ih. 7o. 29. MM-, i leiidje des„Nörlmrls" Kriiner AllisdlM. s-1»". K-»« Reichstag. 88. Sitzung. Freitag, den 22. März 1012, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstische: Dr. Delbrück. Die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innen» wird fortgesetzt beim Kapitel Kanalamt. Abg. Legien(Soz.): Die Lage der Arbeiter am Rord-Ostseekanal hat sich trotz der hier im vorigen Jahre erhobenen Klagen nicht g e- bessert. Wiederum sind von Agenten zahlreiche ausländische Arbeiter herangeholt, obwohl einheimische in genügender Menge vorhanden waren. Im vorigen Jahre führte der Vertreter des ReichsamtS des Innern aus, datz 7l) Proz. der beim Kanalbau be- schäitigten Arbeiter deutsche Staatsbürger seien. In einem längeren Artikel der„Sozialen Praxis* ist dann nachgewiesen, daß diese Be- hauptung irrtümlich sei. Aber auch die deutschen Arbeiter werden aus allen Teilen des Reiches herangeholt, ohne Berück- sichtigung der einheimischen Arbeiter, damit durch deren Heran- ziebung nicht die Löhne in den Bezirken des Kanalbaues in die Höhe gehen. Auch die Mißstände in den Baracken find nicht gebessert worden. Hätte das Kanalamt den guten Willen, so könnte eS da sehr leicht Besserung schaffen. Ferner hat sich die U n f a I l g e f a h r beim K a n a l b a u ge» steigert. ISIv kamen 17 Unfälle vor, von denen vier tödlich ver- liefen, ISN passierten 4V Unfälle, darunter IS mit tödlichem AuS- gang. sHört l hört l bei den Sozialdemokraten.) Das zeigt, daß nicht diejenige Sorgfalt angewendet wird, die die Unfälle auf das Mindestmaß herabmindert. Ein weiterer Mißstand ist. daß das Kanalamt verlangt, alle Arbeiter, die nicht einen eigenen Hausstand haben, sollen in den Baracken wohnen. Dazu hat das Kanalamt kein Recht. Die Baracken sind nicht errichtet, um die Arbeiter zu kasernieren, sondern um dem Wohnungsmangel abzuhelfen. Wenn die Arbeiter in den anliegenden Ortschaften Unterkunft finden und ihre Pflicht beim Bau tun,>0 kann das Kanalamt nicht verlange», daß sie in den Baracken wohnen. Ich bitte den Staatssekretär dringend, hier für Abhilfe zu sorgen. Ueberaus ungünstig sind auch die Verhältnisse der Arbeiter bei den Baggerarbeiten. Wenn sie sich an die Unternehmer um Besserung wenden, so erhalten sie die Antwort, die Unternehmer arbeilen mit Unterbilanz, sie seien bei der Vergebung der Arbeiten vom Kanalamt getäuscht worden. Gewiß war die Täuschung nicht absichtlich; aber die Vorarbeiten wurden so be» schleunigt, daß sie nicht genügend durchgeführt waren und die Unter« nehmer hatten nicht genügend Zeit, die ihnen vom Kanalamt gegebenen Unterlagen nachzuprüfen, so daß sie ihre Angebote auf Grund dieser unrichtigen Unterlagen des KanalamtS machten. Bei den dadurch ent- stehenden Differenzen hat daS Kanalamt vor den Schiedsgerichten unrecht bekommen. Da sollte eS nun auch nicht kleinlich sein und den Unternehmern Abfindungssummen bieten, die in gar keinem Verhältnis zu dem Schaden stehen. Es sollte vielmehr den vollen Schaden tragen, da» liegt im Interesse der Unter- nehmer wie der Arbeiter.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Ministerialdirektor v. JonquiöreS: Bei Beginn des WinterS wurden 64 Proz. inländische und 36 Proz. ausländische Arbeiter beim Kanalamt beschäftigt. DieS Verhältnis ist völlig normal.(Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Ja- wohl, wir können die polnischen Arbeiter beim Kanalbau nicht ganz entbehren. Daß die Unfälle sich im Jahre ISll von 17 auf 46 gesteigert haben, ist gar kein Wunder, denn in diesem Jahre sind die Bauten, speziell die Kunstbauten, z. B. an der BrunSdütteler Schleuse, er- heblich vorgeschritten. Daß bei(KKK) Arbeitern 40 Unfälle besonders viel sind, vermag ich nicht anzuerkennen.— Der Baracken- zwang für die Arbeiter war von Anfang an in Aussicht genommen und ohne ihn wäre die Durchführung des Baues gar nicht möglich.— Der Vorredner bemängelt auch zu Unrecht die Vor- arbeiten bei den Submissionen. Die Unternehmer hatten die übliche vierwöchentliche Frist, die zur Nachprüfung völlig genügt. Wenn sie sich bei ihren Berechnungen geirrt haben, so kann das Kanalamt deswegen keineNachforderung bewilligen. Daß die Schiedsgerichte zum Teil gegen daS Kanalamt entscheiden, b e w e i st n i ch t S; sie lassen sich vielfach vom BilligkeitSstandpunkt leiten. Auch ist natürlich nicht jede technische Einzelheit in den Submissionsbedingungen ganz zweifels« frei dargestellt. Ein Obrrbaurat legt die Vorgänge bei dem gestern erwähnten Dammbruch an der Holtenauer Schleuse dar. Abg. Waldstein(Vp.): Der 4. Deutsche SeeschiffahrtStag hat einstimmig eine Resolution angenommen, die auf die erheblichen Rieines Feuilleton Die Frau in HauS und Beruf.(Ein Rückblick.) Wenn du dich dem länglichen Hundestall näherst, der auf Befehl Er. Majestät des Kaisers einen schier romanischen Anstrich hat, so erblickst du zunächst zwei groß« blaue himmelanstrebende Kandelaber, die dir die Sehn- sucht nach Hellas wecken und den Wunsch, zu wissen, wie sie eigent- sich angesteckt werden.— Du trittst ein und näherst dich der Kasse. Dann wagst du dich hinein: ein wildes Chaos bietet sich deinem Blick. Zunächst tritt eine LoSverkäuferin auf dich zu und flüstert selbstgefällig lächelnd: du könntest das große Los ziehen. Darauf sagst du: bei ihr nicht— und schreitest in die Mitte des Saales. Siehe, dort liegt in einem Kofen ein weibliches Exemplar des ge- meinen Hausschweins. Sieben Ferkel zuckeln dem armen Tier die Milch aus der Brust. Ringsherum stehen die Leute und verkneifen sich die Symbolik. Nebenan stolziert ein Puter— dieses eitle Tier ist das einzig Männliche, das die tückische Kommission ausgestellt hat,— daneben «ine Brutanstalt, die klar und eindringlich die Entbehrlichkeit der Frau demonstriert. Ringsherum breiten sich die verschiedenartigsten Dinge au«: Kinderbadewanncn— hdie Ausstellungskommission ersucht uns, mitzuteilen, daß Kinderbadcwannen laut Verfügung 187 des Herrn von Jagow nicht mehr ausgestellt werden dürfen und von ihr auch nicht ausgestellt worden sind)— in geflochtenen Strohkörben pran- gen schmackhafte Frldfrüchte(das tun Fcldfrüchte in solchen Fällen immer), wächserne Krankenschwester» betreuen ebensolche schlaf- kranke Neger, ein Krankenpfleger versichert:..Das, was Sie hier sehen, ist eine sogenannte Baracke. Sie kann jederzeit abgebrochen werden," aber es bleibt bei der leeren Drohung. In der Abteilung:„das gerupfte Schneehuhn" darfst du die herrlichen Kopfbedeckungen schauen, die bei besonderen Anlässen dem Schmock Seufzer der Bewunderung— Zeile 1ö Pf.— entringen. Auch«ine retrospektive Abteilung ist da; schon deswegen, weil in «>ne historische kein Mensch gehen würde. Die Frau in HauS und Berus ! In diesem HauS hat sie jeden- falls einen Beruf: wie rührend, wenn die schwieligen Hände arbeit- famer Frauen in Crepe de Chinc-Kleidcrn das Geld für den Kine- matographen einsammeln!— Die Missionen haben ausgestellt: bcrdmsche Neger laufen— o tröstlicher Gedanke— jetzt in protestan- tischen Baumwollhosen herum, und korpulente Pfaffen bringen den Chinesen das Wort bei:„Du sollst nichts haben als zwccn Schuhe und einen Stecken". Den Stecken haben sie.— Auch ist-in kleines Zimmerchen da— die Ausstellung berücksichtigt eben a l l e s—, in dt» der.Arbeiterinnen gedacht ist. Die 8oZntab-llen v-nrlen Störungen der Schiffahrt im K ai s er» W i l h e l m- Kanal hinweist und als Grund dafür die zu geringe Zahl der Lotsen anführt. Die Verhältnisse sind in der Tat unhaltbar und es wäre dringend notwendig, daß noch in diesem Etat eine Reihe neuer Lotsenstellen eingesetzt würde. Der Widerstand dagegen soll nicht beim Kanalamt, sondern beim Reicbsamt des Innern liegen. Staatssekretär Dr. Delbrück: Ich lege entschieden Verwahrung dagegen ein, daß das Hemmnis gegen die Abstellung der vom Vor- redner gerügten Mängel in meiner Person liegen soll. Der Präsident des Kanalamts ist befugt, so viel Hilfslotsen einzuberufen, daß allen Erfordernissen des Verkehrs, der gerade in letzter Zeit sehr gestiegen ist. entsprochen werden kann. Damit hat sich der Nautische Tag auch ein- verstanden erklärt; seine Resolution bezieht sich nur auf die Ver- gangenheit. Abg. Legien(Soz.): Der Herr Ministerialdirektor sagte, zu Beginn deS Winters habe die Zahl der inländischen Arbeiter 64 Proz. betragen. Ich weiß nicht, von wann er den Beginn des WinterS rechnet. Er wird ja wissen, daß ausländische Arbeiter in Preußen vom De- zember ab nicht zugelassen sind. Vielleicht gibt er unS das Prozentverhältnis während deS Sommers einmal an.— Daß Unfälle bei einem so gewaltigen Bau vorkommen können, gebe ich zu. Aber ihre Zahl würde nicht so groß sein, wenn das Kanalamt darauf dringen würde, daß die UnfallberhütungS- Vorschriften in den Betrieben aushängen und wenn es vor allem ihre Durchführung kontrollieren würde. Man kann bei unseren heutigen Verhältnissen die Zahl der Unfälle auf ein geringes Maß herabdrücken, wenn man die gute Absicht hat, de» Interessen der Arbeiter zu dienen.(Sehr wahr I bei den Sozial« demokraten.) Ein Recht, die Arbeiter zu zwingen, in Baracken zu wohnen, steht dem Kanalamt nicht zu. Die Kanalarbeiter haben genau dieselben Rechte, wie sie allen anderen Arbeitern nach der Gewerbeordnung zustehen. Im übrigen werden wir dafür sorgen, daß im nächsten Jahre auch das Kanalamt der Budget- k o m m i s s i o n überwiesen wird. Dann wird sich durch Vorlegung der Akte» ergeben, auf welcher Seite in dem von mir vorgebrachten Falle das Recht liegt. Ministerialdirektor v. Jonquisres: Meine Zahlen über die aus- ländischen Arbeiter beziehen sich auf den 1. Oktober. Im Winter sind 80 Proz. inländische Arbeiter. Daß die UnfallverhütungSvor- schriften nicht aushängen, ist mir nicht bekannt. Wenn eS unterlassen ist, so ist dies ein Versehen. Die Pflicht, hierfür zu sorgen, liegt zwar in erster Linie der Tiefbauberussgenossenschaft ob. Wir werden aber nochmals die Organe der Kanalverwoltung anweisen, daß sie auch ihrerseits die Einhaltung dieser Vorschriften kontrolliert. Der Barackenzwang war seinerzeit in dem Programm über die ganzen Arbeiterverhältnisse beim Kanalbau vorgesehen. Dagegen ist hier nichts eingewandt worden. Nach einigen Bemerkungen deS Abg. Waldstein(Vp.) schließt die Debatte. DaS Kapitel wird genehmigt. Auf Antrag des Abg. Hoch wird die vom Abg. W a l d st e i n erwähnte Petition deS NautikertageS dem Reichskanzler zur Berücksichtigung übergeben. ES folgt das Kapitel AuffichtSamt für Privatvcrficherunz. Hierzu liegt eine Resolution Albrecht(Soz.) und«&« »offen vor, die Vorlegung eines Gesetzentwurfs verlangt, durch den die sogenannte Abonnentenversicherung verboten wird. Abg. Haupt(Soz.): ES ist in diesem Hause schon wiederholt über den Unfug dieser Abonnentenversicherung gesprochen worden. Zu- erst 1908 bei Beratung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag. Da war es namentlich der Abg. GieSbert», der sich auf das entschiedenste gegen diesen Unfug aussprach. Ihm passierte allerdings das Mißgeschick, daß mein Parteifreund Hengsbach bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen konnte, daß auch die Zentrums- presse diesen Unfug mitmache. Der Staatssekretär des Reichs« justizamteS erklärte damals:„Ich bin der Ansicht, daß anständige literarische Unternehmen sich mit solchen Sachen nicht beschästigen können. ES würde sicherlich wohltätig wirken, wenn auS den Reihen der Presse dieser Ansicht kräftiger Ausdruck gegeben würde. Da nun fast sämtliche bürgerlichen Blätter auS Geschäfts- rücksichten diesen Unfug mitgemacht haben, so ist eS schließlich nur noch die sozialdemokratische Presse, die nach dem Wort des Herrn Nieberding zu den anständigen literarischen Unter- nehmungen zu zählen ist.(Sehr gut l bei den Soz.) Damals erklärte der Staatssekretär, daß, wenn sich nicht andere Abhilfe erzielen lasse, nichts übrig bleibe, als den Weg der Gesetzgebung zu be- treten. DaS war vor vier Jahren. Inzwischen hat die Regierung aber nichts auf diesem Gebiete unternommen, während doch die Verhältnisse nicht besser, sondern schlimmer geworden sind. Eine ganze Anzahl Verleger erklären, daß sie trotz inneren Widerstrebens, durch die Konkurrenz gezwungen, diesen Unfug mitmachen gerade abgestaubt, als ich da war und in der Abteilung für H-.im- arbeit war Großreinemachen, und konnte dieselbe nicht gezeigt werden. Eine Abteilung wird schmerzlich vermißt: die Frau im häuS- lichen Beruf oder in einem beruflichen Hause. Ueber dem Ganzen aber schweben die Protektorate höchste: Per- sönlichkeiten, Erinnerungen an Besprechungen, Kommissionen, Sub- kommissionen und Kommissionskommissionen. Es hagelte Zeitungsartikel. Die Frau Vorsitzende:„Wie anders würde das Lebcnsglück sich herausarbeiten, nachdem der Schmetter- lingsstaub der Flittertvochen abgestreift und die klare Wirklichkeit ihre Forderungen stellt... Z. B. kann bei allgemeiner Verwendung eines Blechmessers beim Kartoffelschälen durch Schonung des Eiweißes unter der Schale sich die Summe feststellen lassen, die er- spart wird... Zeit und Geldeinteilung kann aber nur eine dazu erzogene Frauenkraft gut bewältigen, und nur ihr wird Kind und Dienerschaft sich beugen." Gerade dem sozialdemokratischen Frauen wird mit Recht eine unerhörte Behandlung ihrer Dienerschaft vor- geworfen. Die„Deutsche Frauenwelt" aber wird in ihrem Rückblick schreiben:„Von der Etsch bis an die Wesel , von der Maas bis an den Veit hallt es wider von Stimmen des Beifalls. Und wenn sich, leider GottcS, auch von bekannter vaterlandsloscr Seite Hohn und Spott über das große Unternehmen ergießen, so trifft dieses uns nicht, denn wir bürgerlichen Frauen sind nach eingeholter Gcnehmi- gung bei der Ortspolizeibehörde der festen Ucberzeugung und geben derselben auch donnernd Ausdruck: Unser ist der Sieg! Gott ist mit'der deutschen Frauenwelt!— Abonnement, 1,40 M. monatlich. Beschwerden wegen unregelmäßiger Zusendung sind an die Expc- dition zu richten." Aus den Tagen der Kommune. JuleS Clarctie, der Leiter der Comedie Jranxaise, der den Bürgerkrieg als Augenzeuge mit- erlebt hat, erzählt in den„Annales" eine Anzahl bisher noch nicht bekannt gewesener Geschichten auS den Kommunetagcn. Während der„roten Woche", der Niederwerfung der Revolution, wurden die Kommunekämpfer, die dem Militär bewaffnet entgegengetreten waren, vor die Militärkommissionen geführt und einem summari- schen Gerichtsverfahren unterworfen; jeder Revolutionär betrat dann das Kabinett eines Obersten, um sein unanfechtbares Urteil, das Leben oder Tod bedeutete, zu vernehmen. Ein Oberst, der in dem Tirektionszimmer eines Theaters Recht sprach, war nicht wenig überrascht, als ihm eines Tages ein Mann vorgeführt wurde, den er schon tags zuvor zum Tode verurteilt hatte. Die Beine des Mannes waren mit Binden umwickelt, und es stellte sich heraus, daß er im Kose des Theaters mit anderen Pergrteilten müßten. Der„Essener Volks zeitung", einem Zentrums- blatt. blieb es vorbehalten, die Einführung dieser Versicherung als. eine soziale Tat zu bezeichnen.(Hört! hört! b. d. Soz.) Nach 1908 hat sich der Reichstag noch 1909 und 1911 mit der Materie beschäftigt. Beide Male wurden Anträge des Z e n t r u in s angenommen, wonach die Regierung einen Gesetzentwurs vorlegen sollte, der die Abonnentenversicherung in Verbindung mit der Heraus- gäbe von Zeitungen und Zeitschristen nicht mehr zuließe. 1911 wurde auch ein Antrag Bassermann angenommen, der die Regierung aufforderte, eine Denkschrift über den Unfug der Abonnentenversicherung herauszugeben. In all diesen Debatten wurde die Abonnentenversicherung als grober Abonnenten betrug, unlauterer Wett- bewerb, Schwindel. Verstoß gegen die guten Sitten dargestellt, da sollte man doch meinen, daß die Klinke der Gesetzgebung schneller in Bewegung gesetzt würde. Aber 1903 ant- wartete die Regierung, die Erwägungen sind noch nicht ab- geschlossen, 1911 lautete die Antwort, die Erörterungen sind noch nicht abgeschlossen. Im nächsten Jahre wird es vielleicht heißen: die Erwägungen schweben, dann die Er- örterungen schweben, und im übernächsten Jahre wird uns dann vielleicht mitgeteilt, eine Entscheidung ist bisher noch nicht erfolgt. Zu erwähnen ist auch, daß die Postbehörde mit dem Bestellgeld auch die Versicherungspräinie für die Abonnentenversicherung ein- zieht. DaS dürste für den Postetat noch von Interesse sein.— Ministerialdirektor Caspar hat hier am 20. März erklärt, in nennenswertem Umfange seien Mißstände überhaupt nicht vor« gekommen. Beim Aufsichtsamt für Privaiversicherung seien nur zwei Klagen eingegangen und die seien nicht begründet. Das zeugt von einer solchen W e l t f r e m d h e i t auf einem Gebiete, wo Tausenden uud Zehntausenden die Groschen aus der Tasche gezogen werden, wofür sie gar nichts bekommen, daß man an das Wort er- innert wird: waS nicht in den Akten steht, existiert nicht. Die meisten bei der Abonnentenversicherung in Betracht konimenden Personen sind viel zu unerfahren, um ihre Ansprüche im Rechtswege geltend zu machen. In einem Falle war jemand in? Betrieb tödlich verunglückt, alle Bedingungen für die Auszahlung von 1000 M. waren vorhanden. Da erschien nach acht Wochen:iil Vertreter deS Verlages bei der Witwe uud bot ihr eine Abfindung*** 100 M. an. sonst laufe sie Gefahr, gar nichts zu bekommen.(Hört hört I bei den Sozialdemokraten.) Ein Bundesratsvertreter, nament- lich wenn er juristisch vorgebildet ist. wird uns vielleicht sagen, nqch den bestehenden Gesetzen ist er zu solchem Anerbieten berechtigt gewesen. Wie die Dinge>0 liegen, nützt kein Herumreformieren an der Abonnentenversicherung, sondern das Uebel muß an der Wurzel aus- gerottet werden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herr Caspar hat am 20. März v. I. auch versucht, die großartigen Leistungen der Abonnentenversicherung herauszustreichen; die Summen, die den Versicherten auS der Tasche g ez ogeu sind, hat er da- bei nicht angeben können. Um wieviel Hoffnungen und Millionen die Versicherten betrogen sind, entzieht sich seiner Kenntnis. Mit der Begründung deS Ministerialdirektors, einzelnen seien Beträge ausgezahlt, könnte man auch jede Lotterie verteidigen.(Sehr richtig! bei öen Sozialdemokraten.) Alle maßgebenden Kreise haben sich gegen die Abonnentenversicherung ausgesprochen, vor allem der Verein deutscher Zeitungsverleger. Zu unserem Vorgehen werden wir nicht etwa durch Kon« kurrenzrücksichten unserer Presse veranlaßt. Wo diese einmal Ein- gang gefunden hat, sorgt sie für Aufklärung, und die Abonnentenversicherung hört dann bald auf. Also nicht eigensichtige Motive bewegen unS, sondern als berufene Vertreter der ärmeren Klassen fühlen wir uns verpflichtet, dafür zu sorgen, daß nicht unter dem Deckmantel der Wohlfahrt für die ärmeren Klassen einzelne Unternehmer sich die Taschen füllen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Staatssekretär Delbrück : Nachdem im vorigen Jahre die Resolution Bassermann hier angenommen war, die eine Denk- schrift über Abonnentenversicherung verlangte, habe ich mich an die Regierungen um Material gewandt. ES ist fast vollständig ein- gegangen; ich werde nun bald an die Bearbeitung der Deiilschrift gehen und hoffe, daß wir dann zu einer Verständigung darüber kommen werd«, ob ein gesetzliches Eingreifen notwendig ist. Abg. Dr. Marcour(Z.): ES handelt sich hier nicht um eine Parteisache. Alle Parteien sind hier einig und nur ganz vereinzelte Blätter von bürgerlichen Parteien betrerben diese Ver« sicherung notgedrungen wegen der Konkurrenz der parteilosen Blätter. Ich freue mich, daß nun endlich eine Denkschrift über diesen Gegen- stand uns vorgelegt werden soll. Ferner möchte ich die Aufmerk- samkeit deS AufsichtSamtS für Privatversicherung auf die Volks- Versicherung lenken, die nicht mindere Schäden zeitigt, wie die Abonnentenversicherung.(Sehr richtig!) Abg. Werner(Antis.): Auch wir verurteilen die Abonnenten' Versicherung. Besondere Aufmerksamkeit sollte das Amt der Fusion von Versicherungsgesellschaften zuwenden. füsiliert worden war. Er war aber nur verwundet worden und oie Gendarmen hatten ihn zwei Stunden nach der„Erschießung" als„lebende Leiche" gefunden. Der Oberst wollte nicht härter sein als das Schicksal und ließ den vom Tode Auferstandenen frei. Drei Stunden darauf wurde der Mann noch einmal vorgeführt: ein Pförtner hatte ihn zur Anzeige gebracht und ihn der Polizei übergeben. Um ihn zu retten, schickte der Oberst ihn ins Gc- fängnis nach Versailles , indem er den General in einem Empfehlungsschreiben bat, dem auf so wunderbare Weise geretteten Manne die Freiheit wiederzugeben. Der Brief ging jedoch verloren und wurde erst ein paar Tage später, glücklicherweise aber noch zur rechten Zeit, gefunden; die Familie des Revolutionär» hatte die Hoffnung, den jungen Mann wiederzusehen, schon aufgegeben. Ter hier erwähnte Oberst sah sich ein paar Tage später einem anderen hochdramatischen„Falle" gegenüber: Man brachte ihm einen alten Herrn, der sehr vornehm aussah und freimütig er- klärte, daß er für die Kommune gekämpft habe, während sein Sohn, der mit ihm zugleich verhaftet und eingeliefert worden war. aussagte, daß er(der Sohn) von den Kommunarden nur als Geisel zurückbehalten worden sei und mit der Kommune selbst nichts zu tun gelabt habe. Der Richter nahm nun den Sohn be- sonders ins Verhör, und der junge Mann gestand, daß er von seinem eigenen Vater, einem zweiten Brutus, den Kommunarden über« geben worden sei; er sei dann freigelassen worden und habe den Vater auf Schritt und Tritt begleitet, um mit ihm zu sterben oder ihn zu retten. Ter Oberst war von dieser Erzählung so er- griffen, daß er die beiden Männer freiließ und auf sein Richter- amt, dem er sich nicht gewachsen fühlte, verzichtete. Notizen. — Theaterchronik. Im Neuen BolkS-Theater (Neue freie Volksbühne) wird am Montag„Der Königs- leutnant* von Karl Gutzkow zum ersten Male aufgeführt. — Zeitschristenschau. Der„Pan", der von Alfred Kerr gegründet war und nach dessen Austritt vom Verleger bugsiert wurde, geht in einen neuen Verlag über und wird vom 1. April ab wieder von Kerr geleitet. — DaS Ende deS französischen Wander- theaterS. DaS„ambulante Nationaltheater" deS Direktors Gömier, daS im Frühling mit Lokomotiven und Rollwagen auszog. um der Provinz gute Theaterkunst zu vermitteln, hat ein rasches Ende gefunden. Am Dienstag kam alles unter den Hammer. Die Lokomotive » und die Garderobe- und Logenivagen, der Zeltapparat die Kostüme und Dekorationen. Für alle zusammen wurden 130 000 Fr.«löst. Die Herstellungslosten hatten 650000 Fr. be- ttagen.
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