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der Organisation kennzeichnet heute die Gewerkschaften; vor .12 Jahren war dies alles selbst den meisten ihrer leitenden Männer völlig fremd. Heute sehen wir unsere Gewerkschaften hervorragend aus- gebildet. Zahlreiche Streitfragen, die im ersten Menschen- alter unserer Gewerkschaftsbewegung die Geister aufs tiefste erregten, sind heute erledigt und der jungen Generation kaum mehr vertraut, weil an stelle des Streites unbestrittene Mc- i Hoden getreten sind. So wurde in den Jahren nach der Auf- bebung des Sozialistengesetzes über die Tarifverträge gewaltig gastritten, heute sind die Einwände gegen die Tarif- Verträge zum Schweigen gebracht, heute betrachten wir sie als eine selbstverständliche Einrichtung unseres Gewerkschafts- Wesens. Um 1890 war selbst bei den Buchdruckern keine ein- heitliche Auffassung über die Tarifverträge vorhanden, nicht wenige Arbeiter, auch leitende Personen in der Gewerkschafts- bewegung, waren in jener Zeit Gegner der Tarifverträge. Heute untersuchen wir. warum sich diese Verträge nicht allge- mein durchsetzen lassen, warum die großen Unternehmungen und die machtvollen Zusammenfassungen der Großbetriebe den Tarifvertrag energisch zurückweisen, und warum er selbst dort, wo er zum Siege gelangt ist, oft nur gegen eine starke Minderheit der Unternehmer, oft nur nach schweren Kämpfen, nicht selten nach prinzipiellen Einwendungen durchgesetzt werden kann. Denn auch dort, wo der Tarifvertrag von den Unternehmern anerkannt wird, ist seine Durchsetzung nicht selten eine Errungenschaft der Arbeiterorganisation. So zeigt der Vergleich der Auffassung der Tarifverträge zu Anfang der neunziger Jahre und heute einen ganz bedeut- samen Unterschied. Wer sich einmal an die so dankbare, aber 'chwierige Aufgabe machen wird, die innere Geschichte der deutschen Gewerkschaften zu schreiben, der wird gerade aus der- artigen Entwicklungen überaus lehrreiche Folgerungen ziehen können. Vor zwanzig Jahren behauptete man mit großein Flachdruck, daß die Tarifverträge den Klassenkampf mildern, den 5tlassengegensatz abschwächen, die Kampfesfreude der Ge- werkschaftcn verringern werden. Heute sehen wir, daß wir eine große Zahl Tarifverträge durchgesetzt haben, daß aber der .Kampf um die Tarifverträge und das Streben, die Tarif- Verträge auf die Großindustrie auszudehnen, fiir hundert- tausende Arbeiter einen wesentlichen Teil des Klassenkampfes ausmacht. Gibt es etwas Aufreizenderes als den Hochmut der großen Unternehmer, den Arbeitern das Recht zu ver- weigern, bei der Festsetzung der Arbeitsbedingungen initzu- sprechen? Für die Unternehmer ist längst der individuelle Arbeitsvertrag eine Erinnerung aus einer Periode ver- gangcner EntWickelung. Der einzelne Großunternehmer be- stimmt heute nicht mehr die Arbeitsbedingungen, es geschieht dies durch den A r b c i t g e b e r v e rb a n d. Vielfach mischen sich die Kartelle wenn sie es auch leugnen in die Ordnung der Arbeitsbedingungen ein. Aber auch ohne Eingreifen der Kartelle folgt aus der bloßen Tatsache, daß in einer Unternehmung hunderte, ja tausende Arbeiter beschäftigt sind, mit Notwendigkeit, daß Beauftragte der Unternehmer, Nicht der Unternehmer selbst, nach genau festgestellten Regeln und klar formulierten Austrägen die Arbeitsbedingungen tcststcllen. Da kann also von einer individuellen Regelung des Arbeitsvertrages gar keine Rede sein. Der Großuntcr- nehmer ist heute organisiert, und seine Organisation greift auf das tiefste ein in alle Verhältnisse seines Betriebes, nicht zuletzt in die Regelung der Arbeitsbedingungen. Wir nfljen da auf der Seite der Unternehmer allgemeine Regeln der Arbeitsbedingungen. Dieser allgemeinen Regelung soll entgegengestellt werden die atomisierte Arbeiterschaft; ihre Gemeinschaften sollen im Interesse der Unternehmer, in ihrer Stellung zur Unternehmung, wieder aufgelöst werden in die zahllosen einzelnen Individuen. FürdenArbeitcrsoll »Ach wenn sie euch nicht hätten, War alles wohlbestellt; Auf euren Bajonetten Ruht die verkehrte Welt. An euren Bajonetten Lklebt aller Zeiten Fluch; Wir trügen keine Ketten, Trügt chr kein buntes Tuch.' Das ist starler Tobak, nicht wahr? Und nun lesen Sie noch bei Mackay. wie die Revolution herbeigesehnt wird: .Kehre wieder über die Berge. Mutter der Freiheit, Revolution! Zeige die Freiheit, die er verloren, Und das Recht, zu dem er geboren, Jedem einzelnen und er ist dein! Za, du kommst! Und wir grüßen dich taufenb- Tausendmal, Mutter! und dröhnend und brausend Rollt unser Ruf zu des Erdballs Grenzen! Aus den Kerkern, wo wir geschmachtet, tteber die Ruchlosen, die uns verachtet, Sehn wir die Flamme der Frecheit schon glänzen." In HecweghS Lied auf den achtzehnten Marz, das den Ver- iiner besonders peinlich berühren muß. macht der Pietätlose selbst vor der geheiligten Person des Königs nicht Halt: ..Achtzehnhundertvierzig und acht. Als du geruht von der nächtlichen Schlacht, Waren es nicht Proletarierleichen, Die du Berlin  , vor den ziltcrnden. bleichen, Barhaupt grüßenden Cäiar gebracht, Achtzehnhundertvierzig und acht?' Schließlich vergeht einem doch das Lachen, wenn die Kerle so ekelhaft persönlich werden wie Mackay: Sie müssen sich allem entgegen, was wahr und ftei sich nennt, . stemmen, Sie müssen. Verzweiflung im Herzen, ein Meer versuchen zu dämmen, Und fühlen es klarer von Tag zu Tag: sie gehen zugrunde.' Und dann, an jenem Tag, da eZ zum Retten Zu spät, tret hin ich vor euch drohend dicht Und schlage die wie Glas zerbrochnen Ketten Euch in das nicht mehr lächelnde Gesicht.' Am Ende kriegt man's doch mit der Angst, Herr Staatsanwalt, wenn man das hintereinander weggelesen hat und läuft und verbietet das bösartige Buch. Aber mon findet nur fünf lumpige Exemplar« beim Verleger, der alles an/e:« in Sicherheit gebracht hat. Und man ist vor aller Welt blamiert. Man soll nicht in eine KenerSbrunst spucken! Beherzigen Sie diesen Rat Ihres wohlmeinenden _ H ermann Hieber. kleines Feuilleton. Der Kino-Zeasor. In England ist nunmehr endgültig der Beschluß gefaßt worden, alle zur össentlichen Gorführung bestimmten kinematographischen Aufnahmen einer Zensur zu unterwerfen: bereites., wenigen Wochen wird diese neugeschaffene Zensurbehörde ihre TVigkait beginnen. Die Bestimmungen, unter denen diese der individuelle Arbeiisverkrag gelken, für den Unternehmer aber die gemeinsame Lertragsabschließung. Wenn sich die Arbeiter heute dagegen wenden, weiui sie heute die kollektwe Vertrags- abschließung fordern und erzwingen wollen, so wird das tat- sächlich zu einem bedeutsamen Stück Klassenkampf. Die Naumann, die Schultze-Gävernitz  , die Propheten des sozialen Friedens, wie auch so manche schroffe Tarifgegner sind durch die Kämpfe um den kollektiven Ar- beitsvertrag auf das gründlichste enttäuscht worden. Nir- gends und niemandem haben die Tarifverträge den sozialen Frieden gebracht, auch den Buchdruckern nicht. Auf jeder Baustelle, in jeder Werkstätte, in jeder Offizin, in jeder Fabrik, in der der Tarifvertrag herrscht, sucht man vergeblich den sozialen Frieden. Was die proletarischen Gegner der Tarifverträge nicht vorausgesehen haben, nicht voraussehen konnten, war die Stärkung der Gewerkschaften für kommende Kämpfe durch den wachsenden Umfang der Tarifverträge. Das Bedürfnis, die Arbeitsbedin- gungen zu verbessern, empfinden alle gewerkschaftlich organi- sierten Arbeiter, ja auch die Indifferenten. Der Beitritt zur Gewerkschaft erzeugt noch oft die Erwartung sofortiger oder wenigstens möglichst rascher Verbesserung der Arbeitsbedingun- gen. Selbst die reichsten Gewerkschaften wären in der Regel nicht imstande, stets und gleichzeitig für alle Mitglieder den Kampf zu führen. Herrscht auch bei allen Mitgliedern der Wunsch. ihre Lage zu verbessern, so wird vorerst nur selten ein all- gemeiner Angriff mit großen Aussichten auf Erfolg möglich sein. Nur für kurze Zeit würden die Unterstützungen aus- reichen, wenn das verfügbare Vermögen der Gewerkschaften gleichzeitig zur Streikunterstübung für alle ihre Mitglieder verwendet werden sollte. Eine einfache Erwägung ergibt, daß die Unterstützungs- sätze für längere Zeit gewährt, die Mitglieder kämpf- fähiger gemacht werden können, die Aussichten des Lohnstreites günstiger gestaltet werden, je weniger Mit- glieder den Kampffonds der Gewerkschaften in Anspruch nehmen müssen oder wollen. So werden die T a r i f v e r- träge zur Voraussetzung der Steigerung der gewerkschaftlichen Macht und der Angriffskraft unserer Organisationen toerden. Verfügt eine Gewerkschaft mit hunderttausend Mitgliedern über ein Vermögen von 3 000 000 Mark, wagt sie auch alle ihre Mittel, ohne Rück- ficht auf ihre Unterstützungseinrichtungen, dem Kampfe zu widmen, so bleiben doch nur 30 M. für das Mitglied, also nur ein Betrag, der eine etwa zweiwöchentliche Unterstützung zu­läßt. Sind aber für die Hälfte der Mitglieder Tarifver- träge abgeschlossen, so steigert sich der fiir jedes kampfbereite Mitglied verfügbare Betrag so stark, daß mit einer vier- wöchentlichen Streikunterstützung für die durch Tarifverträge nicht gebundenen Mitglieder gerechnet werden kann. Je größer die Zahl der durch Tarifverträge zum gewerkschaftlichen Waffenstillstand zeitweise veranlaßten Arbeiter wird, desto mehr steigt der Unterstützungsbetrag für die kampfbereiten Angehörigen der Fachorganisation. So erscheinen uns die Tarifverträge als ein Mittel zur Konzentration der Angriffs mittel unserer Gewerkschaften, sie stei- gern die Aussichten des gewerkschaftlichen Klassenkampfes und erleichtern die Hebung der Arbeiter, deren Arbeitsverhältnisse durch Tarifverträge noch nicht geregelt sind. Die zeitliche Begrenzung des Tarifvertrages führt immer wieder neue Schichten der Arbeiter in den gewerkschaftlichen Kampf und läßt den Glauben an eine dauernde Regelung der Arbeits- bcdingungen nicht in Erscheinung treten. Kühler Beurteilung ist die früher aufgeregtere Ver- teidigung wie der nicht minder erregte Angriff auf den Tarif- Zensur gehmrdhabt wird, gehen so weit, daß jedes Kinematogvaphen- tbeater, das anfechtbare Darstellungen vorführt, sofort automatisch von allen Filmsfabriken boftiottlert wird, so daß dem Direktor die Forlführung seines Etablissements unmöglich wird. Es wird ein Komitee gebildet, dessen Mitglieder von der Genossenschast der Filmösabrikanien, von dem Verband der Filmsmieter und von dem Bund der Kinematographentheaier gestellt werden. Dieses Komitee ernennt sechs Prüfer, darunter auch Geschäftsleute, die mit der Kinematographenindustrie nicht in Verbindung stehen. Diese Kommission der Sechs wird ausnahmslos jeden Film prüfen, der zum Verkauf kommen soll. Wenn irgendein« der hierbei vor- geführten Aufnahmen auch nur bei einem Mitglied der Kommission Bedenken erregt, darf der Film einstweilen nicht verkauft oder ver- liehen werden. Tie FilmS, auf denen auf diese Art etwas auszu- setzen ist, müssen dann dem obersten Zensor vorgeführt werden; diesem obersten Zensor steht wiederum eine Kommission von Fach- leuten beratend zur Seite, doch werden dieser zweiten Kommission Filmsabrikanten nicht angehören. Die Entscheidung des obersten Zensor« ist unwiderruflich und kann nicht angefochten werden, auch dann nicht, wenn die beratende Kommission gegen die Vorführung de« Films Bedenken nicht erhoben hat. Ein Filmfabritant, der ein« Aufnahme verkauft, die der Kommission der sechs Prüfer nicht vorgelegen hat. wird schwer bestraft, da alle Käufer sich verpflichten, fortan von dieser Fabrik nie mehr einen Film zu kaufen. Dieselbe Strafe trifft die Theaterdirektoren, die eine Aufnahme vorführen, welche die Zensur nicht passiert hat: alle Mitglieder des Verbandes der Filmfabriken verpflichten sich, diesem Theater fortan keine FilmS mehr zu liefern. Dieselben Bestimmungen gelten für die Zwischenhändler; wer also die Zensur zu umgehen sucht oder nicht respektiert, wird boykottiert. Wem das Amt des obersten Zensors übertragen werden soll, steht noch nicht endgültig fest. Theater. KünstlerhauS: Sonderausführung derWerkstatt der Werdenden'. Weil Wedekinds sckwerblütig grimmiger EinakterTod und Teufel' auf dem Programm des Abends stand, hatte die Zensur, die leichtgeschürzten Frivolitäten gegenüber sich so tolerant erweist, im Interesse plötzlich bedrohter Sittlichkeit strengsten Ausschluß der Oeffentlichkei! verlangt. Ohne Vorzeigung einer Einladungskarte mit RamenSunterschrift durfte niemand passieren. Ein Herr Wilhelm Borchard zeichnete als Regisseur der bunt zusammengewürfelten Veranstaltung, die der stolzen An- kündigung, daß man eS hier mitWerdenden' zu tun habe, reckt wenig entsprach. Zur Eröffnung wurde weiß Gott   weshalb dasVoripiel auf dem Theater" au» GoetheS Faust   von drei Herren in GesellschaftStoiletic deklamiert. Dann traten unter feierlicher Verdunkelung deS Saales und farbiger Bühnenbeleuchtung drei Damen nach einander auf, die parfümierte LeSbos  - Strophen BaudelaireS und ähnliches zum besten gaben. ES folgte eine Borchardiche Pantomime. D a S Ä i s s e n d e r A st a r t e', in der alle», aui>er dem von Fräulein Elle Berna anmulig-temperament- voll exekutierten orientalische» LiebeStanz, in rätselvolle Finsternis getaucht war. Die aui dein Theaterzettel hinzugefügteErklärung" schloß mit dem tönenden Orakelwofte:Kultur, Kultus und Stil sind identisch, indem durch die Scherslein unendlich vieler Schaffender die Form des Ideals gefunden wird!" Am Schluß des ersten Teils erschien endlich daS viel berufene, bald nach derBückie der Pandora' entstandene Wedekindsche Nacht- stückein Totentanz', wie es der Dichter nennt. Die barocke, springende Manier, dt« auf jeden Versuch einer konsequent charal- terifierenden Entwicklung verzichtend, mit den Personen wie mit Marioneucn umspringt jener Stil, in dem WedekindS Bewunderer vertrag gewichen. Es gibt heute in der Arbefterfchast keine prinzipiellen Gegner des Tarifvertrages mehr, aber ebenso- sehr hüten sich die Arbeiter und ihre Vertreter, den Tarif- vertrag an sich als ein kostbares Gut zu betrachten, das zu er- ringen, allein Arbeit und Mühe, Opfer und Kämpfe wert wäre. Nicht der Tarifvertrag an sich erscheint heute der selbstbewußten Arbeiterorganisation als eine wichtige Er rungenschaft; jeder einzelne Tarifvertrag wird und muß darauf geprüft werden, ob er den Arbeitern Vorteil bringt. Eil' schlechter Tarifvertrag ist sicherlich schlechter als kein Tarifvertrag. Wo noch um die Anerkennung kollektiver� Vertrag­schließung der Kampf zu führen ist, in der großen u n d schweren Industrie, stehen gewaltige Gewerkschafte- organisationen mit reichen Erfahrungen den Verbänden der Unternehmer gegenüber. Sie werden den Tarifvertrag nicht abschließen des prinzipiellen Vorteils willen, wenn dies auf Kosten einer Steigerung der Abhängigkeit und der Ausbeu- tung der Arbeiter zu geschehen hätte. Und da drängt sich die Frage auf, warum die großen Unternehmervereinigungen, warum die Bergbaugesellschaften, die Maschinenindustrien und ihre Kartelle dem Tarifabschlusse so feindlich gegenüber- stehen. Die Tatsache allein, daß die kapitalistische Macht dort zu höchster Entfaltung gelangt ist, während die Machtver- hältinfse der Arbeiterorganisationen noch sehr steigerungs- fähig sind, genügt allein so wichtig auch diese Feststellung ist zur systematischen Ablehnung des Tarifvertrages noch nicht. Der Tarifvertrag hat sich nur durchsetzen können, weil er auch für die Unternehmer unzweifelhafte Vorteile in sich birgt. Diese sind unter anderen die Ausgleichung der Pro- duktionsbedingungen, die Ausschaltung der Schmutzkonkurrenz. die Vereinfachung und Uebersichtlichkeit der Kalkulation, die größere Boraussicht der Unternehmer beim Submissions- verfahren. Alle diese Vorteile schafft aber in weitem Maße schon die Organisation der Unternehmer allein, die Eingliederung des einzelnen Unternehmens in die allgemein festgesetzten Pro- duktionsbedingungen des Kartells, in die Vorschriften der Unternehmervereinigung. So sind für den großen Unter- nehmer wichtige Vorteile, die ihn zum Abschluß des Tarifver- träges veranjassen sollten, bereits durch die eigene Organisatwn gegeben. Wohl gibt es für die Unternehmer noch eine Reihe anderer Erwägungen, die ihnen den Tarifvertrag erwägens­wert erscheinen lassen könnten; so ist die Sicherung des Fort- betriebs der Unternehmung natürlich für die Unternehmer- von der größten Wichtigkeit. Diese tritt aber erst dann in voller Bedeutung den Unternehmern entgegen, wenn die ge- werkschaftliche Organisation in den Großbetrieben zu höchster Kraft gediehen ist. So wird für die Arbeiter der Großbetriebe das Problem des Tarifabschlusses in weit höherem Maße als in dem Klein- und Mittelbetriebe zu einer Frage inten- sivster Bekämpfung des Jndifferentismus, zum Anstoß für die höchste Ausbildung und Kampffähigkeit der gewerkschaftlichen Organisation. Tarifvertrag und Klassenkampf stehen somit nicht, wie so manche oberflächliche Beurteiler meinen. im Widerspruch, sie haben heute und noch für absehbare Zeiten recht klare Beziehungen von Ursache und Wirkung. Freilich gibt es noch manche Genossen, die an einen Gegensatz zwischen entschiedener Betonung des Klassenkampfes und gewerkschaftlicher Arbeft glauben. Dieser Widerspruch besteht, wie ich glaube, nicht. Wenn er von vereinzelten Ver- tretern der politischen Arbeiterbewegung wie der gewerk- schaftlichen Aktion immer wieder betont wird, so erklärt sich das aus dem Grundirrtum, der Taktik und Methode der poli- tischen Partei wie der gewerkschaftlichen Aktion durch die Ansätze einer neuen künstlerischen AuSdmckSweise sehen wollen, ist hier auf den Gipfel getrieben. Der Mädchenhändler und die Dame von dem Verein zur Bekämpfung deS Mädchenhandel«, die ihm seine Beute abjagen will, reden in ihrer langen Unterhaltung kein Wort, das in der gegebenen Situation nicht den Stempel völliger psychologischer Unmöglichkeit trüge. Er braucht die beiden einzig, um seine paradoxen Einfälle in dialektisch zugespitzten Gegen- sätzen, zugleich sophistisch und leidenschaftlich überzeugt, auszuspielen. Der Mädchenhändler, den die Dame anfangs nach Recht und Billig- keit als ganz gewissenlosen Schurken behandelt, avanciert in ihren Augen bald zu einer Art von höherem Wesen. Seine zynischen Argumente alsdann, die in ihrer Logik derart fadenscheinig sind, daß jeder Unbefangene die Trugschlüsse mit Händen greifen kann, er- Icheinen ihr als wunderliche Offenbarung. Sein Hymnu« auf den freien Liebesmarkt', der dem weiblichen Geschlecht im Daseins- kämpfe einen Borsprung vor den Männern gewähre, seine Ver- kündigung, daß in dem düsteren Inneren des Menschenleben? einzig die Sinnenfreude ungetrübten Genuß biete, spornt sie zu solcher Be- geisterung. daß sie dem großen Manne einen HeiratSantrag macht. Verfügbare Mitgift: 60 000 M. Umsonst. Der Herr verwirft sie. da eS ihr trotz guter Vorsätze an weiblich sinnlicher Begabung fehle. Nie würde sie deS himmlischen Glücks LifiskaS. ihre« Zöglings, die sie all« seinem Hause zurückverlangte, teilhaftig werden. Aber auch die gepriesene Seligkeit dieses Rassemädchen«, in dem der philo- sopbische Bordellmensch ein Musterbeispiel für seine Lehre von der Erlösung durch schrankenlose Sinnenlust zu haben glaubt, entpuppt sich, wie man das junge Ding belauscht, als ausweglose, bittere Oual. Nicht etwa, daß sie daS Entwürdigend« ihrer Existenz empfände. Aber sie leidet, weil der Trieb unlöschbar in ihr brennt, sie mit tyrannischen, in keiner SuSschwelfung befriedigten Begierden peitscht. Der Mädchenhändler aber nimmt sich diese Widerlegung seiner Beglückungöiheorien so zu Herzen, daß er die Welt, die mchtS als Schmerz im Schöße trägt, verfluchend, sich«ine Kugel in die Brust schießt. DaS Publikum, daS aus die grotesken Verdrehungen des Dialoges anfangs mit oppositioneller Heiterkeit reagierte, ging in der zweiten Hälfte, worin Else Edersbergs eindrucksvolle Darstellung der ListSka interessierte, entschieden mit und applaudierte stark. Den Abschnitt bildetenZeitungsausschnitte", ein harmloser Suffragettenulk von Bernhard Ehaw. AI» Kon- kurrenz gegen die aggressiven Stimmrechtlerinnen taucht hier eine noch viel kriegerischere Zukunft»« Frauenorganisation, die Snti- iuffragettenllga auf. deren Bertreterinnen alle Helden der Geschichte für verkleidete Weibspersonen erklären und den Ministern mit Re- volvern auf den Leib rücken. Der Spaß litt unter einem vielfach sehr unbeholfenen Spiel. üi. Notizen. Theaterchronik. Im Kgl. Schau spie lhaufe wird zum Schluß der laufenden Spielzeit ein Klassikerzyklus zu ermäßigten Preisen aufgeführt, der in chronologischer Reihenfolge die beliebtesten klassischen Stücke aus dem Repertoire bringen wird. Der Zyklus umfaßt Werke von Sbcckcspeave. Lessing  , Goethe, Schiller und Kleist und soll während der Zeit vom 10. Ma: bis 17. Juni 16 Stücke bringen. Das Schicksal Konsuls. Einstmals haben sich sieben Städte in Griechenland   um die Ehre gestritten, Homer   geboren zu haben; heute teilen sich drei Hauptstädte Europas   in den Ruhm. von den sterblichen Ueberresten des einst so berühmten Schimpansen -Konstil' ein Stück zu besitzen. Im Pariser Museum befindet sich sein Skelett, Berlin   befitzt sein Gehirn und Wien   seine Haut!