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Krieg dem Kriege! Einer der wuchtigsten Proteste unserer internationalen Mai- dernonstratwn richtet sich gegen die internationale Bei- Setzung, gegen den überwuchernden Militarismus, gegen den Krieg. Denn mit durchdringendem Scharfblick hat das moderne klassenbewußte Proletariat erkannt, daß solange von einer wirklichen Erhebung des Proletariats zu menschenwürdigen Zu- ständen, von einer ernstlichen Befreiung der arbeitenden Klasse keine Rede sein kann, solange der internationale Hader und die kapitalistische Eifersucht die Nationen in feindliche Heerlager spaltet. Tie Befreiung der Arbeiterklasse ist eben nur möglich auf drei- tester internationaler Basis, genau so, wie die kapita- listische Ausbeutung der breiten proletarischen Volksschichten be- günstigt wird durch die kapitalistische Völkerver- l, e tz u n g, durch das moderne'kriegerische Wettrüsten, das allen früheren Militarismus in den Schatten stellt. Wr bekämpfen den Militarismus, das Wettrüsten und das angebliche Fatum des gottgewollten legitimen Massenmordes aus der Auffassung heraus, daß die Massen der Nationen weder Neigung noch Anlaß haben, ihre Brüder jenseits der Grenzpfähle eifer- süchtig zu belauern, mißgünstig zu beneiden und arglistig zu überfallen. Der deutsche Jndustrieproletarier oder Landarbeiter empfindet nicht den geringsten Trieb und fühlt sich auch nicht durch die leiseste Spur eines Interesses dazu veranlaßt, gegen den englischen oder französischen   Arbeits- und Leidensgenosseu ins Feld zu rücken. Er weiß nur zu gut, daß die proletarischen Schichten Frankreichs   und Englands trotz aller chauvinistischen Verhetzung, die hinter der in Deutschland   üblichen in nichts zurücksteht, von denselben Idealen der proletarischen Klassenbc freiung und der Gegnerschaft gegen die chauvinistisch aufputschenden und aus- beutenden Schichten beseelt ist, als er selbst. Der deutsche klassen- bewußte Proletarier und der größere Teil des deutschen   Prole. tariats zählt trotz Reichsverband und Hansabund, trotz des katho- lischen Volksvereins und christlicher Gewerkschaften, trotz der Äriegervereine und sonstigen Bauernfängerei zur So z i a l d c m o- kratie weih nur zu genau, daß der internationale Hader und die kapitalistisch geschürte Bölkerzerfleischung die MenschheitS- lultur nicht nur um keinen Schritt vorwärts bringt, sondern ledig- I ich ein Werkzeug ist, um den besonderen AuSbeu- tungsinteressen kapitalistischer Machthaber­schichten zu dienen und zugleich die politischen Privilegien dieser AuSbeuterschichtrn gegen- über den entrechteten proletarischen Schichten zu befestigen. Das Proletariat aller Länder hat denn auch nachgerade erkannt, daß die ganzen internationalen Streitigkeiten und vor allen Dingen unsere ganze imperialistische Rivalitäts- Politik auf nichts anderes hinauslaufen, als den Panzerplatten- Patrioten, unseren überseeischen Handelsfirmen, gewissen abentcuer- hungrigen 5tapitalexporteuren und einer Anzahl avancements- lüsterner Offiziere und Beamten die Gewinn- und BcförderungS- chancen zu liefern. Daß dagegen für die Masse der Bevölkerung an materiellem Verdienst nicht nur kein Pfennig herausspringt, sondern daß im Gegenteil die durch die imperialistische Expansions- Politik angestiftete Verwirrung nur das willkommene Mittel für unsere sämtlichen Ausbeuterschichten ist, die ökonomische Lage und die politischen Rechte der arbeitenden Volksschichten so tief als möglich herabzudrücken. Wie dergestalt die Interessen einer beute- und herrschsüchtigen Bourgeoisie die internationale Zersplitterung und Verfrindung erheischen, so erfordert die Hebung der Klassenlage des internationalen Proletariats den rücksichts- losesten Kampf gegen die Abenteucrsucht und Aölkerverhetzung durch die besitzenden Klassen. Aber der Militarismus ist nicht nur ein Bollwerk gegen den Ausstieg der arbeitenden Schichten wegen der internationalen Spannung und der aus ihr erwachsenden internationalen ............ c 11 er i, i..... nmjia- feiertags. hörst du die Glocken der Freude singen? Strecke dich, recke dich, junger Gesell! Sollst du nur immer den Hammer schwingen, Du mit den Augen so heih und so hell? wirf in die Lust deine rußige Mühe. Steige aus deinem Maschlnenschacht. Rufe:«Diu ich zum Schaffen uühe, Bin ich'a auch zum Genießen der Pracht!" Alfons Petzold.  offener ßrlef an einen preußischen Staatsanwalt.*' Persönlich find Sie mir nicht bekannt, Herr Staatsanwalt. ich weiß nicht einmal Ihren Namen. Al» Individuum interessieren Sie mich auch gar nicht, sondern als Typus. Als fadengerader, vor- bildlicher königlich preußischer Durchschnittsjurist. Als der Staats» bcamte, der sich herausnimmt, die deutsche Lyrik zu zensieren. Sie wissen doch, lveshalb ich Sie vornehme? Weil Sie durch Ihren Antrag vom 19. Dezember 1911, ausgefertigt am 6. Januar dieses Jahres, Franz Diederichs zweibändige Sammlung von Revo- lutionSgedichtenVon unten auf, Ein Buch der Freiheit", das 1911 herausgekommen ist. haben beschlagnahmen lassen. DaS Ver- hältnis des deutschen   Juristen, der nach einer Staatsstellung strebt, -iur Kultur war mir auf der Universttat immer schon ein Problem gewesen, wenn ich mir die Korpsstudenten und Reserveoffiziersaspi- ranten betrachtete, oder etwa den preußischen Assessor aus der Jtalienreise. Aber in Ihrer Person, verehrter Herr StaatSaiuvali, sammeln und verdichten sich alle diese ungünstigen Eindrücke, seit ich Ihren Konfiskationsbeschluß gegen Diederichs Gedichtsammlung gelesen habe. Damit Sie sehen, wie wohlwollend ich IhrenBeschluß" prüfe, komme ich Ihnen in Ihrem Spezialfach ein bißchen zu Hilfe. Sie stehen den§ 111 des Strafgesetzbuches an gegen Hcrweghs Auf- forderuna an die Soldaten, nicht mehr auf ihre Brüder zu schießeu den Gehorsam zu verweigern", sagen Sie). Von derAufreizung von Personen des Soldaten-standeS zum Ungehorsam" ist, wenn Sie gütigst nachschlagen wollen, im nächsten Paragraphen, 112, die Rede. Habe ich recht? Rem Gott, so was passiert mal in der Hitze dc3 Gefechts._ Run aber Ihr Deutsch  , Herr Staatsanwalt. Ihr Deutschi Müsse« denn die Juristen wirklich nur Paragraphen kennen und nicht auch ihre Muttersprache? In den Gedichten werden die einzelnen Klassen der Bevölke- runa zueinander in Gegensatz gebracht", schreiben Sie. Wollen wir das nicht lieber umstellen und schreiben:in Gegensatz zucin- andtr?" Ich finde es hübscher so. ) Diese treffliche Abfertigung der Staatsanwaltschaft ent. nehmen Vir mit Erlaubnis des Verfassers der Wochenschrift .März", ZkonfkiRe, sondern auch das schwerste Hindernis für den Aufstieg' des Proletariats im nationalen Staate. Man braucht sich nur der Ereignisse in den beiden letzten großen Bergarbeiterstreiks zu entsinnen. Was anders war es, was den Uebermut der Zechen- besitzer im Mansfeldischen schürte, als die Tatsache, daß gegen die Streikenden nicht nur Fuß- und berittene Gendarmerie auf- geboten worden war, sondern auch das Militär mit seinen Maschinengewehren! Im Zeichen des Maschinengewehrs erfolgte der ökonomische Triumph des Ausbeutertums gegenüber den Lohnsklaven I Genau so war es auch im rheinisch- westfälischen Bergarbeiter streik. Mochten 299 000 Bergarbeiter sich gegen die skandalöse Ausbeutung der Kohlen­magnaten, der millionengescgneten Bergherren aufgelehnt und zur Ultima ratio der Arbeitseinstellung gegriffen haben das Unter­nehmertum spottete des heroischen passiven Kampfes der Arbeiterarmee, da eS ja ganz genau wußte, daß ihm die Gen- d a r m e r i e und das Militär zu Hilfe eilen würde. Gewiß, daß ihm diese Hilfe wurde, daran trägt daS empörende Verräterspiel der christlichen Gewerkschaften, der Judasse der u lt r a mo n ta n e u G e w e r k sch afts- organisationen, die Hauptschuld. Aber das letzte Mittel, die Streikenden mürbe zu machen und wiederum in die Fron der triumphierend ihre Hände reibenden Bergherren zu treiben, war doch unserVolk in Waffen", das wieder einmal aufgeboten wurde gegen das eigene Volk, gegen den sogenannlen inneren Feind! Denn ohne die einschüchternde militärische Machtentfaltung wäre es wohl ausgeschlossen gewesen, dem Streik das Rückgrat zu brechen und dadurch eine Lohnbewegung, die zu den bercchtigsten aller jemals geltend gemachten gehörte, zum Scheitern zu bringen. So manifestierte sich bei zwei Lohnbewegungen von gewissermaßen historischer Bedeutung die Tatsache, daß unser heutiger Militarismus nichts ist als ein Mittel, die herrschende, die besitzende, die Ausbeuterklasse wider- standsfähig zu machen gegenüber den berechtigten Forderungen des brutal ausgebeuteten Prole- tariats! Der Kampf gegen unsere Weltpolitik und unseren MilitariS- muS gehört darum zu den Hauptaufgaben des klaffen- bewußten Proletariats, zu den wichtigsten Programm- punkten unserer Maidemonstration. Immer wieder erheben wir die nachdrücklichste Forderung, an die Stelle unseres volksfeindlichen kapitalistischen   Militarismus eine Bolkswehr zu setzen: eine Milizarmee aller waffenfähigen Volksgenossen, die bei gutem Willen mit Leichtigkeit auszubilden wäre und eine stärkere BerteidigungS- Waffe gegen ausländische Angriffe böte, als unser gegenwärtiges stehendes Heer. Denn daß in unseren Zeiten der weittragenden Jnfanteriegcschosse und der aufgelösten Schützenlinie weniger der Kadavergehorsam eine Rolle zu spielen vermag, als die wirklich zielbewußte und verständige Ausbildung der individuellen Fähig- leiten jedes einzelnen Mannes, wissen auch die militärischen Sachverständigen gut genug. Und was böte eine bessere Garantie, als eine musterhafte individuelle Ausbildung jedes ein- zelnen Kämpfers, als jenes weitausholende und zielbewußte System der militärischen Jugcndausbildung, das die Sozialdemokratie fordert! Was auch vermöchte die Schießfertigkcit des einzelnen im höheren Maße auszubilden, als eben das System der Jugenderziehung, das von Jugend auf das Auge des Vaterlandsverteidigcrs schulte! Aber unsere Besitzenden wollen von diesem System nichts wissen, weil dieses System der wahrhaften Wehrhaftmachung unseren Machthabern keine Chancen bietet, die militärisch noch so tüchtige Miliztruppe bei Streiks oder politischen Demonstrationen gegen die eigene Nation verwenden zu können? Die Verteidigung des Vaterlandes, die Schaffung einer mög- lichft wehrhaften Tefensivarmee ist eben für unsere heutigen kapi  - talistischen Machthaber minder wichtig, als die Beherrschung einer viel weniger kriegstau gl ichen Truppe, die sich vor- auLstchtlich dazu mißbrauchen läßt, auch einmal gegen d i e Nicht ohne Absicht in gleicher Hinsicht find die lleberschriften gewühlt." Konnten Sie nicht auch noch.Vorsicht",Rücksicht",.An- ficht" oderAussicht" hereinbringen? Sie reden ferner von Tatbestandsmerkmalen de-Z 8 139 und III Strafgesetzbuchs, und fahren fort:Die sie enthaltenden Teile der Sammlung unterliegen der Einziehung." Beweisen läßt sichs ja allerdings nicht, daß das schlechtes Deutsch ist, höchsten» emp> finden. Indessen hätten Sie Sprachgefühl, dann würden� Sie den Satz nickt geschrieben haben. Aber derZ III Strafgesetzbuchs". Stellen Sie sich vor, Sie wären VolkSschullehrer anstatt ivtaals- anwalt(ich will Sie nickst kränken Ij: würden Sie diesen artikel- losen Genitiv einem neun- oder zehnjährig«» Jungen durchgehen lassen? Ich glaube kaum, sonst möchten Sie als ein schlechter Lehrer gelten! Ihre schönste Svrachleistung setze ich ohne Kommentar hier- her:Der Revolution wird zugerufen wiederzukehren." Ihr Herren Juristen bildet Euch doch so viel ein auf Eure Hebung im logischen Denken. Trotzdem müssen wir ein ganz kleines Lollegcum logicum zusammen abhalten. Ich komme noch ein- mal auf den Satz zurück:In den Gedichten werden di« einzel- nen Klassen der Bevölkerung zueinander in Gegensatz gebracht." Sie geben zu. daß die Bevölkerung sich aus einzelnen Klassen zu« sammensetzt. Sie beanstanden jedoch, daß man diese in Geaeniatz zueinander bringt: Arm gegen Reich, Besitzende gegen Nichtbesitzende Arbeiter gegen Unternehmer. Sehen Sie nicht ein, Verehrtester, daß der Begrifr der.einzelnen Klassen" die Gegensätze eo ip,c» in sich schließt? Und daß Sie mit dieser Ausdrucksweise Ihre eigene Anklage über den Hausen werfen? Daß Sie sich selber ack absurdum führen?'Donnerwetter, Herr Staatsanwalt, das haben Sie sich wohl nicht recht überlegt! Die Aufteizung zum Klassenhaß können Sie ja überhaupt nur dann fassen, wenn Sie den Klassenbegriff selber als eine Fiktion erklären, als eine böswillig« Entstellung der Wirklichkeit. Dann wird man Ihnen wenigstens keinen Denk- fehler vorwerfen können. Sie schreiben ja auch von einerfalschen und übertriebenen Schilderung" der Lage des Arbeiterstandes. Es hätte heißen müssen oder", denn zwei Dinge, die sich bis zu einem gewissen Grade ausschließen können nicht, wie bei Ihnen, koordiniert werden. Ja, ja, Herr Staatsanwalt, die juristische Logik ist doch nicht ganz so einfach! Wir sind noch nicht fertig miteinander. Ich habe Ihnen erst gezeigt, wie Sie sich formal vergaloppiert haben. Aber das Ko- mische an dem Fall ist. daß Sie mit Ihrem hilflosen Deutsch einem mit anerkanntem künstlerischen Ernst zusammengetragenen Zyklus von Werten der Weltliteratur(wenn&c'i nicht glaub-n, lesen Sie die Besprechung von Theodor Heuß   in der.Frankfurter   Zei- tung") zu Leide gehen wollen. Der Kunst in die Zügel fallen, um den Staat zu retten. DaS kommt mir fast vor, als wenn Sie in eine große Feuersbrunst hineinspuckten, um die Flammen zu löfchen. Wissen Sie auch warum? Weil die von Ihnen verfügte Konfieta. tion ihren Zweck vollkommen verfehlt. Die neun Gedichte, die Siebeanstanden", find längst im Buchhandel erschienen, und die Lyrik von Georg Herwegh  , Ludwig Pfau   und John Henry Mackay  überhaupt zu unterdrücken das wird selbst Ihnen nicht einfallen. Also das. was Sie konfiszieren, wird man sich einfach in anderen Ausgaben kaufen. Die Abbildungen haben'o Ihnen ja auch ange- tan. Nun wohl, unterdrücken Sie doch den Klinger. den Daumter. Nethel und Goya  , wenn Sie'S fertig bringen! GohaSErschießung der Aufständischen" hat Ihr ganz besonderes Mißfallen gefunden. Sir gestatten mir vielleicht, die Bemerkung, daß ein Kunstwerk, ha» unseres kahitalistifehe« Parkes««»«Vequemen Teile des Volkes vorzugehen! Unsere kapitalistischen Parteien wollen eben eine andere mili- tärische Organisation, als im Interesse der friedliebenden Volks- »nassen aller Nationen liegt! Ihnen kommt es auf die Durchsetzung ihrer weltpolitischen Expansionsabenteuer an, auf die kolonial- politische Ausplünderung fremder Erdteile und Völkerschaften, aber nicht im mindesten auf die Förderung der Interessen der breiten Volksschichten der Kulturnationen! Mag wegen der inS Abenteuer- liche wachsenden Heeresausgaben die Förderung sozialer Aufgaben nock so sehr zurückgedrängt werden, mag die Pflicht der kulturellen Erziehung der VolkSmasscn durch ein möglichst vervollkommnetes Schulwesen noch so sehr in den Hintergrund treten unseren kapitalistischen Schichten ist das völlig gleichgültig! Die Parole Krieg dem Kriege, Kampf dem Militarismus wird deshalb eine der wichtigsten Voraussetzungen der internationalen Bölkeranssöhnung und der wirklichen Befreiung de» Proletariats aus heu Fessel» kapitalistischer Frou bedeute» Tarife und Klassenkampf. Von Adolf Braun  . Ost ist der Vergleich gezogen worden zwischen dem Stande der gewerkschaftlichen Organisation zur Zeit, als man zur ersten Maifeier rüstete und in unseren Tagen. Unter der Schwere des Sozialistengesetzes, unter den Wirkungen des Puttkamerischen Streikerlasses konnten die gewerkschaftlichen Organisationen auf dauernde Wirksamkeit nicht rechnen. Un- sicherheit beherrschte die Führer wie die Massen, die Gelder der gewerkschaftlichen Organisationen waren in steter Gefahr der Konfiskation, die Organisationen rechneten out der drohenden Auslösung, auch der klügste und vorsichtigste Gc- werkschaftsbeamte wußte, daß alle Peinlichkeit und Vorsicht ihn nicht davor sichere, daß seine Organisation vielleicht schon in der nächsten Woche zerschlagen sein würde. Daß da das Werben van Mitgliedern nur zu oft schwierig oder gar aus- sichtslos sein mußte, ist nicht erstaunlich. So hoch der Jdealis- mus der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, ihr Opfermut und ihre Kampfesfreudc einzuschätzen sind, so bleibt doch das treibende Moment für den Eintritt in die Gewerkschaft das Streben nach der Besserstellung, die durch die Gewerkschaft erzielt werden soll. Wenn in den breiten Massen der Arbester- klaffe die Ueberzeugung genährt wird, daß die gewerkschaft- lichen Organisationen nicht von Dauer sein können, daß sie früher oder später der behördlichen Willkür zum Opfer fallen müssen, so sinkt die Anziehungskraft der gewerkschaftlichen Organisation auf einen ganz niedrigen Stand. So erklärt es sich, daß die gewerkschaftlichen Organisasto- nen im Deutschen   Reiche zur Zeit des höchsten Triumphes der politischen Partei, als die erste Million unserer Stimmen überschritten wurde, als Bismarck   fiel, als der Kaiser zu seinen sozialpolitischen Erlasien gedrängt wurde, als das Sozialistengesetz aufgegeben werden mußte, knapp eine Viertelmillion Mitglieder zählten. Heute, wo man der ver- zehnfachten Zahl mit Riesenschritten entgegeneilt, heute, wo die Organisation der Handels- und Transportarbeiter fast ebenso viel Mitglieder zählt als vor 22 Jahren unsere ganze Gewerkschaftsbewegung, heute können wir nicht nur den weiten Abstand in den Zahlen der l89O und 1912 gewerk- schaftlich Organisierten feststellen, sondern auch ein gewaltiges inneres Erstarken der Gewerkschaften, ein hohes Selbstbewußt- sein ihrer Organisationen, eine vollkommene Selbständigkeit ihres Wirkens. Ganz neue Kampfmethoden wurden ausge- bildet, neue Grundsätze hat die Gewerkschaftsorganisation fest- gestellt. Selbständigkeit der Taktik, genaueste Durchbildung der Kampfmethoden, ein bis ins Einzelne gehender Ausbau seit hundert Jahren von der Welt verehrt wird, durch Ihren etwa? verspäteten Beschluß nicht ohne weiteres zu vertilgen sein dürfte. Und verspätet erscheint mir mit Verlaub- auch Ihr Wüten gegen die Poesie� der Demokraten von 1818. Verkennen Sie mich nicht, Herr Staatsanwalt, ich kann Ihnen nachfühlen, was Sie alles ausgestanden haben beim Durchblättern dieser Revolutionsgedichte! Der VerlagBuchhandlung Vorwärts" ist ja schon an sich polizeiwidrige Das Titelblatt schon hat Ihr Thron und Altar stützendes Gemüt erbost. Und wa» mußten Sie und Ihre Freunde sich alle» sagen lassen in diesen neun Gedich- ten, die Sie herausgegriffen haben alsdie TatbestandSmerkmale der§{} 139 und III(besser; 112) enthaltend". Im ersten von Ihnen zitierten Gedicht, Pfau».Der Tag wird kommen", mißfiel Ihnen gewiß besonders die Stelle: Und das rote Meer, dos vergossene Blut, Den Pharao   frißt samt seiner Brut" O herrlicher AuferstehungStag! Wenn sie ausitchen die Nationen, Hinwegzufegen mit einem Schlag Die Throne zusamt den Drohnen; Wenn daS Volk einhertritt zum Gericht, Und sein gewaltiges Schuldig spricht Der Tag wird kommen! DaS klingt verdammt ungemütlich, nicht wahr, Herr Staats- anwalt? Aber es kommt noch desser. Alfred Meißner   wagt es, uns den Reichtum vorzuwerfen: �Jhr habt da» Gold, chr seid die Reichen, Ihr habt die Macht und macht daS Recht, Mit oder ohne Wappenzeichen; Ihr seid ein stolz und schnöd Geschlecht." Denn alle wollen Gold und Mctzen. Paläste. Tafeln. Pferd und Hetzen. Da» arme Volk will schwarzes Brot." Die Zeit der Herrn, sie ist gewesen, Der Zorn der Unterdrückten loht, Und sind des Menschenrechtes Thesen Dereinst in Flammenschrift zu lesen, So nimmt man mehr als schwarzes Brot." Darüber lachen Sie wohl und finden es maßlos übertrieben? Sie Itaben ja mit der Armut weiter nicyts zu schaffen. Aber Hei- wegh kann einem doch recht auf die Nerven fallen, wenn er zynisch wird, blasphemisch: Bei und arbeit! ruft die Welt, Bete kurc! denn Zeit ist Geld. An die Türe pocht die Not Bete kurz! denn Zeit ist Brot." Ich vermute. Sie find Reserveoffizier. Herr Staatsanwalt. Dann dürfen Eie's allerdings nicht dulden, wenn Herwegh   den Soldaten zuruft: Was hilft es, daß wir trotzen, So lang noch mordbereit, Ihr gegen uns den Protz«, i Die packen Arme leiht?"