salange bk Jlugtcchnik unseren Behörden und Regierungen alZnichts erschien, crls neue technische oder sportliche Errungen-schaft, ohne klar zu übersehende Tragweite, war dis Interesse einausserordentlich minimales. Erst als sich die militärischeVerwertbarkeit herausstellte, streiften unsere Behörden ihre ansang-liche Zurückhaltung ab. Und wie es den Behörden erging, so ergingeS auch dem Privatkapital. Solange noch nicht mit Bestimmt-heit herauszukalkulieren war, wieviel an dem Flugwesen in Pro-zerrten zu oerdienen war, solange verharrte das Kapital ineisigster Zurückhaltung, und die flugtechnischen Erfinder und diehinter ihnen stehenden Gesellschaften vermochten nur in der kümmer.lichsten Weise zu vegetieren. Mit einem Worte: unsere herrlichetapitotlistische Gesellschaftsordnung stand einem unabsehbarentechnischenFortschritt.der zugleich die herrlichste Erfüllungunserer poetischsten Sehnsucht' bedeutete, kühl abwartend undabsolut untätig gegenüber, bis in Frankreich die Erfahrunggemacht wurde, dass sich auch Flugmaschinen zu militärischenZwecken verwenden ließen.Und nun, nachdem auf dem Gebiete des Luftmarinismus einWetteifer zwischen Deutschland und Frankreich entbrannt ist, sollauf einmal auf dem Wege einer freiwilligen Sammlung,vermittelst einer„Nationalflugspende" der Betrag zusammengebrachtwerden, der zur Förderung der Flugtechnik im Dienste desMilitarismus benötigt wird! Da sind wir denn doch derMeinung, dass gegenüber den vielen Hunderten von Millionen fürden Land- und Wassermilitarismus die— einstweilen— paarMillionen für den Luftmilitarismus wirklich keine Rollespielen und auch schon aus den a l lg e m e i n e n m i l i t a r i st i-fchen Mitteln gedeckt werden könnten! Und das umso mehr, als ja offenbar die aufgebrachten Mittel der„National-flugspende" nur zur Entla st ungunseres Militarismusund zur Sicherung des am Luftmilitarismus interessierten Kapitals und zum allerkleinsten Teil zur Förderung desErfindergenics dienen würden, das die Flugtechnik zu einem Werk-zeug des allgemeinen Kulturfortschritts auszugestalten beflissen wäre.Dass überhaupt eine solche Nationalsammlung notwendig wurde,stellt unsere mKapitalismusdasdenkbarschlechte st eZeugnis aus. Wenn wirklich die Behauptung zutreffend wäre,daß unser kapitalistisches System die Gewähr böte, daß auch fürKulturzwecke jederzeit die Mittel bereit stünden, so hätte dochwahrhaftig die Aussicht auf Erfüllung des uralten Menschheits-traumes der Eroberung der Luft durch die Flugmaschine den auS-rcichendsten Impuls geben müssen, dieser neuen technischen Errungen-schaft auch die ausreichenden Mittel unserer Kapi-listen zuzuführen! Aber gerade die Tatsache, dass unsereFlugmaschinentechnik nur in der kümmerlichsten Weise vorwärtskam, daß das Kapital sich nur in der zögerndsten Weise für die neueTechnik engagierte, daß die Flugmaschinen- und Flugmotoren-fabriken mit den grössten Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, unddass vor allen Dingen auch die kühnen Pioniere der Luft-erobcrung unter den aller traurigsten Verhält-nissen zu leben gezwungen waren, beweist, daß unserheutiger Kapitalismus wirklichen Entwickelungs-tendenzen, denen ein momentaner materiellerVorteil nicht lächelt, keineswegs gewachsen ist,sondern im Gegenteil höheren idealen Anforderungen gegenübervollständtg versagt!n?. Der Aufruf zur Nationalflugspende ist deshalb im Grunde dasjämmerlich st e Armutszeugnis, das unserem gegen-wältigen Staate, unserem heutigen Kapitalismus überhaupt aus-»gestellt werden konnte. Aber nicht nur unserem Kapitalismus,sondern auch unserem Militarismus. Denn unser Militaris-muS, der doch im Fordern um Hunderte von Millionenwahrhaftig nicht zurückhaltend ist, geniert sich doch, For»derungen für einen technischen Zweig zu stellen, dessen mili-taristische Bewertung ihm nicht über alle Zweifel erhaben ist.Unser Militarismus möchte deshalb die erforderlichen Millionenfür den Luftmilitarismus nicht auf der: Militäretat übernommen,sondern durch jene Nationalflugspende aufgebracht sehen,die doch wieder nichts anderes darstellt, als eine freiwilligeErhöhung des ohnehin ungeheuerlich hoch an-geschwollenen M i l i tä r eta ts!Der Krieg.Die Italiener auf Rhodos.Rom, S. Mai.(Meldung der Agenzia Stefani.) Generalv( m e g l i o meldet drahtlos aus Rhodos unter dem 4. Maidurch Vermittelung des Linienschiffes„Regina Margherita": DieLandung von Truppen und Material wurde 4 Uhr früh begonnenund war 2 Uhr nachmittags beendet. Um diese Zeit wurden dieFeindseligkeiten gegen den Feind eröffnet, der nach und nach aufdie Stadt Rhodos zurückzugehen gezwungen wurde. Abends 7 Uhrwar er durch das Feuer und die Bajonettangriffe der italienischenSoldaten und Matrosen geschlagen. Wegen der vorgerücktenStunde habe ich die Truppen eine halbe Stunde vor der Stadtanhalten lassen. Wir hatten fünf Verwundete, zwei von ihnensind schwer verletzt. Die Verluste des Feindes sind unbekannt,sollen aber ziemlich schwer gewesen sein. Es wurden gegen 50 Ge-fangene gemacht, unter ihnen befindet sich eine Abteilung regulärerTruppen.Rom, 5. Mai.„Giornale d'Jtalia" schreibt: Nachdem dieTruppen in der Bucht südwestlich der Stadt Rhodos ausgeschifftwaren, rückten sie sofort vor, warfen die türkische Garnison inder Richtung der kleinen Halbinsel an der äußersten Spitze der�i.fcl zurück und nahmen Stellungen ein, die den Feind ver-hinderten, sich in das Innere der Insel zurückzuziehen. Währendunsere Truppen ihn auf dem Lande angriffen, konnten die Schiffesich an der Aktion beteiligen, indem sie die beiden Seiten derHalbinsel flankierend beschossen.Rom, G. Mai. Die Agenzia Stefani meldet auS Rhodosvom 5. Mai: Der etwa 3000 Mann starke Feind wurde gesternmehrmals geschlagen und bis unter die Mauern von Rhodoszurückgeworfen. Während der Nacht zog sich der Feind dann inkleinen Gruppen in das Innere der Insel zurück. Die Italienerhatten sieben Verwundete, von denen einer gestorben ist. DerFeind hatte 23 Tote und 48 Verwundete; 57 Türken, darunterein Offizier, wurden gefangen genommen.— Heute früh wurdedie Uebergabe der Stadt binnen einer Stunde unter An-drohung des Bombardements im Falle der Weigerung gefordert.Um 8 Uhr erschien der interimistische Gouverneur im italienischenLager, um die Unterwerfung anzubieten. Um 9 Uhr besetztenTruppen und Matrosen die Stadt; sie wurden von der Bevölkerunggut aufgenommen. General Ameglio erließ sofort eine Pro-klamation und traf Vorkehrungen für die Aufrechterhaltung deröffentlichen Ordnung und Sicherheit.Mailand, 6. Mai. Die auf Rhodos gelandete 8000 Mannstarke Division besteht aus je 2 Bataillonen des 57. In-fantcrie-RegimeiitS(bisher in Bcnghasi), des 34. Infanterie-Regiments(bisher in Tobruk) und des 4. Bersaglieri-Rcgiments(bisher in Tripolis), ferner dem alten Jäger-Bataillon vonFeneftrellc(bisher in Tripolis), 2 Batterien Gebirgs- und einerBatterie Feldartilleric. einer Kompagnie Mine««, einer Kavallerie-Abteilung sowie Train und Sanitätskorps. Die Artillerie warbisher. 14 Tage lang in Tobruk vereinigt, um im Gebirgskampfeausgebildet zu werden, da man voraussah, dass die Türken sich indas Innere der Insel zurückziehen und auf den Gebirgskampfverlegen würden. Nach Meldungen italienischer Blätter bestehtdie türkische Besatzung auf Rhodos aus 2000 Mann Kerntruppenmit einer Gebirgs- und 2 Feldartillerie-Batterien sowie Sanitäts-Mannschaften. Ausserdem soll ein Teil der Muselmanen der Inselbewaffnet sein. Man weiß in Italien vorläufig noch nicht, obGeneral Ameglio beabsichtigt, die Türken anzugreifen, oder ihnendie Zufuhr abzuschneiden und sie auszuhungern.Die türkische Darstellung.Konstantinopel, 5. Mai. Aus Smhrna melden die amtlichenDepeschen, dass gestern 10 italienische Kriegsschiffe Rhodos bom-barbiert und im Golf von Paludia, 16 Kilometer westlich der StadtRhodos, Truppen gelandet haben. Die türkischen Truppen auf derInsel haben entsprechende Stellungen eingenommen.Von amtlicher Seite wird erklärt, daß das Vorgehender Italiener erwartet sei und auf die militärischen und diplo-matischen Kreise keinen Eindruck gemacht habe. Die Türkei werdeden Berteidigungskampf in Tripolitaniew mit derselben Zähigkeitwie bisher fortsetzen. Man sei allgemein davon überzeugt, dassItalien Rhodos werde wieder räumen müssen.Gerüchtweise verlautet, die italienische Flotte habe jetzt umdie Insel EhioS herum Stellung genommen.Weitere Aktionen der italienischen Flotte im Archipel.Konstantinoprl, 5. Mai. Den Blättern zufolge hat gestern einitalienischer Kreuzer zwischen den Inseln Symi und Rhodos dasSchiff„New Dork" der Hadschi-Daud-Gsscllschaft durchsucht. Nacheinem Bericht des Kapitäns befinden sich an Bord deS italienischenKreuzers der Bürgermeister von Astropalia und einige türkischeGendarmen als Gefangene. Ein italienischer Torpedojäger hatsämtliche Häfen der Insel LeroS durchforscht.Saloniki, 6. Mai. Ein aus vier Schiffen bestehendes Ge-schwader kreuzte gestern vor der Insel E n o s und traf nachts vorDedeagatsch ein. Die Schiffe setzten ihre elektrischen Schein-werfer in Tätigkeit und verschwanden bald wieder. Der Dampfer„Thasas" der Khedivial Company wurde vor Rhodos von den Jta-lienern beschlagnahmt.Die„Texas"-Affäre.Smyrna, 5. Mai. Trotz des Einspruchs des griechischen unddes amerikanischen Konsuls ist der Kapitän des Dampfers„Texas" aus dem griechischen nach dem Gefängnishospital gebrachtworden, da die Türken den Kapitän beschuldigen, für Italien Spio-nage getrieben zu haben. Die amerikanische Botschaft in Kon-stantinopel soll den Kommandanten des amerikanischen Stationärsund den ersten Botschaftssekretär nach Smyrna entsandt haben.Eine offizielle türkische Kundgebung über den Krieg.Konstantinopel, 5. Mai. In der gestrigen Sitzung desSenats wurde der von der Kommission ausgearbeitete Adretz-entwurf unterbreitet. Die Debatte darüber wurde auf die TageS-ordnung der nächsten Sitzung gestellt. Der auf den Kriegbezügliche Passus des Adretzewtwurfs besagt: Ob-wohl die Fortführung des von Italien wider alles Recht und gegenalle Verträge und elementaren Grundsätze der Billigkeit undMenschlichkeit heraufbeschworenen Krieges die Friedensliebe unsererRegierung verletzt, so geht doch die den Ottomanen angeboreneVaterlandsliebe jedem anderen Gefühl voran, wie eS die Erfolgeder Truppen und ihrer edlen arabischen Kampfgenossen dartun.Gestützt auf den Patriotismus und die Tapferkeit ihrer Kinderund im Vertrauen auf die Kundgebungen des Billigkeitssinnes derzivilisierten Welt wird die ottomanische Nation wicht zögern, biszum letzten Blutstropfen die Rechte der Ottomanen und die Ehredes Baterlandes zu verteidigen.Ein Nachspiel zur„Manuba"-Affäre.Paris, 5. Mai. Offiziös wird bestätigt, daß der italieni-sche Flieger Nardini einen Ausweisungsbefehl er-halten hat. Es heißt, Nardini habe seinerzeit insofern den bc-kannten„M a n u b a"- Z w i s ch e n f a l l miwerschuldet, als er deritalienischen Regierung gemeldet hatte, dass der französischeDampfer„Manuba" zwei für die Türkei bestimmte Flugzeuge anBord habe._Die Revolution in Cllina.Russlands mongolische Intrige.Nrga, 0. Mai.(Meldung der Petersburger Telegraphen-Agentur.) Der Hutuktu hat den Vorschlag Juanschikais betreffendEntsendung besonderer Bevollmächtigter nach Urga, die mit denMongolen über Anerkennung der chinesischen Republik verhandelnsollen, zum dritten Male abgelehnt und Juanschikai emp-sohlen, Ruhland um Vermittelung anzugehen.Politische(lebersicdt.Berlin, den 6. Mai 1912.Dissidentenkinder«nd Jesuiten.Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag die dritte Lesung desEtats fort. Während eine ganze Reihe von Etats fast debattelosgenehmigt wurden, knüpfte sich an die Beratung des KultuSetatseine Erörterung, die die ganze Sitzung ausfüllte. Unter den hierbeibesprochenen Fragen traten als besonders interessant und aktuell dieder Handhabung des Jesuitenerlasses und die der Erteilung vonReligionsunterricht an Dissidentenkinder hervor.Der Jesuitenerlaß wurde von nationalliberaler Seite zurSprache gebracht. Abg. Dr. v. Campe forderte die Regierung auf.an ihrer bisherigen Stellung festzuhalten und im Bundesrat dafürzu sorgen, daß im Gegensatz zu Bayern die seitherige Auslegung desJesuitengesetzes beibehalten bleibt. Sehnlich äußerte sich derKonservative Schenk zu SchweinSberg, während derZentrumsabgeordnete D i t t r i ch über die Liberalen wegen ihresVerlangens, die Jesuiten unter ein Ausnahmegesetz zu stellen, dievolle Schale seines Spottes ausgoß. Unklar ist die Stellung derRegierung; angeblich kann sich der Kultusminister deshalb nicht zuder Frage äußern, weil sie dem Bundesrat zur Entscheidung vor-liegt. In Wirklichkeit wird man nicht fehlgehen in der Annahme,daß das Ministerium Bethinann Hollweg in seiner gottgewolltenAbhängigkeit vom Zentrum vorläufig noch nicht weiß, waS zu tunihm huldvollst gestattet ist.Die Frage der Erteilung des Religionsunterrichts anDissidentenkinder behandelt ein schon vor längerer Zeiteingereichter nationalliberaler Antrag, der eigentlich zur zweitenLesung des Kultusetats beraten werden sollte, aber in der Er-Wartung, daß er bald in Angriff genommen werde, ohne Debatteder Unterrichtskommission überwiesen worden ist. Der Vorsitzendedieser Kommission, der Konservative Heckenroth, hat es bishernoch nicht für nötig gehalten, den Antrag auf die Tagesordnung zusetzen. Sein Borgehen, das einzig und allein von der Wckstcht aufseine konservativen Freunde diktiert war, fand scharfe Missbilligungauf feiten der Linken. Sachlich äußerte sich zu dem ZHema GenosseHoffmann, der in einstündiger Rede, gestützt auf ein ungewöhii-lich reichhaltiges Material, die Fortschritte der Reaktion auch aufdiesem Gebiete nachwies und mit guten Argumenten unsere prinzi-pielle Forderung begründete.Am Schluß der Sitzung gab eS wieder eine GefchästSordnungs-debatte. Hoffmann hatte gegen den ihn am Sonnabend erteiltenOrdnungsruf Protest eingelegt, aber die Mehrheit entschied, daß dieFrist versäumt sei, da der Protest am folgenden Tage ein-zureichen ist und auch der S o n n t a g mitzählt. Für diese un-glaubliche Auslegung der Geschäftsordnung stimmten auch dieNationalliberalen, die sich dadurch offensichtlich um eine sachlicheStellungnahme zu dem Ordnungsrufe herumzudrücken suchten.Am Dienstag soll die Etatsberatung beendet werden.Selbstentmündigung.Wie eine recht verlässliche Parlamentskorrespondenzmeldet, können sich die junkerlichen und bürgerlichen Parteiendes Dreiklassenhauses über die von dem konservativen Ab-geordneten v. Ditfurth angeregte Neuregelung des Diäten-wesens nicht einigen. Man ist zwar darin einig, daß fünf-zehn Mark täglich zu wenig seien. daß den Landtags-Mitgliedern freie Fahrt in ganz Preußen, nicht nur vomWohnort nach Berlin gewährt werden soll und man ivillauch irgend eine Kontrolle der Anwesenheit und Diäten-losigkeit bei Abwesenheit einführen— aber da man sich überdie Einzelheiten nicht einigen kann, will man erst die Vor-schlage der Staatsregierung abwarten. Man erklärt sich alsoselbst unfähig zur Besorgung seiner eigenen Angelegenheiten.verkündet selbst dasBedürfnis nach einer hohenVormundschaft derHerren v. Dallwitz und Lentze. Während jedes wirklicheParlament einmütig daran festhalten wird, daß sich in seineinneren Angelegenheiten die Beauftragten des anderen, gleich-berechtigten Faktors der Gesetzgebung nicht einmischen, habendie Dreiklassenleute, die so viel Achtung für sich zu forderngewohnt sind, nicht nur zu den Verhandlungen über dieRevision der Geschäftsordnung— Behandlung der Ilster-pellationen— die Staatsregierung hinzugezogen, sondernbitten sie jetzt auch noch, dem ratlosen Haus in der Diäten-frage mit Rat und Hilfe diskret zur Seite zu stehen.Und dann wird man sich gelegentlich wieder über dieMißachtung des Hauses beschweren, die in der späten Ein-berufung alljährlich zum Ausdruck kommt l Jedes Parlamenthat eben die Behandlung, die es verdient. Ordnet es sichselbst der Regierung nach, dann ist es eben— nachgeordnet!� �Zu der merkwürdigen Szene, die sich am Schluß derSonnabendsitzung des Dreiklassenhauses abspielte, ist noch einDetail nachzutragen. So oft in der langen Geschäftsordnungs-debatte die Genossen Dr. Liebknecht und Ströbel den Vor-gang, um den es sich drehte, darstellten und der Präsidentmeinte, daß die Darstellung nicht richtig sei, obwohl sie richtigwar, klingelte er den Redner einfach nieder, um seine Dar-tellung zu geben. Zweifellos hat der Präsident nur dann)as Recht, Redner zu unterbrechen, wenn sie nicht zur Sachebrechen oder die Ordnung des Hauses verletzen. Es ist aberstwas ganz Neues, daß in einer Debatte, in der der Präsidentelbst Partei ist, er die Donnerglocke dazu benutzt, eine ihmunangenehme Darstellung gewamst' t zu unterdrücken! Viel-leicht zieht die Geschäftsordnungsto...'stion auch diese neueungeahnte und unbegrenzte Möglichken w das Bereich ihrerReformarbeit!_Politische Gleichberechtigung in Baden.AuS Mannheim wird uns berichtet:Die Bezirksräte sind die kollegialen Behörden in den Bezirks-ämtern. Die Mitglieder werden von der Regierung ernannt, aberdie Regierung hat sich dabei an eine von der KreiSversamnrlimgerweiterter Kommunalverband) aufgestellte Vorschlagsliste zu halten.Nachdem eS der sozialdemokratischen Partei in Mannheim trotz desveralteten und reaktionären Wahlgesetzes für die Kreiswahlen möglichwar, einige Vertreter in der Kreisversammlung zu erhalten, mußtenich die Bürgerlichen bereit finden, in die diesjährige Vorschlags-liste einige Sozialdemokraten aufzunehmen. Für drei ausscheidendeBezilkSräte müffen neun Vorschläge gemacht werden, aus denendann die Regierung wieder drei Räte auswählt. Von unserer Seitewaren die Genossen Landtagsabgeordneter Geiß und StadtratBarver genannt worden.Trotz der früher eingenommenen, ablehnenden Stellung derRegierung gegenüber der Wahl von Sozialdemokraten zu Bezirks-raten, rechnete man allgemein mit der Berücksichtigung wenigstenseines der Kandidaten bei der diesjährigen Wahl. Denn bisher wara die Regierung noch nie gezwungen gewesen, sich über auf Vor-chlagSlisten genannte Sozialdemokraten zu entscheiden. Die Eist-cheidung fiel jedoch in reaktionärem Sinne aus. Weder Geiß nochBarver wurde gewählt. Sozialdemokraten dürfen alsonach wie vor nicht Bezirksräte werden.Volle politische Gleichberechtigung gibt es, wie dieser Vorgangzeigt, auch in Baden noch nicht, und eS ist jedenfalls sehr notwendig.der Regierung wegen dieser ihrer neuesten Leistung kräftige Fehdeanzusagen._Eine wiirttembergifche Bündlerparadefand am Sonntag, den 5. Mai, in Stuttgart statt. AIS Zugkrafthatte sich die Landesorganisation den bekannten Bündler-führer Rittergutsbesitzer Dr. R ö s i ck e verschrieben, damitdiese Leuchte des Bauernbundes der Flucht der schwäbischenBauern aus dem Bauernbunde kräftig entgegenwirke. Vonden rund 20000 Mitgliedern, die der Bund in Württemberg nochzählen soll, waren denn auch etwa 8— 900 dem Rufe:„Auf nachStuttgart" gefolgt. Der Vorsitzende der Landesorganisation Oeko-nomierat S ch m i d- Platzhof begrüßte seine wenigen Gelreuenmit kräftigen Worten. Diejenigen Bauern, die dem Bundenicht angehörten. seien Mißleitete oder Trottel, sagte er.Die übergroße Mehrheit der schwäbischen Bauern, die vomBauernbund nichts wiffen will, wird ob dieser schmeichelhaftenEinschätzung ihrer Geistesverfassung dem Herrn Redner gewiß sehrdankbar sein. Der Geschäftsführer der württembergischen Landes-oraanifatio». Herr Körner, derselbe, dem lürzlich vor Gerichtnachgewiesen wurde, daß er seinerzeit seine Bereitwilligkeit aus-gesprochen, für 1000 Mark mehr Gehalt für die National-liberalen, statt für den Bauernbund zu agitieren, erstattet-den dürftigen Jahresbericht. Der Vorsitzende forderte daraus dieVersammelten auf, dem vom Gericht so arg Zerzausten durch Er-heben von den Sitzen ihr Vertrauen auszudrücken. Und es geschahalso. Nun betrat Herr Rittergutsbesitzer Dr. Rösicke höchftfelbstdie Rednertribüne, um die schwäbischen Kleinbauern über die alleinechte Bauernpolitik der norddeutschen Junker zu belehren. Zu demZweck schlug der Redner zunächst alle anderen Parteien mit scincmZitatensack mausetot. Tie Sozialdemokratie sogar dreimal. MitZitaten aus dem Fa&organ des Maurcrvcrbandcs, dem„Grund-stein", aus den Schriften der Vorkämpfer der Sozialdemokratic,Marx. Engels, mst Zitaten von Schippcl und Calwer bewies erhaargenau die Bortrefflichkeit der Zollpolitik des Bundes der Land-Wirte. Wenn der Bauernbvnd nicht wäre, so wäre es mit der beut-schen Industrie Mathäi am letzten ynb die Arbeiterschaft am Ver-