bei der unglaublich unvorsichtig bcvzerkstelligton Verhaftungzur Wehr und erschoß eine» Polizeioffizier und einen Polizei«agenten. Er wurde zu lebenslänglichem Kerker verurteilt.Am guten Glauben Hartensteins bei seiner Erpressungrst nicht zu zweifeln. Me, die ihn: näbergekommen sind, be-zeichnen ihn als einen ehrlichen Fanatiker, wenn nicht alseinen„illuininä", bei dein der überhitzte religiöse Glaube andie Revolution die kritische Fähigkeit ausgelöscht hatte.!Hartenstein war jedenfalls ein ausgezeichnetes Instrumentfür jemanden, der auf ihn aus irgendwelchen Gründen einentreibenden Einfluß ausüben konnte.Gab es solche Leute? Wir werden im folgenden Vor«gänge zu besprechen haben, bei deren Darstellung aus ver-schiedenen Gründen Zurückhaltung, besonders in bezug aufdie Nennung von Namen, geboten ist. Für die Richtigkeit derTatsachen sprechen die übereinstimmenden und sich ergänzen-den Ergebnisse einer von verschiedenen Punkten aus vorge-nommenen Untersuchung.In der Zeit, da Hartenstein der Vollstrecker vonErpropriationsbeschlüssen wurde, war er genötigt, einenBetrag zu decken, der ihm für Propaganda-zwecke anvertraut war. Dieser Betrag war ver-u n t r e u t worden, und zwar von jemandem, der ihm alsDeckadresse diente. Er konnte für das Defizit�zur Rechen«schaft gezogen werden. War er sicher, daß der Schuldige einBekenntnis ablegte und ihn vom Verdacht befreite? Jeden«falls läßt der Charakter— nennen wir ihn T— die Möglichkeit des Gegenteils offen.Tatsache ist jedenfalls, daß T, kurze Zeit vor der„Expropriation" bei Herrn M. den Versuch machte,sich eine den defraudierten Betrag über-st e i g e n d e Summe unter Umständen zu v e r-schaffen, die mit der folgenden Erpedition gewisse Zügegemeinsam haben. Auch hier war die Persönlichkeit, auf diees abgesehen war. durch ihre Opferwilligkeit für freiheitlicheZwecke bekannt. Der Erpressungsversuch mißglückte indesund der Schuldige machte ein paar Tage darauf den Versuch,sich mit einein konfusen Entschuldigungsbrief reinzuwaschen.Im Umkreis dieser Unternehmung tauchen auch schonPhysiognomien auf, auf die die Ereignisse in Frankreich auf-merksam gemacht haben.Wir haben so schon einen bestimmten Typus von angeblich revolutionären Beutezügen. Das ausersehene Opfer isteine in revolutionären Kreisen angesehene Persönlichkeit, viel-leicht darum, weil der Zugang zu ihr leichter, vielleicht auchdaruin. weil man ihres Schweigens besser versichert ist.� Vondem zuletzt dargestellten sehr charakteristischen Fall war in derTat bis heute noch nicht die Rede. In diesen Zusammenhanggehört auch die unmittelbar vor der„Affäre vom SquareMarguerite" gegen den reichen Amateuranar-ch i st e n S. in Jxelles geplante, vorzeitig ruchbar gewordenegroße Unternehmung. Die Bombe kam allerdings erst zumVorschein, nachdem die 3lZ00 Frank des Herrn M. in Sicher-heit gebracht waren._flrnmt and(ldchtam in Wtirtteinberg.Aus Stuttgart wird uns geschrieben:Auch im schönen Schwabenland Hausen protziger Reichtum undbitterste Armut dicht nebeneinander. Die vor kurzem veröffent-lichte amtliche E i nk o m m e n ste u e r sta t i sti k für dasJahr 1910 zeigt den Gegensatz zwischen Reich und Arm, Ueber-fluß und Mangel in einer Schärfe, wie das keine andere Statistikeines deutschen Bundesstaates tun dürfte. Württemberg läßt näm»lich nur ein E x i st e n � m i n i m u m von bOY Mark jähr-l i ch von der Einkommensteuer frei. Die gewiß nicht fortschrittlichund arbeiterfreundlich gesinnten Gesetzgeber Preußens haben dassteuerfreie Existenzminimum immerhin auf 900 Mark jährlich festgesetzt. Ebenso Baden und andere Bundesstaaten. Im viclgerühm-ten„Demokratenländle" fängt aber die Steuerpflicht schon bei000 Mark jährlich an.Das württem-bcrgische Steuergesetz sieht zwar für Verheirateteund kinderreiche Familien ein paar Erleichterungen vor(Herab-sctzung um ein oder zwei Steuerstiifen), diese Vergünstigungen wer.den aber durch andere Bestimmungen(Zusammenrechnung desArbeitsverdienstes von Mann und Frau, Besteuerung des Ver-diensies aus Ueberstunden. des Trinkgeldes, herkömmlicherweifcgereichter Geschenke usw.) mehr wie wettgemacht.Dieses harte und ungerechte Steuersystem bietet nun demVolksio-rtschaftler und Politiker die Möglichkeit, auch die Einkorn-mensverhältnisse jener breiten BevölkerungSschicht kennen zu ler-ncn, die durch die Steuerstatistik anderer Staaten nicht erfaßtwerden. Vorweg sei bemerkt, daß das Einkonnnen aus 1. Grund-und Gebäudcbcsitz, Land- und Forstwirtschaft, 2. Gewerbe undHandel, 3. Kapitalien und Renten, 4. aus Dienst- und Arbeits-Verhältnissen der Einkommensteuer unterworfen ist. Das Gesamt-cinkommen der Bevölkerung Württembergs aus diesen vier Ein-kom-mcnsqucllen war für 1910 veranschlagt auf rund 1200sb Milk.Mark. DaS reine Arbeitseinkommen allein wurde auf rund651 H Mill. Mark— 42,74 Proz. des Gesamteinkommens ver-anschlagt. Das zur Steuer herangezogene Reineinkommen derEinzelpersonen(nach Abrechnung der gefttzlichen Abzüge fürSteuern, Schuldzinse» usw.) beziffert sich auf 1 186876 952 Mark.Tic Gesamtzahl der besteuerten Einzelpersonen, ist 085 810, Einerohe Teilung deS GesauiteinkommenS durch die Zahl der Zensitenwürde also ein Jahreseinkommen von 1720 Mark proKopf ergeben, ein Sümmchen, von dem sich zur Not leben, läßt.Sehen wir aber zu, wie in Wirklichkeit die Einkommensverhältnisseder arbeitenden Bevölkerung gestaltet sind:Mit 50V bis 049 Mark Jahreseinkommen sind veranlagt138 007 Personen; die Steuerswfe von 050 bis 799 Mark zählt95 081 Zensiten; 600 bis 949 Mark versteuern 78 075 Personen.Das sind insgesamt 311703 Personen i45,40 Proz. aller Besteucr-tcn), deren Einkommen noch keine 950 Mark jährlich erreicht! Ge-wiß befinden sich unter diesen Steuerzahlern Einzelpersonen� dienur für den eigenen Mund zu sorgen haben. Die Zahl der„Haus-holte" in Württemberg bleibt um rund 123 000 hinter der Zahlder Steuerzahler zurück. Aber in den BevölkerungSschichten mithöheren Einnahmen befinden sich auch viele tausend Personen ohneeigenen Haushalt. Durch die infame Bestimmung, daß das Ein-kommen des Mannes und der Nebenverdienst der Frau zusammen-gerechnet als ein Einkommen zu versteuern ist, werden aber auchFamilien zur Steuer herangezogen, die bei anderer Berechnungneuerfrei bleiben würden. Ein Beispiel möge da» zeigen: DerMann, ein Krüppel, verdient mit Stuhlsiechten 400 Mark jährlich,also nicht das Steuerm-inimum; die Frau bringt es durch ZeiwngS.austragen usw. auf 200 Mark. Durch die Zusammenrechnung derbeiden Summen— 000 Mark«- wird da» Einkommen, dieserArmen steuerpflichtig!Erfahrungsgemäß pflegt der Kindersegen um so reicher zu sein.je geringer das Einkommen der Jamslic rst. Fast die Hälfte derPeMfcruvg Würtjembers? bMbf aber mit ihrem Einkommen untcx950 Mark jährlich. Mit ankern Worten: im wunderschönen, diel--besungenem Schwabenland mit seinen stolzen Burgen und Schlös-csrn, seinen Rebenhügeln und lachenden Fluren leidet fast dieHälfte der Bevölkerung bittere Not, haben Hunderttausende kaumsoviel, um den Hunger der Ihrigen zu füllen und ihre Blöße zudecken!Nun die andere Seite der Medaille: Die Zahl der Reichen, dieein Jahreseinkommen von 30 000 bis 100 000 Mark zu versteuernhaben, stieg von 879 im Jahre 1905 auf 1155 im Jahre 1910, dieZahl derer mit 100 000 bis 200000 Mark jährlich von 92 auf 140,die Zahl der„Armen" mit über 200 000 Mark Jahreseinkommenvon 44 auf 64. Das von der Steuerbehörde ausfindig gemachteGrsamtcsnkommen dieser 1319 Personen beziffert sich auf rund109 Milllonen Mark jährlich, pro Kopf auf 83 523 Mark. Auf die64 Reichsten entfällt ein Gesamteinkommen von 33 381 293 Mark,pro Kopf also 521 270 Mark jährlich!Hin und wieder werden in kulturell zurückgebliebenen Gegen-den politisch harmlose Gemüter noch mit der Behauptung erschreckt,die Sozialdemokratie wolle„alles teilen". Das ist Unsinn! Wirwollen vielmehr die Ueberführung der Produktionsmittel in ge-meinsamev Besitz des Volkes. Nehmen wir aber einmal an, dieSozialdemokratie beabsichtige eine so rohe Teilcrei. wie sie uns vonbürgerlichen Demagogen unterstellt wird; würde denn die arbei-tcndc Bvölkerung wirklich so schlecht dabei fahren? Wie schonfrüher bemerkt, beziffert sich das Reineinkommen deS württembergischen Volkes nach Abrechnung aller gefetzlickien Abzüge auf1 185 875 952 Mark, Die Zahl der Zensiten sit 686 810. Macht proKopf 1726 Mark jährlich Von de» 685 810 Steuerzahlern kommenaber nur 146 747 über 1700 Mark jährlich hinaus. 539 063 Zen-siten— das sind mehr als 78 Proz. der Bevölkerung— haben nurein Einkommen von 500 bis 1700 Mark jährlich ungerechnet diegroße Schar derjenigen, die infolge noch geringeren Einkommensgar nicht zur Steuer veranlagt werden. Etwa vier Fünftel derBevölkerung würden also selbst bei einer so rohen Teilcrei des Einkommens nicht schlecht fahren, fast die Hälfte des Volkes würde seinEinkommen sogar verdoppeln und verdreifachen�Der Krieg.Untergang eines italienischen Panzerkreuzers?Rom, 26. April. Zu der Meldung aus Konstantinopel, daßder italienische Panzerkreuzer„Bares e" infolge der beidem Bombardement der Tardanellen erhaltenen Beschädigungen beider Insel LemnoS gesunken sei, erklärt die„Agenzia Stefani", alleWelt wüßte, daß der Kreuzer„Varesc" in ausgezeichneter Ver-fassung tm Hafen von Torent angekommen und bereit sei, wiederauszulaufen.Konstantinopel, 26. April. Die Behörden von LemnoS sind angewiesen worden, die dort gefundenen Schiffsbestandteile, die vondem angeblich gesunken«» italienischen Panzerkreuzer„Varese" her-rühren sollen, zu sammeln und genaue Feststellungen darüber an-zustellen.Die Revolution in China.Japanische Intrigen.Schanghai, 27. April.(Meldung der„Agence d'Extreme Orient.)Mit den japanischen Finanzleuten bestehen wegen derEisen minen von Pinjang und Hanyang Differenzen.Die früher« Regierung Sunyatsens hatte angenommen, daß sich dieJapaner in dieser Angelegenheit mit den Chinesen verbinden wer-den, indem sie in diese Unternehmungen neues„capital hinein-stecken würden. Nun hat aber die Nationalversammlung von Nan-krng dieses Abkommen wieder verworfen, und die Bevölkerung desSüdens ist energisch dagegen, indem sie geltend machen, daß einesolche Verbindung hieße, die nationalen Reichtümer den Japanernausliefern. Andererseits sind die Kupferwerke von Tongfau in derProvinz Anhui der Gegenstand der größten Anstrengungen seitensder Japaner gewesen. Die interessierten japanischen Kapitalistenerklären die geschlossenen Verträge für bindend und richten sich nichtnach der Volksmeinung. Sie berufen sich auch aus das Recht derfrüheren Regierung, Verträge abzuschließen.politische(Übersicht.Berlin, den 26. April 1912.Jesnitemuterpellatio«.Aus dem Reichstag. 26. April. Man konntegespannt sein, wie sich die Regierung des Herrn v. B e t h-mann.Hollweg aus den Schwierigkeiten des bayerischenJesuitenerlasies retten würde, und wie die konservativ-kleri-kale Freundschaft diese Probe zu bestehen vermöchte? Die)wei Fragen haben heute bei der Behandlung der Jesuiten-Interpellation ihre Beantwortung gefunden. Der Neichskanz-ler ist auf dem besten Wege, sich mit seinem bayerischen Kalle-gen zu verständigen, wie auch nicht anders zu erwarten war.Der Bundesrat wird, so teilte Herr v. Bethmann Hollweqin seiner Antwort mit, zu einem bayerischen Antraq Stellungzu nehmen haben, der eine Definition über den- Begriff derOrdenstätigkeit verlangt. Es läßt sich leicht erraten, inwelcher Richtung und zu wessen Gunsten die Definition er-folgen wird. Bisher sind sich Berlin und München vielleichtnoch nicht ganz einig. ES war wenigstens heute sehr lustig,anzuhören, wie in einem nicht unwichtigen Punkte der baye-rische Bevollmächtigte Graf Lcrchenfeld das genaueGegenteil von dem sagte, was zuvor in der Beantwortungder Interpellation mitgeteilt war. Herr v. BethmannH o l l w e g hatte erklärt, er habe von dem bayerischen Erlaßerst durch die Zeitungen Kenntnis bekommen. Da stand nach-her an der Spitze des anderen Bundesratstisches Graf Lerchen-feld auf und wußte in seiner Rede zu melden, daß die baye-rische Regierung vor Ausgabe des Erlasses bereits alle Bun-desregierungen verständigt hatte. Der Widerspruch fandkeine Aufklärung.Die Einigung im Schöße der schwarzblauen Regierungwird auch nicht etwa durch eine Störung im Verhältnis derblauschwarzen Parteien getrübt werden. Entsagungsvollwaren sowohl Graf W e st a r p als Sprecher der Konser-vativen, wie Herr Mumm, der Redner der Antisemiten undanderer protestantischer Jesuiten; beide versicherten, daß siehocherfreut über den Verlauf der bösen Angelegenheit seien...Die Interpellation war von dem NationalliberalenDr- I u n ck begründet worden, der lediglich eine rechtlicheAuseinandersetzung bot und im Interesse des Reichsgedankensdie verschiedenartige Auslegung von Reichsgesetzen in deneinzelnen Bundesstaaten bedauerte und zurückwies. Vielweniger vorsichtig war im Laufe der Besprechungen seinFraktionskollege Dr. O r t m a n n, der eine nicht eben geist-reiche und ebensowenig geschickte Kulturkampfpauke hielt. DieAuffassung unserer Partei, die klar und einfach gegeben istdurch unsere Grundsätze und durch unsere langjährige Aktion,vertrat unter großer Aufmerksamkeit des Hauses in ge-wandter Rche unser ajter Kämpfer Bios. Das Zentrumleistele sich eine staatsmännische Red'ö d'urch Herrn Spahnund eine waschechte Agitationsrede durch seinen NachbarnGroeber. Es fand Unterstützung beim Polen v. Mo-r a w s k i, während im sästvarzblauen Block nur Herr M e r-t i n die Reichspartei eine Extratour tanzen ließ. Der Fort-schrittler Dr. Dave verlangte in ruhiger und verständigerRede, daß die Einzelregierungen mit der Reichsregierung insolchen Fällen Verständigung suchen sollten.In vorgerückter Stunde nahm nan die neulich abge-brochene Beratung des Etats der Reichseisen-bahnen auf. Man sagt vielleicht besser„reichsländischeEisenbahnen", denn der Besitz des Deutschen Reiches anBahnen beschränkt sich auf Elsaß-Lothrmgen. Chef derReichseisenbahnverwaltung im Nebenamt ist der preußische! Eisenbahnminister von Breitenbcch, und dieser Name* sagt uns schon genug. Nock mit größerem Fanatismus alssein Vorgänger Budde bemüht sich Breitenbach, den preußi-� scben Scharfmacher- und Kasernengeist in die Vettvaltung derelsaß-lothringischen Bahnen hineinzutragen, wie er den im. Dreiklassenhause üblichen Ton in die Verhandlungen desReichstages einführt. Nachdem auch der FortschrittlerL i e s ch i n g gegen die Breitenbachschen Attentate auf die.Koalitionsfreiheit protestiert hatte, gab Genosse Dr. Weilldie Antwort auf die vor einigen Tagen hier im Reichstaggehaltene Rede des Eisenbahn-Dallwitz.'Die auf reichesMaterial gestützten klaren Darlegungen unseres Fraklions-redners wußten trotz der ungünstigen Stunde das Haus zufesseln. Genosse Dr. Weill verwies auf den klaffenden Gegen-satz zwischen dem Verhalten der reichst indischen und den deranderen süddeutschen Eisenbahnverwaltungen. Nicht nur dieVerfolgung des süddeutschen Eisenbahnerverbandes ist charak-leristisch für das System Breitenbachs; auch die Lohn- undArbeitsverhältnisse in den Reichslanden weisen urpreußischcZüge auf. Uebrigens erweist sich Herr von Breitenbach mitseinen Scharfmachereien als der bette Schrittmacher der. Sozialdemokratie, wofür ihm Genosse Weill atn Schluß seiner. ausdrucksvollen Ausführungen ironisch unseren Dank ab-: stattete. Falls man am Sonnabend die Beratuna des Reichs-� eisenbahnetats zu Ende führt, will man noch den K o l o n i a l-etat beginnen._Sturm im Treiklassenhause.Im Junkerparlament steht das Barometer wieder einmal aufSturm. Oktavio v. Zedlitz, der freikonscrvative Obcrscharfmacher,hatte es sich vorgenommen, in der unverschämtesteen Weise dieSozialdemokraten zu provozieren, und leider kam ihm derPräsident dabei zu Hilfe. Während Frhrerr v. Ersfa sich inder ersten Zeit seiner Amtsführung einer gewissen Unparteilichkeitz»l befleißigen suchte, lasien ihn jetzt die Lorbeeren seines Vorgängersv. Kröcher nicht schlafen. Er duldete es, daß Frhr. v. Zedlitzsich in den beleidigendsten Ausdrücken gegen die fozialdemo-kratischen Mitglieder des HauseS erging, denen schließlichnichts anderes übrigblieb, als zur Selbsthilfe gegen denfrechen Herausforderer zu schreiten. Was würde die Mehrheitdes HauseS wohl sagen, wenn ein Sozialdemokrat die ParteiendeS schwarzblauen Blocks mit Hehlen und Stehlern vergleichen oder einer Fraktion vorwerfen würde, daß siedas Niveau des HauseS herabdrücke? Wir sind überzeugt,man würde nach dem Leutnant rufen und einen solchenAbgeordneten mit Gewalt entfernen lassen. Herr v. Zedlitz aberdurfte sich solche Schmähungen gegen Sozialdemokraten und Fort-schrittlcr erlauben, ohne daß der Präsident einschritt. Ja, eine leb-hafte GeschäftSordnungsdebatte, in der Abg. P a ch n i ck e undnamentlich Genosse Hirsch dies Verfahren brandmarkten, zeitigtesogar daS Ergebnis, daß der Präsident sich offen auf die Seite deSHerrn v. Zedlitz stellte.Erschwerend fällt ins Gewicht, daß Frhr. v. Zedlitz sich nichtetwa in der Erregung zu seinen Angriffen hatte hinreißen lassen.Ach nein, seinem Vorgehen lag ein wohlerwogener Plan zugrunde.Systematisch wollte er die Sozialdemokraten provozieren, umseinen GefinnungSgenost'en den Vorwand zu einer weiterenVerschärfung der Geschäftsordnung zu geben. Alle« waraufs beste vorbereitet, und der nächste Redner, der Konservative Grafv. d, Groeben kündigte auf das von Herrn v. Zedlitz gegebeneStichwort denn auch sofort neue geschästs ordnungsmäßige Strafengegen unbotmäßige Mitglieoer der Linken an. Die Herren habenanscheinend gar lein Gefühl dafür, wie sehr sie sich durchihre sortgesetzten Äenderunge» der Geschäftsordnung blamieren.Wollen sie dem famosen Hauslneck tsparagraphen ähnlicheblödsinnige und das Ansehen deS Parlaments schädigendeBestimmungen hinzufügen, so mögen ste es tun. Wenn sie aberglauben, daß die Sozialdemokraten sich dadurch von der Erfüllungihrer Pflicht abhalten lassen, so werden sie durch die Erfahrungeneines anderen belehrt werden.Sachlich zeitigte die Debatte nicht diel Neues. Frhr. v. Zedlitzgab wie alljährlich seinen scharfmacherischen Gelüsten Ausdruck, nurdaß er sich in seiner Nervosität diesmal zu größeren Unvorsichtig-leiten hinreißen ließ als in früheren Jahren. Mit Hilfe der Polizeiund der Gerichte will er der sozialdemok- atischeip Bewegung Herrwerden, und wenn die Polizei nicht ausreicht, soll Militär requiriertwerden. Da» sind die„geistigen" Waffen der BeherrscherPreußen». Aehnlich Graf v. d. Groeben(k.) und sogar der sichliberal neimende Abg. Dr. F r i e d b e r g ist derartige» Maßnahmennicht abgeneigt; zum'mindesten erscheint ihm der Schutz derArbeitswilligen dringend erforderlich. Wie jammervoll dieZustände in der preußischen Verwaltung sind, zeigt dieRede de» Abg. Dr. S e y d a(Pole), der eine lange Listevon unerhörten Uebergriffen preußischer La ndräte und behördlichemTerroriSmu» aufrollte.Nach einer Erwiderung de» Unterstaatsselrekär» Holtz, derda» Vorhandensein von Mißständen in Abrede stellte, und einigengeharnischten persönlichen Bemerkungen der Genossen Liebknechtund Ströbel wurde die weitere Bcratung de» Etats desMinisteriums des Innern auf Sonnabend vertagtPreußische Polizeikultur.Die brutale Büttelpolittk der preußischen Regierung wird selbstden Rationalliberalen de» Dreiklassenhanses bedenklich. In einen,die Stimmung der Nationalliberalen widerspiegelnden Artikel,überschrieben„Im reaktionären Kielwasser' nimmt die„Kölnische Zeittmg" Stellung zu der letzten Rede des pmißischei,Ministers des Innern v. Dallwitz. DaS Organ des rheinischenNationalliberalismus sagt:„Hinsichtlich der Wahlreform, deS Vereins- und Ver-sammlungsrechtes und der einseitigen politischen Beeinflussungder Bevölkerung durch die Land röte habe die Ver-Handlung de» Abgeordnetenhauses„sclbst den leisesten undbescheidensten liberalen Hoffnungen eine große Enttäuschung' ge-bracht. Eine so ausgesprochen reaknmäre Rede habe Herrv. Dallwitz noch nicht gehalten. Auch bei Dingen, die den größtenTeil von Preußen bewegen, habe Dallwitz„eine Mischung vonScherz und Spott über die Beschwerdeführer ergchen lassen, diedurchaus nicht der Bedeutung der Frage gerecht wurde". Die Ver-gewallignng der Bestimmungen des Vereins- und BersammlungS-