IIr.101. 39. Jahrgang 2. Keilte des Junuirtf letluet PslksM Mitwochs 1. Ulli 1912. Reichstag. 51. Sitzung. Dienstag, den 30. April 1012. nachmittags 1 Uhr. Am Bundesratstisch: Dr. S o I s. Dir zweite Beratung des Etats drs Reichskolonialamts wird fortgesetzt. Abg. Dr. Waldstein sVp.): Auch wir wünschen die möglichste Einschränkung des Alkoholverbrauchs in den Kolönien. Diese Frage ist aber erfolgreich nur Internationa zu regeln. Im neuen Kongogebiet mujj den Konzessions - ges ellschaften gegenüber loyal verfahren werden. Wir wollen ihnen nicht das Lebenslicht ausblasen, aber wir wünschen, dafc neben ihnen auch anderen Kaufleuten usw. Raum zur Entwickelung geschaffen wird. Die B a h n t a r i f e müssen verbilligt werden, heute sind sie viermal so groh wie in den französischen Nachbargebieten. Mit der Baum Wollproduktion sieht eS nicht so schlimm aus wie Herr Henke meinte. In Amerika hat sich die Bauinwollkultur auch erst sehr langsam bis auf ihre jetzige Höhe entwickelt. Wir sollten Baumwollsachverständige in Amerika ausbilden lassen; das dafür aufgewendete Geld würde sich gut wieder einbringen. Die Schutz gebiete sollten möglichst unabhängig gestellt werden.— Der neu zu schaffende Kolonialgerichtshof würde am besten seinen Sitz in Hamburg erhalten.— Herrn Henke erscheint alle jetzige Kolonialpolitik als Imperialismus, das heiht als das Streben nach Weltherrschaft. Glaubt Herr Henke z. B., Holland , das noch heute Kolonialpolitik treibt, dies aus dem Streben nach einer Weltherrschaft tut. Als Bismarck die deutsche Kolonialpolitik inaugurierte, hat er lediglich wirtschaftliche Ziele im Auge gehabt, phautastisch-imperialistische Pläne wird Bismarck nieniand zutrauen. Für uns ist die Hauptsache, daff die Kolouialpolitik K u l tu r p o l it i k ist; um das zu erreichen, halten wir die Beteiligung an ihr für besser als die völlige Negierung. Eine Konquistadorenpolitik wollen wir natürlich auch nicht. Daff unsere Kolonialpolitik nicht lediglich im Interesse der Kapitalisten betrieben wird, beweisen die Klagen der Kapi talistcn in den Kolonien über die zu große Rücksichtnahme auf die Eingeborenen. Ich erinnere auch daran, das; aus den Diamantenfunden ein groffer Teil in die Taschen des Fiskus und nicht der Kapitalisten geflossen ist. Herr Henke »neinte, die Neger seien bildungsfähig. Ja, sollen wir denn, weil die Neger bildungsfähig sind, ihre Bildung unterlassen? Er sagte, sie wären gute Telegraphenbeamte. Ja. wären sie denn ohne uns ausgezeichnete Telegraphenbeamte geworden?(Sehr gut I) Ich erinnere den Abgeordneten Henke auch an die Worte Bern - sie ins auf dem Stuttgarter Internationalen Sozialistenkongreff: «Wir können die Kolonien nicht aufgeben, weil sie sonsl�a n» deren Eroberern in die Hände fallen.' In diesem Sinne war auch die von den deutschen Delegierten dort beschlossene Resolution gehalten. lHört i hört!) In so erfreulichem Maße hat sich die Ein ficht in die Notwendigkeit der Kolonialpolitik auch bei s a ch> kundigen Sozialdemokraten in Deutschland schon durch- gesetzt. Heute ist die deutsche Sozialdemokratie in ihren kolonial- politischen Anschauungen leider noch sehr konservativ. Aber wir geben die Hoffnung auf die Mitwirkung der Sozial- d e m o k r a t i e nicht auf. Wir wünschen diese Mitwirkung, denn wir zweifeln nicht, daß, wenn die Sozialdemokratie sich auf den Boden einer positiven Kolonialpolitik stellen würde, sie mit uns zusammen manches in der Kolonialpolitik so umgestalten könnte, wie wir es lebhaft wünschen.(Bravo I bei den Freisinnigen.) Abg. v. Liebcrt(Np.): Selbst die Arbeiter in Bremen sollten da? Verständnis dafür haben, daß wir Kolonien brauchen und sie entwickeln wollen. Herr Henke ist mit der Abweisung jeder Kolonialpolitik auch nicht mit seinen eigenen Parteigenossen einverstanden.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Nun, Bernstein und Schippe! haben nach den Wahlen von 1V07 ausdrücklich betont, daß die Sozialdemokratie die Kolonialpolitik nicht grundsätzlich ablehnt, sondern sich gegen die grausame Methode der Kolonialpolitik wendet. H u e hat im Dezember 1911 in Bochum erklärt:.Unter Berufung nicht aus Maurenbrecher und Hildebrandt, sondern auf Bebel kann ich sagen, daß wir Sozialdemokraten keine grundsätzlichen Gegne.r der Kolonialpolitik sind(Hört! hört! rechts); wir halten es für notwendig, daß für die Industrie neue Absatzgebiete und Rohstoffe gebiete erschlossen werden." Auch Hue wendet sich nur gegen die brutale Methode der Kolonialpolitik. Diese grausamen Brutalitäten liegen aber L0 Jahre zurück, heute kommt derartiges nicht mehr vor.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Unsere Kolonien stehen im Zeichen des Gouverneurswechsel. Das ist sehr bedauerlich. Der Gouverneur sowie die Beamten über- .Haupt sollten möglichst lange in ihren Stellungen bleiben. Dem scheidenden Gouverneur v. Rechenberg schuldet die Kolonie Ostafrika großen Dank, unter seiner Leitung hat sie sich glänzend entwickelt. Ich bitte den Staatssekretär, sich über die Arbeiterfrage in Ostafrika zu äußern. In der„Leipziger Bolkszeitung" wird die Regierung alsZutreiberin der Kapitalisten geschildert, die duldet, daß Arbeiter aus dem Innern in der schrecklichsten Weise zu den Farmern transportiert werden, wo sie zu elenden Löhnen arbeilen müssen und mit der Peitsche-behandelt werden. Da» ist alles von A bis Z unrichtig. Den Ansiedlern sollte man eS erleichtern. Boden zu erwerben. Der gestern von Erzberger begründete Antrag aus Abschaffung der tzaussklaverei bis zum 1. Januar 102S findet bei mir warme Unterstützung; doch sollte man den Termin noch auf 3 oder 5 Jahre weiter hinausschieben. Ferner sollte die Strauße nkultur gefördert werden; das englische Kapland gewinnt jährlich 42 Millionen Mark an Straußen- federn. Ii' Kamerun ist ganz charakteristisch der Gegensatz von Nord- und Südkamerun; man sollte den Widerstand gegen die Südkamerunbahn aufgeben.— Die Südkameruner Firmen bitten die Regierung, die Bestimmungen für den Handel recht schnell auf die von Frankreich abgetretenen Kongoleile auszudehnen und so diese Gebiete dem Südkameruner Handel anzugliedern.— In der Budgetkommisfion ist der Antrag gestellt worden, in Ostafrika die allgemeine Schulpflicht durchzuführen. Das ist glücklicher- weise nicht angenommen. Wir tun für den Neger, was wir nur irgend können. Aber alles können wir nicht auf einmal tun; für den Neger ist eS zunächst wichtig, zur Religion und zur Arbeit erzogen zu werden.— Zum Schluß bitte ich noch um eine stärkere Unterstützung der Kolonialschule Witzenhausen . (Bravo ! rechts.) Abg. NoSke(Eoz.): Das Programm des Herrn L i e b e r t für die deutschen Kolonien lautet: Arme Teufel haben in den Kolonien nichts zu suchen und steht auf dem Niveau seiner Schlußfolgerung, man habe keinen Anlaß, den Negern Bildung beizubringen, für sie sei die Hauptsache: Arbeiten I Weiter behauptet er, die Kolonialpolitik sei human geworden, eS kämen keine Ausschreitungen mehr vor, und er bestreitet, daß heute»och Arbeiter auf den Plantagen geprügelt werden. DaS beweist, daß er die Denkschrift der Regierung über die Entwickelung der Schutzgebiete bis zum Jahre 1010 nicht gelesen hat.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Es ist auch noch gar nicht lange her, daß der Staatssekretär Dernburg in der Budgetkommiision von seiner afrikanischen Reise erzählte und in drastischer Weise auseinandersetzte, wie sehr noch die Nilpserdpeitsche auf den Plantagen benutzt wird. Herr W a l d st e i n wies gegen« über Henke darauf hin, daß der Fiskus 33'/, Prozent der Erträge des Diamantenbaues bekomme. Das bekommt doch aber der ost- afrikanische Fiskus, das deutsche Volk hat davon nicht einen Pfennig und nicht ein Pfennig wird verwendet, um auch nur einen Teil der 400 Millionen Kriegskosten zurückzuzahlen. In der Kommission haben wir uns bemüht, eine Verringerung des Reichszuschusses von über 30 Millionen Mars m die Wege zu leiten. Diese Bemühungen finden ein sonderbares Echo in dem Rufen der Vorredner nach mehr Bahnen in den Kolonien. Daß auf diesem Gebiet Vorsicht geboten ist. sollte doch mindestens denen klar sein, die an Kommissionsberatungen teilgenommen haben. An Bahnbauten für Südwestafrika ist soviel geleistet, daß wir, falls die Einnahmen aus den Diamanten sich verringern, nicht unerhebliche Reichsmittel werden zur Verfügung stellen müssen zur Verzinsung und Amortisation dieser Bahnen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Herr Erz- b e r g e r glaubte. die Aeußerungen meines Fraktionsfreundes Henke haben wesentlich anders geklungen, als die von Ledebour und mir. Ich kann ihm das Kompliment nicht machen, daß er zur Militärvorlage besser geredet hat, als sein früherer Fraktious kollege Häusler, lind auch sonst waren seine Au& führungen keineswegs interessanter und angenehmer für den Reichstag, als z. B. die feines Kollegen H e i m. Mir erscheint es näherliegend, aus den Unterschied hinzuweisen, tvenn Herr Erzberger über den Kolonialetat im„Tag" schreibt und hier im Reichstag darüber redet. Gleich nach dem Erscheinen des Etats wies er im„Tag" daraus hin. daß so die Wirtschaft nicht weiter- gehen könne, der Beaniten apparat wachse erschreckend an, man müsse versuchen, die Militärausgaben in Südwestaftika ganz außerordentlich herunterzudrücken. In der Kommission hat Herr Erzberger sich ja auch im Sinne der Sparsamkeit be- müht. Aber hier im Plenum hörten wir kein Wort davon. Durch die Rede Henkes wurde er vielmehr zu einer Lobrede auf den Kolonialetat veranlaßt, die im drastischen Gegensatz zu seinen schriftstellerischen Auslassungen steht. Er hat an Henke die Frage gerichtet, ob er denn gar keine Kolonien wolle. Herr Erzberger und die anderen Vorredner sollten doch wissen, daß die sozialdemokratische Partei auf mehreren Parteitagen sich grundsätzlich gegen die kapi- talistische Kolonialpolitik ausgesprochen hat. Selbst- verständlich haben Sozialdemokraten zum Ausdruck gebracht. daß sie an sich gegen die Erschließung neuer Länder nichts einzuwenden haben. Mancher der deutschen Kolonial enthusiasten, der sich jetzt noch für die Kolonialpolitik zu begeistern scheint, würde nach den gemachten Erfahrungen nicht zum zweiten Mal die Sorte von Kolonial- p o l i t i k b e g i n n e n, die Deutschland eingeschlagen hat. Ich er- innere an den Ausspruch eines der bekanntesten national- liberalen Abgeordneten, daß wir K i a u t s ch o u nicht noch einmal pachten würden, daß wir es aber behalten müßten, weil uns sonst die ganze Welt auslachen würde. Und so pulvern wir nach wie vor sieben bis acht Millionen Mark aus den Taschen der deutschen Steuerzahler hinein. Und Südwest- a f r i k a? Sind nicht die allerärgsten Befürchtungen, die früher von unserer Seite geäußert wurden, noch übertroffen worden? Was in der Kommission über Südwestafrika geredet worden ist, war ein Jammerlied schlimmster Art von Anfang bis zu Ende.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Und was mich von einem großen Teil der kolonialfreundlichen bürgerlichen Presse zurzeit gegen die Erwerbung von Neukamerun geschrieben worden ist, war so drastisch und kräftig, daß es sich von der sozialdemokratischen Kritik in nichts unterschied, lieber den Wert der Kolonialpolitik an sich gehen die Ansichten auch hei bürgerlichen Bolkswirtschastlern weit auseinander. Man hat immer wieder betont, daß der Abg. Henke gerade als Vertreter von Bremen ganz anders hätte reden mllffen. Aber der frühere Abgeordnete von Bremen , Herr H o r m a n n, gehörte in kolonialpolitischer Beziehung zu den bewilligungS« lustigsten Fortschrtttlern. Die Bremer Wähler und be- sonders die Arbeiterschaft Bremens muß wohl davon überzeugt sein, daß die Vertretung ihrer Interessen in den Händen der Sozial- demokraten wesentlich besser aufgehoben ist. als bei den bis- herigen, kolonialsreundlichen Voltsparteien.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Man sagt, die Kolonialpolitik fti notwendig zur Hebung de» Naiionalwohlstandes. Ich be- Haupte, daß der nationale Wohlstand durch unsere Kolonial- Politik bisher auch nicht um einen roten Pfennig verbessert worden ist. Wir haben annähernd 1000 Millionen in die Kolonien hineingesteckt, und es ist keine Rede davon, daß wir in den letzten 25 Jahren auch nur für einen gleich großen Betrag an deutschen Jndustrieprodukten nach allen deutschen Kolonien zu sammen verkauft haben. Nach Südwestafrika haben wir 600 Millionen Mark in gutem deutschen Gelde exportiert und haben dafür zurückbekommen 8000 Invalide, für die 4Va Millionen Mark Pensionen bezahlt werden.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Der Wert der Kolonialpolitik für die Hebung der Volkswirtschaft wird auch im Kolonialamt vom Staat angezweifelt. So weist das Amt in einer Denkschrift über die Zurückerstattung der südwestafrikanischen Kriegs- kosten nach, daß bisher noch jeder Versuch irgend einer kolonisierenden Macht, die Kolonien heranzuziehen zur Wiedererstattung aufge- wandter Beträge mißlungen sei. Entweder hatten die Kolonien nichts, oder, wenn sie zahlungsfähig geworden waren, so waren sie zugleich auch politisch so er stärkt, daß sie dem Mutterlande die Zähne zeigen konnten. Da» wird in der Denkschrift nachgewiesen für Spanien . Portuga l, Holland , Belgien . Nordamerika . Italien , Frankreich und England.(Hört! hört! bei den Sozff So hat ngland z. B. eine weit größere Summe ausgegeben, um seine Kolonien zu erhalten, als der Wert der gesamten Waren betragen hat, die England je nach ihnen gesendet hat.(Hört! hört! bei de» Sozialdemokraten.) Wir Sozialdemokraten haben. doch schließlich keinen Anlaß, kolonialbegeisterter zu sein, als das Kolonialamt selb st. Auch ich bin fest dapon überzeugt, daß die Masse des deutschen Volkes, insbesondere die Arbeiter, von der Kolonialpolitik keinen Vorteil haben. Aber diese Anschauung hat uns niemals gehindert, uns nun mit beiden Beinen est auf den Boden der gegebenen Tatsachen zu stellen. So lange wir zu kolonialpolitischen Fragen Stellung genommen haben, haben wir immer das eifrige Bestreben gezeigt, mit« zuarbeiten an der Beseitigung von Mißständen in den Kolonien. Kultur in den Kolonien zu verbreiten und darauf hinzuarbeiten, daß der Ausbeutung und Unterdrückung der eingeborenen wie der we'ßenarbeitenden Bevölkerung in den Kolonien wirksam entgegengetreten wird. Die Wichtigkeit der Baum wollfrage haben wir keineswegs verkannt. Henke hat nur davor gewarnt, sich optimistischen Erwartungen über die Erfolge der Baumwollkultur in den Kolonien hinzugeben. Auf demselben Standpunkt steht auch die Denk- chrift der Regierung. Die Regierung ist nicht so töricht, den Leuten Ivldene Berge als Erfolg der Kolonialpolitik zu versprechen. Im übrigen haben wir Sozialdemokraten stets für die Forde- runge» zur Hebung der Baun, ivollkulturen in den Kolonien gestimmt.(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. v. L i e b e r t aber wird in seiner Eigenschaft als Aufsichtö- ratsmitglied von sehr faulen kolonialen Baum w oll- grün düngen selbst wissen, wie vorsichtig man bei Beurteilung der Baumwollfrage in den Kolonien sein muß.(Hört! hört l bei den Sozialdemokraten.) Die Kommission hat wieder einmal Abstand davon genommen. eine Reihe notwendiger Reformen in derKolonial- Politik zu erzwingen, um dem neuen Staatssekretär eine Frist zu geben, um eigene Reformen in die Wege zu leiten. Das ist nun schon bei vier Staatssekretären in wenigen Jahren so gemacht worden. Wir kommen auf diese Weise in manchen Dingen einfach deswegen nicht weiter, weil hier in Berlin in den letzten Jahren kein Staatssekretär mehr in seinem Amt warm geworden ist, und weil auch in den Schutzgebieten ein kolossaler Wechsel in den leitenden Personen vor sich gegangen ist. Dabei wirken auch die sehr ungünstigen klimatischen Verhältnisse mit. Ausführlich hat man sich in der Kommission über das übermäßige Anschwellen des Beamtenapparats im Kolonialamt und in den Kolonien unterhalten. Tatsache ist, daß wir nach Lbjähriger kolonialer Tätigkeit das erreicht haben, daß im ganzen 21007 Weiße, Männer, Frauen und Kinderei» allen deutschen Kolonien zusammen wohnen.(Hört I hört I bei den Soz.) Davon waren männliche Personen über 15 Jahre 14 467, darunter 927 Missionare. Dabei gibt es nicht weniger als 4 t 1 8 B e a m t e in den Kolonien. Es kommt also auf je 8 We-tze immer eip Beamter, ein Schutzmann oder ein Bureaukrat.(Hört! hört!) bei den Soz.) Es erscheint mir ganz ausgeschlossen, daß auch nur etwas annähernd Aehnliches von Beamtenherrschaft in irgend einer Kolonie eines anderen Landes möglich ist.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist erklärlich, daß von der Bevölkerung der Kolonien immer der Schrei kommt, wir können beim besten Willen nicht vorwärts kommen, die Beamten fressen ja die Kolonie» auf. Der Geist, der bei einem nicht geringen Teil der Beamten in den Schutzgebieten herrscht, lehrt uns, wie außerordentlich der- hängnisvoll der Aufenthalt in den Tropen für Weiße ist; das kameradschaftliche Verhältnis unter den Beamten draußen läßt viel zu wünschen übrig. Eine ganze Reihe solcher ich möchte sagen Kolon ialdreckereien, sind uns ja in den letzten Jahren bekannt geworden. Der Staatssekretär selbst könnte, wenn er seine Erinnerungskiste aufmachen wollte, uns sicherlich die allerputzigsten Geschichten erzählen. Zu den allerwidrigsten gehört der in der Budgettommission erörterte Fall Wächter. Wenn hohe Beamte so gegeneinander intrigieren, sind sie absolut ungeeignet, und die Zeutralverwaltung sollte mit eisernem Besen da- zwischenfahren. Leider haben wir vom Staatssekretär nichts gehört, wie er sich eine Reform des Beamtenkörpers denkt. Für die Kolonien ohne Kiautschou beträgt der Reichs- zuschuß 20,9 Millionen, einschließlich Kiautschou 23,6 Millionen. Für jeden draußen sitzenden Deutschen werden danach vom Reiche 3574,50 M. aufgewendet.(Hört I hört! bei den Sozial- demokraten.) Da wäre es bester, diese Leute hier als Rentiers leben zu lassen, dann bliebe das Geld wenigstens im Lande. Tat- sächlich sind die Aufwendungen für die Kolonien noch größer. So erscheinen für S a ni o a und Neu-Guinea Kosten im Marine- etat, weil ja ständig Kriegsschiffe stationiert sind. Im Po st etat befinden sich 0'/z Millionen für die Schaffung eines Kabels zwischen Deutschland und Kamerun . Die Ein- nahmen daraus werden vorläufig auf 00 000 M. berechnet, die fast sämtlich auch wieder vom Reich für amtliche Depeschen bezahlt werden. fAber die Kabelgesellschaft bekommt einen JahreSzufchuß von 840 000 Mark, der doch eigentlich auf Konto des Etats für Kamerun gestellt werden müßte. Der Traum, daß in absehbarer Zeit die Kolonien einen Bcvölteningsüberschuß von Dentschland aufnehmen könnten. ist wohl ein- für allemal zu Ende. Mit solchem Kalo n i a l s chw i n d e l. wie im Jahre 1907, wird mau nicht wieder politische Geschäfte machen können.(Sehr wahr I bei den Soziald.) Der deutsche Ansiedler leidet ja noch mehr unter dem Klima wie der Beamte, linier dem jubelnden Beifall der Anwefendcn hat auf der letzten Generalversammlung der deutschen Kolonial- gesellschaft der Vorsitzende. Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg , einen Antrag dahin interpretiert, daß er sich gegen die Unterdrückung der Siedelung wende. Angesichts solcher Be- strebungen müssen wir mit allem Nachdruck zum Ausdruck bringen, daß es geradezu frivol wäre, wenn man zulassen wollte, daß leineLeute dort hinausgehen, um Kleinsiedelungen zu schaffen.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Steigerung der Handelsbilanz in den letzten Jahren ist wesentlich auf die Einfuhr von Eisenbahnmaterial aus Deutschland zurückzuführen. Im übrigen hat der fremde, besonders der englische Handel in unseren Kolonien mehr znge- nommen, als der denische. Dem Bedauern, daß eS nicht gelungen ist. eine weitere Einschränkung der Branntweineinfuhr durch- zusetzen, schließe ich mich an. Ohne Rücksicht auf das Verhalten anderer Kolonialmächte sollte Deutschland ein vollkommenes Verbot der Spirituseinfuhr in den Kolonien er- lassen.(Zustimmung bei den Soz.) Mit Recht sprach Henke davon, daß das Großkapital verhältnismäßig wenig Geld für die Kolonien zur Verfügung stellt. Das Großkapital hat eben eine feine Rase für den Prosit, es beschränkt sich auf Gründungen und hängt die faulen Aktien nachher kleinen Leuten an. (Widerspruch rechts.) Wer nur einigermaßen die Börsenberichte ver- folgt, weiß daS doch. Unter dem Prospekt einer solchen faulen GründungSaes ellschaft prangt auch der Name Generalleutnant z. D., Gouverneur a. D., Mitglied des Reichstages Herr von Lieber t.(Lebhaftes Hört I hört I) Gerade er hätte allen Anlaß, nicht dazu beizutragen, daß das bißchen Kolonialbegeisterung bei den kleinen Leuten durch solche bösen Erfahrungen zugrunde gerichtet worden.(Lebh. Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Gegen Henke ist gesagt worden, wir setzen die Interessen der Arbeiter aufs Spiel, wenn wir uns nicht für die Kolonialpolitik einsetzen. Nun, in den tropischen Gebieten ist keine Gelegenheits- arbeit für sie. und nach Südwestaftika will man kleine Leute auch nicht hineinlassen. Die wenigen Arbeiter, die hinausgegangen sind, haben sehr traurige Ersahrungen gemacht.(Sehr wahr! bei den Soz.) Man hält uns die kulturelle Arbeit entgegen, die in den Kolonien geleistet wird. Damit machen wir doch nur in bescheidenem Maße gut. was vorher gesündigt ist. In beiden ostafrikamschen Ausständen hat man mehr als 200 000 Menschrn niedergemacht. Wir haben lange Kulturarbeit zu leisten, ehe diese mit deutschen Maschiiiengewehren gerissene Lücke wieder ausgefüllt ist.(Lebhaftes Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Herr Erzberger hatte kein Wort der Kritik für die Rechtsprechung gegen>ie Eingeborenen. In O st a f r i k a haben wir in einem Jahre 10 144 Bernrtcilungen zu langjähriger GesängniSstrafe gehabt.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Windhuker Landeskammer findet hierfür einen recht plausiblen Grund, sie sagt, man verhängt diese zahlreichen Strafen, um zahlreiche Arbeiter für die neue» Bauten bei den Eisenbahnen zu haben.(Lebhaftes Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Auch Prügelstrafen sind im starken Maße verhängt worden. Durch die Presse geht die Nachricht, daß Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg Gouverneur von Togo werden soll. Nach manchen Aeußerungen von ihm scheint er ein Freund der P r ü g e I st r a f e zu sein, dann scheint er uns wenig leeignet für einen solchen Posten.(Sehr richtig l bei den Sozial- »emokraten.) Der Resolution über die Aufhebung der Haus- klaverei stimmen wir natürlich zu. Möglichster Schutz muß auch den farbigen Arbeitern zu teil tverden. ES sind eine Reihe Verordnungen erschienen in bezug auf die Behandlung der Arbeiter, die gar nicht üble Vorschriften enthalten. Aber die Denk- 'chrift gibt selbst zu, daß diese Vorschriften durchaus nicht immer befolgt werden. Die Tagelöhne auf den Plantagen in den Kolonien
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