen, es fehlt nochvielfach an Schulärzten, wodurch die rechtzeitige Heilungzum Beispiel skrofulöser Kinder verhindert wird. Die Ausgabendafür rentieren sich sehr gut, denn aus gesunden Kindern werdenspäter gute Steuerzahler.Der Staat muß die weniger leistungsfähigen Gemeinden hier-bei unterstützen, selbst wenn wir dadurch allmählich zur Staats-schule gelangen würden, deren Anhänger wir sind, freilich nicht indem gegenwärtigen Klassenstaat.Warum bat man keinenLehrer zu den Vorberatungenüber die Reform der Schulverwaltung herangezogen?Sozialdemokraten werden von Schnlkommissionen und Schulvor-ständen ferngehalten: statt der Elccrn der Kinder, die die Gemeinde-schule besuchen, entscheiden die Eltern über daS Bolksschulwcsen,deren Kinder in höhere Schulen geschickt werden. Die Lehrerschaltet nia» aus, denn sie könnten zu viel BerständniS ent-wickeln. Wie die Agrarier die Lehrer einschätzen, ist ja bekanntgenug. Die Lehrer haben wie jeder Staatsbürger das Recht, aucheine eigene politische Ueberzeugung und ebenso gut wie ein Lehrereinmal vom richtigen Weg abirrt und konservativwird, ebenso gut ist eS zu verstehen, daß ein Lehreraus den richtigen Weg kommt und Sozialdemo-krat wird. Nickt gegen die Lehrer, die Sozialdemokratensind und vom Minister als Heuchler bezeichnet wurden, ist ein Bor-wurf zu richten, sondern nur gegen'diejenigen, die durch ihrenTerrorismus die wirtschaftliche Existenz aller derer unter-graben, die es wagen, wider den Stachel zu lecken. Eine Dienst-anweisung der Regierung zu K ö s l i n an die Kreisschulinspektorenfordert von den Lehrern so nachdrücklich Zurückhaltung, daß sie direktdarauf hinausläuft, daß sich die Lehrer überhaupt nichtpolitiich betätigen sollen. Nur für die Konservativen oderdas Zentrum sollen die Lehrer agitieren, aber dafür bedanken sie sich.Von unserem Ideal, der wirklichen Volksschule, sind wir nochsehr weit entfernt. Auf dem Evangelischsozialen Kongreß inDanzig hat Geheimrat Muthesius erklärt, daß es unmöglichist, das auszulöschen, was die Schüler aus d e m H a u s e an An-schauungen, Gedanken, Empfindungen und Gefühlen mitbringen. Sieaber glauben, daß Ihnen das gelingen wird. All Ihre Reden, daßdie Schule eine königstreue, gottesfürchtige usw.Jugend heranbilden müsse, beweisen, daß Ihnen die Schuleein Instrument der Herrschaftder herrschenden Klassen ist, wie die Polizei, die Justiz usw.Wir fordern dagegen dievölligeTrennung von Schule undKirche, Weltlichkeit de s 1l nterrichtS und AbschaffungdesReligionsunterrichts. Diese Forderung erheben wir auswahrer Religiosität.(Lachen rechts und im Zentrum.) EinflußreichePädagogen, die Bremer Lehrer und andere stehen auf demgleichen Standpunkt wie wir. Wenn die Anschauungen des HerrnHeß, der u. a. behauptete, daß dort, wo die Religion aus derSchule verbannt sei, die leisten Analphabeten seien, beiuns in Preußen erst herrschen, dann werden auch wir bald miteiner größeren Zahl von Aual>>habeten gesegnet sein. DaSZentrum möchte wohl am liebsten nach dem Buch des ProfessorsJoseph Bautz von der königlichen Universität in Münster lehren,ivorin ganz genau die Einteilung der Hölle bis in alle Details ge-schildert ist. Wir bedanken uns für solche Weisheit; wir werden fürwirkliche Bolksaufklärung sorgen. Verekelt wird die Religion denLeuten durch eine Partei, deren ganze Tätigkeit auf B e r-dummung, Ausbeutung und Unterdrückung desVolles gerichtet ist und die ihr gefährliches Handwerk unter demDeckmantel einer Religion betreibt, die keine Religion ist.(LebhafteZustimmung bei den Sozialdemokraten. Lachen im Zentrum.)Der Oberkonsistorialrat Frank in Danzig erklärt, daß d i egegenwärtige Wirtschaftsordnung nicht christ-l i ch sei, daß vielmehr die S o z i a l d e m o k r a t c e die Ver-wirklichung der christlichen Grundsätze erstrebe und 1377 hat sogarDr. Hitze anerkannt, daß es unberechtigt sei, den Sozia»lismus als unchristlich zu der werfen und das Privat-eigentum am Produktivkapital förmlich als christliche Einrichtunghinzustellen.(Zuruf vom Zentrum: Das hat er zurückgenommen!)So, wo und wann denn? Sie haben immer nur eine Aus-rede. Aber Sie beleidigen Herrn Hitze, wenn Sie behaupten,daß er sich von seinen früheren vernünftigeren Anschauungen zuIhrem heutigen Standpunkt durchgemausert habe. Unser Schul-Programm ist von dem Mannheimer Parteitag der DeutschenSozialdemokratie dahin zusammengefaßt worden, daß sich allean der Erziehung beteiligten Parteigenossen dieser Aufgabe mit demliebevollsten Ernst und der größten Gewissenhaftigkeit anzunehmenhaben. So lange aber die Volksschule als Werkzeug derKlassenherrschaft mißbraucht werde, muß die heutigeErziehung den Tendenzen entgegenwirken, welche den Schulunterrichtverfälschen und vergiften. Die Erziehung im Geiste der sozialistischenWeltanschauung erfolge nicht dadurch, daß man die unmündigenKinder zum Auswendiglernen programmatischer Formeln zwingt,sondern durch zweckentsprechende Geistes- und Charakter-pflege das Verständnis der sozialistischen Theorien und die Bs-tätigung sozialistischer Gesinnung vorbereitet werde.Wir sind überzeugt, daß wir durch unsere Bemühungen indiesem Sinne der Menschheit, dem Volke einen weit größeren Dienstleisten als diejenigen, die Religion, Kirche und Schulemißbrauchen zur Aufrechterhaltung ihrer Herr-schaft und zur Verdummung des Volkes.(LebhafterBeifall bei den Sozialdemokraten.)Abg. Dr. Hackcnbcrg(natl.): In den scheinbar u t o p i-schen Schulidealen steckt oft ein sehr berechtigterKern. Die Fürsorge für die noch nickt schulpflichtigen Kinder istein durchaus gesunder Gedanke. Die Einheitsschule wirdnicht nur von der Sozialdemokratie gefordert,den Tüchtigen aus allen Volkskreisen soll der Weg zuhöheren Lebensstellungen geebnet werden. Wer die Schule kritisierenwill, muß sie auch kennen, das aber habe ich beim Abg. Borchardtnicht gefunden. Man kann nicht sagen, alles was der Klassenstaateinrichtet, taugt nichts. Abg. Borchardt muß doch das hoch-stehende Berliner Schulsystem kennen. Unsere Lehrerschaft ist ängst-lich bemüht, gesunde Erziehungsmittel zu finden. Ohne Unter-ordnung unter die Autorität ist kein Gemeinschaftsleben inöglich,auch keine Erziehung. Auch Sie(zu den Sojialdemokraten) werdenanerkennen müssen, daß die Eltern, das erfahrene Alter,das Gute, das Wahre und Schöne Autorität bleiben muß.(Sehrrichtig I) Allgemein zu behaupten, daß unsere Erziehung auf derFurcht vor der Strafe und der Aussicht auf den Lohn beruhe,»isteine Beleidigung unserer Lehrer, die die Kinder zuCharakteren erziehen wollen. Selbstverständlich tostet einStudent mehr Aufwendungen als ein Volksschiiler. Aber weil einLämmergeier weit inehr Nahrung verbraucht als ein Z a u n-könig, ist doch der Zaunkönig nicht unterernährt.(Sehr gut!) Beiallzuschwach besetzten Klassen würde der gegenseitige An-sporn der Schüler fehlen. Der Redner bespricht dannLehrergehaltsfragen, weist es zurück, daß die liberalenLehrer Gegner des Religionsunterrichts und Schrittmacher derSozialdemokraten seien und wünscht, daß die dritte Turnstunde nichtaus Kosten de« deutschen Sprachunterrichts gehen soll. Möge nieder Tag erscheinen, da unserem Volksschulwesen eine verschuldeteRückstündigkeit nachgesagt werden muß.(Lebhafter Beifall.)Abg. Erust(Vp.) protestiert namens des Vorstandes desDeutschen Lehrervereins energisch gegen die Beschuldigungdes Abg. Heß. Der gesunde Sinn der Lehrer wird der Sozial-demokra'tie das Eindringen unmöglich machen. Der DeutscheLehrerverein steht hoch über diesen Angriffen. Für den haus-wirtschaftlichen Unterricht muß viel mehr geschehe». Esschien uns noch 21 200 Lehrer.(Hört! hört!)Kultusminister v. Trott zu Solz: Ich kann fast in allem demAbg. Hachenberg zustimmen. Gewiß ist noch viel zu bessern.aber die StaatSfinanzen müssen berücksichtigt werden. Die über-füllten Schulen sind von 1995 bis 1911 von 9589 auf 7396 zurück-gegangen. Auf eine Schulstelle entfielen 1991: 64, 1996: 61 und1911 7 57 Kinder, auf eine Klasse 54. 53 und 51. Auf 10 999 Ein-wohner kommen nur zwei Analvhavcten. Preußen steht auf demSchulgcbiet an der Spitze in der Welt.(Lebh. Zustimmung.) Die Schul-Verwaltung beklagt sehr die Beschäftigung der Kinder während derSchulzeil zur Erwcrbsarbeit. aber zuständig dafür ist die Gewerbe-Verwaltung, das Reich. Die Unterrichisvcrwaltung wird da allestun. was sie kann. Auf dem Lande ist es nicht soschlimm. � Die Beschäftigung als Hütekind ist gesundheitlichnicht schädlich, aber im Interesse des Schulbesuchs muß dasHütekinder Wesen nach Möglichkeit einzuschränken versuchtwerden. Die Ferien dürfen für Landarbeit nicht gekürzt werdenDie Berufsarbeit von Kindern in der Schulzeit wird immermehr eingeschränkt. Wir bevorzugen auch nicht das Land vor denStädten. Besondere Vorkehrungen für die Gesundheit der Kindersind auf dem Lande nicht so nötig, die Kinder sind ja viel mehr inder frischen Luft als in der Stadt. De» Bedürfnissender Kirche kommen wir bei der Küsterlehre weitentgegen. Die Landflucht der Lehrer geht erfreulicher-weise zurück. Wenn ein Lehrer in Not gerät und um Uuterstützunaersucht, so hat /er Anspruch darauf; das ist kein Almosen/ NeueFächer wollen wir nicht einführen, solidem die jetzt gelehrten ver-