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GewerhlcbaftUchea. politifche" Gcwerhrchaftcn. In einer Zahlstellenversammlung der Dresdener Mitglied- schaft des Deutschen Bauarbeiterverbandes wurde beschlossen, dem sozialdemokratischen Reichstagswahlfonds 1000 M. zu überweisen. Der Vorsitzende des Zweigvereins Dresden vom Deutschen Bauarbeiterverband wies darauf hin, daß eine Zahl- stelle keine eigene Kasse hat und über die Kasse des Zweig- Vereins nicht verfügen darf, das könne nur die General- Versammlung. Diese sprach sich auch später gegen den Be- schlug aus und die Auszahlung des Geldes unterblieb. Trotz- dem erklärte man wegen dieses Vorfalls die Gewerkschafts- Zweigstelle für politisch. Die Polizei forderte Einreichung der Mitgliederliste usw. und als das verweigert wurde, verurteilte ein Dresdener Schöffengericht den Vorsitzenden zu 15 M. Geld- strafe. Das Gericht meinte, daß die Zahlung eines Betrags zur Wahl eine intensivere Einwirkung auf die Politik sei als die schönste Versammlungsrede. Diese Begründung ist mehr burschikos als überzeugend, zumal dieseintensive Einwirkung" am Ende ja gar nicht stattgefunden hatte. Der Bestrafte und auch der Ankläger legten Berufung ein. Letzterer weil ihm dsts Urteil zu mild war. Jetzt hat das Landgericht beide Berufungen verworfen, das Urteil des Schöffengerichts bestätigt, und damit die Gewerkschaft für politisch erklärt. Der Beschlutz wegen der 1000 M. Wahlgelder schien der zweiten Instanz aber selbst nicht ausreichend zu diesem Urteil zu sein. Bei Eintritt in die Verhandlung bemerkte der Vorsitzende, datz er diesen Be- schlutz ganz beiseite lasten und den Beweis, datz der Zweig- verein politisch sei, weiter erheben werde.(!) Um diesen Beweis zu führen, verlas er zunächst eine Reihe Paragraphen der Satzungen. Dann konstatierte er, datz das Vereins- o r g a n, derGrundstein", sozialdemokratische Propa- ganda treibe. Unter der Sammelüberschrift:Politische Uebersicht" und auch an anderen Stellen bringe es rein sozialdemokratische Artikel. Es wurden eine grotze Reihe solcher Artikel und Notizen, wie auch Aufrufe zum Parteitag zu Jena und zur Reichsstagswahl verlesen. Es nützte nichts, daß der Verteidiger auf das Unhaltbare einer solchen Argumentation hinwies. Denn alle Fach- blätter. besonders auch die der Unternehmer, sind dann politisch", weil keine derartige Zeitung die politischen Vor- gänge gänzlich unbeachtet lassen könne. Der Antrag des Verteidigers, zwei Pressesachverständige zu laden und zu hören, wurde abgelehnt. Das Gericht erachtete sich allein für kompetent zur Beurteilung der Frage. Das Urteil sagt ganz kurz: Der Dresdener Zweigverein ist ein selbständiger und auch ein p o l i t i s ch e r V e r e i n. Seine Ziele lassen sich gar nicht anders betätigen als Politisch. Aber auch die ZeitungDer Grundstein" zeigt ganz klar die politische und sozialdemokratische Tendenz des Vereins, es handelt sich des­halb, da sie das Vereinsorgan ist, unr einen politischen Verein. Was dem Gericht da allesganz klar" ist, wird in weiteren Kreisen starkes Befremden hervorrufen. Denn bs patzt durchaus nicht zu den Erklärungen, die seinerzeit der sächsische Minister Graf Hohenthal über eine loyale Handhabung des Reichsvereinsgesetzes gegeben hat. Und von Liberalität, von der immer so geschwärmt wurde in bezug auf das Rcichsvereinsgesetz, kann schon gar nicht mehr die Rede sein nach solchen Entscheidungen. Das letzte Wort dürfte in dieser wichtigen Angelegenheit noch nicht ge- sprachen sein. Berlin und Nmgegend. Lohnbewegung der Caf6angestellten. Eine öffentliche Lersamuilung der Berliner Cafeangestellien beschäftigte sich mit der bisherigen Lohnbewegung. Der Lohntarif für die Aushilfskellner ist durchweg anerkannt. Ferner ist es der Organisation gelungen, in zirka 5V Betrieben mit 35V Angestellten einen Monatslohn von 1V bis 2V M. und in den Aschinger-Kon- ditoreien einen solchen von 5V M. zu erzielen. Diese Erfolge haben den Scharfmachern im Cafetierverein keine Ruhe gelassen und ist deshalb der vertrachteSchwimmende Sarg", der vollständig zer- schellt war, wieder ins Leben gerufen worden. Für 2VV Silberlinge fanden sich 46 Verräter, die in der Johannisstr. 14/15 unter dem NamenVerband deutscher Cafehausgehilfen" den alten gelben Verein aufs neuegründeten". Ter ausschließliche Zweck dieser zweifelhaftenGründung" besteht darin, den organisierten Ge- Hilfen, wie im CafeAlter Kuhstall", in den Rücken zu fallen. Die Versammlung nabm mit Entrüstung von diesem Vorgeben der Gelben Kenntnis und verurteilte dasselbe durch die einstimmige Annahme nachstehend r ReseliLon: Die heute in denGermaniaiälen" tagende, von zirka 806 Berliner Cafeangestellten besuchte öffentliche Versammlung nimmt mit Genugtuung Kenntnis von den Erfolgen, welche die durch den Zweigverein der Cafeangestellten unternommene Lohn- bewegung bisher erzielte. Der im Vorjahre eingeführte Aushilfskellner-Lohntarif und die in letzter Zeit, statt der bisher üblichen Abgaben, in zirka 25 Proz. der Betriebe Groh-Berlins eingeführte Lohnzahlung von 10 bis 20 M. monatlich, lasten erkennen, daß nur eine starke und geschlossene freigewerkschaftliche Organisation auch im Gast- wirtsgcwerbe in der Lage ist, mit Erfolg die Vcrbcsterung der Arbeitsbedingungen durchzuführen. Die Versammlung protestiert daher auf das Entschiedenste gegen die von einer kleinen Scharfmachergruppe betriebene Zer- splittcrung der Gehilfenschaft. Die von einzelnen Unternehmern und ihren gelben Söld- lingen ausgestreuten Lockungen mit dem gemeinsam betriebenen Arbeitsnachweis sind nicht in der Lage, die Anwesenden in der eingangs dargelegten Auffassung zu beirren, weil dadurch ohne Zweifel nur der Versuch gemacht wird, die vorwärts strebende Gehilfenschaft in ihrer Bewegung aufzuhalten und die Erringung minimal fester Löhne unmöglich zu machen. Wäre es anders, hätten diese Unternehmer allen Anlaß, den in einiger Zeit zu eröffnenden städtischen paritätischen Arbeitsnachweis mit allen Mitteln zu unterstützen. Ter zwecks Täuschung und Irreführung der Angestellten vor- genommene Namenwechsel'des gelben Gehilfenvercins in der Johannisstraßc(Schwimmender Sarg) gibt den Versammelten Anlaß, auch weiter eine rege Agitation für den Anschluß an die frcigcwerkschaftliche Organisation und deren Ausbau zu ent­falten, um dadurch der alten gelben Korruption mit dem neuen Namen um so schneller ein wohlverdientes Ende bereiten zu können." Deutfdies Reich. Ter Verband der Friseurgehilfe« im Jahre 1V11. Die überaus mühevolle Agitationsarbeit unter den Friseur­gehilfen spiegelt auch die Geschäftstätigkeit im vergangenen Jahre wider. Der Verband hatte 1640 Neu- und 150 Wiederausnahmen zu verzeichnen. Da aber ein Teil der Gehilfenzu alt" wird, andere sich selbständig machen oder sich einer andere» Erwerbstätig- keit zuwenden müssen, so geht der Zuwachs an Mitgliedern dem Ver- bände durch dielen Abgang nahezu.vollständig wieder verloren. Die Mitgliederzahl betrug durchschnittlich 2170, am Jahresschluß 2210; 26 000 Gehilfen werden in Deutschland beschäftigt. Die Lohn- bewegungen nahmen einen friedlichen Verlauf. Die Einnahmen des Verbandes betrugen 56 175 M., die Ausgaben 40 07S M. 6785 M. wurden fiir Unterstützungen verausgabt. Eine Eingabe des Ver- bandeS an den Reichstag , auf Abänderung des ß 139k oder deS§ 41b G.-O., um die örtliche Einführung deS AchwhrladenschlusteS auf ge- setzlicher Grundlage zu ermöglichen, wurde dem Reichskanzler als Material überwiesen. Da die Entwickelung der Organisation an die rückständigsten Berufsverhältnisse gebunden ist und Hindernisten begegnet, wie sie kaum einer anderen Berufsgruppe entgegenstehen, darf das Ergebnis des vorigen Jahres immerhin als befriedigend angesehen werden. Die Differenzen in der Solinger Arbeiterbewegung, die schon so oft in unrühmlicher Weise von sich reden gemacht haben. sind neuerdings wieder mit aller Heftigkeit losgebrochen, in einer Weise, daß man sagen muß: einen solchen Charakter haben sie noch nicht gehabt. Dieser Ausbruch ist natürlich nicht von gestern auf heute geschehen, denn die Differenzen waren ja immer da. wenn sie auch in den letzten Jahren der Oeffentlichkeit weniger sichtbar wurden. Aber daß sie so jäh emporstiegen, das kam fast über Nacht. Die Differenzen haben so lange geschwiegen, wie die Erwerbs- Verhältnisse daniederlagen und die beiden Arbeiterverbände für die Solinger Stahlwarenindustrie Metallarbeiterverband und Jndustriearbeiterverband keine Aktionen unternehmen konnten. Als sich das aber änderte, die beiden Verbände in eine Agitation zur Gewinnung neuer Mitglieder und in Lohnbewegungen eintraten. da war das alte Leid wieder da: beide Verbände traten sich überall in scharfer Weise entgegen. Das hatte zur Folge, daß verschiedene groß angelegte und günstige Lohnbewegungen verloren gingen. So mußte z. B., um einen besonders schwerwiegenden Fall heraus- zugreifen, der Metallarbeiterverband die gewaltige Lohnbewegung in der Federmesserbranche, die ihm nicht weniger wie 180 000 M. kostete, da 1200 Mann in Streik standen, abbrechen, weil die im Jndustriearbeiterverband organisierten Arbeiter der Federmesserbranche weiter arbeiteten. Das besonders gab natürlich einen ungeheuren Sturm, bei dem die ge» samten Zentralorganisationen gegen den lokalen Industriearbeiter- verband standen. Am schlechtesten waren in dieser Situation wie überhaupt bei den ganzen Differenzen die Partei und unser Partei- organ, dieBergische Arbeiterstimme" daran. Sie beide glaubten am besten zu handeln, wenn sie sich völlig neutral verhielten und den rechten Ausweg von der Einsicht der Gewerkschaftsmitglieder beider Seilen, von den Massen erwarteten. Zudem war diese Hal- lung die bisher geübte und von beiden Seiten als richtig anerkannte; die..Arbeiterstimme" besonders war durch Beschlüsse gehalten, jeden Anstoß nach der einen oder der anderen Seite zu vermeiden. In dieser Situation nun waren die Zentralverbände mit dieser Neutra- lität unzufrieden; sie verlangten ein Eingreifen vor allem der Arbeiterstimme". Dabei kam es sogar zu Versammlungen gegen unser Parteiorgan und zu Abbestellunge», die nach Hunderten zählten. Jedoch dieArbeiterstimme" konnte nicht anders, sie blieb bei ihrer Zurückhaltung. Erst ein PreßkommissionSbeschluß gab ihr die nötige Freiheit. Jedoch zu dem Gebrauch kam es nicht, da die Bewegung in der Federmesserbranche zu derselben Zeit abgebrochen wurde und die Reichstagswahlen vor der Tür standen, die die Einigkeit aller Arbeiter erforderte, wenn der Kreis gut geholt werden sollte. Die Reickstagswahl kam und zeigte die gesamte aufgeklärte Arbeiterschaft in einer erhebenden Einmütigkeit, trotz allem Vorher- gegangenen: der Wahlkreis wurde mit einer glänzenden, noch nie dagewesenen Mehrheit geholt. In dieser Situation war es notwendig, das Eisen zu schmieden, das die-Ar- beiter auch auf gewerkschaftlichem Gebiete einig sehen sollte. So wurden denn beiln Parteivorstand in Berlin und bei der General- kommissiou Einigungsverhandlungen beantragt. Solche Verband- lungen hatten ja schon wiederholt stattgefunden, so erst noch während des Streiks in der Federmefferbranche, aber stets ohne Erfolg. Nun schienen die Verhältnisse günstiger zu stehen, denn die Arbeiter auf beiden Seiten verlangten nach einer Einigung, da sie sahen, daß sie ohne diese sich nur selbst zerflenchen und den Unternehmern auch nicht die geringste Konzcssion in bezug auf die Löhne abtrotzen würden. Die angerufenen Instanzen gaben jedoch dem Gesuch nicht statt, da sie sich hiervon nichts versprachen; sie wollten erst die beiden Verbände am Orte unterhandeln lassen. Und sie hatten recht I Ganz plötzlich nämlich brachte das Organ des Industriearbeiter- Verbandes, ein nur alle acht Tage erscheinendes Blatt, noch ehe der ablehnende Bescheid von Berlin eingetroffen war, einen Artikel gegen die Einigung die nach diesem Artikel jetzt entfernter denn je liegen sollte, kurz danach wurde aber auch der Geschäftsführer dieses Verbandes entlassen wie seine Gegner sagen, wegen un- ordentlicher Geschäftsführung, wie von anderer Seite behauptet wird, weil er als einziger unter den Angestellten energisch auf eine Einigung ge- drängt hatte. DieArbeiterstimme" nahm nun in scharfer Weise Stellung gegen die Führung des JndustriearbeiterverbandeS. Der entlassene Geschäftsführer berief eine öffentliche Versammlung ein, die sich auf seine Seite stellte. Zu gleicher Zeit hielt aber auch der Industrie- arbeiterverband eine Versammlung ab, der kurz darauf eine zweite folgte. Man beschloß dort unter anderem, dieArbeiterstimme" wegen ihrer Haltung in diesem Streit zu boykottieren. Man ging noch weiter und beschwerte sich bei der Preßkommissio�. Indes wurden die Beschwerdeführer dort abgewiesen: die Preßkommission billigte einstimmig die Haltung der.Arbeiterstimme", verpflichtete die Redaktion sogar, so wie bisher weiter zu schreiben. Zum zweiten Male fiel der Jndustriearbeiterverband ab. als er auch in einer ge- schloffenen außerordentlichen Kreisparteiversammlung am ver- gangenen Sonntag seine Anschauungen als richtig hinzustellen suchte. Hier wurde ebenfalls einstimmig derArbeiterstimme" recht gegeben und weiter der Beschlutz gefaßt, in allen DistriktSversamm- lungen die Einigung zu propagieren. So ist es zu einem regelrechten Kampf gekommen, und dieser wird um so schärfer, als das Organ des JndustriearbeiterverbandeS heftig gegen dieArbeiterstimme" und die Partei kämpft. Die Arbeiterstimme' hingegen bringt tagtäglich Artikel, in denen sie die andere Seite abferngt und die Einigungsfrage bespricht. Ganz sicher befindet sich nun der Jndustriearbeiterverband in einer Krise. Die Mitglieder sind teilweise mit ihren Führern unzufrieden; das geht so weit, daß bereits eine Branche zum Metallarbeitervecband übergetreten ist, andere Mitglieder sich einzeln abmelden, noch andere das Verbandsorgan zurückschicken. Was aus alledem wird, das läßt sich nicht sagen. Aber auf jeden Fall gibt es noch scharfe Kämpfe. Kämpfe, wie sie wohl glücklicherweise die Arbeiter- bewegung noch selten gesehen hat. Die Partei in Solingen , die Arbeiterstimme" und die Zentralverbände dringen auf einen Eni- scheid, und dieser kann nach ihrer Ueberzeugung nur die Einigung brrngen._ Lohnbewegung der städtischen Arbeiter in Tilsit . Im Herbst v. I. hatten die städtischen Arbeiter die Errichtung einer allgemeinen Arbeitsordnung gefordert, durch die die Lohn- und Arbeitsbedingungen eine Neuregelung erfahren iollten. Dies war notwendig, weil die Arbeilsverhällniste rein willkürlich von den einzelnen Betriebsleitern festgesetzt werden. Die TilsiterAll- gemeine Zeitung" veröffentlicht nun eine authentische Mitteilung des MagytratS. die den Anschein erwecken soll, als ob die Betriebs- leitungen genügend Arbeitswillige hätten. Dadurch sollen die Arbeiter eingeschüchtert werden. Um Fernhaltung des Zuzugs wird gebeten. Christliche Gewerkschaftsversammlunge« gegen die Leitung des Gewerkvereius der Bergarbeiter. Das Gewerkschaftskarkell der christlichen Gewerkschaften für Dortmund-Hörde hatte für den 21. April eine Anzahl Versamm» lungen für das Dortmunder Landgebiet einberufen. In den Ver- sammlungen sollte die Tagesordnung:.Der Streik im Ruhrrevier". Welche Lehren ergeben sich für die christlich-nationale Arbeiter- und Bürgerschaft daraus", besprochen werden. In Berghofen kam es zu einer interesianten Diskussion zwischen den Referenten der christlichen Gewerkschaften, Schlabach und Hirtsiefer und dem Genosien Löffler vom Bergarbeiterverband. Gegen 2 Stimmen wurde nach« folgende Resolution angenommen: Die am 21. April 1912 in Berghofen stattfindende, vom christlichen GewerkschastSkartell für Dortmund-Hörde einberufene. von 300 Bergarbeitern und Bürgern besuchte Versammlung ver- urteilt das Verhalten der Gewerkvereinsleitung entschieden und bezeichnet es als einen Verrat an den Arbeiterintereffen. Die Versammlung fordert alle christlich organisierten Arbeiter auf, aus den christlichen Organisationen auszutreten und sich de« freien Gewerkschaften anzuschließen." In Sprockhövel wurde eine von den christlichen Gewerkschaften einberufene Versammlung mit einem brausenden Hoch auf den Berg- arbeiterverband geschlossen, während diechristlichen" Referenten fluchtartig das Feld räumten. Husland. Die Bewegung der Eisenbahner in Grostbritannien. London , 22. April 1912.(Eig. Ber.) Die Unzufriedenheit, die unter den Eisenbahnern Großbritanniens herrscht, erinnert an die Lage vor dem großen streik vom letzten Sommer. Man hört von allen Seiten von Personen, die die beste Gelegenheit haben. die Stimmung unter �den Arbeitern zu erfahren, datz der Aus- bruch eines großen Streiks jeden Tag erfolgen könne. Wahr» schcinlich werden die Eisenbahner jedoch bis zum Hochsommer warten, ehe sie losschlagen, da dies die günstigste Zeit ist. Tie allgemeine Unzufriedenheit hat sich seit dem Abbruch des Streits nur gesteigert. Einige Gesellschaften suchen der Unzufriedenheit dadurch Herr zu werden, daß sie die bekanntesten Mitglieder der Eisenbahnergelverkschoften entlassen. Diese Politik befolgten sie namentlich während des Bergarbeiterstreiks, als durch die Ein- schränkung des Verkehrs ein Teil des Personals vom Dienste jus- pendiert oder entlasten werden mußte. Die Gesellschaften betonen natürlich, daß der Entlassungsgrund nicht die Zugehörigkeit zur Organisation sei; aber die Arbeiter sind davon überzeugt, daß man ihre unerschrockensten Fürsprecher maßregelt. Hinzu kommt noch, datz sich einige der Eisenbahngesellschaften bei der Organi- sation der Einigungsämter einer Methode bedienen, die darauf schließen läßt, daß sie die Verhandlungen über die Forderungen und Beschwerden ihrer Angestellten auf die lange Bank schieben wollen. Alles dieS hat eine Stimmung erzeugt, die, wenn die Gesellschaften nicht rechtzeitig einlenken, bald zu einer gewaltsamen Explosion führen muß. Die Regierung und die Gesellschaften scheinen mit der Mög- lichkeit eines neuen Ausbruchs zu rechnen, und haben schon, wie Genosse Ks i r Hardie gestern in einer Rede zu London aus- führte, ihre Matzregeln getroffen. K e i r Hardie erklärt«, daß bei einem zweiten Eisenbahnerstreik das Heer nicht allein zum Schutz der Bahnen mobilisiert werden, sondern daß es auch den Verkehr besorgen würde. Man habe besondere Eisenbahnkorps gebildet, deren Mannschaften im Falle des Streiks die Stellen der Lokomotiv- und Zugführer, Weichensteller usw. einnehmen würden. Das Heer werde dazu verwendet werden, die Bahnstrecken zu bewachen. Wenn nötig, würden die Lokomotiven kugelsicher gemacht werden; Maschinengewehre würden vorne und hinten am Zuge geführt werden. Er warnte die Arbeiter, datz ein ztveitcr Streik eine Situation schaffen werbe, in die man sich nicht leichten Herzens hineinbegeben sollte. c, Letzte Nachrichten. Nachwahlsieg in Oesterreich . Graz , 23. April. (Eig. Telegramm desVorwärts".) Bei der Reichsrats-Nachwahl in Villach (Kärnten ) wurde Ge- nosse Gregor mit großer Majorität gewählt. Das Wettrüsten. Wie», 23. April/(W. T. B.) Zu Beginn seiner Rede über die Wehrvorlagen betonte der Ministerpräsident die Notwendigkeit der Erhöhung des Rekrutenkontingentes und verwies hierbei auf das Beispiel des Deutschen Reiches, wo seit 1889 ein« Erhöhung der Friedenspräsenzstärke um rund 170 000 Mann erfolgt sei. Bei einer Bevölkerungszahl von rund 64 Millionen werden jährlich 285 000 Mann ausgehoben, aber selbst diesen Standard, den wir auch nach der Wehrreform nicht erreichen werben, hält unser Bundesgenoste nicht für ausreichend. Eine französische Stimme über die deutsche Wehrvorlage. Paris , 23. April. In einer Erörterung der gestrigen Rede deS Reichskanzler schreibt dasJournal des Debats ": Eine fana- tische Minderheit gibt es auch in Deutschland und sie hat mit dem Gespenst der schwarzen französischen Armee und mit der Behauptung, daß Marokko eine unerschöpfliche Quelle schwarzer Rekruten bilde, auf das deutsche Volk einen großen Eindruck gemacht. Jedermann weiß, daß Ma- rokko für Frankreich nur eine. Q uelle der Schwäche und nicht der Kraft bildet, und daß lange Zell hindurch ein Teil der Truppen des Mutterlandes zurückgehalten wird. Angesichts der sehr ernsten Schwierigkeiten in Marokko , welche vielleicht die Entsendung von Verstärkungen nötig machen werden, ist die Be- hauptung, daß Deutschland infolge deS marokkanischen Protektorats zwei neue Armeekorps und drei Geschwader errichten müsse, sehr schlecht angebracht. Friedensschluß im Tuxer Grubenrevier. Dux(Böhmen ). 23. April. (P.-C.) Zwischen den ein- zelnen Grubenbesitzern und den B c r g a r b e i t e r n ist es endlich zu einer Einigung gekommen, so daß die Gefahr eines neuerlichen Ausstandes der Bergleute beseitigt ist. Die Apachenherrschaft in Paris . Paris , 23. April. (P-C.) Ein äußerst kühner Einbruchs» d i e b st a h l, der am hellen Tage in der Rue de Provence be» gangen wurde, versetzte heute nachmittag die Sicherheitspolizei in grotze Aufregung. Mehrere Apachen drangen durch ein unbeauf» sichtigtes Nebengelaß in den Laden eines Juweliers, dessen Besitzer sich für einige Augenblicke aus seinen Geschäftsräumen entfernt hatte. Die Einbrecher raubten Gegenstände im Werte von an» nähernd 100 000 Frank. Als der Juwelier wieder erschien, waren die Apachen bereits verschwunden. Trotz fieberhafter Tätigkeit der Polizei ist es bisher noch nicht gc» lungen, der Täter habhaft zu werden. Feuer auf dem Güterbahnhof. Tctschcn a. E., 23. April. (P.-C.) Auf dem hiesigen Güter« bahnhose geriet gestern durch Funkcnflug aus einer Lokomotive die Ladung eines Waggons in Brand, die auS 50 Ballen Baumwolle bestand. Sämtliche Ballen wurden ein Raub der Flammen; auch der Waggon wurde stark beschädigt. Der Schaden ist groß. yerantw. Redakteur: Albert WochS, Berlin . Inseratenteil verantw.: TH. Glocke. Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u Lerlagsanstalt Paül S'nger& Co.. Striin SW. Hierzu 2 Beilagen«.vnterhaltnngSbl.