Riefendemonftration gegen den Polizei-Parlamentarismus. Zu Tausenden hatten sich unsere Genosien gestern abend in den Lokalen versammelt, wo ihre sechs Abgeordneten im preußischen Landtage über die Vergewaltigung sprechen woll ten, die ihnen und dem Parlamentarismus durch eine skrupellose Mehrheit und einen von dieser gehaltenen, zwar unfähigen aber gewaltsamen Präsidenten zuteil geworden ist. Die ungeheure Erregung, in der die Berliner nun seit mehreren Tagen lebten, fand in jenen Versammlungen ihren Kulminationspunkt. Abgeordnete von der Polizei aus ihren Pflichten gerissen! Diese unerhörte Tatsache brachte eine fast fortgesetzte Demonstration der Bevölkerung zustande von dem Augenblick an, wo die Extrablätter des„Vorwärts" die Kunde davon in die Menge trugen. Die Blätter wurden den Verbreitern fast aus den Händen gerissen. Auf den Straßen, in den großen Warenhäusern, in den Restaurants, den Cafss, söbst im Reichstage wanderten sie von Hand zu Hand. Ueberall wurde das Unerhörte mit Leidenschast bis» strtiert. Und gestern war die reguläre Ausgabe des„Vorwärts" in aller Hände. Fortdauernd liefen die Riesen Rotationspressen, den Anforderungen der Aufklärung hei- schenden Bevölkerung zu entsprechen. Unter solchen Umständen war für die gestrigen Versamm lungen ein über das Maß des Gewöhnlichen hinausgehender Andrang zu erwarten. Die Demonstration aber, die zustande kam, übertraf das was die kühnsten Optimisten vorausgesagt hatten. Obgleich keinerlei Arrangement getroffen war, ja, unsere Parteigenossen durch die Flugblattverbreitung vielfach abgehalten wurden, fanden sich Massen ,in und vor den Ver- sammlungslokalen ein, die mit 60—70 000 Personen nicht zu hoch geschäbt erscheinen. Die Säle reichten an keiner Stelle zu. Die Massen ergossen sich in die bei den Versammlungs- lokalen liegenden Konzertgärten, fluteten auch hier über und ergossen sich auf die Straßen, sich dort mit unter den herkom- Menden vereinigend. Mit wahrer Begeisterung wurden die Reden aufgenommen und überall fand einstimmig die fol- gende Resolution Annahme: „Die heutige Versammlung brandmarkt den unerhörten Bruch der Verfassung und der Grsciie durch den Präsidenten dcS TrciklassenhauseS, der als Vollstrecker der brutalen Willkürherr- fchaft der Junkcrmchrheit die Polizcidiktatiir in den Parlaments- saal einführte und durch Polizeifäuste sozialdemokratische Ab- geordnete hat vergewaltigen lassen. Dadurch ist von neuem die Unerträglichkeit dieser sogenannten Volksvertretung und deS Geldsackwahlrechts vor aller Welt offenbart. Tie Versammelten sind willenS, mit unermüdlichem Eifer für die WahlrechtSforde- rung des Proletariats einzutreten, um diese durch die Polizei- Willkür dem Volke zugefügte Schmach für die Zukunft unmöglich zu machen." In der Hasenheide. Das war eine Massenversammlung, wie sie die Hasenheide seit langem nicht gesehen hat. Abgesehen vielleicht von der gewaltigen Maidemonstration der Holzarbeiter am 1. Mai vormittag. Schon um � Uhr füllte sich der große Saal des Klicmschen Etablissements. Um 7)4 Uhr mußte er gesperrt werden. Und zwar unterstützte unsere Polizei durch Bildung einer Chaine vor dem Eingang an der Straße die königliche Polizei. Es konnte bei Gesundhcitsgefahr wirklich �niemand mehr hinein. Gleich danach wimmelte es aber auch schon im Garten von Tausenden von Menschen und schon harrte auch in .dem von hier aus leicht erreichbaren kleineren Saal in drangvoll fürchterlicher Enge eine Menschenmenge, um nach Möglichkeit teil- zunehmen an dem Protest gegen die gesetzwidrige Benutzung der klassensdaatlichen Polizeigewalt durch die von allen guten Geistern verlassenen Machthaber im Drciklassenhause. Aber fort und fort zog das Volk heran. Auch der Garten reichte nicht aus. Taufende und Abertausende fluteten auf beiden Seiten der Straße hin und her. Hier und da blitzte in dem schwarzen Strome eine Pickelhaube auf im Glänze der illuminationsartigen Beleuchtung der sfront der „Neuen Welt"~'-■ 0 Promenade, ------ yet oer Bis zum Schlüsse der Versammlung dauerte diese Im großen Saal hatte man die Tische an die Hinterwand ge- rückt, um Platz zu schaffen. Auf den eng zusammengeschobenen Stühlen fanden lange nicht alle Platz, die im Saal Zutritt er- langt hatten. Die große Bühne hinter dem Rednertisch war dicht besetzt. Hinter den Stühlen im Saal eine dichte viele Reihen starke Mauer derer, die dichtgedrängt in der tropischen Hitze des Raumes standen. Und über ihnen hinten auf den Tischen viele Hunderte. Ein imposanter Anblick, diese Versammlung. Mit Recht konnte Genosse S t r ö b e l, den ein nicht enden- wollender BegrühungSsturm empfing, von dem erhebenden Gefühl sprechen, vor eine solche Versammlung treten zu können. An- haltende brausende Beifallsstürme durchhallten den Saal, als Ströbel damit geschlossen hatte, daß jetzt daS Signal gegeben sei zu erneutem energischem Wahlrechtskampf. Nach Schluß der Versammlung bot die Straße daS Bild einer großartigen Demonstvation. Zinmer wieder ertönten aus den dich» ten Reihen der abziehenden Massen Hochrufe auf das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht. Eine große Ovation für Lorchardt! In der.Urania", Wrangelstraße, trat Julian Borchardt seinen Wählern im S. Berfiner Landtagswahlbezirk gegenüber, und der Saal erdröhnte von dem donnernden Applaus, mit dem die Wähler ihren Abgeordneten begrüßten. Sckon um halb acht Uhr gab es keinen Sitzplatz mehr im Saal und kurz vor 8 Uhr wurde zum erstenmal polizeilich abgesperrt. Die Sperre wurde dann zweimal wieder aufgehoben, weil die Leitung der Versammlung immer neuen Platz zu schaffen und die Polizeibeamten zu über- zeugen wußte, daß weiteren Besuchern Einlaß gewährt werden konnte. Der Saal, die beiden Galerien und die Bühne standen ge- drängt voll von Männern und Frauen und draußen wogten Tau- sende auf und ab, die keinen Einlaß mehr finden konnten! BorchardiS Rede wurde sehr aufmerksam angehört und häufig von stürmische Zurufen des Beifalls unterbrochen. Die Versammlung ließ keinen Zweifel darüber, daß sie das Vorgehen der Sozial- demokraten im Landtag durchaus billigt. Mit tosendem Beifall überschüttete sie die Ausführungen des Vortragenden. Draußen hatte die Massenansammlung unterdessen immer mehr zugenommen. Starke Polizeitrupps zogen auf, reitende Schutzleute hielten die Straßenecken besetzt, radfahrende Beamte standen bereit, die Straße war wie belagert. Die Volksmassen blieben in Bewe- gung, man hörte, daß die Marseillaise gesungen und Hochrufe auf Borchardt ausgebracht wurden. Als um lv Uhr die Versammlung beendet war, wälzte sich ein mächtiger Menschenstrom die Straßen entlang, in Erregung, innerlich empört, aber in Ruhe und Ord- nung auSeinanderstrebcnd. Die starke Anwesenheit der Polizei ließ ffeilich noch lange viele Neugierige verweilen und es wurde spät, bis die Straßen wieder ihr gewohntes Bild gewannen. Am Friedrichshai». DaS waren nicht Arbeiter bataillone , die gestern abend nach der Brauerei Friedrichshain zogen; das war eine ge- waltige Proletarier a r m c e, ein Heer ungezählter Tausende. Männer, die ini Partcilcben ergraut sind, neben jugendlichen Kampfgenossen; dazwischen auch Frauen und Mädchen. Ein Aus- marsch der Massen, die herbeiströmten, um ihre Stimme zu er- heben gegen die brutale Vergewaltigung ihrer erwählten Ver» treter.— WaS bedeutet ein Saal, und sei er noch so groß, wo solche Massen aufmarschieren. Er war denn auch schon lange vor der Versammlungsstunde überfüllt. Dicht gedrängt saß die Menge im Parterre, füllte die Galerien und hielt jeden Winkel im Saale bis hinaus in den Vorsaal besetzt. Doch erst der kleinste Teil der Demonstranten war zur Stelle. Erst etwas später kamen die Parteigenossen von der Flugblatwerbrcitung. In starken Gruppen marschierten sie an.— Die Polizei war in großer Zahl zur Stelle. Zwei Leutnants und etwa Ä> Mann, ohne die, die irgendwo unsichtbar im Hinterhalt lagen. Auch in der Versamm- lung selbst waren wieder einmal zwei Ueberwachende erschienen. Die Polizei schien auf große Ereignisse gefaßt zu sein. Und ein großes Ereignis, wenn auch ein solches, wie es die Polizei er- wartet haben mochte, war es, was sich da am Friedrichshain ab- spielte. Fort und fort kamen neue Trupps von Parteigenossen. Der Saal war längst abgesperrt. Die Massen überfluteten den Garten, der bald zum größten Teil von einer dichten Menge er- füllt war. Im Sale sprach Adolf Hoffmann . BeifallSsalven und Zustimmungskundgebungen, deren Schall hinausklang zu der im Garten versammelten Volksmasse, zeigten an, daß die Stimme des Volkes Junkerbrutalität und Polizeigewalt entschieden verurteilt. Indessen ballte sich vor der Bühne im Garten die Masse zusammen. Hier sprachen die Genossen Zucht, Metzke und andere kräftige Worte der Entrüstung über die schmachvolle Tat des preußischen Landtagspräsidenten, die lebhaften Widerhall bei den Zuhörern fanden.— Draußen hatten die Redner geendet. Da ertönten, zunächst von einem kleinen Teil der Genossen angestimmt, die be- geisternden Klänge und Worte der Arbeitermarseillaise. Gleich der brandenden Woge setzte sich der Gesang fort von Gruppe zu Gruppe, bis es im vieltausendstimmigeu Thor brausend in den Frühlingsabend hinausdrang: .Nicht zählen wir den Feind, nicht die Gefahren all..." Als das Kampflied verklungen war, erschallten begeistert« Hoch- rufe auf das freie Wahlrecht. Noch andere Arbeiterlieder wurden angestimmt. Bis gegen 1t> Uhr kamen immer neue Scharen von Versamm- lungsbesuchern, während andere bereits fortgingen.— Als die Kundgebung im Saale beendet war, hielt Adolf Hoffmann auch im Garten eine Ansprache. Wie groß die Menge der Demonstranten in und vor der Braue- rei Friedrichshain gewesen sein mag? Es ist schwer anzugeben. Aber selbst bei der vorsichtigsten Schätzung muß man annehmen, daß an dieser Stelle mindestens 20 000 Menschen das Urteil gegen Herrn v. Erfsa und seine Polizeimannschaft gesprochen haben. Ein unbeschreiblicher Andrang herrschte im Stadtthater in Altmoabit. Wohl gut an 7000 Menschen waren herbeigeströmt. Frühzeitig schon war der große Saal bis auf den letzten Platz angefüllt. Die Galerien waren zum Brechen voll und auf der Tribüne standen so viele Besucher, daß kaum noch für das Bureau und die überwachenden Beamten Raum zum Sitzen blieb. Eine Backofenglut herrschte im «aale, die Luft war zum Schneiden dick, als Landtagsabgeordneter Genosse Hirsch sein Referat begann. Mit wuchtigen Strichen zeichnete er die Ereignisse im Landtag, die in der ganzen Kulturwelt Empörung auslösen müßten und kennzeichnete das Gebaren der reaktionären Mehrheit in überaus treffender Weise, daß die Bei- falls- und Zustimmungsäußerungen orkanartig durch den Saal brausten. Mit allen Kräften müsse daran gearbeitet werden, daß dieses System zusammenbreche, daS sei die best« Und wirksamste Ant- wort auf die maßlose Provokation der herrschenden Clique im preußischen Parlament. lMinutenlanger Beifall!) Während Genosse Hirsch im Saale referierte, harrten im Garten, auf dem Flur, bis auf die Straße hinaus die Menschen eng eingekeilt geduldig, bis der Redner unten erschien und auch hier die beispiellosen Vorgänge im Abgeordnetcnhause einer ver nichtenden Kritik unterzog. Menschen saßen auf Dächern, auf Fenstersimsen, auf Mauern und Zäunen, Menschen standen auf Stühlen und Tischen übereinander geschichtet, Menschen, in nie gesehener Anzahl, Menschen, wohin das Auge blickte. Auffallend stark vertreten waren die Frauen, die schon hierdurch bekundeten, wie groß ihr Interesse an den politischen Tagesereignissen ist. Tosende Zustimmung erntete Genosse Hirsch, als er auch hier er- klärte, daß die Sozialdemokraten sich im Landtag nicht mundtot machen ließen, sondern auch fernerhin mit ungeminderter Energie die Interessen ihrer Mandatgeber vertreten und sich hierin von keinem Menschen auf der Welt hindern lassen werden. Nach einem anfeuernden Schlußwort des Vorsitzenden P ö r s ch und einem dreimaligen Hoch auf die Sozialdemokratie war die imposante Kundgebung beendet und unter dem brausenden Gesang der Marseillaise zerstreuten sich die Besucher. Die Polizei war im Lokal und auf der Straße durch mehrere Offiziere und eine kleine Anzahl Schutzleute in Uniform und Zivil vertreten, die sich durchweg ruhig und reserviert verhielten. Doch waren große Massen von Beamten in der Umgebung, so auch tat der Brauerei, untergebracht; sie brauchten aber ihr Skaffpiel nicht zu unterbrechen, da die Revolution noch rechtzeitig abgesagt wor- den war. Der schmachvolle Streich der Gewaltmenschen im Geldsackparla ment hatte die Bevölkerung deS Wedding in mächtigen Scharen in Bewegung gebracht. Schon bald nach 6 Uhr kamen sie herbeigeströmt, und zu Tausenden und Abertausenden versammelten sie sich, soweit die PharuSsäle nur irgendwie Platz boten. ES dauerte nicht lange, und der große Saal war nach Meinung der Polizei überfüllt, wurde abgesperrt, und bald darauf geschah das gleiche mit dem unteren Saal. Da war aber auch schon der Garten voll von Menschen, und alles reichte nicht aus für die ungeheuren Massen, die die Entrüstung über die ihren Abgeordneten widerfahrene Schmach hierher ge. trieben hatte. Dicht zusammengedrängt wartete man geduldig auf den Beginn der Versammlung. Es war �9 llhr, als der Abgeordnete Liebknecht eintraf und vom Beifallssturm begrüßt erst im großen Saal das Wort nahm. Bei Schilderung der bekannten� Vorgänge, über die die bürgerliche Presse tendenziös, der„Vorwärts" wahrheitsgetreu be- richtet hat, macht« das Gefühl der Empörung unter den Versam- melten sich Luft in stürmischen Pfuirufen. In Worten voll Kraft gab der Redner sein Urteil ab über das Geschehene und dem Empfinden und Wollen der in ihren Abgeordneten beleidigten Wählermassen Ausdruck. Nachdem die vorgeschlagen« Resolution einstimmig angenommen war. sprach Genosse Liebknecht im untern Saale, und schließlich im Garten, hier wie dort unter stürmischem Beifall.— Kurz nach 10 Uhr erreichten die Versammlungen ihren Schluß. Auf der Straße war es voll von Menschen, die aber bald von danntn zogen. Auf der Straße wurde auch hier und da die Marseillaise gesungen, und es wurden Hochrufe auf das allgemeine Wahlrecht ausgebracht. Die Polizei zeigte sich zu- rückhaltend, und so verlief alles ohne Störung. Auf dem Gesundbruuneu. In BallschmiederS„Kastanienwäldchen" auf dem Gesundbrun- nen war der Saal um US Uhr schon bis auf den letzten Platz besetzt. Kurz darauf erschien die Polizei, welche sofort zur Absperrung ichritt. Die immer noch nachfolgenden Mcnschenmassen begannen nun den grozen Garten zu füllen. Mit lebhafter Freude wurde es Garten verlegt werde. Hier ergriff der bei seiner Ankunft stüuulsch begrüßte Landtagsabgcordnet- L e i n e r t daS Wort, um in fünfviertelstündiger Rede die Geißel über das preußische Dreiklassen- Parlament zu schwingen. Von lebhasten Rufen der Entrüstung öfters unterbrochen, schilderte nun Genosse Leinert die Borgänge vom Donnerstag. ES sei aber ein Irrtum, wenn man annehme, daß man dadurch die Kraft der sozialdemokratischen Abgeordneten gebrochen habe. Wer dies glaube, vergesse ganz, welche Straft und Ausdauer in der Sozialdemokratie und in deren Vertretern steckt. Letztere fühlen sich durch dje Berührung mit den Polizeifäusten nicht herabgesetzt in den Augen des Volkes; sie wissen, daß das Volk ihre Handlungen billigt, und dafür spräche ja auch diese so stark besuchte Versammlung. Diese Ausführungen fanden stürmischen Beifall. Unter brausenden Hochrufen auf die Sozialdemokratie und auf das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht ging die Versammlung auseinander. Die Polizei, die mit einem starken Aufgebot erschie- nen war, verhielt sich reserviert, und so boten die angrenzenden Straßen bald wieder das gewohnte Bild. - Die Polizei hatte, wie üblich, die allerumfassendsten Vorkehrungen ge- troffen, um die Massenmißstimmung zu vernichten. Wie man das mit Säbel und Revolver kann, ist ihr Geheimnis und wird es ewig bleiben. Aber den preußischen Schutzmann macht uns, wie so manche preußische Einrichtung, so leicht keiner nach. Und so stand er denn dem Publikum stolz zur Schau auf allen Brücken, die zur Stadt und namentlich nach dem Schlosse führten und an allen Straßenkreuzungen in der Friedrichstadt , namentlich aber Unter den Linden , wo eine Bevölkerung promeniert, die noch begeisterungsfähig für sol- chen Anblick ist. In den Außenbezirken, und namentlich in der Nähe der Versammlungslokale, lag die Polizei mehr im Hinterhalt, in welchen Massen, zeigte der bataillonsweise Ab- marsch der Schutzleute, den man nach Beendigung der De- monstration am Friedrichshain beobachten konnte. Im allge- meinen war die Polizei zurückhaltend. Vereinzelte Sistierun- gen sollen in der Hasenheide vorgekommen sein. Schlimmeres ereignete sich nach Schluß der Versammlung in der„Urania ", wo Borchardt sprach. Ein Teil der aus der Versammlung Heimkehrenden ging ruhig nach dem Mariannenplatz zu auf den Bürgersteigen entlang. Auf dem Damm war fast nie- mand. Nur ab und zu ertönte ein Hochruf auf den Abge» ordneten Borchardt. Kurz vor dem Mariannenplatz sowie an der Ecke der Manteuffelstraße waren in der Wrangelstraße berittene Schutzleute aufgestellt, ebenso eine ganze Anzahl Polizisten zu Fuß. Als die Versammlungsbesucher am Mariannen- platz anlangten, ritten plötzlich mehrere berittene Schutzleute in die auf den Bürgersteigen gehende Menge hinein und trennte sie dadurch in zwei Hälften; die eine konnte unbe- helligt über den Mariannenplatz gehen, während auf die nach der Manteuffelstraße zu zurückfliehende Menge nunmehr plötzlich ein Schutzmannsaufgebot von etwa 12 Mann stürzte und die Menschen mit Pfüffen, Stößen und Fußtritten vor sich hertrieb. Leute, die in die noch offenstehenden Häuser flüchteten, wurden von den Schutzleuten ohne weiteres wieder herausgezerrt. Genosse Dr. Borchardt, der Bruder des Landtagsabgeordneten Borchardt, der sich ebenfalls unter der zurückfliehenden Menge befand und von einem Schuß- mann einen Fußtritt erhalten hatte, hatte sich an den an- scheinend die Polizeiaktion leitenden Polizeihauptmann ge- wandt und an ihn u. a. die Frage gestellt, ob den Beamten zu diesem Vorgehen ein Befehl gegeben worden sei. Er er. hielt hierauf die lakonische Antwort:„Wenn Sie sich be- schweren wollen, dann bringen Sie das morgen an!" An der Manteuffelstraße konnte dann die Menge ungehindert aus- einandergehen. » Eine Kundgebung in der Heilstätte. Wir erhalten folgendes Privattelegramm: Beelitz -Heilstätte, 10. Mai. Die in den LungenheilstSttr« Beelitz befindlichen Parteigenossen protestieren hiermit gegen die Gewalt- streiche de« Junkerparlament«, welche an den Genossen Borchardt und Leinert begangen wurden. Sie sehen in dem preußischen Parlament ein Schandmal de» Klassenstaate«. Die Diktatur des Polizeisäbels beweist, daß die preußische Schande mit Gewaltmittel« verewigt werden soll. Die kranken Proletarier geloben, bei ihrer Rückkehr mit Feuereifer für die Erringung eines gerechten Wahl- rechts zu wirken. Nieder mit dem Dreiklasscnwahlrecht! Loch die Sozialdemokratie! LrCtzU Nachrichten. Verhaftungen auf russischen Kriegsschiffe«. Petersburg, 10. Mai. Wie„Birfchewija Wjedomofti" melden, find zwanzig Matrosen von dem Linienschiff-Zessarrwitsch", dem Panzer„Rurik" und mehreren Torpedobooten auf Veran- lassung der Gendarmerie in Helsingfors verhaftet und nach Petersburg übergeführt worden. Der mexikanische Bürgerkrieg. Washington, 10. Mai. (W. T. B.) Nach Meldungen, die da» Staatsdepartement erhalten hat, breitet sich der Aufstand im östlichen Mexiko immer mehr aus und hat bereit» Vera- cruz und San Luis Powsi erfaßt. Wie berichtet wird, wird bei TicotcncatI, Tanganhuitz und Gomez Variaz gekämpft. Weltkongreß der Esperantisten. Krakau , lv. Mai.(P. C. ) In der Zeit vom 11.— 18. August wird hier der internationale Weltkongreß der Esperantisten tagen, zu dem bereits über 2000 Personen aus allen Weltteilen ihr Er- scheinen zugesagt haben. Der Kongreß wird ein besonders fest- liches Gepräge erhalten, da gleichzeitig da» 2öjährigc Jubiläum der Esperantosprache gefeiert wird. Explosion auf einem Dampfer. Kopenhagen , 10. Mai. fW. T. B.) Auf dem Dampfer „Snorre", von Odde bei Hardanger mit Düngemittel nach Stettin unterwegs, ist heute um 2 Uhr nachmittags vor Kalle» eine Explosion erfolgt,«cht Mann, darunter der«apitä». er- tranken, fünf wurden gerettet und nach Kopenhagen gebrocht. Die schwarzen Blattern in Russisch-Poleu. Lodz , 10. Mai. sP. E.) In ganz Russisch-Polen wüten die schwarzen Blattern in erschreckender Weise. In Lodz allein sind mehrere tausend Personen erlrankt. In den letzten drei Monaten sind 1300 Personen der Seuche zum Opfer gefalleu. �___(o.Ti.«kk..., ga„Aa__________________";—-- begrüßt, als verkündet wurde, daß die Bersaurnttung nach dem i orr—~ *' rantw.: Zch. Glocke, Druck u. Verlag: Vorwärts Buchör. u Pertagsanstalt Paul Singer äi Co., Berlin SW. Hierzu 4 Beilage»». llntcrhattuugsbl.
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