Eine sehr ausgedehnte und teilweise heftige Debatte ent- stand über die O st m a r k e n z u l a g e n, die im national' liberalen Abgeordneten S ch I e e einen begeisterten Ver- teidiger fanden. Auf diese etwas wortreiche Darlegung ant- wartete Genosse Wendel mit der Anführung bestimmter geschichtlicher Tatsachen. Einige etwas scherzhafte Wendungen erregten die Entrüshing der Rechten und namentlich des Herrn Schultz, dem Graf W e st a r p beisprang, vornehmlich um das Zentrum zu ermahnen, bei der dritten Lesung bewilli» gungsfreudiger zu sein. Das lehnte der Abgeordnete Dr. Spahn einstweilen wenigstens ab, nachdem noch der Pole S e y d a gegen die Korruptionsprämie polemisiert hatte. Nach einer letzten Entgegnung des Genossen Ledebour auf die hakatistischen Anfälle des Herrn Schultz wurden in namentlicher Abstimmung die O st markenzulagen mit groher Mehrheit abgelehnt. Tie Einnahmen des Postetats gaben unserem Genossen Ulrich noch Veranlassung, über die ungünstigen Verhältnisse von Offenbach energische Beschwerde zu führen. Damit war der P o st e t a t erledigt. Ten Etat der Reichs- d r u ck e r e i wollten die Gewerkschafts-Christen Becker» Arnsberg und Behrens zu einer Hetze gegen den Buch- druckerverband mißbrauchen. Sogar der Leiter der Reichs- druckerei mußte diese Herren verleugnen, denen unsere Ge- nossen Hildenbrand und Artur H o f m a n n noch ge- hörig heimleuchteten. Ten Abschluß der Sitzung bildete eine äußerst heftige Ab- wehr des Abgeordneten Dr. S t r u V e gegen eine allerdings bösartige Insinuation der„Deutschen Tageszeitung", die sogar so perfid war, daß der Abg. Dr. Oertel sie preisgeben mußte, fast ohne einen Versuch, sie durch mildernde Umstände zu decken. Der Sukkurs, den die Abgg. Graf W e st a r p und andere ihm in dieser schwierigen Lage liehen, konnte den agrarischen Führer nicht aus der Verlegenheit retten. Die Herren Hoff und Dr. S t r u v e sowie Genosse Stadt- Hägen stellten besonders fest, daß Herr Dr. Oertel nicht einmal den Anstand gehabt habe, die schlimme Entgleisung seines Blattes zu bedauern. Der Präsident vertagte um 7 Uhr und wünschte vergnügte Ferien. Die Universitäten im Geldsackparlament. Das Dreillassenhau» ist gestern, Donnerstag, in die Oster- ferien gegangen, ohne— o Schmerz laß nach!— den KultuSetat erledigt zu haben. Und am 16. April wird auch zunächst der Eisen. bahnetat in Angriff genommen werden. Erst etliche Tage später wird man, bei den höheren Lehranstalten, erst wieder Herrn Trott zu Solz' gesenkte Stimme flüstern hören. Gestern wurde zunächst die Debatte über die Frankfurter Universität zu End« geführt. Nachdem der Fortschrittler F u n ck den Herzenswunsch der„Zeil " pertreten und der Nationalliberale Dr. v. Campe in dem lammfrommen Sinne de? Antrags Fried- berg, von dem man noch hören wird, gesprochen, vertrat Genosse Dr. Liebknecht die Ansicht unserer Fraktion. Nichts ist so charakteristisch für den Dreiklassenlandtag, al» daß unser Genosse bei schärfster Betonung des Rechts des Parlaments doch seine Zweifel nicht verhehlen konnte, ob nicht noch«her von der Krone als von den Junkern und Heiligen eine halbwegs erträgliche Ent- scheidung zu erwarten seil Dr. Liebknecht wandte sich auch in Uebereinstimmung mit unseren Genossen im Hause Limpurg, dem Frankfurter Rathaus«, gegen da» ganz« Projekt, da» die zu der- .Einigenden Frankfurter wissenschaftlichen Institute dem preußischen "Unterrich.tsabsolutiSmuS ausliefern will— nur um das Recht, -'staatSgültig zu prüfen und Zeugnisse auszustellen. 0 Noch mal» rief Herr v. Trott den Frankfurter UniversttätS- gründern die KultuSparol«:.Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben!" zu, nochmals beruhigte er die kleinlichen Konkurrenzkrämer, die am liebsten daS Aufkommen neuer Universitäten verbieten möchten. nochmals besänftigte er die wackeren ZentrumSmänner, die Lieb- knecht tüchtig gegeißelt hatte, und dann war die Abstimmung. Ein freikonservativer RückverweisungSantrag fällt, und angenommen wird FriedbergS UniversttätSprodukt: die Regierung möge die Universität nur als richtige StaatSuniversität, Modell 1807 wohl, gründen lassen, natürlich auch nur mit der in der Hut de» Herrn Trott zu Solz so wundervoll gedeihenden königlich preußischen Freiheit der Forschung und Lehre... Durch die Annahme diese» Antrag» soll, nach der Meinung de» DreiklassenhauseS, der sozialdemokratische, auf volle Freiheit und Selbstverwaltung der Frankfurter Universität, erledigt sein. In der Tat: preußische StaatSuniversität und Freiheit und Selbstverwaltung vertragen sich nicht miteinander! Bei der allgemeinen Aussprache über die Universitäten schnitt man unserem Redner einfach da» Wort ab. Der„Oberpräsident" de» Hauses. Rabe v. Pappenheim , gab zu, daß dies aus Scheu vor Liebknechts Red« geschehe. DaS half den guten Leuten aber wenig, denn bei den Einzeletat» der Universitäten von Berlin und Halle peitschte unser Genosse daS System der Polizeiaufsicht, der „Sitte ", unter die man die Hochschulen zu stellen bestrebt sei. Er illustrierte seine Ausführungen durch die furchtbare Affäre des russischen Studenten DubrowSky und die systematische Drang. salierung der frei studentischen Bewegung. Ueber eine akademische ProtektionSafsäre, die Liebknecht besprach, schwieg sich die Regierung aus. Zu erwähnen ist sonst nur noch daS Eintreten deS fortschritt- lichen Abg. Eickhoff für die Unterweisung der künftigen Aerzte und Juristen in der sozialpolitischen und Versicherungsgesetzgebung. S«in Antrag, gegen den die Regierung und— Herr Friedberg„Be- denken" haben, ging an die Unterrichtskommission. Herrenhaussitzung. Am gestrigen Donnerstag verabschiedete die Erste Kammer zunächst die Vorlage über die Eingemeindung Box- hagen-Rummelsburgs nach Lichtenberg . Dann wurden ein Schock Petitionen erledigt. Die meisten ohne Debatte. So z. B. hatte man für die Bitte des Görlitzer Magistrats, die Fortbildungsschulen mit dem Religionsunterricht zu ver- schonen, nur den Uebergang zur Tagesordnung übrig. Besser behandelte man eine Berliner Lehrerpetition um Beförderung von Schiilerausflügen zum Kinderfahrpreis. Ter wackere Dr. v. Burgsdorff , einer der Gediegensten in diesem Hause, sprach sich für die Petition aus, damit die Ber - liner Kinder eher mal lebende Kühe und Schafe sehen können. Aber müßten sie darum wirklich erst aus Berlin hinausfahren? Auch die Regierung stellte sich zu dieser Petition freundlich. .Eine andere Petition wünschte, daß für Berlin der zweite Teil des Gesetzes zuni Schutze der Bauforderungen in Kraft gesetzt werde. Die Vorbedingung dazu, ein grassieren- der Riesenbauschwindel, muß aber erst durch weitere Er- Hebungen festgestellt werden. Immerhin war auch das. was Graf Schulenburg mitteilte, nicht von Pappe: In Steglitz machten im Vorjahre von 102 Baugewerbetreibenden 72 pleite— das langt. Ter Graf sprach auch von den vielen leerstehenden Wohnungen in Groß-Berlin: 72 000 Woh. nungen und 18 W Geschäftsräume! Und doch lebt das Volk zusammengepfercht, in stinkenden, lichtlosen Hinterhäusern, in nassen Kellern und in„Gartenwohnungen" vor bemalten Brandmauern.... Erst im Mai tritt das Herrenhaus wieder zusammen. Umfall der Zentrumslakaien. Wie aus Straßburg telegraphiert wird, ist der G n a d e n f o n d s des Kaisers, der von der Budgetkommisston der Zweiten Kammer deS elsaß -lothringischen Landtages seinerzeit gestrichen worden war, durch eine Mehrheit auS Zentrum, Lothringern und Liberalen in seiner ursprünglichen Höhe wieder eingesetzt worden._ Die klerikale Reaktion in Bayern . Ein interessanter Zufall fügte es, daß am Donnerstag un- mittelbar Hintereinader der altbayerische Bauernbündler Eisen- b e r g e r und der Ministerpräsident v. Hertling sprachen. Der Bauernbündler in seiner bäuerlichen Tracht verteidigte mit kräfti- gem und zielsicherem Humor daZ Wahlabkommen der Bauernbündler mit der Sozialdemokratie. Er trat für einen freien und unabhängigen Bauernstand ein, verspottete ergötzlich den geistlichen Mißbrauch der Religion für Zentrumszwecke und forderte Freiheit politischer Uebcrzeugung für jedermann. Eisenberger gab auch offen zu, daß die Sozialdemokratie eine sehr sachverständige und eifrige Tätigkeit zum Nutzen der Landwirtschaft im Parlament ent- wickelt habe. Nach diesem Bekenntnis eines freien Bauern hielt der Minister- Präsident v. Hertling die reaktionärste Rede, die seit vielen Jahren in Bayern gehört worden ist. Er proklamierte geradezu den Umsturz von Gesetz und Verfassung. Ueber die Geheimnisse des MinisterwechselS lehnte er auch jetzt jede Auskunft ab; nur gab er zu, daß er in der Tat von einem unverantwort- lichen Ratgeber, dem altliberalen Scharfmacher v. Auer, für den Posten vorgeschlagen worden sei. Auch für die Vorgänge im Bundes- rat hatte er lediglich inhaltlose Worte. Schroff lehnte Herr v. Hertling jede Wahlrechtsreform in der Rich- tung des Proporzes ab. Ueber feine Stellung zur Sozialdemokratie und zur Beamten- schaft erklärte er unter großer Bewegung des HaufeS:„ES wurde schon wiederholt gefragt, was ich mit dem Appell an die Beamten- schaft meinte, und es wurde angedeutet, als ob vielleicht die Regie« rung damit umginge, den Beamten, die in dem hinter uns liegen- den Wahlkampfe für einen Sozialdemokraten gestimmt haben, nach- träglich den Prozeß zu machen. Daran denkt die Regierung nicht. Die Worte bezogen sich nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft. Ich mache daraus kein Hehl, daß ich es für unzulässig halte, wenn in einem monarchischen Staate ein Staatsbeamter für einen Sozialdemokraten eintritt.(Lärm links, Rufe: Das ist. ausgezeichnet!) Wer als Beamter in den Dien st des Staates tritt, ist verpflichtet, auch für den Staat als solchen einzutreten. Er ist de»- halb auch im monarchischen Staate verpflichtet— ich spreche hier nur von Gewissencspflichten—, für die Aufrechterhaltung der mon- archischen Staatsordnung einzutreten, und sich von solchen Be- strebungen fernzuhalten, die, wenn auch auf dem Wege friedlicher EntWickelung und allmählicher Belehrung, die monarchische Staat»- form mit einer republikanischen vertauscht sehen möchten. Ich halte eS dahei für unzulässig, daß im monarchi - scheu Staate ein Staatsbeamter für die Sozial- demokratie tätig ist. Taraus folgt für uns— und hierin sind die Mini st er vollkommen einig— daß ein Angehöriger der Sozialdemokratie nicht al» Staatsbeamter an- gestellt werden kann. DaS gilt auch bezüglich der Bestätstsiing der ~"hm Sie e» denn nicht sclbstverständliK, daß der monarchische Staat zu seinen Beamten und zu den Trägern staatlicher Funktionen überhaupt keinen solchen heranzieht, der auf Ihrem Standpunkt steht, die Sie doch als letztes Ziel eine, wenn auch friedliche, Umwandlung der gesamten heutigen Staats- und Gesellschaftsordnung anstreben?" Hertling bekannte sich dann als ein überzeugter Monarchist und erörterte ausführlich die sozialdemokratische GcschichtSphilosophie. Allgemeine Verblüffung rief der Schluß seiner Rede hervor. Er gab nämlich die Sammelpolitik auf und rief den Liberalen drohend zu:„Sollte man im Hause mit Ihnen(den Liberalen) nicht zu einer friedlichen Verständigung kommen, dann muß es auch anders gehen!"_ Tie Einberufung des nationalliberalen Vertretertages. Der Vertretertag. der laut Beschluß deS Zentralvorstandes vom 24. März innerhalb sechs Wochen einberufen werden soll, um die Gegensätze in der Partei zu klären, wird, wie die.National- Zeitung' mitteilt, am 12. Mai in Berlin im Zoologischen Garten stattfinden. Politische Polizei und Zechenverband. Wegen der Hilfe, die die politische Polizei in Essen dem Zechenverbande bei der Ermittlung der Mitglieder de» Steigerver- bände» geleistet, hat sich der Vorsitzende de ? Verbandes am 18. März beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf beschwert. Darauf ist folgende Antwort eingegangen: „Die Ermittlung der Namen der Mitglieder d«S Steigerver- bandes und ihre Bekanntgabe an den Zcchenverband ist durch einen Beamten der Polizeidirektion in Essen veranlaßt worden, ohne daß der Herr Polizeipräsident davon Kenntnis hatte. Der' von Ihnen genannte Kriminalfchutzmann ist dabei nicht selb- ständig tätig gewesen. Der von dem Zechenverbande gezahlte Betrag ist lediglich zur Deckung entstandener Unkosten verwandt worden. Postbeamte find an der Angelegenheit nicht beteiligt gewesen. In Uebereinstimmung mit Ihren Ausführungen ist der Herr Polizeipräsident der Ansicht, daß die Polizei im Auftrage und für Rechnung eines privatwirtschaftlichen Vereins unter keinen Umständen tätig fein dürfte. Er hat daher dem betreffenden Be- amten feine schärfste Mißbilligung ausgesprochen und strengst« Anordnung getroffen, daß ähnliches nicht wieder geschieht. Mit den Maßnahmen de» Herrn Polizeipräsidenten bin ich vollkommen einverstanden." gez. Kruse. Aus der Antwort ersieht man, daß der Polizeiassessor sehr leichten Kaufes davongekommen ist, besonders da ihm geglaubt wird, seine Auslagen feien so hoch wie die empfangene Geldsumme gewesen. Die ihm vom Polizeipräsidenten ausgesprochene Miß- billigung ist keine Strafe für sein Verhalten. Man vergleiche da- mit nur einmal die jetzt gefällten Urteil�wegen Dtreikvergehens. Der Polizeiassessor hat bewußt dazu beigetragen, eine Reihe pflichttreuer Männer um ihre Existenz zu bringen nnd sie dem wirtschaftlichen Elende auszuliefern. Dafür hat er sich bezahlen lassen, denn solche hohen Auslagen— man spricht von 1900 M., die er bekommen— hat das Abschreiben der Adressen nicht er- fordert. Damit hat er nicht nur die Pflichten seines Amtes ver- letzt, sondern, da er seine Untergebenen zur Bestechung anderer Personen verleitet, hat er sich auch strafbar gemacht. Trotzdem behält er seinen Posten, und man spricht ihm nur die Mißbilligung aus. Vielleicht oder wahrscheinlich liest man schon in wenigen Mo- naten, daß er di« Treppe zu besserer Stellung hinaufgestürzt ist. Fünf Millionen für den Hamburger Hafen . Die Hamburger Bürgerschaft hat am Mittwoch einstimmig einen dringlichen Senatsantrag angeiiomlnen, in welchem mit Rücksicht aus den stark gestiegenen Schiffsverkehr für den weiteren Ausbau der Hafeneinrichlungen rund fünf Millionen Mark verlangt werden. Es handelt sich um Neuanlagen und Schiffsliegeplätze.— An demselben Abend ist die Bürgerschaft auch in die Budgetberatung ein» getreten.____ Zwei Blutopfer des Militarismuö. Der militaristischen Kasernenkultur mit ihrem Drill und ihrem Zwang, mit ihrer Vernichtung des Menschentums und der Er- drosselung der freien Persönlichkeit sind wieder zwei Menschen- leben zum Opfer gefallen. In der ostpreußischen Garnison - stadt Osterode hat sich am Mittwoch eine Tragödie ab- gespielt, die nur im Kasernenmilieu entstehen konnte und die sich nur aus dem Wesen des Militarismus heraus begreifen läßt. Nach einer Meldung des„B. T." wurde am Dienstag- vormittag gegen 11 Uhr Hauptmann Reetsch, der Kompagnie- chef der 11. Kompagnie des Infanterieregiments v. Grolman (1. Posensches) Nr. 18, auf dem Kasernenhof von dem der gleichen Kompagnie angehörenden Musketier Ehnersleben, der im ersten Dienstjahrc stand, erschossen. Der Musketier befand sich auf dem Gange seines Kompagniereviers und schoß vom Gangfenster auS mit seinem Dienstgewehr auf seinen Hauptmann. Dieser wurde in die linke Brustseite getroffen und stürzte sofort tot zu Boden. In der Begleitung des Offiziers hatten sich einige andere Offiziere befunden. Bevor sich diese im ersten Schreck klar wurden, was eigentlich geschehen war, krachte auch schon ein zweiter Schuß auf dem Kompagniegang. Der Musketier hatte sich selbst durch einen Schuß in den Kopf getötet. Ehe noch einige im Kompagnierevier anwesende Unteroffiziere und Soldaten herbeieilen konnten, war die Tat geschehen. Beide Leichen wurden in die Leichenhalle deS Garnisonlazaretts gebracht. Nach einer weiteren Meldung des„B. T." soll Hauptmann Reetsch gegen seine Untergebenen sehr streng gewesen sein. Wenn auch noch keine näheren Nachrichten über daS furcht- bare Kaserncndrama vorliegen, so läßt sich doch schon jetzt annehmen, daß der Musketier Ehnersleben durch die ,�Er- ziehnngsarbeit", die er in der Kaserne über sich ergehen lassen mußte, derart zur Verzweiflung gebracht worden ist, daß er sein junges Leben von sich zu werfen entschloß, daß er aber den wirklichen oder vermeintlichen Urheber seiner Oualen mit sich nehmen wollte in das Reich deS ewigen Schweigens. Wir wollen, solange uns keine Einzelheiten über die grausige Tragödie vorliegen, annehmen, daß der erschossene Hauptmann kein brutaler Soldatenpeiniger ge- Wesen ist, daß er vielleicht weder die Neigung noch daS Be- Ivußtfcin gehabt hat, die ihm unterstellten Mannschaften zu schinden und zu quälen; er war vielleicht„nur" ein strenger, diensteifriger Offizier, ber den Anforderungen, die das mili- taristische System an ihn und seine Kompagnie stellte, gerecht werden wollte. Aber gerade die grausamen Fordeningen dieses Systems zwangen ihn zu Maßnahmen, die von den Mannschaften der Kompagnie als Härte und Ouäkerei empfunden wurden.� Pie Soldaten sifld trotz allen Drills und aller Erziehung zum Kadavergehorsam fühlende und denkende Menschen, und daS einzelne Individuum reagiert je nach Charakter und Erziehung verschieden aus Druck und Zwang. Was der eine mit stumpfer Gleichgültigkeit, der andere mit spöttischem Leichtsinn erträgt» löst in dem Dritten dumpfen Haß und wilde Verzweiflung auS. Und zu dieser letzten Art von Leuten mag der unglückliche MuSketier gehört haben. Er und der Hauptmann, sie sind beide die Opfer eines Systems geworden, das neben vielen anderen schon auS diesem Grunde reif ist, für immer auS der Welt geschafft zu werden. frankrelck. Eine entführte Leiche. Paris , 27. März. sEig. Ber.) Heute hätte daS Leichenbegängnis des von einem Streikbrecher ermordetetcn Chauffeurs Bedhomme von der Morgue stattfinden sollen. Der Minister deS Innern hatte seine Zustimmung gegebe», aber er hatte nicht mit dem mächtigeren Herrn Lspine gerechnet, der seine Neigung, Arbeiterkundgebungen schikanös zu behindern, auch dann nicht opfern will, wenn unerhörte Brigantentaten der Polizei wahrlich ganz andere Aufgaben weisen. Während Genosse Francelle mit der Mairie deS 4. ArrondissementS verhandelte, um die Einzelheiten bei Leichenzugs zu regeln, ließ der Polizeiprüfekt gestern die Leiche BedhommeS holen und unter Eskorte von 169 Polizeiagenten nach Levallois- Perret führen. Di« Polizisten wurden zartfühlenderweise in Automobilen transportiert, di« die Gesellschaft„La F r a n- yaise", zu deren Streibrechern der Mörder gehört, zur Verfügung gesielt hatte!— Der Zweck dieses Willküraktes war, eine Kundgebung in Paris unmöglich zu machen- Lüpine wollte auch, daß das Begräbnis vom Hotel auS, das Bedhomme in LcvalloiS-Perret bewohnt hat, stattfinde, doch weigerte sich der Eigentümer, die Leiche aufzunehmen und so konnte es der Polfzei- gewaltige nicht verhindern, daß die Leiche im GcwerkichaftShauS der Chauffeure aufgebahrt wurde. DaS Begräbnis findet morgen statt, sofern nicht die Polizei zur Schädigung der Manifestation weitere Hindernisse ouSsinnt. Levallois , 28. März.(W. T. B.) Bei der Beerdigung des Krafttvagcnführers Badhomme kam es heute am Ausgange des Kirchhofes zu Streitigkeiten zwischen der Polizei und Manisestan- ten. Diese wurden zerstreut. Snglancl. Tom Mann aus der Haft entlaffen. Salford , 28. März. Das Gericht hat die Entlassung des Arbeiterführers Tom Mann aus ber Haft genehmigt, nachdem es eine schriftliche Bürgschaft dafür erhalten hatte, daß der Angeklagte, solange das Berfghren gegen ihn schwebt, seine die Soldaten zur Meuterei aus- reizenden Erklärungen nicht wiederholen werde. Keine Abtretung der Walfischbay. London , 28. März. Unterhaus. Faber fragte au, ob Staatsiekrelär Grcy irgend welche Mitteilung über die Möglichkeit der Abtretung der Walfischbay an eine fremde Macht sgemeint ist Deutschland . D. R. ) machen könne. Grey erwiderte, die Antwort müsse negativ lauten, da ihm keinerlei Gründe bekannt seien, eine derartige Abtretung in Betracht zu ziehen.
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