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Nr. 98 29. Jadrgallg. 3. ßfiliiof kfi Jmtirtü" Kcrlim Bollistilatt. Zmmdeid. 27. Jfril 1912. Die Gebifyrenfrage der ßccbtsanwälte. Genosse Heine hat gelegentlich der Beratung des Etats des Reichsjustizamtes in der Reichstagssitzung vom IS. April zu der Gebührenfrage der Rechtsanwälte Ausführungen gemacht, die in einzelnen Punkten nicht unwidersprochen bleiben können. Heine hat nun allerdings erklärt, daß er bei dieser Frage nicht im Auftrage der Fraktion spreche, da er deren Meinung nicht einge. holt habe. Unserer Meinung nach hätte die Fraktion den Stand- Punkt Heines auch durchaus nicht akzeptieren können. Ich will davon absehen, darzutun, ob die Gebühren der Rechts- anwälte der Erhöhung bedürfen oder nicht, insbesondere die Ge- bühren für die kleinen Objekte, bei denen der Anwalt nach Heinenichts als Arbeit und Unkosten hat über daS hinaus, das man verdient". Ich will-nur darauf hinweisen, daß, ins- besondere nach der Einführung der Pauschalierung der Auslagen im Jahre 1910, bei kleinen Objekten oft die Anwaltskosten daS Objekt übersteigen. Dem rechtsunkundigen Arbeiter und kleinen Handwerker ist es schon heute oft unmöglich, bei ihren Prozessen, bei denen es sich fast ausschließlich um kleine Objekte handelt, sich der rechtskundigen Hilfe eines Anwalts zu bedienen, gerade infolge deS ungesunden Verhältnisses der Anwaltskosten zum Objekt. Die Anwälte haben auch dem ganz geringen Ausnahmen abgesehen, ein Einkommen, das dasjenige einesvollbeschäftigten" Angestellten um das Vielfache übersteigt. Was mich jedoch besonders veranlaßt, die Heineschen Aus- sührungen für gänzlich verfehlt zu halten, sind folgende Sätze seiner Rede: Wir Anwälte haben...... noch die Möglichkeit, uns selber zu helfen; wir haben die Möglichkeit der fteien Verein- barung der Gebühren und Honorare. Wenn meine Herren Kollegen von diesem Recht nur einen etwas ausgiebigeren Ge- brauch machen wollten, könnten sie sich selber...... heraus­helfen; ferner: Aber eine Erhöhung dieser Bezüge der Angestellten, die Heine selbst vorher z. T. als elend, al» schmachvoll bezeichnet ist den Anwälten unmöglich, wenn nicht ihre eigenen Ge- bühren erhöht werden." Diefreie"(in der Regel erzwungene) Vereinbarung höherer als im. Gesetz vorgesehener Gebührensätze ist schon jetzt zu einem Unfug ausgeartet, soweit die minderbemittelte Bevölkerung in Frage kommt, zu einem Unfug, dem selbst Anwaltskammern im Interesse des Ansehens des Anwaltsstandes zu steuern sich für verpflichtet gefühlt haben. Bei ganz einfachen Bagatellsachen, bei Prozessen, die jeder Arbeitersekretär ebensogut oder besser vertreten könnte als ein Teil der Rechtsanwälte, falls diese nicht das gesetzlich gewähr- leistete Privilegium hätten, werden häufig Honorarefreiwillig" vereinbart, die für den Arbeiter ein kleines Vermögen darstellen. Di« Worte Heines reizen zur AuSoehnung dieses Unfugs an. Das Argument, daß die Bezüge der Angestellten nicht erhöht werden können, solange das Einkommen der Arbeitgeber nicht er- höht wird, ist nicht neu. Es kehrt immer wieder, sobald Arbeit- nchmer mit Lohnforderungen herantreten. Erst kommt zu der Auffassung muß man nach den Heineschen Ausführungen kom- men dieangemessene" Lebenshaltung der Anwälte zu ihrer Aus- auswirtschastung des Kapitals, das die Anwälte zu ihrer Aus- bildung benötigt haben, die Zurücklegung von Kapitalien für ihre Altersversorgung usw. All das soll ihnen der Staat auS Mitteln des Volkes gesetzlich gewährleisten. Das. was übrig bleibt, er- halten dieelend" undschmachvoll" bezahlten Angestellten. Diese Argumente Hernes werden den Angestellten bei ihrer schwierigen Kämpfen auf Lohnerhöhung auch die Berliner An gestellten stehen in einer Lohnbewegung nicht förderlich sein. Kaum ein Stand ist so privilegiert, als derjenige der An- wälte. Der gesetzliche Mindestlohn für die Anwälte besteht in Gestalt der Gebührenordnung, die Angestellten haben einen gesetz- lich gewährleisteten Lohn nicht, für ihre Bezüge ist die Willkür der Anwälte maßgebend. Nach der Absicht des Gesetzgeber? sollen zum mindesten die Auslage, chauschalsätze zur Bezahlung der Ge bälter der Angestellten verwendet werden; die Mehrzahl der An- wälte denkt gar nicht daran. Hein« wird nicht bestreiten können, daß die Mehrzahl der Anwälte ein Reineinkommen von mehr als 10 000 M. jährlich bezieht, die Angestellten, nach den vorliegenden Statistiken, ein solches von etwa 1000 M. Es hätte m. E. einen besseren Eindruck gemacht, wenn er energisch für die seit Jahrzehnten geforderte gesetzliche Regelung der elenden Angestelltenverhältnisse eingetreten wäre, ferner, ent- sprechend unserm Programm, für Unentgeltlichkeit der Rechts­pflege, wobei er dann immer noch hätte Gelegenheit nehmen können die Sicherstellung seiner Kollegen zu erörtern. Statt dessen laufen seine Ausführungen auf eine Verteuerung der Rechtspflege und auf Erschwerung des Kampfes der Angestellten um eine menschen- würdige Existenz aus._ C. Freier. 4. Derbavdstag des Deutschen Kurschllerverbandeg. Leipzig , 26. April 4. Berhandlungstag. In der heutigen Sitzung wurde gleich mft der Spezialberatung des Statuts begonnen. Anträge auf Abänderung des Namens des Verbandes wurden abgelehnt. Die Beitragsftage rief nochmals größere Er- örterungen hervor. Sie wurde in folgender Form erledigt: Der Beitrag beträgt für die erste Klasse 30 Pf.(wie bisher), zweite Klasse 46 Pf.(bisher 40 Pf.), dritte Klasse 60 Pf.(bisher 50 Pf.) und für die vierte Klasse 70 Pf.(bisher 60 Pf.). Für Lehrlinge und jugendliche Personen bis zu 16 Jahren 20 Pf. Die erste Bei- tragSklasse bezieht sich nur auf weibliche und männliche jugendliche Mitglieder vom 16. bis 18. Jahre. Im übrigen haben Mitglieder, für die bei der Invalidenversicherung die Wochenmarke zu 32 Pf. geklebt wird, die Beiträge der zweiten Klasse, bei der Wochenmarke zu 40 Pf. die Beiträge der dritten Plasse, und bei der Marke au 48 Pf. die Beiträge für die vierte Klasse zu bezahlen. Den Mit- gliedern steht es ftei, von einer niedrigeren in eine höhere Klasse einzutreten. Ucber die Erhebung von Extrabciträgen war bis- her im Statut nichts bestimmt. Nun wurde festgelegt, daß der Vorstand und Ausschuß berechtigt sind, bei größeren Streiks und Aussperrungen Extrabeiträge auszuschreiben. Die Einnahmen aus diesen Extrabeiträgen müssen sofort der Hauptkasse zugeführt werden. Filialen sind unter Beachtung besonderer Bestim- mungen berechtigt, lokale Extrabeiträge zu erheben. Bei Beratung der Ausschtutzbcstimmungen entspannen sich län- gere Erörterungen. Bisher hatten die Filialen das Recht des Ausschlusses. Die Ausgeschlossenen konnten Beschwerde beim Vor- stand und Ausschuß und in letzter Instanz beim Vcrbandstag er- heben. Der Vorstand schlug nun veranlaßt durch die Vorgänge in Rötha vor, daß der Ausschluß durch die Filiale nur bei Beitragsrückständen, in allen übrigen Fällen aber durch den Ver- bandsvorstand erfolgen kann. Der Ausschluß soll aber nur dann als vollzogen gelten, wenn falls der Ausschutz bei der Beschwerde sich nicht auf den Standpunkt des Vorstandes stellt der Vorstand nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung des Ausschußbeschlusses erneute Beratung in Gemeinschaft mit Ausschutz und Beirat be- antragt hat. Diese Vorschläge fanden heftigen Widerspruch, be- sonders bei den Leipziger und Röthaer Delegierten. Es wurde hier auch gleich über die Einsetzung des Beirates beraten und beschlossen. Für diese stimmten 18 Delegierte und 12 dagegen; die Vorstandsmitglieder enthielten sich der Abstimmung. Die Vor- schläge des Vorstandes über den Ausschluß eines Mitgliedes wurden in ihren wichtigsten Punkten abgelehnt. Der Ausschluß wird also auch ferner von der Filiale vollzogen. Ausgeschlossene, be- schwerdeführende Mitgliedr müssen bis zur Entscheidung der letzten Instanz als Mitglieder geführt werden. Dadurch würden Vor­gänge, wie die in Rötha , ebenfalls vermieden. Vor Erledigung der Anträge zu den llnterstützungseinrichtungen wurde beschlossen, an diesen grundsätzlich nichts zu än- dern. Alle Vorschläge auf Erweiterung und Reduzierung der Unterstützungssätze waren damit abgelehnt. Für die Lehrlinge wird aber bei der Erwerbslosenunterstützung eine besondere Unter- stützungsklasse geschaffen. Bei den Bestimmungen über die Streikunterstützung wurde beschlossen, daß alle bei Streiks und Aussperrungen gezahlten Unterstützungen zunächst nur als Darlehen gegeben werden. Die Empfänger haben sich zu verpflichten, den ganzen Betrag zurück zuzahlen, wenn sie vor Beendigung einer Bewegung ohne Zustim mung der Streikleitung die Arbeit aufnehmen. Der Beirat wird aus sieben Mitgliedern zusammengesetzt. Zur Wahl der Mitglieder des Beirates wird das Verbandsgebiet in sieben Wahlkreise eingeteilt. Die Beratung des Streikreglements ging wider Erwarten rasch. Der Verbandstag stimmt« einem Antrag zu, am alten Reglement fe st zuhalten. Dadurch fielen die Abänd« rungsvorschläge des Vorstandes, die diesem größere Rechte bei der Führung und bei Abbruch von Streiks sichern sollten» glatt unter den Tisch. Das neue Statut tritt am 1. Januar 1313 in Kraft. Als Sitz des Verbandes wurde Hamburg wiederum be stimmt. Verbandsvorsitzender Leisler und Kassierer Wagnitz wurden einstimmig wiedergewählt. Der VerbandSauSschuß kommt in die Filialen Leipzig und Lindenau. Der Verbandstag wählte dann noch Delegierte zum internatio- nalen Kürschnerkongreß, Gewerkschaftskongreß, und zum inter nationalen Arbeiterkongreß. Damit waren die Arbeiten des Verbandstages erledigt. Der nächste VerbandStag wird 1916 in A r n st a d t abgehalten. Bei Erledigungsonstige Anträge' wurde zur Frage der Heimarbeit folgender Resolution zugestimmt: Der Verbandstag macht es den Arbeitern der Hausindustrie in der Kürschnerbranche zur Pflicht, sich dem Deutschen Kürschner - verband anzuschließen. An allen Orten, wo der Verband Zahl- stellen unterhält, sind für die Kollegen in der Hausindustrie Sektionen zu bilden, wenn genügend Mitglieder vorhanden sind." Um den Sitz des Verbandsvorstandes bewarben sich mehrere Filialen. Die Leipziger halten Leipzig als den geeignetsten Ort, von anderer Seite wurde Berlin vorgeschlagen. Der Vor- stand und einige Delegierten schlugen vor, den Sitz in Hamburg zu belassen. Mit geringer Mehrheft wurde in diesem Sinne be schloffen. Hus der parteü Fortschritte der Parteipresse. Im Verbreitungsbezirk desH a l l« s ch e n B o l k S b l a t t e S' wurden seit dem 1. Juli v. I. in ländlichen Orten und kleinen Städten 44 neu« Filialen errichtet. Da von jeder dieser Filialen durchweg noch zwei bis fünf Nachbardörfer durch Austräger mit der Zeitung versorgt werden, so ist diese neueste Ausbreitung des Blattes ein ganz bedeutender Vorstoß in weite, bisher vomVolksblatt" unberührte Gebiete. DaSHallesche VolkSblaft" nahm in der angegebenen Zeit an 6800 Abonnenten zu. Den Haupteil dieses Aufschwunges brachte naturgemäß die Reichstags- Wahlbewegung und die im Anschluß daran in zahlreichen Orten des Bezirkes einsetzende planmäßige HauSagitation. DieFränkische Volkstribüne" in Bayreuth , die seit dem 1. Juli in einem neuerbauten Druckereigebäude und mittels Rotationsdrucks in vergrößertem Format hergestellt wird, hat eine Auflage von 8000 Exemplaren erreicht; das ist eine Vermehrung der Auflage um 6000 Exemplaren seit der vor 3)4 Jahren erfolgten Umwandlung vom Kopfblatt zur selbständigen Zeitung. Eine Bank der schwedischen Arbeiterbewegung. Die sozialdemokratische Partei, die Landesorganisation der Ge- werkschaften sowie auch der Kooperative Verband, die Zentrole deS ArbeitergeiwssenschastswefenS in Schweden haben sich schon seit einer Reihe von Jahren wiederholt mit der Frage befaßt, ob eS nicht möglich sei, eine eigene Bank für die Arbeiterbewegung zu gründen, um nicht die Gelder der kämpfenden Arbeiterschaft den kapitalistischen Geldinstituten zur Spekulation überlassen zu müssen. Der Gedanke konnte jedoch bisher nicht verwirklicht werden, zumal der Gründung eines solchen Geldinstituts durch die Organisationen gewisse gesetzliche Schwierigkeiten im Wege stehen. Nun haben jedoch dieser Tage 19 Personen, die sämtlich, bis auf zwei. Mit» glieder der Partei sind und meist an leitender Stelle in der Ar- beiterbewegung tätig sind, bei der Regierung die Konzession einer solchen Bank beantragt und daZ Institut, daS den NamenAktie- bolaget Nya danken"(Aktiengesellschaft Die neue Bank") trägt, wird demnächst ins Leben treten. Für die finanzielle und bank- technische Leitung hat man sich von vornherein entschlossen, tüchtige Fachmänner heranzuziehen, und das sind die beiden Personen, die nickt der Partei angehören. Der Grundfonds der Neuen Bank ist auf mindestens 1000 000 und höchstens 2 000 000 Kronen festgesetzt, die auf Aktien zu 100 Kronen verteilt werden. ES sind Garantien dafür geschaffen, daß der Nutzen de» Unternehmens auch wirklich der Arbeiterbewegung zugute kommt und eine Ueberrumpclung durch gewinnsüchtige Kapitalisten ausgeschlossen ist, und gleichzeitig hat man sich auch ausländische Verbindungen gesichert, die in der- selben Richtung liegen._ Aus der Parteibewegung. Einen gewaltigen Aufschwung hat in letzter Zeit die Partei- wie die Gewerkschaftsorganisation in Plauen i. V. genommen. Innerhalb dreier Jahren ist die Zahl der gewerkschaftlich Organi- sierten von 3600 auf nahezu 16 000 gestiegen, so daß im Vorjahre die Anstellung eines GewerkschastSsckretärS notwendig wurde. Nicht minder groß ist der Zustrom zur politischen Organisation. Zählte der sozialdemokratische Verein vor drei Jahren erst 1750 Mitglieder, so am 31. März d. I. bereits 4729 und heute ist die Zahl von 6000 schon überschritten. Weibliche Mitglieder zählt der Verein gegen 600. Da die Parteiarbeiten nicht mehr im Nebenamte ausgeführt werden können, so hat die letzte Mitgliederversammlung beschlossen, einen besoldeten Geschäftsführer anzustellen. Der Abonnenten- stand der Parteipresse ist 4200. Die Zunahme im letzten Jahre beträgt rund 1600. Die Stadt O e l S u i tz, auch zum 23. sächsischen Wahlkreise gehörend, zeigt fast die gleich« Aufwärtsbewegung. Ein Erfolg des rumänischen Sozialismus. Bukarest , 26. April. (Privattelegramm desVorwärts".) Nach fünfjährigen Kämpfen seitens des rumänischen Proletariats wurde unser Genosse Rakowski, der seit fünf Jahren auS« gewiesen ist. endlich in seine Rechte als rumänischer Bürger nieder eingesetzt. poUreUüKe», O tri ehrliches ufw- Ein seltenes Vorkommnis. Freigesprochen von der Anklage wegen Beleidigung eines Grafen Georg v. Wartenberg aus dem Kreise O e l s wurde am Donnerstag von der 1. Breslauer Strafkammer Genosse Karlt Okonskh in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher der dortigen V o l k s w a ch t". Vor den ReichstagSwahlen gab dieVolks- wacht" einer Zuschrift aus dem Wahlkreise Oels-Wartenberg Raum. in der es als sonderbar hingestellt wurde, daß der Graf von Warten- berg so kurz vor den Reichstagswahlen eine besondere Zuneigung für seine ländlichen Arbeiter auf einmal an den Tag lege. Es hieß in der Zuschrift, daß die Arbeiter zu Weihnachten zum eisten Mal vomgnädigen Herrn" ein Geschenk erhalten haben und daß dieser die bis dahin verbotenen Tanzlustbarkeiten jetzt wieder ge- nehmige. Weiter wurde darauf hingewiesen, daß diegnädige Frau" in Kürze für alle Dorfbewohner ein Fest veranstalten würde. Durch diese Zuschrift, die in keiner Weise durchblicken ließ, daß der Graf v. Wartenberg, der auch gleichzeitig Amtsvorsteher ist, sein Amt dazu benützte, um die Wähler für den Kandidaten der konser - vativen Partei einzufangen, fühlte sich der Herr Graf beleidigt. Insbesondere hat es ihn gekränkt, daß er und seine Frau mitgnädig" in Gänsefüßchen bezeichnet und daß ihm sein guteS Herz für feine Arbeiter zum Vorwurf gemacht wurde. Der Bres- lauer Staatsanwalt tat ihm auch den Gefallen und erhob im öffent» lichen Interesse Anklage. Das Gericht konnte in dem Artikel eine Beleidigung nicht erblicken und kam zu einer Freisprechung» weil einmal der Angeklagte nicht die Absicht der Beleidigung ge- habt hat und weil der Vorwurf der Mildtätigkeit nicht beleidigend ist. Auch in der mit Gänsefüßchen bezeichneten Anredegnädiger Herr" undgnädige Frau" konnte das Gericht eine Beleidigung nicht erblicken. Der Antrag des Staatsanwalts, der seinen Schützling, eine» hochfeudalen Junker) nicht fallen lassen wollte, lautete auf 100 W. Geldstrafe und Publikation in einem knappen halben Dutzend Zeitungen. Das ist seit mehreren Jahren die erste Freisprechung in Pretzprozessen gegen die Breslauer Volks wach t". Hervorzuheben ist, daß der freikonscrvative ReichstagSabgeord» nete, Rechtsanwalt M e r t i n- Oels, der im Wahlkampf selber seine politischen Gegner gerade nicht mit Glaceehandschuhen anfaßte, dem Grafen Georg b. Wartenberg zur Stellung des Strafantrages gegen dieVolkswacht" rieft_ Bus Industrie und Kandel . Schnapswucher. Bor einer Woche hat die Spirituszentrale den Preis für Primasprit wieder erhöht. Sie gab damit den besten Beweis da« für, daß sie immer die Macht in der Hand hat, Fischzüge in die Tascken der Alkoholverbraucker zu tun, so lange sie eben vom Durchsckniltsbrand und vom Vergällungszwang geschützt wird. Und diese beiden Milte! des Schnapswuchers will ja das eigenartige Deckungsgesetz, wie es durch die Regierung vorgelegt worden istz gerade peinlichst genau erhalten. In welchem Maßstab eine Erhöhung des Preises für Prima« sprit sich am Alkoholkonsum widerspiegelt, ist dabei oft genug gar nichr bekannt. Nehmen wir einmal als PreiswirkungSmacht der Spirituszentrale den Verbrauchsumfang von Trinkbronntwein an. Im Produltionsjahre 1910/11 wurden rund 1349 000 Hektoliter Trinkbranntwein dem Verkehr übergeben. Er ging im großen und ganzen durch die Spirituszentrale. Diese Branntweinmengen der Berechnung zugrunde gelegt, ergibt sich durch die Preissteigerungen der Jahre 1911 und 1912 bis jetzt I folgender Verdienst« zuwachs: Trinkbranntwein Preis bis 14. August 1911 16. August 1911 18. Januar 1912 .. 19. März 1912 .. 20. April 1912 Wert der Jahresproduktion 108,1 Mill. M. 116.6,, 119.9.. 136,6,. 147,2.. Hektoliter 62.90 M. 68.50. 61,60, , 69,50, 76,50 In noch nicht dreiviertel Jahr hat die Spirituszentrale die Spritpreise um rund 46 Proz. in die Höhe getrieben! Da» heißt, in Mark und Pfennig umgesetzt, und auf ein Jähr Verrechneft soweit eS sich überhaupt erkennen läßt, die Spiriwszentrale hat de» Gesamtverdienst um über 40 Millionen Mark wachsen gemacht! Dazu kommt nun nock der Extragewinn aus dem erhöhten Brennspirituspreis, der um 3 M. pro Hektoliter in die Höhe gesetzt wurde das sind auf ein Jahr umgerechnet über 4 Millionen Mark Mehreinnahme! Zu diesen Preisen kommt nock die Steuer. 106 resp. 126 M, pro Hektoliter! Der Schnaps ist für Brenner und Staat immer noch ein gutes Geschäft. Elektrifizierung iu Preußen und Sachse«. Sicher ist Graf Vitztum von Eckstädt im Schlage nichts andere» als ein preußischer Dallwitz und Bethmann Hollweg , trotzdem muß jetzt Sachsen wegen seiner planmäßigen Arbeit die allerdings immer nock besser sein könnte in der Elektrifizierungsfrage be« acktet werden. Neuerdings wird bekannt, daß das Königreich Sachsen für 67 Millionen Mark Braunkohlen- selber erwerben will. In erster Linie, um auf die Preisbildung der Braunkohle, die für die Erzeugung der elektriscken Kraft un« entbehrlich ist, einen gewissen Einfluß zu gewinnen. Im Nachtrag»« etat verlangt die sächsische Regierung jetzt schon 27 Millionen zu diesem Zweck. Preußen beschäftigt sich ebenfalls eiftiqst mit der Frage der Elektrifizierung seiner Eisenbahnen. Der preußische Forst« f i S k u s verkaufte vor wenigen Wochen riesige Braunkohlenfelder im mitteldeutschen Braunkohlenrevier in der günstigsten Lag«, an der schon elektrifizierten Bitterfelder Staatsbahnstrecke gelegen, an privat« Interessenten! Er machte somit so gut wie unmöglich eine staat» liche Versorgung mit Braunkohle für alle dort in Frage kommende» Elektrizitätswerke I Danach hat ja Preußen auch öffentlich mitgeteilt, daß es nicht einmal daran denke, für seine ElektrizitätSbedürfnifi« eigene Krafizentralen zu bauen II Warum soll sich nicht auch Allgemeine ElektrizitätSgesellschaft und Siemens u. Halske- Schuckert auf große Geschäfte einrichte« dürfen, die ja doch aus dem allgemeinen Staatssäckel gezahlt werden müssen? Wenn nicht anders, dann durch eine Erhöhung der Fahr- kartenpreise?..._ Gerichts- Zeitung* Beleidignng durch eine FaschingSzeitnag. Im Betriebe der Siemens-Schuckertwerke in Nürnberg pflege» die Arbeiter alljährlich eine Faschingszeitung, derElektrische Funke" herauszugeben. In dieser Zeitung werden Vorkommnisse im Betrieb, sowie Mißstände in satirischer Weise glossiert. In der Nummer vom Februar 1911 befand sich unter anderem ein Gedicht, in dem angedeutet war, daß eine Arbeiterin entlassen wurde, weil sie zwei Herren, die dem gelben Werkverein angehören, nicht zst Willen war. Der eine dieser Gelben war alsZinko" bezeichneft Im Betriebe ist nun ein Meister, der Zinke heißt. Dieser fühlte sich durch das Gedicht getroffen und stellte gegen den BerbandSbeam» ten des Deutschen MetallarbeiterverbandeS, Georg Holzinger, der das Blatt verantwortlich zeichnete, obwohl der Deutsche Metall« arbeiterverband mit dem Blatte nicht» zu tun hat, BeleibigungS- klage. Holzinger erklärte vor dem Nürnberger Schöffengericht, daß Herr Zinke gar nicht gemeint war.Zinko" sollte einen andere» Gelben, der eine lange Nase hat, bezeichnen. Die Nürnberger nennen einen Menschen mit langer NaseZinken". Der Ange» klagte war bereit, eine Erklärung, daß Herr Zinke nicht aemeint war. in einigen Blättern abzugeben. Damit war aber Kläger nicht einverstanden. Das Schöffengericht verurteilte Holzinger z» der hohen Strafe von drei Woche« Gefängnis,