dB die Schalter und Beweger des ganzen gesellschaftlichen Lebens. Ter Streik hatte ausgehört, ein bloß Wirt- schaftlicher Kampf zu sein, er wurde die alles be- herrschende Tatsache der Politik. Und das in dem Lande, das uns als das gehabte Land deS sozialen Friedens gepriesen wurde, in dem Lande, wo der Sozialismus eine ausländische Erfindung, der Klassenkampf ein unver- standencL Fremdwort sein und bleiben sollte. Kein Wunder, daß die Flammenzeichen, die die englischen Bergarbeiter den Herrschenden ihres Landes entzündet haben, weit hinaus in alle Lande leuchten, und daß überall das Kapital mit Angst und Sorge in seine Welt blickt, die in ihren Grundfesten erbebt, und bang sich fragt, ob diese Erschütte- rungen etwaS anderes fein können als die Geburtswehen einer neuen Gesellschaft. Und gerade die Mächtigsten und Weit- blickendsten im Herrschaftsbereich des Kapitals sind es, die sich solche Zweifelsfragen vorlegen. In der Generalversammlung des Verbandos mährisch- schlesischcr Industrieller hat der Generaldirektor Schuster der Witkowitzcr Eisenwerke, des führenden Werkes des öfter- reichischen Eisenkartells, dessen Hauptaktionär Rothschild ist, eine Rede gehalten, in der diese Furcht vor der kapitalistischen Götzendämmerung zum präzisen Ausdruck kommt. Die „Wiener Arbeitcr-Zeitung" ist in der Lage, den Wortlaut dieser natürlich nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten Rede wiederzugeben. Die wichtigsten Stellen lauten: „Der ungeheure Kampf, der in England tobt zwischen den Arbeitern einerseits und dem Unternehmertum andererseits, ragt weit hinaus über die Bedeutung eines gewöhnlichen wirtschaftlichen Lohnkampfes, wie wir ihn in den verschiedenen Ländern an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten erlebt haben. Hier handelt es sich keineswegs darum, ob den Arbeitern ein gewisses Matz in der Erhöhung ihrer Bezüge zuerkannt und die Möglichkeit geboten werden soll, ihre Lebenslage zu verbessern, die Lebens- Haltung der Arbeiterschaft zu erhöhen, es ist vielmehr ein politischer Machtkampf allerersten Ranges. Denn das, was an Lohnerhöhungen nebenbei mitgefordert wird, ist von vollkommen untergeordneter Bedeutung und ist— so möchte ich sagen— nur nach auhen hin die Verbrämung der wirklichen, letzten und wahren Wünsche, die gleichwohl das erstemal in unverhüllter Deutlichkeit zum Durchbruch komnien. ES handelt sich— der Streik ist nur der Rahmen— um eine Generalheerschau, welche die Gewerkschaften und sozial- demokratischen Bereinigungen des englischen Reiche? abhalten, um sich die Gewihheit darüber zu verschaffen, wie die Führer auf die breiten Massen zählen können, wennsieeSa nf den letzten Kampf um die Macht a n k o m m e n l a s s e n w o I l e n. Ob dies gelingt oder nicht ge- lingt, in welchem Ausmaß diesen Bestrebungen von den Engländern Rechnung getragen wird, ist von entscheidender Bedeutung für die gesamte Industrie nicht nur Englands, sondern der ganzen Welt. Wir leben in einer Zeit so rascher Umwandlungen wie nie zuvor. Ich verweise auf die großen politischen Umwand- lungen der letzten Jahre, in welchen die Regierungsformen in ein- zclnen Staaten in einer Kürze sich änderten und umgewandelt haben, wie wir dies niemals früher gesehen haben. ES ist eine merk- würdige Unruhe, in die die Bewohner der Erde gekommen sind. Bor fünf Jahren wäre jemand, der den Stand- Punkt hartnäckig vertreten hätte, China werde bald eine Republik werden, als verrückt erklärt worden. Die jetzige Erscheinung des plötzlichen AufflammenS einer grotzen mächtigen Bewegung unter der Arbeiterschaft ist in erster Linie als politisches Moment zu be- krachten, das sich aller Voraussicht nach zu einer gewaltigen U in wälzung auS wächst, von der wir keineswegs wissen, waS sie am letzten Ende an Reugestalttingen zu schaffe ir imstande ist. Durch die Solidaritätserklärung der deutschen Bergarbeiter mit den englischen ergibt fich eine Perspektive von größter Tragweite. Denn verfolgt man den Gedanken bis zu seinen letzten Konsequenzen, so ge- langt man dahin, daß auch das stehende Heer, das sich zu in größten Teil aus den Arbeiter- massen rekrutiert, den Dien st versagen könnte in den, Moment, wo die herrschendeMachteSauf- ruft zum Kampfe für jene Ideale, für die wir bisher bereit waren, das Schwert zu ziehen. Wenn der Arbeiter in s ei n er Ei g e n sch a f t alsSoldat versagt, dann er- öffnen sich Perspektiven, die geradezu in das ab- solute Dunkel hineinführen. Bon diesem Gesichtspunkt und dem schon erwähnten ist der jetzige Kampf außerordentlich wichtig. Es wäre aber vollkommen verfehlt, wenn wir, die wir als Vertreter jener Wirtschaftsgruppe zu gelten haben, die an der Erhaltung des Bestehenden das außer- ordentlich st e Interesse hat, uns mit der Tatsache abfinden und glauben würden, daß wir uns dieser Erscheinung willenlos zu unterwerfen haben. Verloren ist nur, wer fich selbst aufgibt. Diese Bewegung werden Ivir nicht aufhalten, können sie aber doch in ein Tempo bringen, daß sie der bestehenden Ordnung nicht zu großen Schaden bringt." „Wir»verden die Bewegung nicht auf- halten." DaS sagt in vertrautem Kreise einer der mächtigsten Kapitalherren! Nur zu hemmen hofft er sie noch. Neue Mittel weiß er freilich auch nicht. Der österreichische Herr Schuster ist nur ebenso wie der deutsche Kirdorf ein erbitterter Feind des gleichen Wahlrechts, und da er es nicht beseitigen kann, so sucht er es zu vergewaltigen und schlägt seinen Jndustrickollegen die Schaffung einer mächtigen Wahl- organisation vor, die mit denselben Mitteln wie die Herren vom Zentralverband Unternehmersöldlinge statt Arbeiter- Vertreter ins Parlament schicken soll. Doch das ist untvesentlich. Interessant ist aber die Er- kenntnis dieses Kapitalmagnaten, daß wir uns mitten drin in der sozialen Revolution befinden, und sein Geständnis, daß die Mächtigen der alten Welt an diesem Schicksalslauf der Geschichte nichts ändern können. Dieser Feiitd sieht klar und von ihm dürfen wir lernen. ver Krieg. Eine eigenartige Kriegsvermittlung. Genosse P a r v u S schreibt uns aus Konstantinopel : Die Komödie der Friedensvermittlung geht ihrem Ende ent- gegen, es unterliegt kaum einem Zweifel mehr, daß sie scheitern wird, und es ist auch bereits durchaus offenbar geworden, welches der eigentliche Zweck der russischen Diplomatie war: nämlich der, für Italien die politische Situation zur Erweiterung der Kriegs- operationen seiner Flotte vorzubereiten. Da die italienische Armee auf dem afrikanischen Kriegsschau- platze sich keine Lorbeeren erobert hat, bildet man sich in Italien ein. durch Flottenangriffe die Türkei zur Nachgiebigkeit zwingen zu können. Der Wunsch ist hier der Vater des Gedankens. Die Situation ist für den italienischen Imperialismus allerdings sehr kritisch geworden. Denn die Hoffnungen, die man auf die große FrühlingSkampagne gesetzt hatte, sind nun offenbar ebenfalls zu- nichte gclvorden. Der afrikanische Sommer mit seiner furchtbaren Glut rückt heran und macht wettere große KriegZuuternehmungen bis zum Herbst unmöglich. Wohl aber werden die großen Massen- ansammlungen auf dem Kriegsschauplätze im Sommer Eholcra und sonstige Epidemien zur Folge haben. Den maritimen Aktionen Italiens in den europäischen Ge. wässern stand bekanntlich bis jetzt der Wille Europas entgegen. Dieses Hindernis zu beseitigen, hat nunmehr die zarische Diplo- matie übernommen, und das scheint ihr auch gelungen zu sein. Damit im Zusammenhang steht der Wechsel in dem Verhalten Rußlanads der Türkei gegenüber, der äußerlich in dem ostentativen Wechsel der gesamten russischen diplomatischen Vertretung in Konstantinopel zum Ausdruck kam, innerlich—- in der Truppen- konzentration im Kaukasus . Daß bei dem Banditengeschäft des europäischen Konzerts, in dessen Gefolge Tripolitanien an Italien ausgeliefert wurde, auch für Rußland etwas als„Kompensation" abfallen müßte, war ja zu ervxirten. Tatsächlich begann denn auch gleich mit dem italieni - schen Einfall in der leitenden türkischen Presse, offenbar von der russischen Diplomatie genährt, eine Preßkampagne für den Plan, die Meerengen an Rußland freizugeben. Schließ- lich kam denn auch Herr Mandel st amm selbst, die rechte Hand und vielleicht auch der leitende Geist deS Herrn Tscharikoff, zum Worte, wobei zwischen ihm und Hussein Djahid vom„Tanin" eine llebcreinstimmung der Ansichten sich offenbarte, die zu rührend war, um nicht auffallend zu sein. Allein tveder die Presse, noch das Parlament waren für den Vorschlag zu gewinnen. Der Ver- lauf des Tripolitanischen Krieges, der die türkische Bevölkerung mit Selbstbewußtsein erfüllte, war erst recht nicht geeignet, die türkische Regierung zu politischen Konzessionen bereit zu machen. Die ganze fein eingefädelte diplomatische Aktion fiel ins Wasser. Nunmehr geht die zarische Diplomatie darauf hinaus, die Komplikationen im Orient zu vermehren, um desto leichter ihre Ziele durchsetzen zu können. ES kann sich dabei ebensogut um die Meereugen wie um Landokkupationen in Anatolien handeln. Au alle Fälle braucht die zarische Regierung eine Schlvächung und De- mütigung der Türkei , um sie gefügiger zu machen, sie braucht poli- tische Bertvickelungen, aqS denen sie, die Rivalität der tvesteuro- päischen Großmächte unteve-inander ausnützend, für sich Vorteile ziehen könnte. Deshalb schürt die zarische Regierung den Krieg unter dem Vorwand, den Frieden zu vermitteln. Gesetzt nun, Italien erhalte von Europa den Freipaß für seine maritimen Aktionen, tvas würde es tun? Man spricht davon, daß es einzelne Inseln besetzen werde. Da- mit wäre ihm unbedingt in keiner Weise geholfen. Die Okkupation einer Insel hat bloß als Zeitungsphrase einen Klang. In Wirk- lichkeit ist es nichts. Denn das ganze Archipel mit seinen Hunderten von Inseln umfaßt eine Bevölkerung von kaum 3<X)(1<)k1 Personen- Die Besetzung einer Insel ist also ungefähr wie etwa die Besetzung eines Dorfes oder höchstens einer kleinen Provinzstadt an der fran- zösisch-dcutschen Grenze. Damit kann man offenbar den Krieg nicht gewinnen. Die Forzierung der Dardanellen wäre eine Verzweiflungstat, die nur der Wahnsinn riskieren kann. Die Meeresengen sind gegen- wärtig bis in die nächste Nähe von Konstantinopel geschützt— Ivo- von sich der harmlose Wanderer lu seiner größten Ueberraschung überzeugt, wenn er die Umgebung der Stadt aussucht. Die Bombardierung von Saloniki wäre eine Barbarei, die doch nicht zum Ziele führen kann, wenn sie nicht von einer Blockerde be- gleitet wird. Also Blockaden! In Betracht kommen Saloniki, Smhrna und die Dardanellen, Das sind gewiß die Punkte, wo man der Türkei den größten wirtschaftlichen Schaden zufügen kann. Noch mehr aber wäre damit der europäische Handel geschädigt. Nicht allein die Türkei , ganz Europa würde diesen Zustand auf die Dauer nicht ertragen können und zu einer gewaltsamen Lösung des Problem» drängen. Rur durch die Beschränkung des Kriegsschauplatzes auf Afrika vermochte man es bis jetzt, loeitcren europäischen Verwickelungen zu entgehen. Sollte der Streich der zarischen Diplomatie gelingen, so Wird der italienische Imperialismus durch seine Verzweiflung»- aktionen die Gefahr des Krieges über ganz Europa herauf- beschwören. Ein Votum der italienischen Konföderation der Arbeit. Rom , den 6. April. (Eig. 23er.) Die Konföderation der Arbeit hat in der Plenarsitzung ihres Nationalrates einstimmig ein V o- tum gegen den Krieg angenommen und gleichzeitig feierlich die sozialistischen Abgeordneten desavouiert, die sich mittelbar oder unmittelbar zugun sten des Krieges ausgesprochen haben. Das Votum zeigt, daß die Konföderation trotz ihrer reformistischen Leitung keineswegs daran denkt, die Wege Bissolatis zu gehen. Vom tripolitanischen Kriegsschauplatze. Tobruk » S. April.(Meldung der Agenzia Stefan!.) In der Nacht vom 6. zum 7. April unternahmen etwa hundert Feinde einen Angriff gegen ein neues italienisches Fort, wurden aber durch Gewehrfeuer und die Schüsse der italienischen Maschinengewehre zurückgeschlagen. Gegen 2'A Uhr nachmittags wurden in sechs Kilometer Entfernung von» genanntem Fort Bewegungen feind- licher Truppen von Südosten nach Norden beobachtet, und abends gegen 7 Uhr wurden einige Gctochrschüsse in dieser Richtung ab- gegeben. Gegen 10A Uhr abends eröffnete der Feind ein leb» Haftes Getvehrfeuer, das die Italiener ebenfalls mit Getoehrfeuer und mit der Feldartillerie erwiderten. Bald darauf zog sich der Feind ivfolge der erlittenen Verluste zurück. Die Italiener hatten keine Verwundeten. Beschlagnahmtes Schiff. Port Said , 8. April. (Meldung der Agenzia Stefani.) Ein italienisches Kriegsschiff hat einen griechischen Dampfer aufgebracht, der Kriegskonterbande mit sich führte. Der Dampfer wird nach Tobruk gebracht werden. Jaurös protestiert. Paris , 9. April. JaureS erhebt in der„Humanite" Einspruch dagegen, daß der Generalresident von Tunis , Alapetitc, unter dem Drucke der araberfeindlichen Ansiedler sieben junge Eingeborene bestraft habe, weil sie eine Sammlung für die Türken veranstaltet hatten, während die Italiener in Tunis un- behindert für ihre Landsleute sammeln könnten. Die Revolution in China . Die Mongolei besteht ans ihrer Selbständigkeit. Urga, 8. April. (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) Der Hutuchta hat in Erwiderung auf Juanschikais Aufforderung, sich der Republik China an zu« ch ließen, erklärt, die Unabhängigkeit seines Lande« sei proklamiert worden, um die Unamastbarkeit der Religion im Territorium deS BogdovolkeS zu erhalten. Der Hutuchta bitte den Präsidenten der Republik , der mongolischen Regierung bei der Kon« stituierung ihrer inneren Verwaltung und der Festigung freundschaft- licher Beziehungen zu den Nachbarstaate» beizustehen und die Grenzen der Mongolei unter seinen Schutz zu nehmen. Er fügt hinzu, er persönlich wäre bereit gewesen, der Unabhängigkeit zu ent- sagen, er könne cS jedoch nicht, da eS dem Wunsche deS Volkes widerspreche. Er schlage dem Präsidenten daher vor, die mongolische Frage den interessierten Mächten zur Beratung und Entscheidung vorzulegen.___ politische deberlicbt Berlin , den 9. April 1912. Oldenburg II. Aus R ü st r i n g e n wird uns geschrieben: In Barel-Jever , dem zweiten oldenburgischen Wahlkreise, haben die Fortschrittler am zweiten Osterfeicrtage an Stelle des ver- storbenen Reichstagsabgeordneten Traeger ihren Dr. Wiemer als Kandidaten aufgestellt. Von unserer Seite ist Genosse Paul Hug , dessen Stimmenzahl in zweijahrzehntelangem Ringen immer mehr gewachsen ist, als Kandidat proklamiert, und da bei den letzten Wahlen ein großer Teil der Wähler weniger aus Sympathie für die sogenannten Ideale der Fortschrittler, als auS Pietät für den Abgeordneten Traeger stimmte, so ist die Gewinnung des Mandat» für die Sozialdemokratie in greisbare Nähe gerückt. Die Frei- sinnigen sind sich dieser Situation bewußt, und es hat deshalb auch lange gedauert, ehe sie sich zur Aufstellung WiemerS entschlossen haben. Bei den letzten Wahlen erhielt Traeger 12 204, der sozial- demokratische Kandidat 13014 Stimmen. 4000 Nationalliberale gaben in der Stichwahl den Ausschlag, doch siegte Traeger nur mit einem Vorsprung von 1700 Stimmen. Die größte Anzahl der Nationalliberalen hatte sich der Stimme enthalten. AuS der Zifferngröße geht unzweideutig hervor, daß die Freisinnigen aus eigener Kraft den Wahltreis nicht mehr halten können. Dessen sind sich die Führer auch bewußt. Das offizielle Organ der Frei- sinnigen, die„Liberale 5korrespondenz", schrieb dieser Tage bereits, es sei anzunehmen,„daß für die Stichwahl ein gemeinsames Operieren der bürgerlichen Elemente stattfindet, um den Wahlkreis dem Liberalismus zu retten". Die rote Gefahr ist aber gegen früher beträchtlich gestiegen: denn was dem sozialdemokratischen Kandidaten bisher den Kampf um das Mandat erschwerte, war die bekannte Popularität Traegers. Während in der größten Stadt des Kreises, dem neugebildeten Rüstringen , infolge des großen Ar- beiterpersonalS der kaiserlichen 2Verst in Wilhelmshaven die sozial- demokratischen Stimmen um ein bedeutendes überwiegen, gleicht das Land diesen Vorsprung ziemlich wieder aus. Doch wird die Werft in allernächster Zeit vergrößert, und die neu zuziehenden Wähler gehören meistens der Sozialdemokratie an. Die Nationalliberalen im Kreis«, ohne Aussicht auf Zurück- gewinnung des Mandats, haben den Fortschrittlern allerlei Vor- schriften über die Nominierung ihres Kandidaten gemacht. Kaum war die Nachricht durchgesickert, man wolle den sogenannten„ent- schiedcnen" fortschrittlichen Landtagsabgeordneten Tantzen»Hering aufstellen, als auch schon nationalliberale Preßstimmen laut wurden, dieser Kandidat hätte auf nationalliberale Unterstützung nicht zu rechnen. Darauf verschwand dieser Kandidat in der Versenkung. Das verstimmte den linken Flügel der Fortschrittler. Sie ver. langten einen Kandidaten, der„in den Fußtapfen Traeger« wandelt". Die Nationalliberalen bestanden jedoch auf ihrer Forderung— und so wurde Wiemer Kandidat der hiesigen Fort- schrittler._ Zum nationalliberalen Parteitag. Der linke wie der rechte Flügel der nationaUiberalm Partei rüsten emsig zu dem inneren Kampf um die Parteiherrschaft, der im nächsten Monat auf dem Berliner nationalliberalen Parteitag aus« gefachten werden soll. In Dortmund hat dieser Tage eine Ver« sammlung deS Borstandes der nationalliberalen Partei Westfalens stattgefunden, über die dem„Berk. Tagebl." berichtet wird: „Der Vorstand der nationalliberalen Partei für die Provinz Westfalen hat fich in einer hier abgehaltenen Sitzung mit der Krifis innerhalb der Partei beschäftigt und fich dahin ausgesprochen, daß die Einfügung deS Reichs- Verbandes der Jungliberalen in die Ge- samtpartei aus organisatorischen Gründen unbedingt veranlaßt werden müsse. Sollte der linke Flügel der Partei die darauf gerichteten Anträge der Westfalen ablehnen, stünden die Altliberalen der zlvingcndcn Notwendigkeit gegenüber, sich ebenfalls enger zusammenzuschließen, damit das Gleichgewicht nicht gestört werde. Hinausdrängen würden sich die Altliberalen unter keinen Umständen aus dem Hause lassen, das sie seit 40 Jahren bewohnten und in dem sie fich als ihrem eigenen Bau heimisch fühlten. Siatürlich wurde betont, daß die Fühlung nach rechts nicht verloren gehen dürfe." Die klerikale Schule und die Sozialdemokratie. In der Nr. 10 der klerikalen„Westdeutschen Lehrer« z e i t u n g" schreibt ein gewisser Lehrer Gier über das Thema: „Wie kann der Lehrer mithelfen an der Nieder« ringung derroten Gefahr?" Es heißt da: „So ist eZ also unbedingt notwendig, daß man die Sozialdemokratie im Unterricht erwähnt, nicht nur nebenher, sondern gründlich. Meines Erachten» ist e« deshalb praktisch, wenn in den letzten Wochen vor Entlassung auS der Schule der Geschichtsunterricht nur in Beleuch- tung und Widerlegung der sozialdemokratischen Grundsätze besteht. Und die Widerlegungen müssen fitzen : die Kinder müssen sicher darin sein; sie müssen sich förmlich etwas darauf einbilden, daß sie imstande find, diese weltbewegenden Gedanken auf ihre Unrichtigkeit zurückzuführen. Wenn eS möglich ist, wie man eS dann und wann leider erfährt, durch den Unlerricht die Kinder konfessionell gegen Andersgläubige zu verhetzen<I), fanatisch zu machen, so muß es auch möglich sein, sie gegen den Volksfeind(!)„Sozialdemokratie" zu ver- hetzen(II). Die Sache ist jedenfalls eines Versuches wert." So etwas schreibt ein Volks schullehrer! ES ist erschreckend auszudenken, welche Verheerungen dieser klerikale Jugendbildnrr durch seine bewußten Hetzereien in den Kinderseelen anrichtet. Dieser Lehrer ist zweifellos das Produkt seiner„Vorbildung" imd„Verbildung". Was weiß und versteht denn ein klerikaler Lehrer von den Gedanken des Sozialismus, die der Verfasser jenes Artikels elbst als lv e l t b e w e g e n d bezeichnet! Die klerikalen Lehrer, die versucht haben, durch das Studium auch nur einer sozialdemo- kratischen Broschüre sich ein Urteil über unsere Partei zu bilden, kann man an den Fingern einer Hand herzählen. Die Leser rekru- tieren sich zumeist aus kleinbürgerlichen oder bäuerlichen Familien und haben von Kindheit an die Sozialdemokratie als Teufelswerk betrachten gelernt. Im Seminar wird bei jeder Gelegenheit von der Sozialdemokratie unier Verwendung der albernsten Ammenmärchen graulich gemacht. Die„Gelehrten" der Seminare habe ihre„Kennt- niS" des Sozialismus beileibe nicht aus dem Studium irgendwelcher Ouellenwerke geschöpft, sondern die stammt aus gewissen frommen Geschichtsleitfäden, und mit solcher Leitfadenwissenschaft werden dann diese Lehrer auf die wehrlosen Proletarierkinder losgelassen.
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