Nr. 93. 29. Jahrgang. 1. Stilnjf des.FmSlls" Kerlim Nsldsdlslt. Sonntag, 2t. April 1912. Reickstag. 42. Sitzung vom Sonnabend, den 20. April, vormittags 11 Uhr. Am Bundesratstisch: Delbrück . Auf der Tagesordnung steht zunächst der schleunige Antrag der Reichspartei: „Den Reichskanzler zu ersuchen, schleunigst Erhebungen dar- über herbeizuführen, ob bei der deutschen Seeschiff- fahrt Passagieren und Mannschaften jede mög- liche Sicherheit gewährleistet und ob insbesondere alle deutschen Schiffe ausreichend Rettungsboote m i t sich führen, um alle an Bord befindlichen Per- soncn im Falle der Gefahr aufnehmen zu können. Für den Fall, daß die Erfahrungen bei dem Untergang der„Titanic " dies nötig erscheinen lassen, ungesäumt auf dem Wege der Verordnung oder des Gesetzes die erforderlichen Matzregeln zu ergreifen." Abg. Dr. Arendt(Rp.): Die ungeheure Erregung, welche das entsetzliche Unglück der„Titanic " in der ganzen Kulturwelt her- vorgerufen hat, und die Zeitungsnachrichten über ungenügende Rettungsmatznahmen. vor allem ungenügende Boote, legen uns die gebieterische Pflicht auf. festzustellen, ob auf den deutschen Schiffen in jeder Weise für die Sicherheit der Passagiere und Seeleute gesorgt ist. Wenn es zutrifft, dah auch auf deutschen Schiffen die Boote und sonstigen Rettungsmatznahmen nicht ausreichen, muh schleunigst für Abhilfe gesorgt werden. Ich bin auf Schiffen aller deutschen großen Schiffsgesellschaften ge- fahren und ha'be stets, wie alle anderen Passagiere, u n b e- dingt es Vertrauen zu der Sicherheit der Schiffe gehabt und hoffe, dah dieses Vertrauen durch das furchtbare Ereignis, von dem die„Titanic " betroffen wurde, nicht erschüttert wird. Wie der Bergbau und andere Gewerbe, so fordert auch die Schiffahrt ihre Opfer. Aber es mutz alles geschehen, um die Zahl dieser Opfer auf ein möglich st geringes Matz zurückzuführen, und dabei darf es keinen Unterschied des Besitzes geben, denn vor dem Tode sind alle gleich sauf allen Seiten des Hauses herrscht während der Rede eine auherordentliche Unruhe). Die Angelegenheit scheint ja für die Mitglieder der Linken nicht wichtig zu sein.(Lebhafte Zurufe links, Glocke des Präsidenten.) Die grotzen Schiffahrts- gesellschaften sollten nicht in einen Wettbewerb eintreten um die Schnelligkeit der Schiffe, sondern um einen Wett- ibewerb um die möglichst grötzte Sicherheit der Passagiere und Mannschaften.(Bravo ! bei der Reichspartei.) Staatssekretär Dr. Delbrück: Wir alle sind wohl einig in der Empfindung der innigsten Teilnahme für alle von dem Unglück der „Titanic " Betroffenen, und auch darin sind wir einig, daß alle, die es angeht, verpflichtet sind, aus der Katastrophe ihre Lehre zu ziehen. Ich halte es aber nicht für angezeigt, heute von dieser Stelle aus öffentlich in eine materielle Erörterung dieser Frage einzutreten(Lebhaftes Sehr richtig! auf allen Seiten des Hauses), die nicht abgehen kann ohne eine Kritik von Vorgängen, die uns noch gar nicht bekannt sind. Die von uns erlassenen Vorschriften über die Sicherheitsmaßnahmen auf Seeschiffen sind seinerzeit er- lassen unter Berücksichtigung des damaligen Standes der Technik. In Rücksicht auf den dauernden Fortschritt der Technik habe ich gleich nach Bekanntwerden des Unglücks* eine Revision der Bestimmungen in die Wege geleitet, und auch die großen Schiffahrtsgesellschaften und die Seeberufsgenossenschaft sind seit einigen Tagen mit dem Verhandeln dieser Frage beschäftigt, und ich werde mich mit den beteiligten Kreisen dabei zusammenfinden. Ich habe das Ver- trauen, daß wir die Mittel und Wege finden werden, die nach dem Stande der Technik möglich und erfolgversprechend sind. Auch die Frage, ob eine internationale Regelung angebracht, ist be- reits erwogen worden, und das Deutsche Reich wird bereit sein, allen derartigen Anregungen Folge zu geben.(Lebhaftes Bravo!) Der Abg. Arendt wird also aus meinen Worten ersehen, daß alles, was er wünscht, von der Regierung bereits in die Wege ge- leitet ist. Das müßte eine schlechte Regierung sein, die sich an so selbstverständliche Pflichten erst von der Volksvertretung erinnern ließe.(Lebhaftes Bravo!) Abg. Haase(Soz.)(zur Geschäftsordnung): Mit Rücksicht auf die Erklärung des Staatssekretärs beantrage ich, den Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen. IAbg. Dr. Arendt(Rp.)(zur Geschäftsordnung): Durch die Er- klärung des Staatssekretärs bin ich vollauf befriedigt und ziehe den Antrag zurück.(Große Heiterkeit links.) Es folgt die erste Beratung des von Abgeordneten aller Par- tcien. außer der Reichspartei, beantragten Entwurf eines Gesetzes betreffend Aendernng des Strafgesetzbuches (Antrag W e l l st e i n), durch welchen der S ch u tz b o n Minder- jährigen sowie von gebrechlichen und kranken Per- sonen ausgedehnt wird und die Strafen für die Entwen- dung und Unterschlagung geringwertiger Gegenstände herabgesetzt werden. Der Antragsteller verzichtet auf daS Wort. Abg. Dr. Arendt(Rp.): Es ist sehr befremdlich, daß ein Antrag von dieser Tragweite eingebracht wird, ohne daß die Antragsteller eine Begründung für notwendig halten. Der Antrag bedarf einer sehr gründlichen Erörterung und kann keineswegs kurzerhand an- genommen werden. Ich wundere mich, daß der Staatssekretär des Reichsjustizamtes neulich erklärt hat, er würde die Annahme dieses Antrages begrüßen. Ich sehe in diesem Antrag eine Nieder- läge der Regierung, denn in dem Antrag wird nur das aufgenommen, was von der früheren Regierungsvorlage der Linken besonders angenehm war. Auf diese Weise kann man aller- dings sehr leicht Gesetze machen, wenn man der Opposition das. was ihr nicht behagt, preisgibt und sich die Rosinen aus dem Kuchen nehmen läßt. Was dann nachher aus dem Kuchen wird, ist eine andere Frage. Ich werde ja für die Anträge stimmen, aber andere ebenso revisionsbedürftige Punkte des Strafgesetzbuches werden dadurch in den Hintergrund gedrängt.(Sehr richtig! rechts.) Ist denn die Vorlage im einzelnen so durchdacht, daß man von jeder Begründung und Diskussion, wie beabsichtigt ist, Abstand .nehmen kann?(Zuruf links.) Die Diskussion im früheren Reichs- tag kann nicht in Betracht kommen. Wir haben z. B. im neuen Reichstag zwei hervorragende Rechtslehrer, die Abgg. v. L i s z t und v a n C a l k e r, die sicher zu der Vorlage werden Stellung nehmen wollen.(Lachen links.) Diese Art der Verabschiedung der Vorlage kann zur Hebung des Niveaus des Reichstages nicht beitragen. (Unruhe links.) Ich beantrage die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission von LI Mitgliedern. Abg. Dr. Wellstein(C.): Ich habe auf eine Begründung des Antrages verzichtet im Einverständnis mit den Antragstellern, weil wir von der Ansicht ausgehen, daß Inhalt und Begrün. dung des Antrages dem ganzen Reichstag genau bekannt ist.(Sehr richtig! links.) Wir haben auch nicht die Absicht, auf die Ausführungen des Abg. Arendt irgend etwas zu erwidern. Wir erachten die schleunige Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes im Interesse der Rechtspflege für geboten, wider- sprechen einer Ueberweisung an die Kommission und glauben durch diese Haltung der Stimmung der grotzen Mehrheit des Reichstages zu entsprechen.(Zustimmung.) Der Antrag auf Kommissionsberatung wird abgelehnt und hierauf die Vorlage in zweiter Lesung debattelos angenommen. Es folgt die zweite Beratung deS Etats der Verwaltung der Reichseifenbahne«. Hierzu beantragen die Abg. A l b r e ch t(Soz.) und Gen., daß den Arbeitern der Verivaltung der Reichseisenbahnen für die Wochenseiertage der Lohn gezahlt wird. Abg. Fuchs(Soz.): Die Ueberschüsse der Reichseisenbahnen sind gegenüber den Vorjahren erheblich gestiegen und stabiler geworden. Die Reichseifenbahnen sollten aber nicht in erster Linie ein Institut für Plusmacherei sein, sondern ein V e r k e h r s i n st i tu t. In dieser Beziehung lassen die elsatz-lothringischen Bahnen noch außer- ordentlich viel zu wünschen übrig. Vor allem wird über die 4. Wagenklasse geklagt. Die Wagen sind schmutzig und eher Viehwagen, als Wagen zur Beförderung von Menschen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) DaS fällt auch um so niehr auf, als in den Nachbarstaaten Baven und Württemberg auf diesem Gebiete bessere Einrichtungen bestehen. Baden hat keine 4. Klasse und in Württemberg unterscheidet sie sich nicht wesentlich von der 3. Klasse. In bezug auf die 4. Klasse haben wir nur zu sehr preußische Verhältnisse. Das Publikum wünscht in erster Linie Sitzgelegenheit. Heute müssen% der Passagiere stehen. Das trifft besonders Arbeiter und kleine Leute, die so wie so an- gestrengt schaffen müssen. Wenn der Minister in der Kommission Rlewes feuilleton. Der Kampf um die OpernhauSpläne. Der Bund veui- scher Architekten nahm Sonnabend auf einem außerordent- lichen Bundestag in Berlin zu den Plänen für das neue Opern- Haus Stellung. Sehr nachdrücklich wurde darauf verwiesen, daß der von dem Ministerium zur Ausführung vorgeschlagene Entwurf Grubes weder den polizeilichen Anforderungen genüge, noch gute Akustik habe; es wird auch von vielen Plätzen aus die Bühne nur ungenügend zu. sehen sein. Es müsse das Bauprogramm genau durchgesehen werden, vor allem darauf, ob die höfischen Reprä-, sentationsräume nicht so untergebracht werden könnten, daß sie den Gesamtorganismus des Gebäudes weniger zerreißen. Nach lebhafter Debatte, die auch die Platzfrage für noch längst nicht ge- löst erklärte, wurde eine Resolution angenommen, nach der der Bund sich bereit erklärt, seine Mitglieder wie überhaupt die deut- scheu Architekten aufzufordern. Jdeenskizzen aller Art einzuliefern. Diese Vorschläge sollen dem Bau-Ministerium zur Beurteilung unterbreitet werden; doch wurde verlangt» daß in dieser Jury neben den Beamten auch Privatarchitekten von Ruf sitzen. Diese Resolution und Absicht ist Mar matt, sie zeigt aber immerhin einen gangbaren Weg, die gesamte deutsche Architektenschaft nun doch noch zu Worte kommen zu lassen.— Die Vereinigung Berliner Architekten hat neuerdings wiederholt einen öffentlichen Wettbewerb verlangt. Der 29. Kongreß für innere Medizin nahm am Freitag sein Ende. Der letzte Tag trug das Gepräge oller solche Kongresse; die große Zahl der Teilnehmer hatte sich wesentlich gelichtet und die Uebriggebliebenen waren ernsthaste Gelehrte, die geneigt sind, rein wissenschaftliche Themata anzuhören und zu diskutieren. Die Aus- beule für ein allgemein verständiges Referat war deshalb karg. Die meisten Vorträge bezogen sich auf subtile, streng wissenschaftliche Untersuchungen, deren Ausbeute für die Praxis wohl erst allmählich reifen dürfte. Zum Vorfitzenden des nächsten Kongresses, der wiederum tn Wiesbaden tagen wird, wurde Professor Penzoldt- Erlangen und als neues Mitglied des Vorstandes Professor Mankowski- Breslau gewählt. Die drahtlose Telcgraphie auf dem Atlantik. Die Katastrophe der„Titanic " hat von neuem erwiesen, wie groß die Bedeutung der Funkentelegraphie für die Schiffahrt auf hoher See ist. In kürzester Zeit konnte das havarierte Schiff alle Dampfer, die sich in der westlichen Region des Atlantik befanden, von der Gefahr in Kenntnis fetzen, und lediglich ein unglücklicher Zufall hat es ver- hindert, daß rechtzeitig Rettung gebracht werden konnte. Die Passagiere und Seeleute, die auf der„Carpathia " Zuflucht ge- fundcn haben, verdanken ihr Leben auch nur dem hohen� Stande, den heutzutage die Telegraphie ohne Draht erreicht hat. Schon vor einigen Jahren ist übrigens der Borschlag gemacht worden, es sollten eigene drahtlose Seenotstationen, speziell zur Rettung be. dtthter Dampfcr, kipgui.chtet werden. Dir Jdie ist iMise» m sachkundiger Seite abgelehnt worden mit der Begründung, daß die beste Seenotstation die sein werde, mit der man auch außer Gefahr arbeitet. Der Telegraphist muß so in Uebung sein, daß er seinen Apparat fast mechanisch bedient; nur dann wird er bei einer großen Katastrophe, wenn ein« Flut von Anfragen auf ihn einstürmt. kaltes Blut und klaren Kopf bewahren. Die drahtlosen Tele- graphenstationen, vor allem im Bereich des Atlantischen Ozeans , können sich über Mangel an Beschäftigung nicht beklagen. Es kommt vor, daß ein einziger Dampfer auf der Fahrt von Europa nach Amerika bis zu 800 Telegramme aufnimmt und weitergibt. In England und Amerika ist es Gesetz, daß jeder Passagierdampfer, der einen der Häfen dieser Länder anläuft, Apparate für draht- losen Telegraphcndienst mitführen muß; auch alle Wetterwarten und Leuchtschiffe sind in der Lage, Nachrichten zu vermitteln. Auf den großen Dampfern, die den Atlantik kreuzen, sind im allgemeinen zwei Beamte in Tätigkeit. Der eine versieht den Wachtdienst am Apparat, mit dem Telephonhörer am Kopf; der andere nimmt Telegramme an und unterhält den Verkehr mit den Passagieren. Die Station hat stets telephonische Verbindung mit der Kommandobrücke und dem Obersteward, um Angaben über die augenblickliche Situation des Dampfers jederzeit möglichst schnell erhalten zu können. Die große englische Marconigescllschaft gibt jeden Monat Tabellen heraus, auf denen der Kurs aller mit dem Marconrsystem arbeitenden Dampfer verzeichnet ist. Die Land- tationen können auf diese Weise leicht feststellen, mit welchen Dampfern sie zu einer bestimniten Zeit in Verhindung treten werden. Die Dampfer sind angewiesen, ihre Telegramme stets an die nächste Küstenstation zu senden. Wird der Verkehr mit der folgenden Station begonnen, so muß die erste davon unterrichtet werden, damit sie Telegramme, die bei ihr für das betreffende Schiff eingehen, noch rechtzeitig weitergeben kann. Ein Dampfer, der nach Amerika geht, steht etwa während der ersten zwei Tage einer Fahrt in normaler Verbindung mit den Stationen der euro - päischen Küste. Mit Hilfe eines dazwischen liegenden anderen Dampfers ist es aber noch möglich, einen dritten Tag in Verbin- dung mit Europa zu bleiben. Es ist indessen eine Kombination möglich, mit deren Hilfe man in besonders dringenden Fällen jeden Dampfer, auch mitten im Ozean, iw derselben Nacht, in der man das Telegramm aufgibt, erreichen kann. Es gibt nämlich zwei riesige Kraftstationen, die eine an einem der östlichen Punkte der Vereinigten Staaten , die andere an der Westküste Großbritanniens , die nur für den Zeitungsdienst bestimmt sind. In besonderen Aus- nahmefällen ist es gestattet, diesen Weg auch für Privatmeldungen zu benutzen. Bei normalen Witterungsverhältnissen sind die Dampfer, die nach Amerika gehen, schon am dritten Tage vor ihrer Ankunft in New Aork in Verbindung mit der Landstation Cape Race aus�Neufundland , die jetzt bei dem Untergang der„Titanic " eine so bedeutsame Roll« gespielt hat. Humor und Satire. Ehre! Bist du ein Offizier voll Verve. Dir Landwehr oder der Reserve. meinte, das Publikum der 4. Klasse wünsche die Sitzgelegenheit selbst nicht, es kämen viele mit Körben usw. herein, so ist er im Irrtum. Die Körbe würden auch so Platz finden. Ferner muß verlangt werden, daß man die 4. Klasse, weil sie nun einmal da ist, auch den Eilzügen beigibt. Weiter müssen die Ueberschüsse dazu benutzt werden, um cms bessere Fürsorge für die Arbeiter und Angestellten der Eisenbahnen in die Wege zu leiten. Trotz der bedeutendeti Zunahme des Verkehrs ist die Zahl der Bediensteten fast die gleiche geblieben, teilweise etwas zurückgegangen. Also die Ver- waltung ist dazu übergegangen, die Arbeitskraft der einzelnen Arbeiter mehr auszubeuten, und das ist verwerflich. Andererseits ist die Zahl der Aufsichtsbeamten, der Au f p a s s e r. bei den Reichseisenbahnen vermehrt worden. Während früher auf 180 Arbeiter ein Werkmeister kam, gibt es heute Werkmeiste- reien mit 80 bis 120 Arbeitern. Auch in bezug auf die A r b e i t s- zeit ist die Verbesserung nur sehr langsam vor sich gegangen; 14. IS und sogar löstündige Arbeitszeit kommt noch vor. Die Zahl derer, die weniger als löstündige Arbeitszeit haben, ist sogar etwas zurückgegangen, eine 11 bis ILftündige Arbeitszeit haben 24,8 Proz. aller Arbeiter, das ist für die im Eisenbahndienst Angestellten, die ihre Nerven bis aufs äußerste anspannen müssen, viel zu lange. Nur der Tüchtigkeit und Umsicht des Personals ist es zu danken. daß Unfälle nicht viel häusiger sind. In den Nobenbetrieben ist die Arbeitszeit auf 9 Stunden herabgesetzt, um so unbegreiflicher ist es, daß dies nicht auch in den Betriebswerkstätten geschieht. Auch in bezug auf die Löhne stehen die Arbeiter in Elsaß- Lothringen schlechter, wie in allen anderen süddeutschen Staaten da. Baden, Bayern , Württemberg und Sachsen zeigen Durch- schnittslohnzahlen von 1323 bis zu 1208 M., Elsaß-Lothringen nach der letzten Lohnerhöhung nur eine solche von 1200 M. Nur Preußen steht noch etwas hinter den Reichs- landen zurück. Auch darüber ist zu klagen, daß der Höchstsatz des Lohnes erst nach so langer Zeit erreicht wird, daß viele gar nicht dazu kommen. Im Jahre 1910 wurden Löhne von 2,49 M.. 2,4S M. und 2,50 M. bezahlt.(Hört! hört!) Im Jahre 1911 ist eine Aufbesserung ein- getreten, aber nur auf 2,60 M. Solch Lohn ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Hunger lohn.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) 27)4 Proz. aller Arbeiter haben noch weniger als 3 M. Lohn, 42 Proz. zwischen 3 und 4 M., und auch ein Lohn von 4 M. reicht zur Fristung eines menschenwürdigen Lebens nicht aus. Den Arbeitern gegenüber bestreitet die Verwaltung sehr häufig das Vorhandensein einer Teuerung, in der Besoldungsvorlage für die Beamten trägt die reichsländische Regierung selbst Material zum Beweise der Teuerung zusammen. Sehr entschieden muß ich mich auch gegen das in den Eisen- bahnwerkstätten übliche A k k o r d s y st e m wenden. Akkord- arbeit ist Mordarbeit!(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kraten.) Wo die Gewerkschaften regulierend eingreifen, werden in der Privatindustrie für die Ueberstunden Zuschläge bezahlt, der Eisenbahnminister tut so, als wenn schon die Bezahlung des ein- fachen Lohnes eine Wohltat für die Arbeiter ist. Seit Jahren fordern die Arbeiter die Bezahlung des Lohnes an g e s e tzl i ch e n Woche nfeiertagen. Nicht einmal diese bescheidene Forde- rung wird erfüllt. Auch die gesundheitlichen Verhält- nisse lassen außerordentlich viel zu wünschen übrig. In der Polsterei und Sattlerei in Bischheim fehlt es an Entlüfwngs- Vorrichtungen, und ähnliches wird aus Mülhausen berichtet. Würden die Betriebe der Gewerbeinspektiou unterliegen, so würden die Herren von der Verwaltung manchmal ihr blaues Wunder er- leben. Lungenerkrankungen sind infolge dieser Zustände sehr häufig. In den Betriebskrankenkassen ist das System der Ver» trauensärzte eingeführt, und man zwingt die Arbeiter, von Straßburg nach Colmar zu dem Obervertrauensarzt zu fahren, ohne sie für den Zeitverlust zu entschädigen. Das ist auf das entschiedenste zu verwerfen. Bezüglich der Behandlung der Arbeiter erinnere ich an den schon im vorigen Jahre angeführten Fall des Obmannes Wiedemann in Straßburg , der meinte. wegen Diebstahls sei ein Mann geringer zu verurteilen, als für das Lesen einer sozialdemokratischen Zeitung. Was ist aus der zugesagten Untersuchung geworden? Die Arbeiterausschüsse, die doch die Interessen der Arbeiter ver- treten sollten, dienen lediglich zur Dekoration. Warum soll übrigens das passive Wahlrecht für sie nicht auf 25 Jahre herab- gesetzt werden? Mit 2S Jahren kann man ja auch in den Reichs- tag gewählt werden. Als in Bischhcim die Mitglieder des Arbeiter- Und sei'S auch nur ein simpler Dokter, So sei verstockt nicht und verstockter, Nein, sondern lebe nach der Lehre Der Standesehre I Hast du beleidigt ohne Grund 'nen andern, halte nicht den Mund, Tritt mit ihm auf Mensur gar bieder Und schieß ihn nieder. Dann ist dein Ehrbegriff nicht morsch. Dann bist du forsch, Dann zieht die Welt den Hut vor dt»-> Als einem braven Offizier. Doch auch wenn du wirst ohne Grund Beleidigt, halte nicht den Mund l Zwar lehrt der Herrgott voller Weih«� Daß man dem Feinde still verzeihe, Allein der Herrgott— glaube mir—» Ist auch nicht preußischer Offizier l Nun merke dir's: in jedem Falle Knalle I Und dulde nicht als frommer Christ 1 Denn wenn du auch unschuldig bist Und ohne Grund beleidigt wirst, So merk', damit du nimmer irrst: Die Hauptsach' ist und bleibt Courage, Drum greife schnell zur Kontrahagel Sonst ist dein Renommee zerrissen Und du wirst frei von Hindernissen Hinausgeschmissen! (Frido in der»Jugend'� Notizen. — Vorträge. Im Institut fsir Meereskunde. Georgenstr. 34—30, spricht Mittwoch, den 24. April, Walter Saas. Professor für praktischen Schiffbau, über: Sicherung der Personenschiffahrt und Untergang der.Titanic". Eintritts- karten 1 M. Der Ertrag ist für die Hinterbliebenen der Mannschaft bestimmt. — Musikchronik. Dienstag, den 23. April, S Uhr, findet im Konzertsaal der.Neuen Welt" ein a capella» Konzert d«S Oratorien-BereinS zu Neukölln statt, bei dem Frau van Eyken mitwirkt. — Theaterchronik. Gerhart Hauptmanns noch un» aufgeführtes Drama„Gabriel Schillings Fluckjt" wird in Goethes altberühmtem Sommerthcater zu Bad Lauchstedt bei Halle a. S.. Freitag 14., Sonnabend 15. und Sonntag 16. Juni, nachmittags 3 Uhr, aufgeführt werden. Die Subskriptionsliste liegt bei S. Fischer, Verlag, Berlin W., vülowstr. 90, auf. — August Strindberg ist, wie aus Stockholm ge- meldet wird, schon wieder schwer erkrankt. Eine Operation ergab krebsartige Geschwülste in der Bauchhöhle, die man nicht zu ent» fernen wagt. StrindbergS Zustand ist bedrohlich,
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten