Nr. 83. R.ZahtMg.t. KeilM des Amiills" KMer VxlkÄMkreila� April 1912.Der Krieg.Festsetznng der Italiener auf dir Karawanenstraße«ach Tunis.Rom, 11. April. Die amtlich gemeldete Besetzung eineSstrategisch bedeutsamen Punktes bei Zuara verwirklicht einen schonlange gefaßten Plan der Italiener, der bisher auS verschiedenenGründen unausgeführt bleiben mußte. Zuara wird als besonderswichtig angesehen, weil es der Knotenpunkt der großen Karawanenstraße ist. Man glaubt auch nunmehr die Einfuhr von Konterbandevon der nahen tunesischen Grenze unmöglich gemacht zu haben.Das bei Sidi Said gelandete Korps besteht aus einer ganzenDivision unter dem Befehl des Generalleutnants Garrioni, dem das30. und 6V. sowie Teile des 23. und 37. Infanterieregiments an-gehören, die teilweise frisch von Italien gekommen, teilweise aberauch von den Laufgräben bei Tripolis hergenommen worden find.Außerdem gehören dem Korps an: zwei Maschinengewehrzüge, eineBatterie Feldgeschütze, eine Batterie vom 10. Festungs-Artillerie-regiment sowie ein Bataillon eryträischer ASkari, die von Massauamit dem Transport des Grafen Cavour eingetroffen sind.Die Kevoiutioit In Giiina.Beschwerden der fremden Konsuln gegen eine« chincfischeuMinister.London. 11. April. Die.Times' melden aus Peking vom10. d. M.: DaS diplomatische Korps hat gestern über eineMeldung der Konsuln in Schanghai beraten, die das Per-halten des Militärgouverneurs der Chinesenstadt in SchanghaiT s ch e n t s ch i m e i, der kürzlich zum Kabinettsmini st er er-»annl wurde, zum Gegenstand hatte. Danach hat Tschentschimeiwohlhabende Chinesen aus dem Gebiete der europäischen Niederlassung gelockt, um sie draußen zu verhaften. In einzelnen Fällenhaben derartige Verhaftungen sogar in dem Bereiche der europäischenNiederlassung stattgefunden. Die Gesandten haben die Konsuln inSchanghai ermächtigt, geeignete Abwchrmaßregeln zu ergreifen, undder Erwartung Ausdruck gegeben, daß Tschentschimei der Schutz dereuropäischen Niederlaffung entzogen werde, wo er selbst aus Furchtvor der Verfolgung der Chinesen nachts Zuflucht zu nehme» pflegtAgrarier und Kapital.In den beliebtesten Schlagworten unserer Junker und Junker-genossen gehört, daß die Landwirtschast der segensreichste und not-toendigste Erwerbszweig eines Volkes fei, daß nur sie die echtenTugenden freier Männer unzweifelhaft züchte, während in allenanderen Erwerben und Bernsen leicht unlautere, großkapitalistischeInteressen sich breit machen konnten. Gegen die.Answüchse' desBank« und Börsenwesens verschwenden sie daher ein überlautesPathos, bei dem die eigene Einfachheit, Bescheidenheitund Echtheit ins Licht gerückt werden. Nun sind wirgewiß keine Freunde der kapitalistischen Spekulatton und all ihrerKonsequenzen; aber nicht, weil wir uns an einer Form besonders stießen, sondern weil wir grundsätzlich den Kapitalismus inallen seinen Spielarten bekämpfen. Vor unseren Augen findet Gnadeweder das Kapital, das agrarischen, noch das industriellen undkommerziellen Zwecken dient. Immerhin sehen wir aber mit de»politischen Vertretern des Handels eine infame Heuchelei in denWorten unserer Agrarier. Sie wettern gegen das Handelskapitalund treiben doch ganz dieselben Praktiken. Ja. von unseren Börsen«jobbern wird den Agrariern mit Recht vorgeworfen, daß es nichteinmal immer die selbst vom Standpunkt des nicht- agrarischenKapitalisten ans einwandfreien Manöver sind. Zwei Tatsachen,die in diesen Tagen bekannt geworden find, mögen das wiederumbelegen.Der Bund der Landwirte verkügt über eine besonderegenossenschaftliche Organisatron, deren Spitze die Genossen-schaftliche Zentralkasse des Bundes der Landwirte bildet.Ihrem Aufsichtsrat gehören Dr. Roesicke, Frhr. v. Wangenheim.Diederich Hahn u. a. an. Diese Zentralkasse befitzt, nach der„Frankfurter Zeitung', ein eigenes Vermögen von 300 000 MarkReserven und 1680 300 M. Geschäftsguthaben. Neben zwei MillionenMark wirklichen Kapitalsverfügt sie über eine Haftsumme vonkleines feuilleton.Die Auktion BcgaS. Am 16. d. MtS. wird im Berliner Kunst-auktionShauS, Zimmerftraße 13, die Versteigerung deS BegaSschenNachlasses beginnen. Fünfundzwanzig Arbeiten in Marmor oderBronze und etwa fünfzig gipserne Modelle und Abgüsse geben dasMaterial. Wenn man diese Stücke bedächtig anschaut, besondersdie Modelle kleinen Formats und dazu die Bildnisbüsten, möchteman beinahe glaubcu, daß dieser intime Begas einmal wiederhöher geschätzt werden wird, als wir das heute tun, die wir seinegroße» Denkmäler nur allzu genau kennen. Begas ist in der Tatein Opfer seiner Aufträge geworden. Daß er sich unterkriegen ließ,bleibt seine Schuld, beweist auch, daß in seinem künstlerischenOrganismus Mängel und Schwächen enthalten waren. Immerhin,Begas hat zu allen Zeiten, auch noch in seiner letzten Periode,über eine starke plastische Sinnlichkeit verfügt. Der Naturalismusdieser Frauenleiber war wirklich einmal revolutionär; die Gestedieser Figuren zeigt oft ein schön gebändigtes Temperament und istgar nicht immer im üblen Pathos befangen. Es lassen sich von dieserKunstLinien ziehen nach rückwärts zu Rauch und Schadow, nach vorwärtszu Engelmann etwa. Büsten wie die von Menzel werden immerbleiben. Daneben will auch ein Idealismus, wie er sich in derBüste von L a s s a l I e auslebt, als Symptom der Zeit begriffensein. Die Auktion wird den Gipsabguß dieser Büste, die Ende dersechziger Jahre geschaffen wurde, und deren marmornes Originalder Familie Lassalle gehört, zum Verkauf bringen. Mit dem Gips«obguß zugleich ivird das Reproduktionsrecht vergeben werden. Eswird also künfttghin irgendjemand nach dieser BegaSschen Lassalle-Büste Abgüsse in jeglicher Größe und in den verschiedensten Materialenvertreiben können.Kann man zu einer Operation gezwungen werden? Eine inter-essante Entscheidung, die in ihrer prinzipiellen Bedeutung in dasmoderne Wirtschaftsleben eingreifen kann, ist am Sonnabend vordem höchsten Schiveizer Gerichtshofe, dem Bundesgericht in Lausanne.gefällt worden. Es handelt sich um die Frage, ob ein durch einenBetriebsunfall arbeitsunfähiger Arbeiter, der durch eine Operationgeheilt werden könnte, gezwungen werden kann, sich dieser Operationzu unterziehen. Bor einiger Zeit erlitt in Basel ein Arbeiter einenUnfall, der ihn arbeitsunfähig machte; der Arbeitgeber wurde ver-urteilr, dem Arbeiter eine Pension zu zahlen. Gegendiese Entscheidung legte der Fabrikherr bei der höheren Instanz Be-rukung ein und machte auf Grund der Aussagen medizinischer Sach-verständiger geltend, daß der Arbeiter durch eine Operationgeheilt werden könnte und dann in kurzer Zeit wieder vollkommenarbeitsfähig fein würde. Der Arbeiter lehnte eS jedoch ab. sichdieser Operation zu unterziehen, worauf die Berufungsinstanz ihnzum Verlust der Pension verurteilte. Jetzt mußte sich das Bundes-aericht als letzte und höchste Instanz mit dem Fall beschäftigen. DaSurteil, das am Sonnabend verkündet wurde, gibt dem Arbeiter recht.stellt die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Pension fest und legt16 124 000 Mark. Diese Haftsummen sind nicht wirklich eingezahltesKapital, sondern bezeichnen nur die Grenze, bis zu welcher die 2V2 beteiligten Mitglieder hasten. Da nun natürlich die Zentralkaffe mitdem gesamten Kapital einschließlich der Haftsummen arbeitet, ergibtsich, daß die Verbindlichkeiten der Kasse viel größer sind als ihrewirkliche Leistungsfähigkeit. Ihr Kapital ist zum größten Teil nurnominell; ihm entsprechen keine wirklichen Grundlagen. Die Finanz«künste, aus nichts etwa? zu machen, beherrscht also der Bund derLandwirte genau so wie das von ihm geschmähte unproduktiveBörsenkapital. Die 292 Mitglieder der Zentralkasse, alles landwirt-schaftliche Genossenschaften, stehen dabei zum Teil mit sehr hohen Haft-summen zu Buch. Darunter befinden sich Gesellschaften von sehr Zweifel«haster Leistungsfähigkeit. Bei einer Anspannung des Kredits würdensie sich sehr leicht ais zahlungsunfähig erweisen, denn eingezahltwerden die Haftsummen ja nicht.Besondere Unterstützung dieses Systems, das vom privat-kapitalistischen Standpunkt ans als unsolide zu bezeichnen ist,leistet sich die Preußische Zentral-Genossenschafts«lasse, ein Institut, das sich vonseiten des preußischen Staats be-sonderen Schutzes erfreut. Trotzdem die Preußenkafse genau weiß,welche Bedeutung die Haftsummen haben, gibt sie hohe Beleihungendarauf.Auch mit der F l ü s s i g l e i t der Mittel, die jetzt der Reichs«bankpräsident bei den Banken mit aller Kraft zu heben sucht, haperter bei der Genossenschaftskasse recht sehr. Verbindlichkeiten von8,670 Millionen Mark stehen nur etwa 800 000 M. flüssige Ein-lagen gegenüber. Vielleicht sucht Herr Howenstein auch hier einmalzu bessern.Von einer kapitalistischen Betätigung in ähnlichem Genre be-richtet das„Berl. Tagebl.' Kürzlich ist ein Verband derGüterinteressenten Deutschlands gegründet worden.Das Ziel des Verbandes ist.die Errichtung einer Bank zugunsten de?ländlichen Grundbesitzes, welche der finanzwirtschastlichen Stärkungder Landwirte durch Gewährung eines ausgiebigen Kredits und Be-schaffung sogenannter zweiter Hypotheken dienen soll'. Erwartetwird, daß die Bank«die Verhältniffe des ländlichen Bodenkrediisund die Bewertung des ländlichen Grundbesitzes wesentlichbeeinflussen muß'. Die Aufgabe der Bank wird also daringesehen, die Bodenverhältnisie und ihre Bewertung— selbstverständsich preissteigernd I— zu beeinflussen. Andererseits aber soll dieBank das Kreditbedürfnis der Landwirte befriedigen, das ja geradedurch die Bodenpreissteigerungen so� dringend geworden ist.Die agrarische Zollpolitik hat im wesentlichen die Verteuerung deSBodens verursacht, unter der die Käufer von Grundbesitz nun selbstleiden.Interessant sind auch die Nebenabsichten der Gründer. Siehegen den Plan, eine Zeitschrift ins Leben zu rufen und suchenbereits jetzt Jnseratenaufträge zu erwerben. Auch werdenFirmen— von Kaufleuten und Industriellen!— aufgefordert, ihrInteresse für den neuen Verband durch hohe Beitragszahlungen<500 bis 6000 M.) zu bekunden. Zum Geldgeben sind natürlichauch diese Leute gut._Die Bergarbeiterbewegung.Die Zechenbesiher gebe» kein Pardon!Bekanntlich wollen die Zechenherren denjenigen Streikendenden Abzug der sechs Strafschichten erlassen, die laut Revers-Unterschrift erklärten, nur aus Furcht und gezwungen gestreiktzu haben. Mancher arme Schlucker und weniger festeCharakter ließ sich gewiß verleiten, durch seine Unterschriftsich selbst zu verleugnen. In welchem Umfange das geschehenist, und wieviel den Zechenherren dieses„Entgegenkomnien"gekostet hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Von dem abersolcherart gesammelten Terrorismusmaterial wird dieOeffentlichkeit jedenfalls noch etwas zu hören bekommen. Derchristliche Gewerkverein der Bergarbeiter hatte dann in einerEingabe an den Zechenverband ersucht, auch den Mitgliederndieses Vereins, die gestreikt haben, aber den für sie schmach-vollen Revers nicht unterzeichneten, die Kontraktbruchstrafe zuerlassen. Der Vorstand des Zechenverbandes hat in seinerletzten Sitzung beschlossen, den Zechen nicht zu empfehlen,diesem Ersuchen des Gewerkvereins stattzugeben. Dieser Be-schluß war als selbstverständlich vorauszusehen. Und denchristlichen Führern ist es nun nicht vergönnt, feurige Kohlenauf das Haupt ihrer„Feinde" sammeln zu können.dem Fabrikherrn die Kosten deS ganzen Rechtsstreites auf. In derUrteilsbegründung führt der höchste Schweizer Gerichtshof aus, daßkein Bürger gezwungen werden könne, sich gegen seinen Willenoperieren zu lassen, denn ein solcher Zwang würde einen Eingriffin die Rechte der persönlichen Freiheit m sich schließen.Die ältesten Brieffrankierungen. Ueber den Ursprung der Brief-frankierung in Frankreich(und wahrscheinlich der Brieffrankierungüberhaupt) macht ein Mitarbeiter des.Figaro' anläßlich des bevor-stehenden Jubiläums der Briefmarkcnkunde interessante Mitteilungen:Man schreibt die Erfindung der Briefmarke oder des FreimachungS-zettels einem Justizbeamten namens Billayer zu. Dieser Villayererhielt 1663 die Erlaubnis, in Paris eine Stadlpost einzurichten undBriefkästen anbringen zu lassen. Den Parisern wurde das durchfolgende Anzeige angekündigt:„Die Personen, die den Wunsch habensollten, von einem Stadtteil nach einem anderen zu schreiben,könnten versichert sein, daß ihre Briefe treu bestellt würden, wennsie daran sichtbar ein Zcttclchen mit den Worten:„Traglohnbezahlt!' befestigten.' Solche Zettelchen erhielt man imJustizpalast, bei den Pförtnern der Klöster und der Kirchen-schulen, bei den Gefängnisivärtern usw.; sie kosteten'einenSou. Der Dichter Loret schrieb eine amüsante gereimte Epistelüber die neuen Briefzettelchen; die Verse lauten in deutscher Prosa-Übersetzung:.Zur Bequemlichkeit des Publikums soll bald, aber nurfür Paris, eine neue Einrichtung getroffen werden: die Anbringungzahlreicher und großer Kasten an Straßen und Gassen, welchen manselbst oder durch seinen Diener Briefe wird anvertrauen können;man wird zu jeder Tageszeit Benachrichtigungen. Botschaften oderBriefe hineinwerfen dürfen, die eigens dnz» angestellte Leute dortabholen werden, um sie niit Sorgfalt und Aufmerksamkeit durch dieganze Stadt zu tragen für Neffen, für Vettern, die nicht zu nahewohnen, für Schwiegersöhne, für Schwiegerväter, für Klosterfrauen undGevatterinnen, für Johann, Martin. Wilhelm und Lukas, für Geistliche,für Advokaten, für Händler und Händlerinnen, für galante Herrleinund galante Dämchen, für Freunde und Vermittler, kurz, für Leutealler Art. Die, welche weder männliche, noch weibliche Stützen,weder Diener, noch Dienstmädchen haben, werden auf diese Weise,wenn sie weitab wohnende Freunde benachrichtigen wollen, einegroße Erleichterung haben können. Im übrigen sage und verkündeich, daß man. wenn man eine Antwort zu haben wünscht, sie aufdieselbe Weise wird erlangen können. Und wenn man wissen will,wieviel das Ueberbringen eines Briefes tosten wird— eine Sache,die man wohl beachten muß. damit niemand betrogen wird—, sosagen wir, daß man alles für einen flachen Sou haben kann." Mankonnte sich die Antwort sickern, wenir man zu dem ersten Zettelchenmit dem„port pay6u noch ein zweites hinzufügte. Das Rückportowurde also auch gleich miterfunden.Eine unterirdische Postbah». Die Beförderung der Post durchdie vom Verkehr überlasteten Straßen Londons erfordert zurzeitetlva 1000 Postwagen und einen Kostenaufwand von einer MillionMark im Jahre. Um diese Kosten zu verringern und um besonderseine raschere Beförderung zu ermöglichen, plant die Loudaner Posi»Christliche Werbeagenten für die Zechenherren.Riesige Summen Geldes werden von einer Anzahl BergwerkedeS Ruhrgebiets für das Anwerben von billigen und willigenArbeitskräften jährlich verausgabt. ES gibt Bergwerke im Ruhr«gebiet, die ununterbrochen Agenten unterwegs haben. GoldeneBerge werden den Arbeitern versprochen, die sie aber nie zu sehenbekommen.Dieses Geschäft deS LeutewerbenS für die Bergwerksunternehmerbetreiben jetzt Agitatoren des.christlichen' Gewerkvereins der Bergarbeiter. Auch ein katholischer Geistlicher übt sich darin. Dieultramontane„Fuldaer Zeitung'(Ausgabe vom 28. März 1912)brachte folgendes Inserat:.Dauernde Beschäftigung gegen hohen Lohn finden Arbeiterim Alter von 16 bis 40 Jahren.— Arbeitsuchende erfahrennäheres beim Bergmann Franz Bischof.Die Lohn« und Arbeitsverhältnisse sind in Fulda, wie überhauptin Hessen, die denkbar schlechtesten und so glaubte der„Christen-führer' Bergmann Franz Bischof aus Botttop einen guten.Fisch-zug" machen zu können. Denjenigen, die sich auf dieses Inseratmeldeten, teilte Bischof mit, daß er kein Agent sei, sondern sich nurauf der Durchreise befände. Nach dem Grunde befragt, warum erdenn Arbeiter anwerbe, erklärte Bischof:.ES sind bis jetzt viele„Note" dort in Bottrop gewesen;diese sind ober beinahe heraus. Die letzten.Noten' sollen heraus-fliegen und dafür neue Arbeiter eingestellt werden, die sich aberchristlich organisieren müssen. Der Lohn beträgt 6,30 bis 6,60 M.Wer an meinen Angaben bezüglich des Lohnes usw. zweifelt, dermag sich an den katholischen Pfarrer Neuhaus in Boy(Bottropin Westfalen) wenden, der wird die nötige Auskunst geben, sowieauch für Logis und alles weitere sorgen."Der Bergmann Franz Bischof aus Bottrop ist eine Lokalgrößedes christlichen Gewerkvereins. Auch wird er von diesem als Rednerbenutzt, um die Bergleute für die Streikbruchziele des Gewerkvereinszu begeistern.Einige Arbeiter, die sich nun mit einer Anfrage an den Pfarrerwandten, erhielten von dem geistlichen Herrn folgende Antwort:Botirop-Boh, 31. 3. 12.Mein lieber Herr...vorausgesetzt, daß Sie reckt gesund und noch im besten Alterstehen, können Sie hier jeden Tag auf Zeche Arenberg-FortsetzungArbeit erhalten; der Lohn ist ja nicht sofort so hoch, über 4 M.,und steigt bei Geübten bis 6 M. Kommen Sie erst ohne Familie,um sich passende Wohnung, vielleicht mit Land und Stallung, zusuchen. Falls Sie ein halbes Jahr hier sind, zahlt die Zechedie Reise, legt sie auch erst aus, auf Wunsch, und hält sie zunächstvom Lohn ab, gibt aber später zurück. Kostgeld und Wäschebeträgt 66— 60 M. pro Monat. Manche lassen sich Fleisch vonHause kommen und haben halbe Kost, was viel billiger ist. Hierist ein kräftiger christlicher Gewerkverein undArbeiterverein. Schreiben Sie Karte, wann Sie kommenund wie viele mitkommen, damit Ihnen Logis besorgt wird, undob Sie ganze Kost wünschen. Sie fahren bis Essen oder Alten-essen; von da mit der elektrischen Bahn bis Horst, wo Sie aus-steigen bei Wirt Hollmann, da den Koffer stehen lassen könnenund ihn von hier mit Karre abholen. Sie gehen von Horst nachhier(Boy) Vs Stunde und können bei mir einkehren.Bringen Sie recht viele brave Leute mit.Besten Gruß I NeuhauS, Pfarrer.'Bringen Sie recht viele brave Leute mit l Wunderbar I So weitist es also gekommen mit der ultramontanen Skrcikbruchhcrrlichkeit.Durch die Streikbruchparole konnten die.Roten' nicht vernichtetwerden, so liefert jetzt der christliche Gewerkverein den Unternehmern„gute brave Leute", die an die Arbeitsplätze der„Roten' gestelltwerden und die selbstverständlich in den christlichen Gewerkvcreineintreten müssen. Die Ausbeute war aber selbst in dem stammenFulda sehr gering. Auch eine mit großem Tamtam einberufeneVersammlung, auf die durch Plakate die ganze Bevölkerung Fuldasaufmerksam gemacht wurde und in der neben dem Herrn Bischofauch noch der Arbeitersekretär Stieler aus Gladbeck die nöttge.Aufklärung' über den Streik verbreiteten, brachten keinen besserenErfolg. Vierzig Versammlungsbesucher hatten sich eingefunden, undin der Diskussion mußten die Herren noch ein kleines Privatissimumüber sich ergehen lassen, das ihnen der Bezirksleiter Reddigau vomVerwaltung nach dem„Prometheus", die Anlage einer Untergrund-bahn, die ausschließlich dem Postverkehr dienen soll. Zur praktischenErprobung soll zunächst eine über 10 Kilometer lange Streckezwischen Hauptpost, Hauptpaketpostamt und einigen anderen Post-'ämtern gebaut werden. Der Tunnel wird 2,3 Meter Durchmessererhalten und zwei Gleise von 0,6 Meter Spurweite aufnehmenkönnen. Die auf diesen Gleisen fahrenden kleinen Motorwagenwerden elektrisch angetrieben und erhalten selbsttätige Steuerung, sodaß keine Bedienungsmannschaften mitfahren müssen. Die Höchst«geschwindigkeit der Wagen fall etwa 66 Kilometer in der Stunde betragen, und das wird ausreichen, um auf der Probestrecke stündlich36 000 Postsäcke an ihren Bestimmungsort zu schaffen.Notizen.— Eine„Orchideen- Aus st ellung' der DeutschenGartenbau-Gesellschaft findet von Freitag, den 12., bis einschließlichSonntag, den 14. April, im Abgeordnetenhause(Prinz-Albrecht-Str. 6)statt. Sie ist von 10—7 Uhr geöffnet.— Eine Ausstellung des Instituts für angewandtePsychologie findet int Aulagcbäude der Universität(Kaiser-Franz-Josefs-Platz, ehemalige kgl. Bibliothek) am 12. und 13. Aprilvon 2—6 und Sonntag, den 14. April, von 11—2 Uhr statt. Sie istallgemein und unentgeltlich zugänglich.— Kunst chronik. Der Salon von Paul Cassirer eröffnetam Freitag eine neue Ausstellung, die Bilder Paul CozanneS, Por-trätS, Landschaften und Stilleben enthält. Außerdem sind Werkevon Maria Slavona und G. H. Wolff, von Degas, Sisleh, Lieber-mann, Slevogt vertreten.— Bühnenchronik. Emmh D e st i n n wird in derKomischen Oper als Gast auftreten und zwar Sonnabend, 27. April.im„Tiefland", am 29. April in»Der verkauften Braut" und am1. Mai in der„Toska".— M u s i k ch r o n i k. Franz v. B I o n, der frühere DirigentdeS Berliner Tonkünstlerorchesters, wird im nächsten Winter wiederin Berlin konzertieren. Er wird ein eigenes Orchester gründen undin verschiedenen Stadtteilen abwechselnd spielen. DaS Programmsoll im Genre der ehemaligen Bilse-Konzcrte gehalten sein.— Holbein im Lande der Barbaren. CineS derberühmtesten Gemälde Holbcins, das„Porträt der MargareteWyatt", ist an einen großen.Kunstsammler' nach New Dork zun,Preise von 1 Million Mark verkauft worden. Es ist YieS das ersteGemälde Holbeins, das nach Amerika geht.— Eisenlager in Pennfhlvanien. Im Herzen desStaates Pennsylvanien(200 englische Meilen von Philadelphia undvon PitSburg) sind gewaltige Ablagerungen reinen Eisenerzes auf-gefunden worden, deren Umfang auf weit über eine Milliarde Tonnengeschätzt wird. Für die Stahlindustrie Amerikas ist diese Entdeckungvon der allergrößten Bedeutung, um so mehr, als die Lager inmittender Gebiete der Stahlindustrie liegen. Man vergleicht die Be-deutung dieser Entdeckung mit der ersten Auffindung von Gold imJahre 1L1S.