Dr. 77. 39. Jahrgang.1. Kcilagc te Jonuitfü" Knlim PolMiitt.Zmlilaz, 81. Miy IM-Der Krieg.Vom tripolitauischen Kriegsschauplatz.Rom, 30. März. Die„Agcnzia Stefani' meldet aus Tobruldorn 29. d. Mts: Der Feind machte heute einen Vorstoß gegen dieArbeiter an den Befestigungen des neuen'FortS. wurde aber nach einemcinstiindigen Feuergcfecht mit Verlust zurückgewiesen. Auf italienischerSeite wurde ein Mann leicht verwundet.— Eine Karawane, dievierzig Kamele zählte und in die Nähe der italienischen Befestigungenkam, wurde durch Artilleriefeuer unter Verlusten zerstreut.I« Erwartung des italienische» Flottenangriffs.Konstantinopcl, 30. März. Das Pressebureau dementiert dieMeldung des Erscheinens italienischer Kriegsschiffe in der Nähe vonMytilene.Wie es heißt, werden Vorbereitungen zur Räumung der großenstaatlichen Pulverfabrik von Zeitun Burun getroffen. Die Fabrikliegt an der Küste des Marmara-MecreS. fünfzehn Kilometer vonKonstantinopel entfernt.Kein Kohlcnmangel bei der italienischen Marine.Rom, 29. März. Die.Tribuna" dementiert die Meldungder„Zeit*, wonach ein französischer Offizier behauptet hätte. Mangelan Kohle hindere die italienische Marine daran, mit der notwendigenSchnelligkeit zu handeln., Tribuns' erklärt diese Behauptung fürvöllig unbegründet. Der Kohlenvorrat der italienischen Kriegs-marine reiche für länger als ein Jahr, selbst wenn die ganze Flottekriegsbereit gehalten würde.Zur Vorgeschichte des Krieges.Rom, 28. März. fEig. Ber.) Der KriegZkorrespondent des„Avanti", Genosse Guarino, beschäftigt sich in einemlängeren Artilel mit den Vorwänden, durch die man der öffentlichenMeinung die V Erzeugung von der Notwendigkeit des Krieges bei-gebracht hat. Einmal hätte es geheißen, daß die Türken durch ihreVerfolgung des italienischen Elements den Italienern jede Handels-täligkeit in Lydien abzuschneiden drohten. Dann hat man die Ge-fahr hervorgehoben, daß andere Mächte Lydien besetzen könnten.Weiter hat man diese Besetzung als ein glänzendes Geschäft,Tripolitanien und die Cyrenaika als das gelobte Land hingestellt, undschließlich sollte der Krieg das italienische Nationalgefühl stärken undheben.Von diesen verschiedenen Argumenten behandelt Guarino nur daserste, indem er betont, daß man über die wirtschaftliche Leistungs-fähigkeit heute noch nichts sagen könne, so lange nur ein geringerTeil von Tripolitanien überhaupt in italienischen Händen sei undder Besuch der Cyrenaika allen, die das Land studieren wollen, sogut wie unmöglich gemacht würde. Wie es um die Gefahr einerBesetzung durch andere Mächte und um die Hebung des National-gefühls steht, das könne inan vom Kriegsschauplatz aus nicht be-urteilen. Dagegen sei es hier möglich, sich von der angeblichen Be-drängung der Italiener und ihres Handels durch die Türkei eineBorstellung zu machen. Diese Bedrängung beruht dem Korrespon-denten zufolge nur auf interessierten Erfindungen und Ver-zerrungen des„Banco di Roma*. Alles, was man in den letztenJahren als türkische Bedrückung ausgegeben hat, stellt sich in derNähe besehen, als ein Widerstand dar, der dem AuSbeutertum des»Banco di Roma* entgegengestellt wurde. Als diese Bankalle 27 Steinbrüche von Gargaresch und Zanzur auskaufen wollte,um sich Monopol zu schaffen, oerbot dies der türkische Gouverneur,weil es sich um militärischen Grund und Boden handelte. Alsdann die Bank eine Art Trust bilden wollte, um die griechischenSchwammfischer auszubeuten, untersagte ein„Jrade* die Schwamm-fischerei. In der Folge suchte die Bank den größten Teil desGrund und Bodens von Tripolis aufzukaufen und wurdeauch hierin von den türkischen Behörden gehindert. Diessind die»schrecklichen Verfolgungen*, die der italienische Handel inTripolis zu erdulden hatte: die türkischen Behörden suchten deninländischen Handel gegen die Fangarme eines die Gegend aus-wuchernden und alle Produklionsquellen monopolisierenden Institutszu schützen I Um solcher Dinge willen hat man die öffentlicheMeinung verhetzt, was mit System und Konsequenz besonders vondem Tage an geschah, als die Bank gewahr wurde, daß sie riskierte,einen Teil ihrer ausstehenden Kapitalien einzubüßen, weil viele ihrerUnternehmungen ohne Hand und Fuß waren. Um die verpfuschteSpekulation wieder einzurenken, war dann der Krieg das allerbesteMittel. Daher hatten alle.Tripolitanienforscher* der letzten Jahreso innige Beziehungen zur Bauco di Roma.kleines feuilleton.Theater.*Lustspielhaus: Das lauschige Nest, Schwank vonJulius Hör st und Artur Lippschütz. Nach dem Schemader Pariser VerwechselungSschwäuke hergestellt, kann dies Produltder deutschen Firma Horst-Lippschütz die Konkurrenz mit der imStammland fabrizierten Ware gut aufnehmen. Ja in der Kunst,durch mrbulent gehäufte Berrückcheiten das Zwerchfell zu erschüttern.erscheinen die Verfaffer behender als der Durchschnitt fremderSchwankautoren, der in dem Residenz- und Trianon-Theater zuWorte kommt. Nach den etwas umständlichen Vorbereitungsarbeitendes ersten Aktes. der die ertüftelten Voraussetzungen zur An-stiftung des Wirrwarrs darlegt, entfaltet sich der Unsinndann rasch mit solchem Uebermut, daß der anfängliche Eindruck desKalkulierten ganz zurücktritt.»Das lauschige Nest*— gleichzeittgvon zwei Parteien, dem intriganten Schwiegersohn und dem ausAbenteuer erpichten Schwiegerpapa gemietet— wird Schauplatzeiner Hetzjagd drolligster Ueberraschungen. Die Idiotie eines sichpfiffig dünkenden Agenten, der seine Aufträge konsequent verwechselt(von Franz Arnold in fanioser Maske dargestellt), dient als Vehikelfür den Zweck. Schließlich schwirrt alles, was sich da versteckt hat:Schwiegereltern, Ehepärchen und eine Sippe leichter Damen, vomSturmwind eines entfesselten Staubsaugeapparates angeblasen,phantastisch durcheinander. Ein Zirkusclou, der aber unwiderstehlichkomisch wirkte. Die Regie hatte die Pointen aufs sorgsamste heraus-gearbeitet. Sehr flott humoristisch gab Herr Bach den ruhelosumhergetriebenen, hinter immer neue Schwindeleien sich flüchtenden, Schwiegersohn. ckt.Das Trianon-Theater wartete am Freitag gleich mitzwei Novitäten wälschländischen Herkommens auf, die beide derberotische Sächelchen— im Munde führen; denn in dem zwciaktigenLustspiel»Der Ehemann am Fenster* von Lucio dÄmbra,womit die Chose begann, geht eigentlich nichts vor, was den Gaumeneines gelüstigen Sittlichkeitsschnüfflers reizen könnte. Da ist esbestenfalls der reichlich mit Schlüpfrigkeiten unterspickte„Kon-versalionston', in dem sich die geburtsadlige Gesellschaft vonNizza— weil sie eben anders vor Faullebigkeit umkäme— zu bewegen scheint. Der Baron möchte ja gern mit einer russischenBalletteuse ein bißchen Ehebruch treiben; die Frau jedoch weiß sichihm im Augenblick seiner feurigsten Extase zwischen Dunkelund Siechstminit geschmeidig unterzuschieben. Ein gräflicherLebegreis, der hinwiederum gern mit der Baronin ein Abenleuerchenhaben möchte, putzt sich, geprellt, die Nase.— Der folgende Ein-akter:„Ein angebrochener Abend*, frei nach Feraudyvon Otto E i b e n s ch i tz. ist kein Lustspiel; nur eine ziemlich zwei»Die Kevoluflon In China.Das neue Kabinett.London, 30. März.„Times* berichten auS Nanking: Nacheiner Besprechung mit Juanschikai und der provisorischen Negierunghat der neue Premierminister Tangchaoyi der Nationalversammlungin Nanking die Liste der Mitglieder seines neuen Kabinetts unter-breitet. Unter ihnen befindet sich Tsaoywanpoi, der seine Studienin Deutschland absolviert hat und welcher das Portefeuille desMinisters des Innern übernommen hat. Der Kabinettschef unddie übrigen Mitglieder des neuen Kabinetts haben der Sitzungder Nationalversammlung beigewohnt, die von 40 Abgeordnetenbesucht war.Entschädigung für die ausländischen Opferder Soldatcumeuterei.Peking, 28. März. Bei der Truppenmeuterei in Tientfln sindzwei Fremde, darunter ein Deutscher, getötet worden. Diechinesische Regierung hat den Familien der beiden Opfer 2S0 000Frank Schadenersatz angeboten.Die iiivliltenvergiftiingen vor Gericht.(Dritter Tag.)In der gestrigen Sitzung dreiste sich die Beweisaufnahmehauptsächlich um die Fragen: Ist Methylalkohol ein tödlichwirkendes Gift? Mutzten das die Angeklagten'wissen? SindPersonen nachweislich infolge des Methylalkohols gestorben?Die Vernehmung der Sachverständigen ergab, datz unzweifel-Haft eine grotze Reihe Personen, darunter keineswegs ent-kräftete, infolge des Genusses von Methylalkohol verstorben,andere schwer erkrankt sind. Datz auch Personen, die Holz-geist genossen haben, gesund geblieben sind, beweist natürlichnichts gegen die giftige, Leben und Gesundheit gefährdendeWirkung des Methylalkohols.Nach Eröffnung der Sitzung durch Landgerichtsrai Brieskornwurde die Beweisaufnahme fortgesetzt. Schankwirt Boldt, derseinerzeit von Scharmach Methylalkohol bezogen hatte, bekundet,daß ihm Redomske eines Tages mitgeteilt habe, er sei in der Lage,ihm billig Sprit zu verkaufen. Er habe sich einverstanden erklärt,nachdem der Preis auf 1,80 M. priP Liter festgesetzt worden sei.Redomske sei dann mit Scharmach bei ihm vorgefahren. Letztererhabe erklärt, daß nicht Redomske, sondern er selbst den Sprit liefere.Er, Zeuge, habe geglaubt, daß der Sprit mit Wasser verdünntsei, weil er so billig sei. Er habe deshalb noch besonders gefragt,ob er auch die richtigen Prozente habe, was von Scharmach bejahtwurde. Bon Methylalkohol habe er nicht das geringste gewußt.Am nächsten Tage habe seine Frau versehentlich zwei Arbeitern,die ein geroßes Glas„schlesischen Korn" verlangt hätten, den reinenMethylalkohol eingegossen. Die beiden Arbeiter hätten das ziemlichgroße Quantum ausgetrunken und keinerlei schädliche Wirkungenverspürt.Die übrigen Zeugen, die Sprit von den Angeklagten entnommenhaben, bleiben am Berichterstattertisch unverständlich.Längere Zeit verweilt die Beweisaufnahme bei dem folgendenFall: Frau Elisabeth Haupt, verwitwete Güsseld und deren Sohn,der Steindruck« Güöfeld, haben vier Wochen vor Weihnachten vonScharmach eine Flasche Sprit mit zirka 1 Liter Inhalt erhalten.Außerdem hat Frau Haupt noch eine kleine Flasche Reichel-Rum-essenz gekauft und dann aus beiden nach dem angefügten RezeptRum gemacht. Sie will dazu ziemlich viel Wasser genommen haben,so daß der Rum ziemlich dünn ausgefallen ist. Hiervon habenFrau Haupt, deren Mann, ihr Sohn Güsseld und die Dienstmädchenkleine Portionen in den Tee gegossen und getrunken. Am Heilig-abend hat Paul Güsseld von dem noch vorhandenen Rest des an-gefertigten Rums ein größeres Quantum und den Rest FrauHaupt, deren Mann und das Dienstmädchen getrunken. Diese blie-den gesund, Paul Güsseld aber erkrankte. Als er am 25. Dezemberabends seine Braut besuchte, klagte er über heftige Kopfschmerzen,ließ sich Wasser geben, bekam Erbrechen, Leibschmerzen und starbdann in der Nacht. Der Arzt hatte Alkoholvergiftung festgestellt.Der Angeklagte Scharmach bleibt trotz vieler Vorhaltungendabei, daß er an Frau Haupt die Reichelsche Essenz in der OriginalReichelschen Verpackung geliefert habe. Staatsanw. Dr. Gutjahrwundert sich, daß der Angeklagte gerade in diesem Falle so vieleEinwendungen macht, wo doch viele andere Fälle auch noch vor-liegen. Es sei doch in den Leichenteilen Methylalkohol nachgewiesendeutige, dennoch ziemlich lederne Duoszene in einem wirtshäuslichenCbarnbrs separde. Weil die Chanteuse Mila von ihrem altenreichen Liebhaber heute im Stich gelassen wird, entschädigt sie sichmit dem Servierkellner; das heißt, nicht hier, sondern sie nimmtihn auf ein Schäferstündchen mit— nach Hause. HanS Junker-mann war da milieusicherer als vorher als Vicomte, und JuliaGerda ließ als Baronin wie als Brettldämchen weder Charmenoch Temperament vermissen. Hans Stock(Baron) und OlgaLimburg(Tänzerin) vervollständigten das Spieler-Vierblatt.e. k.Kunstgewerbe.Glasmalerei.(Ausstellung Potsdamer Str. 38; Wochen-tagS 9—5, Sonntags 12—5. Eintritt frei.) An diesen Scheibenvorbeiwandernd, kann man eine farbenfrohe halbe Stunde erleben.Indessen die Arbeiten sind nicht gleichwertig, manches Stück ist völligverfehlt. So muß der vereidete Türmer, wenn er zum Besuch rät,zugleich seine Warnung und sein Lob schreiben. Also nach der Reihe,die man abschreitet: Raum 4. Die Bilder von Julia Wolfthornsind nicht für GlaS gedacht, sondern für Leinewand. Raum 5.Die dekorative Füllung, die Paul Scheurig entwarf, auch seineDame in Blau, das sind zwar Stücke von schwererFarbflüssigkeit, aber sie sind geistreich. Raum 7. Man denktimmer noch zu sehr an Staffeleibilder; die Flora von Fr. Wilh.Mayer ist wohl sehr farbig, diese Farben fließen aber gar zu zäh.Raum 11. Fr. Christophe hat eine sehr lustige Scheibe erfunden:bunte Fische schwimmen zwischen Pflanzen. Das Flimmern desWassers ist ausgezeichnet in Glas übersetzt; man fühlt die kalteFeuchtigkeit. Eine ganz ähnliche Arbeit hängt in Raum 12. AlfredBöld, ein sehr geschickler Techniker, nahm weißes Glas verschiedenerTransparenz und Struktur und machte daraus ein Spiel der Fischeund Wellen nach dem Vorbild japanischer Schablonen. Das Schwarzewird dabei durch die Verbleiung geleistet; sie füllt dem Volumennach die Hälfte der ganzen Sache. Die Glasstücke wirken wie ein-gesprengt, flirrend, kreiselnd. Der Spaß iA recht lustig.Ganz amüsant sind auch die Scheiben von Ludwig Holbein, dienoch in Raum 11 hängen; opale, aber doch klare Gläser wurden indrastischen Silhouetten geschnitten, plakatartig. GipkenS zeigt inRaum 13 ein großes Dielenfenster von kräftiger Buntheit; einBlütenkranz, breit und sonnentrunken, bildet den Rand, in der Miltekreischt ein Papagei. Die Scheiben von Boehle in Raum 17sind verfehlt; genau so ließe sich auf Holz malen. Da-gegen ist die Leda von Alfred Böld in Raum 13eine zwar bedenkliche, aber doch wirksame Arbeit. Bedenklich, weildas viele Schwarzlot, schattiert und radiert, die ganze Scheibe zuweichlich, beinahe wattig erscheinen läßt; wirksam durch das auf-geschmolzene Silbergelb, das recht pikant feuerwerlt. Das großeDielenfenster von Rudolph jund Fia Wille in Raum 19 istsehr langweilig: dadurch, daß man ein Buchschmuckmotiv,worden.— Rechtsanw. Dr. Werthauer: Ich würde ja den objektivenBefund in allen Fällen als nachgewiesen halten und zugeben, daaber diese Dinge hier ausführlich erörtert werden, muß ich auchdas einzelne feststellen und muß deshalb beantragen, daß FrauHaupt beauftragt wird, die vielleicht noch vorhandene Reichelflaschean Gerichtsstelle zu bringen.— Vors.: Uns kommt es nicht daraufan, wenn die Verhandlung auch Wochen dauern sollte.Im Anschluß hieran wird der Sachverständige Gerichtschemi.kcrDr. Jcserich vernommen. Er erstattet eineneingehenden wissenschaftlichen Vortrag über Methylalkohol,Anthylalkohol, Weingeist usw.Dr. Jeserich hat 37 Leichen untersucht und mit Ausnahme vondrei in allen in schwieriger Untersuchung Methylalkohol nachweisenkönnen. Auf eine Frage der Verteidigung erwidert er, daß ihmbekannt sei, daß in der Chemie Methylalkohol aus giftig an-gesehen werde. Aber er wisse auch, daß dies xn der Praxisviele Leute nicht wissen; bekannt sei, daß früher viel-fach Politurspiritus von Arbeitern, die damit zu tun haben,getrunken ist. Ter erste, dem es gelungen war, Methyl-alkohol darzustellen, sei der Chemiker und Besitzer einer Holz-verkohlungsanstalt Krell gewesen. Es sei bekannt, daß dieser ausFreude darüber eine Mcthylaltoholbowle gebraut und seine Freundedazu eingeladen hatte. Die Herren seien ganz vergnügt gewesenund es sei ihnen nichts passiert. Einer der Mittrinker war dernoch lebende Generalsekretär des Vereins für chemische Industrie,Direktor Wenzel gewesen.— Rechtsanw. Dr. Werthauer hält escventl. für notwendig, diesen Herrn zu laden.— Rechtsanw. Bahn:Wieviel Sekt in die Bowle gegossen worden, steht wohl nicht fest?iHeiterkeit.)— Dr. Jeserich: T-as weiß ich nicht.— Rechtsanw. Dr.Josse: Wann ist der Herr Sachverständige selbst zu der Ueber-zeugung gekommen, daß Methylalkohol so stark giftig ist?— Dr.Jeserich: Etwa vor 6—7 Jahren passierten solche BergiftunsZsällein Ungarn.— Dr. Joffe: Ist diese Kenntnis Allgemeingut derchemischen Wissenschaft?— Dr. Jeserich: Es ist schwer zu sagen:jeder müsse es wissen. Der eine weiß es, der andere n-s�t.Vors. Landgerichtsrat Brieskorn: Wer solche Sackas in dasPublikum bringt, hat aber doch wohl die Pflicht, sich darüber zuvergewissern, ob sie giftig oder nicht giftig sind?— Dr. Jeserich:Nach meiner Meinung gewiß. Es spricht bei solchen Vorkomm-nissen auch die mehr oder minder große Empfänglichkeit des ein-zelnen mit, ob das Getränk bei vollem oder leerem Magen ge-nassen ist usw.— R.-A. Dr. Joffe: Es gibt doch eine bestimmteListe von Giften, darauf stand doch Methylalkohol nicht, es ist docherst nach diesen Vorfälle� der Liste zugefügt worden.— Dr. Jeserich: In das Verzeichnis der Giftstoffe war es nicht aufgenommen.— Justizrat Dr. Jvers: Es existiert doch ein Reichsgesundheitsamt,welches bis dahin noch nichts über Methylalkohol veröffentlicht hat.— Nebenkläger R.-A. Bahn: Das liegt einfach daran, daß niemanddaran gedacht hat, daß Methylalkohol getrunken Werdern könnte.—Dr. Joffe: Das war doch nichts Neues mehr, denn wir haben dochgehört, daß schon Todesfälle in Ungarn vorgekommen waren. Wiesohat die Behörde nun gar nichts getan?— Dr. Jeserich: Danachmüssen Sie die Behörde fragen.— Nebenkläger R.-A. Bahn: TerAngeklagte hat auch das Werk von Buchheister besessen; in diesemsteht ausdrücklich, datz Methylalkohol giftig ist.— Dr. Joffe: Istes nicht richtig, daß Methylalkohol auch zu therapeutischen Zweckenverwendet wurde, beispielsweise zur Auflösung von dem bekanntenSalvasan?— Dr. Jeserich: Ja, das ist richtig.— Dr. Joffe: Alsohat doch wohl Prof. Ehrlich die Giftigkeit des Salvasans auch nichtgekannt??— Beisitzer Landgerichtsrat Kricuer: Darauf ist dochsofort darauf hinzuweisen, daß, als in Budapest zwei mit Sal-vasan behandelte Offiziere starben, Prof. Ehrlich sofort erklärt hat,daß die Ursache die zweifellos zu große Dosis von Methylalkoholzur Lösung des Salvasans gewesen sei.— R.-A. Bahn beantragt,Prof. Ehrlich zu laden, um ihn über diesen Punkt zu hören.Geh. Med.-Nat Professor Dr. Strnsimann bekundet als Gut-achter u. a. folgendes: er habe in 32 Fällen obduziert und ist zudem Schluß gekommen, daß bei einigen dieser Fälle Anzeichen einersolchen Methylalkoholvergiftung nicht vorlagen, solche aber bei denmeisten Fällen mit Sicherheit oder doch mit grosser Wahrscheinlich-keit anzunehmen ist. Die chemische Untersuchung des Dr. Jeserichhat ja in den letzteren Fällen ein positives Resultat gehabt; damitsei aber zunächst nur die Annahme des Genusses von Methhlschnapsund die Möglichkeit einer Vergiftung nachgewiesen. Der Tod seiabhängig von der Menge des aufgenommenen Giftes und von derkörperlichen Konstitution des Trinkers. Er habe nur alle die Fälleals sicher angenommen, in denen durch die chemische Untersuchungder Nachweis von Methylalkohol geführt ist und die anatomischeUntersuchung keine andere Todesursache ergeben hat, außerdemauch übereinstimmend die charakteristischen Symptome vorlagen.Geheimrat Strassinann erklärt auf verschiedene Fragen noch, daßauch berücksichtigt werden müsse, daß es sich in den meisten Fällenum Personen handelt, die gewohnt sind Alkohol in größeren Men-das außerdem den Wienern entlehnt ist, neben einanderreiht, kann man noch längst nicht eine Fläche delorativbeivältigen. In Raum 20 gibt es bunte Blumen, dieEhmcke aus klaren Gläsern zusammenstellte. Ganz ftech aber sinddie kleinen Scheiben von Julius Klinger; er ätzt Ueberfanggläscrso, datz die Oberschicht, etwa rot, bald ganz fortgenommen ist, baldnoch ein wenig stehen bleibt und rosa wirkt. Dazu kommt einespaßige, flott geschmissene Zeichnung. Sehr interessant ist die Arbeitdes Baselers Mangold; er stellt seine Figureil ganz hell in dieFläche; das gibt den Eindruck edelster Klarheit. Schwer undpathetisch dagegen ist Otto Gußmann; sein Christus, der technischwohl das beste Stück der Ausstellung ist, hebt sich gespensternd auSblauer Mystik; ein Rot schreit grell durch die Dämmerung._ E. Er.� Nötigen.— M u s i? ch r 0 n i?. Am ersten Osterfelertag eröffnet dieKomische Oper ihre Sommersaison, in der sie borwiegendWerke heiteren Genres zur Darstellung bringen wird, mit der Posse„Ein aufgelegtes Geschäft" von F. W. Hardt und Hermann Frey,Musik von Walter Kollo.— Vorträge. Am Montag, den 1. April, 8 Uhr abends, sprechenim Blüibner-Saal(Lützowstraße'76) auf Veranlassung des DeutschenMonistenbnndes Prof. Ludwig Stein über„Die Entwickclung desweltbürgerlichen Gedankens von der Antike bis zur Gegenwart" undder Präsident des Bundes, Prof. Wilh. Ostwald, über„Die Ktlltur-organisation der Erde".— K u n st ch r o n i k. Die Sezession eröffnet ihre Aus-stellung am Donnerstag, den 4. April. Außer den BerlinerSezesfionisten und ihrem Nachwuchs werden besonders die extra-Vaganten Pariser Richtungen der„Expressionisten",„Kubisten" und„Futuristen* vertreten sein.— Der Berliner Volkschor veranstaltet am Karfreitag,3 Uhr abends, im großen Saal der„Neuen Welt* eine Aufführungvon„Judas Makkabäus". Außer dem Volkschor und dem Blülhner-Orchester wirken mit: Frau Hedwig Marck(Sopran), Frl. LillyHoffmann-Wicsbaden(Alt), Herr Karl Geil(Tenor), Herr EgonSöhnlin(Baß), Herr Walter Fischer(Orgel), Herr W. Scholz(Cembalo) und der Hastungsche Knabcnchor. Vgl. auch die heutigeAnnonce.Ein neues Radiuminstitut wird in Berlin am1. April am Luisenplatz 6 eröffnet werden. Zweck dc£ Instituts istdie Erforschung der biologisch-therapeutischen Wirkungen aller radio-aktiven Stoffe. Laboratorien für chemische, pflanzenphysiologischeund Tierversuche sind eingerichtet. Im ganzen besitzt das Radium-institut etwa 15 Arbeitsplatze. Mit dem Institut ist eine Poliklinikverbunden, in der Radiumspezialisten aller Art tätig seist verdöst.Das Institut steht unter Leitung von Prvsejsor His,