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das Wirken der Spitzel und Provokateure zurückzuführen., Es ist ein ziemlich kompliziertes Produkt, das auf dem Boden der kapitalistischen Gesellschaft besonders dort gedeiht, wo sich die kleinbürgerliche Produktiqnsform noch verhältnismäßig stark erhalten hat und die Arbeiterbewegung wohl lebhaft genug ist, um ihre Schlagworte in allen Schichten der Be- sitzlosen bekanntzumachen, aber nicht so stark, um in einer großartigen, organisierten Massenaktion die der heutigen sozialen Ordnung widerstrebenden Kräfte zu vereinigen und deil verschiedensten Temperamenten die Betätigungsmöglich- keit in einer tvahrhaftdirekten Aktion" zu bieten, die auf das Ziel der Abschafsting des kapitalistischen Profits hin- strebt. Für den in die Gedankenwelt des Sozialismus einge- führten Arbeiter kann der Verbrecheranarchismus nichts Verführerisches haben. Erkennt er doch in ihm nicht eine Rebellion der Besitzlosen gegen das wirtschaftliche und moralische Grundprinzip der bestehenden Gesellschaftsordnung, gegen den aus dem Eigentum fließenden Gewinn, sondern im Gegenteil eine A n p a s s u n g an dieses Prinzip. Diese Sorte von Anarchismus bedeutet so wenig einen revolutionären Angriff auf den bürgerlichen Profit, wie die Prostitution einen Angriff auf die bürgerliche Ehe bedeutet, deren Er- gänzung sie vielmehr bildet. Die Anpassung ist eine durch- aus logische Folge der individualistschen, voll keinem großen solidarischen Zusammenhang beherrschten Lebensgestaltung, deun der Vereinzelte kann sich eben nur durch Anpassung behaupten, wogegen die Masse zu überwinden ver- mag. Die Mittel der Anpassung und ihr Resultat mögen je nach Talent, Charakter und Glücksumständen verschieden sein. Ter eine Anarchist bringt es mittels ihrer bis zum Minister- Präsidenten und Ordnungsdirektor im kapitalistischen Staate, andere geraten in die Sphäre des gaunerischen und gewalt- tätigen Gelderwerbs und in einen schließlich hoffnungslosen Kampf mit der zur Sicherung der auf den Besitz gegründeten Ausbeutungsformen konstituierten übermächtigen Staats- gewalt. Aber das revolutionäre Proletariat hat mit alledem ilichts zu schaffen und wird von der albernen Verleumdung der reaktionären Presse ebensowenig berührt wie von der Senti- Mentalität, womit die Bonnots ihre Missetaten als Befrei- ungstat von Enterbten zu drapieren lieben. Und einzig das Proletariat hat in der heutigen Gesellschaft wirk- lich das Recht, sich von jeder moralischen Gemein- s ch a f t mit ihnen frei zu erklären. Es verdammt das Mördhandwerk der Gesetzlosen und muß sich dagegen wehren, daß es zu dem tausendfachen, unter dem Schutz des Gesetzes verübten kapitalistischen Mord hinzukomme, der tag- täglich an den Volksmassen in Fabriken und Bergwerken verübt wird und den wir eben erst im Ozean seine entsetzlichen Hekatomben fordern sahen. Es sieht mit um so größerem Schaudern die Räuber mit Revolvern und Karabinern am Werk, weil, es in ihren blutigen Taten die Moral des Militarismus wiederfindet, der die Völker unablässig für den Massenmord drillt, die Nichtswürdigkeit, die für streikende Ardeiter Flintensalven bereit hat.Sein eigenes Leben zu leben," diese banale, eitelkeitsgeblähte Phrase hat der Massenmörder Bonnot an die Spitze seines graßmanns- süchtigenTestanlents" gestellt. Aber ist das nicht dieselbe Maxime, die das Wirtschaftsleben und die Kultur der kch>ita- listischen Welt regiert, und kehrt sie nicht, auf Kollektivitäten angewendet, in der weltpolitischen Ideologie und im Pro- gramm des Nationalismus wieder? Ist es nicht die heute allgemeine Raubinoral, die Leben mit Wertezerstören gleich- setzt? Das Verbrechertum ist eine unvermeidliche Frucht der kapitalistischen Ordnung mit ihrem Massenelend, ihrem im- erträglichen Druck auf das Leben jedes Einzelnen und ihren vielen Degenerationsfaktoren. Ueberwunden wird es erst in einer neuen, gerechten, freieren und von der wachsenden mensch- liehen Erkenntnis geleiteten Gesellschaft. Seine Vermengung mit den revolutionären Tendenzen aber muß um so mehr verschwinden, je stärker die Kampforganisation des Prole- tariats, je umfassender ihre Wirksamkeit, je größer das Ver- trauen und die Zuversicht werden, die der Sozialismus in den besitzlosen Klassen erweckt. So kann die sozialdemokratische Arbeiterschaft auf die verleumderischen Versuche der reaktionären Presse, die Räuber- taten von Paris mit ihren Bestrebungen zu identifizieren, ruhig antworten: Die anarchistischen Banditen sind Fleisch v o ii eurem Flei s ch. Sie sind Fäulnisprodukte des Kapitalismus, aufgeblüht in einem Boden, der die Sumpf- Wässer einer aberwitzigen, korrupten, in einer infamen Tradi- tion verfangenen Polizeiwirtschaft aufnimmt, deren politische Zwecke die sozialhygienischen Aufgaben vereiteln. Kolonialfragen im Reichstage. Am Mittwoch würde im Reichstag die Generaldebatte über die Kolonien beendet. Nachdem die Herren Paaschs und Müller- Meiningen, ebenso wie der unvermeidliche Lirenziat M u m m ihre optimistischen Hoffnungen auf die künftigen Erfolge der deutschen Kolonialpolitik ausgedrückt, hier und da auch wohl eine Beschwerde oder Anregung geäußert hatten, gab unser Genosse Ledebour all den Herren, die uns mit guten und billigen Rat- schlagen hatten versehen wollen, noch einmal die Versicherung, daß unsere Behandlung der deutschen Kolonialpolitik aus einer sicheren und grundsätzlichen Anschauung klar und logisch hervorgeht. Er nahm dabei die Kritik und die Herren Kritiker nicht allzu ernst, und daS ganze Haus freute sich im Grunde über die humoristische Abfertigung all der Neunmalweisen. Nach einigen Bemerkungen des Welsen C o I s h o r n verlangte Genosse D a v i d s o h n unter dem Mißbehagen des Herrn Dr. Oertel, daß die deutschen Beamten in den Schutzgebieten den Schwarzen in der Alkoholfrage mit gutem Beispiel vorangehen. Tami wurden nacheinander die E i n z e l e t a t S für Ostafrika , für Kamerun , für Togo und für Neu-Guinea erledigt. Bei dem Etat für Ostafrika gab eS noch ein kleines Nachspiel der gestrigen Generaldebatte: Herr Erzberger muhte in einer Polemik mit dem Genossen Henke manche seiner Angriffe mildern, und er tats in konzilianter Weise. Genosse NoSke führte in sehr geschickten Bemerkungen den naseweisen Herrn Arendt ab, der allzu neugierig nach kolonialen Schwindelgründungen sich erkundigt hatte. Auch der Etat für Kamerun gab zu großen Auseinander- setzungen keinen Anlaß. Nur Genosse N o s k e gab bei Betrachtung der von den Weißen in Südkamerun geforderten Selbstverwaltung ein interessantes Apercu über die eigenartige Methode, die Schwar- zen vollkommen auszuschalten. Bei dieser Gelegenheit konnte er eine Reihe von Grausamkeiten feststellen, die sich notwendig ergeben müssen aus dem System barbarischer Expeditionen. Die Etats für Togo und Neu-Guinea wurden ohne Debatte genehmigt. Dw Erörterung, die die sechsstündige Donnerskagsitzung ausfüllte, bezog sich allerdings nur, aus Einzelfragen, aber gerade in dieser Spezialdiskussion kam besonders wirksam zum Ausdruck, wie berechtigt öie allgemeine Kritik ist, welche die Sozialdemokratie an der deutschen Kolonialpolitik geübt hat. Aus dem Etat für Südwestnfrika und Samoa wurde zunächst die Diamanten- frage herausgenommen, zu der die Budgetkommission eine Resolution angenommen hat, in welcher eine möglichst baldige Reform der Diamantenregie unter angemessener Beteiligung der Diamantenförderer und unter verschärfter staatlicher Aussicht ge- fordert wird. Genossen Hoch vertrat diese Resolution mit aus- gezeichneter fachmännischer Kenntnis der ganzen Vorgänge und der verhängnisvollen Wirkungen des bisherigen Regimes. Er konnte zeigen, wie die Diamantenregie bisher von den Syndikatsherren hineingelegt worden ist, die die deutschen Interessen schwer ge- schädigt haben. Nacheinander mußte Herr Erzberger vom Zentrum, Graf Westarp von den Konservativen, der National- liberale Freihen! v. R i ch t h o f e n. der Fortschrittler Ahlhorn und der Staatssekretär die Berechtigung der Kritik zugeben. Sie suchten naturgemäß die Tragweite dieser Krii! und ihre Schärfe nach Möglichkeit abzuschwächen. Keiner traute sich aber soweit zu gehen, wie der Fortschrittliche Dr. W a I d st e i n, der die groß- kapitalistischen Interessen unverhüllt aber ebenso wirkungslos gegen unseren Genossen in Schutz nehmen wollte. Tie Resolution wurde selbstverständlich im Laufe der Debatte angenommen. In der allgemeinen Debatte über den Etat für Südwest- asrika und Samoa wurde zunächst eine sozialdemokratische Resolution behandelt, welche die Aufhebung der Verordnung fordert, durch die den Eingeborenen die Haltung von Großvieh nur nach einer im einzelnen Falle einzuholenden Genehmigung gestattet wird. Diese Verordnung bekämpfte als Redner unserer Fraktion Genosse Ledebour. der das Unrecht einer solchen Rache- und Straf- Politik nach Gebühr kennzeichnete. Der Staatssekretär versprach Milderung, gab aber zu, daß die Verordnung eine Vergeltungs- Maßregel für den früheren Aufstand sei. Im Laufe der Debatte wandte sich Genosse N o s k e erneut gegen diese merkwürdige, eng- herzige, ungerechte und sicherlich erfolglose Politik. Auch diese Resolution fand Annahme. Unter großem Interesse des ganzen Hauses wurde schließlich die Mischlingsfrage in Samoa angeschnitten, die bereits in der Generaldebatte des Etats Erwähnung gesunden hatte. Die Budgetkommission hatte damals die sozialdemokratische Kritik als berechtigt erachtet, und schlug vor, die entgegen dar Verfügung des früheren Gouverneurs von Samoa und jetzigen Staatssekretärs die Ehe zwischen Eingeborenen und Weißen zulassen soll. Während die Abgeordneten sich zahlreich um die Tribüne scharten, hielt der Staatssekretär einen längeren Vortrag über diese Frage. Er lehnte die Reform ab, die er als einen falschen Ausfluß einer falschen Humanität hinstellen möchte. Er ging sogar soweit, das Befreiungsedikt von Abraham Lineolm in den Vereinigten Staaten als warnendes Beispiel hinzustellen! Also geradezu eine Ver- teidigung der Negersklave reil Genosse Ledebour erwiderte ihm unter allgemeiner Aufmerksamkeit und unter der Zustimmung des größten Teiles der Abgeordneten. Er tonnte den Staatssekretär auf schwerwiegende Widersprüche aufmerksam machen, die sich in seinen eigenen Aussagen und seiner eigenen Politik finden, und fand treffende Worte, um gegen jene rücksichts- lose Barbarei die Sache selbstverständlicher Humanität in Schutz zu nehmen. Um 7 Uhr wurde die Weiterberatung auf morgen vertagt. Erster Punkt der Tagesordnung ist die Reform der Geschäfts- ordnung. ver Krieg. Aushebung der Dardanellensperre. Konstantinopel , 1. Mai. Der M i n i st e r r a t hat beschlossen, die Durchfahrt durch die Dardanellen wieder zu öffnen unter der Bedingung, daß die Pforte sich das Recht vor- behält, sie wieder zu schließen, wenn es sich als notwendig heraus- stellen sollte, und daß die Schifte streng die früheren Vorschriften über die Benutzung von Lotsen befolgen. Eine entsprechende Note wird den fremden Vertretern übermittelt werden. Da zur Auf- fischung der Minen aus den Dardanellen eine gewisse Zeit er- forderlich ist, dürfte die Freigabe der Schiffahrt erst noch etwa zweiTagen möglich sei». Konstantinopel , 2. Mai. Der Minister des Aeußern überreichte gestern abend den Vertretern der fremden Mächte die Note, in der ihnen die Wiederöffnung der Dardanellen mit dem Vorbehalte, sie gegebenenfalls wieder zu schließen, bekannt- gegeben wird. Konstantinopel » 2. Mai. Die Note der Pforte über die Wiederöffnung der Dardanellen hat folgenden Wort- laut: Das kaiserliche. Ministerium des Aeußern teilt den aus- wältigen Missionen mit, daß die ottomanische Regierung beschlossen hat, die Dardanellen der neutralen Schiffahrt unter denselben Be- dingungen wie vor der Sperrung wieder zu öffnen, das heißt mit der Verpflichtung für die Handelsschiffe, sich den Vorschriften über die Verwendung von Lotsen zu unterwerfen. Die Meerenge wird der Schiffahrt unter den früheren Bedingungen nach einer Frist freigegeben werden, die zur Hebung der die Verteidigung ergänzen- den Minen materiell unerläßlich ist. Selbstverständlich hält die kaiserliche Regierung ihr legitimes Recht unumschränkt aufrecht, die Meerengen vollständig zu sperren, sobald sich das Bedürfnis danach fühlbar machen wird. Die Schiffsunfälle im Aegäischen Meere. Konstantinopel , 1. Mai. Zu der Katastrophe der Texas " wird ergänzend gemeldet: DieTexas " hatte IN Passa- giere an Bord, davon sieben erster Klasse, während die übrigen im Zwischendeck untergebracht wareni Von diesen waren SO Albanesen aus Saloniki und 25 Türken aus Mytilenc, die anderen aus Salo - niki und Dcdeagatsch. Di« Besatzung zählte 25 Mann. Ais gestern waren 67 Personen gerettet, von denen viele Verletzungen er- litten haben. 69 Personen gelten als verloren. Unter den Ertrunkenen besindet sich der Belgier Boueart. Deutsche sind nicht verunglückt. Der erste Kapitän, ein Grieche namens Makris, wurde verletzt. Alle offiziösen Nachrichten schreiben dem Kapitän die Schuld an der Katastrophe zu. DieTexaS " war ein alter Dampfer von ungefähr 699 Tonnen Gehalt und gehörte dem griechisch-ottomanischen Reeder Hadschi Daud. der, um sich der Ent- richtung der Hafengelder und der Kontrolle der Behörden zu ent- ziehen, die den Dienst nicht ganz einwandfreier Fahrzeuge nicht zu- lassen wollte, auf dem Schiffe die amerikanische Flagge hatte hissen und den Namen des Dampfers, der ursprünglich.Olympia" ge- lautet hatte, inTexas " hatte umwandeln lassen. Konstantinopel , s. Mai. Hier geht das Gerücht, daß ein Schleppdampfer bei der Insel Samothraki südlich von Dedeag- hatsch durch Explosion einer Unter seemine gesunken sei. Dreizehn Personen sollen ums Leben gekommen sein. Konstantinopel , 2. Mai. Die gerüchtweise gemeldete Minen- explosion hat sich in den Dardanellen selbst ereignet. Ein im Dienste der Admiralität stehender Schlepper»S e- m e n d r i a" stieß bei der Verankerung von Bojen auf eine Mine und flog in die Lust. Der Kapitän und zwölf Matrosen, darunter zwei Armenier, sind ertrunken, einer ist gerettet. Der Unfall hat bei der Bevölkerung große Erregung hervorgerufen. Die Luftschiffe auf dem tripolitanischen Kriegsschauplatze. Tripolis » 2. Mai. Gestern früh unternahmen die Lustschiffe P. 2 und P. 3 einen Erkundungsflug längs der Straße Fonduk Tokar Suani Benaden-Azizia. Die beiden Luftschiffe, die unter dem Befehl des an Bord befindlichen Majors Denti stau - den, stellten die Streitrkäfte und Stellungen des Feindes fest. Als die Luftschiffe über den feindlichen Lagern eintrafen, wurden sie mit lebhaftem Gewehrfeuer und Granaten aus zwei Geschützen empfangen, blieben jedoch unversehrt. Gegen 19 Uhr befand sich das Luftschiff P. 2 über dem Lager von Azizia und bombardierte es mit großem Erfolg, indem es 30 große Bomben in das Lager fallen ließ. Gleichzeitig lieh P. 3 etwa 12 große Bomben in die Lager von Suani und Benaden fallen und fügte dem Feinde schwere Verluste zu, da sämtliche Bomben explodierten. Nach drei- stündiger Fahrt kehrten die Luftschifte in die Schuppen zurück. Die Meuterer vor dem Kriegsgericht. Rom , 1. Mai. sEig. Ber.) Obwohl die bürgerliche Presse sich bis heut« noch nicht enlschloffen hat, die von uns gemeldete Meute- rung von Reservisten vom 5. April zuzugeben, ist derA v a n t i" imstande, über die Strafen zu berichten, die das Kriegsgericht über die betreffenden Soldaten vom 4l. Regiment verhängt hat. Ten Soldaten M u n i c ch i hat man als Rädelsführer angesehen und zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, die weiteren Verurteilungen lauten auf 19, 2 und 1 Jahr. Drei Gemeine sind zu 6 Monaten, drei Korporale zu je 8 Monaten verurteilt worden, während 5 Ange­klagte freigesprochen wurden. Natürlich durfte der Kriegskorre- spondent desAvanti" diese Nachricht nicht telegraphieren. Trotz- dem wird die Tatsache nicht aus der Welt geschafft, und, was noch weit schlimmer ist, die Ursachen dauern weiter an, die zu ähnlichen Gehorsamsverweigerungen der Reservisten und zu ähnlichen Strafen führen werden. Dagegen hilft keine Zensur, dagegen hilft nur die Entlassung der kriegsmüden Reservisten. Italiener durch Italiener erschossen. Rom , 1. Mai. (Eig. Ber.) Durch einen tragischen Mißgriff, au dem zweifellos ein übertriebener Zerstörungseifer Schuld trug, sind an der Küste der Halbinsel von M a k a b e z zwei Italiener durch das italienische Torpedoboot197" erschossen worden. Das Boot sah zwei Männer in einem Ruderboot der Küste zusteuern und forderte sie durch Zuruf auf, still zu stehen. Als beide weiter ruderten, wahrscheinlich weil sie die Order nicht verstanden hatten, wurde die kleine Kanon« des Torpedoboots auf die Ruderer gerichtet. Einer der beiden war sofort tot, der andere wurde im Wasser er- schössen, alS er sich durch Schwimmen retten wollte. Nachher stellte sich heraus, daß die Erschossenen der Maschinist und der zweite Offizier des KauffahrteifahrerSVincenzio Florio" waren. Hätte man, anstatt sofort zu schießen, die beiden aufgefordert, sich zu er- geben, so wäre der tragische Mißgriff vermieden worden. Sie Revolution in China . Neues Leben in Peking . Peking , l. Mai. (Meldung derAgenee d'Expretz Orient".) Allein Anschein nach werden in Peking in Kürze wieder normale Zustände«intreten. Die Geschäfte werden regelmäßig geöffnet. Ein städtisches Komitee hat sich gebildet und chat der Regierung Vorschläge über die Ausführung öffentlicher Arbeiten unter- breitet. Unter anderem sollen die Gräben, die sich ringS um die Stadt ziehen, aus Gesundheitsrücksichten ausgefüllt und mit Bäumen bepflanzt werden. Eine große Anzahl Tore, besonders im Süden, sollen in die Stadtmauer gebrochen werden. Außerdem wird beabsichtigt, mit einer ElektrizitätSgesellschaft wegen des Baues von Straßenbahnen in der Stadt und in den Vororten in Unterhandlungen zu treten. Der Kampf gegen das Opiumgift. Nanking , 30. April. (Meldung derAgenee d'Expretz Orient.) Die Gerüchte, daß die Revolution eine Steigerung des Mohnbaues und des Opiumverbrauchs mit sich gebracht habe, entbehren jeder Begründung. Wenn auch in einigen Orten die Ueberwachungs- maßregeln während der Revolution nicht so scharf waren, läßt sich doch feststellen, daß der Krieg gegen den Mohn jetzt wieder um so schärfer geführt wird. In Futschu und Fokien wird ein förmlicher Kreuzzug gegen das Opium geführt. Die alten Repressivmaß- regeln werden strikt innegehalten, und neue Vorschriften sind hin- zugekommen. Alle Magazine, die zum Rauchen präpariertes Opium verkaufen, werden geschlossen. Der Sekretär des inter - nationalen Bureaus gegen das Opium in Schanghai hat einen Brief des Generalissimus von Folien erhalten, in dem er ihm mit- teilt, daß er Soldaten zur Verwüstung der Opiumfelder geschickt hat, die während der Revolution gepflanzt worden sind. Referend James Bruce Eyestone schreibt auS Minzingchien, daß er in der ganzen Gegend keine Mohnfelder mehr bemerkt. ES organisiert sich eine republikanische Bewegung gegen daS Opium, unterstützt von allen bedeutenderen Republikanern und maßgebenden Persön. lichkciten.> poUtifchc Clcberficht. Berlin , den 2. Mai 1912. Aus dem preuhischeu Abgeordnetenhause. Endlich hat daS Abgeordnetenhaus den Etat wenigstens in zweiter Lesung durchberaten. Die Schuld an der verspäteten Fertigstellung des Etats, der, bevor er an das Herrenhaus gelangh auch noch die dritte Lesung im Abgeordnetenhause passieren muß, trägt nicht etwa der Landtag, vor allem nicht die sozialdemokratische Fraktion, die die Gegner so gern dafür verantwortlich machen möchte, sondern einzig und allein die Regierung, die das Par- lament so spät einberufen hat. Im Gegensatz zum organisierten Proletariat, daS in der völli- gen ArbeitSruhe die würdigste Form der Maifeier erblickt, hielt das preußische Dreiklasscnparlament am Mittwoch gleich zwei Sitzungen ab. Die Mehrheit wollte die Zeit, die sie in den letzte» Tagen durch ihre albernen Angriffe auf die Sozialdemo- traten vertrödelt hat, wieder einholen, und deshalb mußten die paar Abgeordneten, die es mit ihrer Pflicht ernst nehmen, nach einer Dauersitzung am Tage auch noch am Abend zu Beratungen zu- sammenkoinmen und bis in die Nacht hinein sitzen. Von den Verhandlungsgegenständen interessierte besonders die Bewilligung des Geheimfonds in Höhe von 309 900 M., für den diesmal sogar die Fortschrittler stimmten, obwohl gerade ihr verstorbener Führer Eugen Richter diesen KorruptionSfonds stets aufs heftigste bekämpft hat. Namens unserer Fraktion protestierte Genosse Hirsch dagegen, daß die Gelder der Steuer- zahler zur Züchtung von Spitzeln verwendet werden. Bei dem TitelFürsorgeerziehung" gab Genosse B o r ch a r d t wertvolle An. regungen zur sozialen Ausgestaltung deö FürsorgeerziehungSwesenS,