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DieTägliche Rundschau" bemerkt zu diesen» schönen Erlaß der HeltenArbeitgeber": Demzufolge werden die meisten Unternehmer ihre Arbeiter. die an der Maifeierdemonstration teilnehmen, sofort ent« lassen, und zwar hat die Mehrheit der Arbeitgeberverbände beschlossen, die Frist bis zur Wiedereinstelluug der Entlassenen auf 10 Tage auszudehnen, andere werden sich dagegen mit einer fünftägigen Aussperrung begnügen. Man sollte meinen, daß die angedrohten Bestrafungen des KontraltbrucheS die Arbeiter bestimmen müßten, auch am 1. Mai ihren Verpflichtungen nach- zukommen, denn ein fünf- bis zehntägiger Lohnausfall bedeutet für jeden Arbeiter eine schwere wirtschaftliche Schädigung. Diese Erioartungen dürften sich als irrig erweisen. Ein guter Kenner der Stimmungen in Arbciterkreisen teilt uns auf Grund seiner Nachfor- schungen mit, daß die Feier des von deriozialdemolratischen Partei an- gesetzten Weltfeiertages in diesemJahre einen größeren Umfang annehmen werde, als es in früheren Jahren der Fall ge- wesen ist. Der Parteileitung komme es in erster Linie darauf an, ihren Einfluß auf die ihr anläßlich des Reichstagswahlkampfes zu- geführten neuen Wähler zu festigen; sie wisse den Einfluß von Massendemonstrationen sehr wohl zu würdigen. Ueberdies sei auch damit zu rechnen, daß den Arbeitern Streikunterstützungen aus den sozialdemokratischen Gewerkschaftskassen zufließen." Mit einem Erfolg seiner unverschämten Drohung rechnet also daS Unternehmertum selbst nicht. Es dürfte sich darin nicht irren, wenigstens nicht was die Arbeitsfeier anbetrifft. In anderer Hin- ficht wird freilich dem Ukas ein gewisier Erfolg nicht abgesprochen werden können: er wird den Arbeitern deutlicher, als die schönsten Artikel es vermöchten, ihre Hörigkeit zum Bewußtsein bringen und den Klassengegensatz verschärfen. Von Stufe zu Stufe. Zu den gehässigsten Feinden der Arbeiterschaft gehört die Partei- amtlicheNationalliberale Korrespondenz", die. seitdem sie von dem früheren Bize- Chefredakteur derTäglichen Rundschau", einem Herrn Dr. Fritz Stephan Neumann redigiert wird, eifrigst bemüht ist. sich durck unverschämte Angriffe auf die sozialistische Arbeiterbewegung, die Gunst der rechtsliberalen, scharfmacherischen Großindustriellen des rheinisch- westfälischen JndustrierevierS zu erwerben. ES ist daher ganz selbstverständlich, daß dieses famose amtliche Organ des Friedberg - Fuhrmannschen National- lstieralismus auch die Maifeier wieder dazu benutzt, sich eine von Genieinheit strotzende Verdächtigung der deutscheir Arbeiter zu leisten. In einem hämischen Artikel kommen die folgenden Sätze vor: Denn die wirkliche Arbeiterschaft hat dieserWelt- Feier"-Tragikomödie seit Jahren den Rücken gekehrt und die .Arbeitsruhe", obschon ein hochwohllöblicher Parteivorstand sie auch heute noch als die«würdigste Form der Maifeier" an- empfiehlt, denjenigen Elementen überlassen, die sich ständig von der Arbeit anderer ausruhen: denGelegenheitsarbeitern", den Arbeitsscheuen, kurz dem Janhagel, welcher der Sozialdemokratie in Großstädten zu jeder Tages- und Nachtzeit für die unterschiedlichenDemonstrationen" zur Verfügung steht; beute gegen den Krieg, morgen gegen den Frieden(zwischen Unternehmern und Arbeitern) und ein anderes Mal für den acht- stündigen Arbeitstag, obgleich die Mehrzahl dieserDemonstranten" ihr Lebtag noch keine acht stunden hinterein- ander gearbeitet haben mögen." Dieser haßerfüllte giftige Ausfall auf die Arbeiterschaft, gegen den der Neichsverbandston fast noch anständig zu nennen ist, findet sich, wir wiederholen es, in Nummer S6 der parteiamtlichen Nationalliberalen Korrespondenz" vom 30. April 1912. Es gehört nicht nur die blinde Wut der Scharfmacher gegen die maifeiernden Arbeiter, es gehört auch ein außergewöhnliche« Maß von gemeiner Gesinnung dazu, ehrliche Arbeiter, die jahraus jahrein aufs schwerste zu fronen haben, um sich und ihre Familien durch die Welt zu bringen, als arbeitsscheues Gesindel, als Janhagel, als Faulenzer zu bezeichnen. Die Arbeiter mögen sich diese nationalliberale Be- schimpfung tief einprägen, um in gegebener Zeit darauf die richtige Antwort zu geben.__ Nicht brutal genug l DieKöln . Ztg." berichtet: Der Gouverneur von Ostafrika , Freiherr v. Rechenberg, der noch in den letzten Jahren den ostasrikanischen Etat in der Budget- koimnission vertreten hat. ist auf seinen Antrag unter Verleihung deS Roten Adlerordens 2. Klasse zur Disposition gestellt ivorden. AlS längjähriger Chef der Verwaltung unserer ostafrikaniichen Kolonie hat Herr v. Rechenberg eine ganz hervorragende Wer- wallungSgabe gezeigt und zu ihren, Aufblühen ganz wesentlich beigetragen. Nicht abzuleugnen ist es, daß gerade eine seiner besten Eigenschasten, ein durchgreifender Eigenwille ihn mit vielen deutschen Kreisen in Ostafrika in schroffen Gegensatz gebracht hat und daß daS mehrfach zu unerfreulichen Vorgängen führte. Man sprach von einemSystem" und ein solche» vertrat tatsächlich Herr v. Rechenberg mit einer doktrinären Folgerichtig- leit. Er kannte die Kolonie auS der Zeit, wo sie lediglich Handels- lolonie war, mit Faktoreibetrieb gestützt auf Ackerbau oder Pflück- Wirtschaft der Eingeborenen, und danach hatte er sein System für ihre Instandsetzung fertig, als er an ihre Spitze berufen wurde---- Da war klar, daß eS manchen Zusammenstoß gab, in welchem die Gegner oft mit einer heute in den Kolonien ebenso wenig wie in der Heimat erträglichen Derbheit zum Angriff gegen ihn vor- gingen." DieKöln . Ztg." drückt sich als Organ der formell auf einen sogenanntenanständigen" Ton haltenden wohlhabenden Bourgeoisie recht milde aus. Seit Jahren ist der Gouverneur von Ostafrika von den Arendt, v. Liebert und anderen gleichwertigen Geistern aufs gehässigste bekäinpst worden, da er sich nicht zu entschließen vermochte, das Interesse der Plantagenbesitzer als höchstes Gesetz anzuerkennen. Der Reichsverbandsgeneral v. Liebert wurde bekannt- lich, als man einsah, daß seine Ernennung zum Gesandten in China eine Unmöglichkeit war, als Gouverneur nach Ostafrika geschickt. Unter seiner Herrschaft löste ein blutiger Aufstand den anderen ab. Gouverneur v. Rechenberg trat entschieden für menschliche Behandlung der Ein- geborenen ein. und die Aufstände unterblieben. Dafür zog sich aber der Gouverneur den Haß der Pflanzer zu. deren Sprachrohr der «bg. Arendt wurde. Wenn jetzt ein Systemwechsel in Ostafrika eintritt, s» ist eS sehr wahrscheinlich, daß es bald zu Ausständen kommt, die dem Herrenmenschentum Gelegenheit bieten, sich zu betätigen._ Ersatzwahl für den früheren Zentrums- abgeordneten Roeren. Die Ersatzwahl für den Zentrumsabgeordneten Roeren im Kreise Saarlouis-Menzig-Saarburg ist auf den 20. Mai festgesetzt worden._ Die Älirren in JMarohho. Eine offizielle Darstellung über die Ursachen der Revolte in Fez. Paris, 29. April. (Note der..Agence Havas".) Die Untersuchung der Ereignisse in Fez durch den Ge- sandten Regnault hat ergeben: l. Die Meuterei der Truppen hat ihren Grund in der Unzufriedenheit, die durch die Entscheidung betreffend den Sold und durch dse Befürchtung der Soldaten, daß sie einen Tornister tragen sollten, hervorgerufen worden war. 2. Die Unter­zeichnung des Protektorats kann nicht als eine der Ur- fachen der Unruhen angesehen werden. Ohne Zweifel hat dieses Ereignis in einer fanatischen uud unwissenden Bevölkcrungsschicht eine gewisse Erregung und Feindseligkeit hervorgerufen, aber dieser Geist hätte keine ernste Gefahr heraufbeschworen, so lange die Truppen treu blieben. 3. Auch in den Kritiken, die sich in dem Rahmen einer Verurteilung des Mißbrauchs der Amtsgewalt des Wachsen bewegten, kann kein Grund oder Vorwand zu einer feindseligen Bewegung gegen uns gefunden werden. Diese Kritiken hatten seit der Ankunft Regnaults in Fez jede Schärfe verloren. Ebenso- wenig ist irgend eine Spur, die auf fremde Machenschaften hindeutete, zu entdecken. 4. Die Ansicht, daß die Juden die Revolte angestiftet hätten, entbehrt jeder Begründung; die Ereignisse beweisen dies. Die Haltung deS Sultans und seiner Wesire ist ebenfalls über jeden Verdacht erhaben. 3. Die Erhebung war nicht organisiert. 6. Die Erregung unter den Stämmen, die im Falle einer Verschwörung hätte zum Ausbruch kommen müssen, fiel nicht mit der Meuterei des Militärs zusammen und zeigte sich tatsächlich nicht unter den benachbarten Stämmen. 7. Es bestanden keine Anzeichen, aus denen man die Erhebung hätte vorhersehen können; Regnault und Moinier hatten keine Nachrichten erhalten, die sie in den Stand gesetzt hätten, die Regierung über die Möglich- keit einer Meuterei auszuktären. Eine Massenerhebung der Stämme in Aussicht. Paris , 39. April. Aus Oran wird gemeldet: Nach Mit- teilung des französischen Kundschasterdienstes in Tauriert haben Abgesandte der zwischen dem M u l u j a f l u ß und Fez ansässige»t Stämme wiederholt Versammlungen abgehalten, in denen sie beschlossen haben, alle ihre Streit- kräfte in der die Straße von Tazza nach Fez beherrschenden Kasbah von M'Sum zu vereinigen, um sich einem Vormarsch der Franzosen widersetzen zu können. Die Landhyänen. Paris , 39. April. Der Abgeordnete Dumosnil, welcher soeben aus Marokko zurückgekehrt ist, stattete gestern dem Kabinettchef Poincaröe einen Besuch ab, um diesem Bericht über seine in Marokko angestellten Beobachtungen zu machen. In einem Artikel, den er heute imMatin" veröffentlicht, kritisiert der Abgeordnete das Vorgehen zahlreicher S p e k u- l a n t e n, welche alle Ländereien zwischen Tanger und Casablanca angekauft haben und nun unerschwingliche Preise dafür fordern. Oertcrrdch. Die auswärtige Politik. Wien , 30. April. Die Ungarische Delegation trat heute bor- mittag zusammen. Der Nachfolger des Grafen Aehrenthal, Gras Berchtold, erstattete ein Expose über die auswärtige Politik.. Wir wollen, sagte der Minister, dem Dreibund treu bleiben. Innerhalb des Dreibundes steht unser Verhältnis zum Deutschen Reich un- entwegt im Zeichen innigsten Einvernehmens. In gleicher Weise tragen unsere Beziehungen zu Italien unverändert den Stempel des engen Bundesverhältnisses. Mit dem Personen- Wechsel ist keine Aenderung unserer Politik eingetreten. Der lang- wierige Waffen gang, in welchem unser Verbündeter engagiert ist. hat bedauerlicherweise bisher noch keinen Abschluß gefunden. Wir sind nach wie vor bereit, im Rahmen der von un» beobachteten Neutralität jeder Aktion beizutreten, welche geeignet erschiene, einen befriedigenden Ausgleich herbeizuführen. Einer sorgfältigen Pflege soll unser Verhältnis zu Rußland teilhaftig werden. Im Vordergrunde des Interesses für die auswärtige Politik Oesterreich-UngarnS steht selbstverständlich unser Verhältnis zur Türkei . Es ist ein Axiom unserer Politik, freundnachbar- liche Beziehungen zum türkischen Reich zu unterhalten und die tun- lichste Verhütung, gegebenen Falles die größtmögliche Einschrän- tnng von Komplikationen anzustreben, die dasselbe in Mitleiden- schaft zu ziehen imstande sein könnten. Es läßt sich doch die Hof f- ilung nicht abweisen, daß es den fortgesetzten Bemühungen der Mächte, gelingen werde, schließlich eine für beide Teile annehmbare Lösung zu finden. Die seither fortgesetzte Fühlungnahme mit dem römischen Kabinett gibt mir begründeten Anlaß zur zuversichtlichen Annahme, daß seitens Italiens keine Bedrohung der Ruhe auf der Balkan Halbinsel, geschweige denn eine Aenderung des Besitzstandes der Türlei am Balkan zu besorgen steht._ Tic Stichwahlen zum Wiener Gemeindcrat. Wien , 30. April. Bei den heutigen Stichwahlen des zweiten Wahlkörpers zum Wiener Gemeinderat wurden gewählt: im zweiten Bezirk 2 Deutschfreiheitliche, im dritten Bezirk 4 Christlich- loziale, im neunten Bezirk 4 Christlichsoziale, im sechzehnten Be- zirk 2 Christlichsoziale, im achtzehnten und neunzehnten Bezirk je ein Chriftlichsozialer. Insgesamt wurden heute 12 Christlich - soziale und 2 Deutschfreiheitliche gewählt. Die Christ. lichsozialen verlieren im zweiten Wahlkörper vier, die Freiheitlichen gewinnen vier Mandate. Bei den bisherigen Wahlen verlieren die Christlichsoziale» insgesamt 3 Mandate, von denen die Sozialdemokraten 3. die Deutsch - freiheitlichen 5 gewinnen._ Die Vergewaltigung Kroatiens und die Wahlreform. Budapest , 29. April. Ministerpräsident L u k a c» hielt heute im Abgeordne-enhause eine Programmrede, in der er zuerst Kroatien behandelte. Er drückte sein Bedauern darüber aus, daß die österreichische Regierung sich unberechtigterweise in diese Angelegnheit eingemischt habe.(Lebhafte Zu- stimmung.) Die Agitation gegen die StaatSeinheit habe in Kroatien einen so bedenklichen Grad erreicht, daß AuSnahmemaßrcgeln er- griffen werden mußten. Was die Wahlreform anbetreffe, so wünsche die Regierung daS Mißtrauen der Opposition zu zerstreuen, als ob die Regierung die Wahlreform nicht ernstlich wolle. Er werde einen bezüglichen Gesetz- entwurf innerbalb einer Frist vorlegen, daß die nächsten Wahlen schon auf Grundlage de» neuen Wahl- g e s e tz e S stattfinden könnten. Nachdem feit vierundsechzig Jahren am Wahlgesetz nichts geändert worden sei, müsse diesmal ein großer Schritt in der Wahlreform getan werden. Doch werde eS die Regierung vermeiden, einen Entwurf zu unterbreiten, welcher einen Sprung ins Dunkle bedeuten würde. Die Regierung wolle alle berechtigten Wünsche er- füllen, andererseits aber auch die gerechtfertigten Bedenken der konservativen Elemente berücksichtigen. Der leitende Gedanke der Reformvorlage werde die Anerkennung deS Prinzips deS allgemeinen Stimmrechts sein, welches stufenweise verwirklicht werden würde. Es werde daher nur ein gewisser Teil der Abgeordneten auf der Grundlage de» allgemeinen Stimmrechts gewählt werden. Gleich- zeitig mir der Ausdehnung des Wahlrechts werde auch eine Reform der Hausordnung duwkigeführt werden. Der Minifterpräsidetrt appellierte schließlich au alle Parteien, daß sie bei der Herstellung der durch die Obstruktion gelähmten Arbeitsfähigkeit des Ad- geordnetenhauses mitwirken sollten.(Lebhafter Beifall auf den Bänken der Regierungspartei.) Italien . Die Maifeier. Rom , 39. April. (Privattelegramm desVorwärts".) Die Arbeiterschaft Italiens rüstet überall, die diesjährige Maidemonstratioil durch umfassende Arbeitsruhe möglichst ein- drucksvoll zu gestalten. Im ganzen Lande sind Versaninl- luitgen einbernfen und Straßenumzüge vorbereitet. Die Demonstration ist in erster Linie als Friedenskunde- gebung des italienischen Proletariats gedacht. Die Polizei hat die Umzüge in Mailand , Rom und anderen Großstädten verboten, an vielen Orten auch den Anschlag des Mai- aufrufs der Konföderation der Arbeit. CnglancL Die Maifeier und der Sechsstundentäg. London , 29. April. (Eig. Ber.) In der von dem Londoner Maifeierkomitee entworfenen Resolution, über die am 1. Mai im Hyde-Park in Massenversammlungen abgestimmt werden soll, bc- findet sich unter anderen Punkten die Forderung eines Sechs- stundentages. In der letzten Sitzung des Komitees, die am 23. April stattfand, beantragten die Vertreter des Vorstandes der B. S. P. und des Loudoner Gewerkschastslartells, den vorher gefaßten Bc- schluß, den Sechsstundentäg zu fordern, umzustoßen und die alle Forderung des Achtstundentages in der Resolution zum Ausdruck zu bringen. Es wurde von dem Gen. Hunter Watts, einem Mitglied de» Vorstandes der B. S. P-, besonders darauf hinge­wiesen, daß es nicht angehe, einen international gefaßten Beschluß eigenmächtig zu verändern. Hiergegen machten die Vertreter der Gewerkschaften geltend, daß man doch die internationale Gleich- förmigkcit nicht auf die Spitze zu treiben brauche, um ein guter Internationalist zu zu sein. Viele der vertretenen Arbeiter hätten den Achtstundentag schon errungen; andere arbeiteten schon weniger als 8 Stunden täglich. Den zurückgebliebenen Industrien könnte nur damit gedient sein, wenn eine neue, der kapitalistischen Ent- Wicklung des Landes besser entsprechende Norm festgesetzt würde. Schließlich wurde mit großer Mehrheit beschlossen, bei der For- derung eines Sechs stundentages zu bleiben. Es mag hier noch erwähnt werden, daß in der Sitzung des Komitees bekannt gemacht wurde, daß der Gemeinderat von West H a m. einer Arbeitervorstadt Londons , beschlossen hat, den 1. Mai zu einem Schulfeiertag zu machen und auch allen städtischen Angestellten den Tag freizugeben. Die erste Antwort auf die deutsche Flottenvorlage. London , 29. April. Unterhaus. Auf verschiedene Anfragen über die Verwendung deS UcberschusseS von 6,5 Millionen Pfund erwiderte Lloyd George , daß die Regierung über den Ucber« schuß nicht verfügen wolle, erstens wegen der Unsicherheit der Wirkung der Arbeiterun ruhen auf die Staatseinnahmen, zweitens wegen der im vorigen Jahre entstandenen Kosten iür die Admiralität, die sich auf 600 000 Pfund beliesen, hauptsächlich aber wegen der Unsicherheit der etwa noch erforderlichen Geld« mittel für die Flotte. Es ist sehr schwierig, sich über diese Angelegenheit weiter auszulassen, ohne vielleicht Schaden anzurichten und deswegen möge das Haus entschuldigen, wenn er das nicht tue.(Beifalli) Der Erste Lord der Admiralität C h u r- chill habe darauf hingewiesen, daß die Voranschläge auf der An- nähme basierten, daß die Programme anderer Länder sich nicht von denen früherer Jahre unterschieden. Er habe aber gleichzeitig erklärt, daß, wenn diese Programme geändert würden, er an das Haus neue Forderungen stelle» müsse, und daß solche Aenderungen einen schwerwiegenden Einfluß auf das Pro- gramm Englands haben könnten, und wie er(Lloyd George ) meine, haben würden. Wir wissen nicht, schloß der Schotzkanzler, wie es zurzeit damit steht, und ich weiß nicht, welche weiteren Forderungen an uns herantreten könnten, jedenfalls aber müssen wir mit der Möglichkeit rechnen, und wenn es der Fall sein sollte, so wird es sich nicht nur um Forderungen für dieses Jahr allein handeln. Sollten aber weitere Forderungen nötig werden, so brauchen wir sicher nicht zu borgen, um ihnen gerecht zu werden. Wenn es möglich ist. eine weitere Besteuerung zu der- meiden, so sollte man das tun, und wir könnten es vermeiden, wenn wir einen Fonds haben, auf den wir zurückgreifen können. Wenn die Regierung nach dem ihr vorliegenden Nachrichtenmaterial und nach endgültiger Gestaltung der Dinge zu dem Schluß kommt. daß eS notwendig ist, weitere Ausgaben zu machen, so muß die Zustimmung des Hauses für diesen Zweck sichergestellt werden. Diese Frage könnte aber später, wenn das Budget ,n die Koni- missionsberatung kommt, wieder aufgenommen werden, und dann wird auch die Regierung und das Haus im Besitze alles tatsächlichen Materials sein. Eine bestimmte Zusage, die Chamberlain zv erlangen versuchte, daß das Geld, wenn es nicht für die Flotte oder zur Deckung eines Einnahmeausfalles aus Anlaß des Kohlenarbeitcv- streiks gebraucht würde, zur Schuldentilgung verwandt werden solle. lehnte der Schatzkanzler ab._ Die Entstaatlichung der Kirche in Wales . Aus London wird uns geschrieben: Seit mehr als 29 Jahren bildet die Entstaatlichung der anglikanischen Kirche in Wales und die Entziehung des stiftungsmäßigen Einkommens dieser Kirche einen Hauptpunkt im Programm der liberalen Partei Großbritanniens . Zweimal schon hat diese Partei einen Versuch zur Lösung dieser Frage gemacht: im Jahre 1895 und im Jahre 1999. Beide Male scheiterte der Versuch. Die For- derung ist die Fahne, um die der Liberalismus in Wales nicht allein das Bürgertum, sondern auch die Arbeiterschaft scharte. Drei Viertel des walisischen Volkes gehört der Staatskirche nicht an: die Mehrheit des Volkes ist in den freien, non- konformistischen Kirchen. Es bedarf daher keiner langen Aus- einandersetzung, um die Gerechtigkeit der liberalen Forderung darzutun. Für das walisische Bürgertum wurde die Ent- staatlichung der Kirche bald zum Alpha und Omega der ganzen Politik. Und bei dem religiösen Charakter des walisischen Volkes war es de» Großkapitalisten, die an der Spitze des walisischen Liberalismus marschieren, nur allzu leicht, mit diesem appetitlich aussehenden Köder die Arbeiterschaft ge- fangen zu nehmen. Die dritte Bill zur Entstaatlichung der Kirche und Ent- ziehung der Stiftungen unterscheidet sich nicht wesentlich von der zweiten. Die Hauptpunkte sind: Alle Verbindungen zwischen Staat und Kirche in Wales werden aufgehoben. Tie Stiftungen(die meist aus Zehnten bestehen), die vor dem Jahre 1662 existierten, werden eingezogen. Weshalb man gerade das Jahr 1662 gewählt hat. ist nicht recht klar. Viel- leicht will man den liberalen Pastoren der nonkonformistischen Kirchen, die meist nach diesem Jahre gegründet wurden und deren Stiftungen aus neuerer Zeit stammen, keine Furcht einjagen. Dieses konfiszierte kirchliche Einkommen betrug im Jahre 1996 2 329 999 M. Das neuere stiftungsmäßige Einkommen, das sehr gering ist, verblebt der entstaatlichten Kirche. Tie Pfründenbesitzer wollen jedoch bis an ihr Lebens- ende ihr jetziges Einkommen weiter beziehen. Das konfis- zierte Einkommen wird für Zwecke der Bildung. Wohltätig- keit und Gemeinnützigkeit verwendet werden. Man rechnet damit, daß das ganze Einkommen in 49 Jahren für diese Zwecke frei sein wird. Die Kirchen und sonstgen Gebäude