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S--W- N-z-w«-. t leiiujje i»es Lmillts" f erlinet MldslllM. s«". tl. U.i«. R.eicl)stag. 66. Sitzung. Freitag, den 10. Mai 1012, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstisch: v. Heeringen. Wahlprüfungen. Zunächst wird die Wahl des Abg. TrampczynSki(P.) ent­sprechend dem Antrage der Wahlprüfungskommission für gültig er- klärt. Auch die Wahl des Abg. H e ck m a n n(natl.) beantragt die Kommission für gültig zu erklären. Abg. Sachse(Soz.): ljsch will den Antrag der Kommission nicht bekämpfen, aber doch auf einige Punkte und Vorgänge im Wahlkampf hinweisen. Wie die scharfmacherischen Führer der Nationalliberalen gegen Herrn Heckmann gehandelt haben, war keineswegs schön. Der Mann, der einen Unfall erlitten hatte, dem ein Arm abgenommen war, wurde von Wahllokal zu Wahllokal geschleppt und auf die Tribüne getragen, um eine kleine Ansprache zu halten. Dabei mubte er grohe Schmerzen erdulden und ist von den Führern seiner Partei geradezu geschunden worden. Wenn übrigens ein sozialdemokratischer Kandidat, um Wahlreden zu halten, die Entlassung aus dem Krankenhaus verlangt hätte, hätten ihm die Aerzte nicht so bereitwillig die Erlaubnis erteilt.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Weiter erwähne ich ein Flug- blatt, das sich in einer Weise gegen unsere Partei wendet, wie ich es noch bei keinem Wahlkamps erlebt habe. Es wurde am Tage vor der Wahl verbreitet und beschuldigt die Sozialdemokratie, in der Klosterkirche sei aus dem Altar geschrieben worden:Jesus Christus spricht, wählt Hue." Katholische Brüder, heißt eS weiter. so besudeln die Sozialdemokraten Euer AllerheiligsteS. Wer Hue wählt, hilft der Partei, welche die Kirche schändet. Von der sozialdemokratischen Parteileitung wurde sofort in einem Flugblatt bestritten, daß ein Sozialdemokrat sich je soweit vergessen würde, solche Schmierereien in einer Kirche zu vollführen. Daraus wurde am Stichwahltage selbst gegen Mittag noch ein zweites Flug- blatt verbreitet, in welchem die Beschuldigung der Sozialdemokratie aufrecht erhalten und behauptet wurde, sie sei von Hochacht- barer Seite mitgeteilt worden; auch mehrere Bänke der Kirche seien von Sozialdemokraten mit Menschenkot besudelt. Derartig gemeine Behauptungen wurden aufgestellt, ohne daß auch nur der geringste Anhalt dafür vorliegt. Wie diese Gemeinheiten gewirkt haben, bezeugt selbst ein bürgerliches Blatt, der.Bochumer Anzeiger", welcher schrieb:.wenn die Wähler des Zentrums gestern im Sturmschritt für Heckmann anmarschiert sind, so ist die Gewalt dieses AnstunnS vielleicht nicht zum mindesten auf die V o r f ä l l e in der Klosterkirche zurückzuführen". Diese elenden Machinationen und Verleumdungen haben also bewirkt, daß die katholischen Wähler massenhaft gegen Hue angeweten sind. Die sozialdemokratische Parteileitung hat sich alle Mühe gegeben. die Schänder der Klosterkirche zu ermitteln und auch eine Belohnung von fünfhundert Mark für ihre Ermittlung ausgesetzt. Von dem leitenden Pater der Klosterkirche, an den sich unsere Parteileitung mit der Frage wandte, was denn an den Behauptungen Wahres sei, wurde unseren Genosien erklärt, von den Tälern habe man keine Ahnung, die Kirche sei von 5 Uhr früh bis 8 Uhr abends offen. Vor 14 Tagen sei von den Reine- machefrauen hinter der EingangStür und vor einigen Tagen an einer Stelle in der Kirche selbst Kot gefunden worden. Diese skandalösen Vorkommnisse gegen jemand im Wahlkampfe auszunutzen, habe die Leitung der Klosterkirche abgelehnt.(Hört l hört l bei den Sozialdemokraten.) Die Behauptungen, daß Altar oder sonstige Gegenstände beschmiert gewesen seien, seien unwahr; mit Kreide sei auf eine Bank geschrieben worden: wählt Otto Hue I ES handelt sich also um einen Bubenstreich, der ausgeführt wurde, um die Sozialdemokratie zu verdächtigen. Fünf Tage vor der Stich- wähl war er bereits bekannt, aber man veröffentlichte ihn erst am Tage vor der» Stichwahl. Am Wahltage haben auch eine Meng« Leute mitgeholfen, die das Wort.christlich" gern im Munde führen. Christliche Gewerkschaftssekretäre haben Flugblätter gegen Hue verteilt, in der er als Arbeiterfeind bezeichnet wurde. kleines Feuilleton. Die Landtagsglocke. Das Klingeln deZ Freiherrn von Erffa ist einzig in der Welt. Nichts ist ihm gleich und nichts geht darüber. Man muß es studieren, man muß es kennen lernen, denn hier ist nicht der Stil der Mann, sondern das Läuten. Vielleicht eröffnen alle Parlamentspräsidenten die Sitzung, indem sie der Glocke einen leichten Ton entlocken. Nötig ist es auf keinen-rll, denn minutenlang vorher schrillen ja die Glocken .'rch alle Öiaume, und bei Beginn einer Sitzung blickt alles schon mechanisch auf den, der sie zu eröffnen hat. Herr Erffa läßt Punkt 41 Uhr 15 die Lärmglocke dröhnen. Nicht nur einmal zwei-, dreimal gleich, daß sie weit in die Korridore dringt, durch Portieren und Türen hindurch. Er verkündet kaum verständlich wer Protokoll und Rednerliste führt, gibt unhörbar bekannt, lvas eingegangen ist und schon lärmt er wieder mit der alle Bolleglocken über- treffenden Dreiklasscnklingel. Nämlich, wenn er sagt:Wir treten in die Tagesordnung ein," muß er durch Donnergeläute diese Heilsbotschaft einläuten. Griesgrämigen Gesichts hört der Präsident verdächtigen Rednern zu. Bei anderen mag er sich getrost mit den Hehdebrand, Kröcher, Pappcnheim und Arnim-Züsedom unterhalten, die nicht bor seinem Tisch stehend mit ihm zu sprechen brauchen, sondern vielleicht als Fraktionsgcnossen das Privileg haben, ganz hoch hinauf zum Präsidenten selbst zu treten. Aber mit wem er auch spreche: der Stehkragen ist und bleibt zu eng bequeme Weite wäre unpreußisch.Jmma korrekt!" sagt Otto Reutter ! und Herr Erffa muß sich von Zeit zu Zeit immer etwas Luft im Kragen mit dem Zeigefinger verschaffen.(Sie meinen, das sei kleinlich-persönlich? Wir folgen nur derTäglichen Rundschau" für die Gebildeten aller Stände, der die gewaltsame Entfernung eines Abgeordneten aus dem Sitzungssaal nur ein Anlaß zur Schil- derung seiner Manschetten ist. Bitte: nationale Tradition.) Nun scheint Herrn Erffa ein Redner nicht bei der Sache zu sein. Bumms die Krachglocke. Nur nicht erst so versuchen, dem Redner etwas zu sagen! Sonst könnte es doch am Ende gar geschehen, daß man dt« präsidialen Worte nicht beachtete! Der Redner erlaubt sich zu erwidern, daß er doch wohl meine, bei der Sache zu sein. Der Präsident läßt ihn nur selten einen Erwiderungssatz zu Ende sprechen, noch seltener wird er des Redners Meinung teilen, aber jedenfalls wird Zeus immer, was er auch im Zwerchfell erwägen möge, donnern ehe er spricht. Auf die neueste Anwendung der Lärmglocke, die natürlich jeden Ruf zur Sache, zur Ordnung, jede Mahnung, jeden Befehl wie et etwa in der Klippschule lauten würde: Julian, geh auf Deinen Platz! einleitet, mit der jede Gegenwehr der Gemahnten, Ge- rügten. Geordneten niedergclärmt wird, auf die unbegrenzte Mög- lichkeit ihres Gebrauchs hat derVorwärts" vor einigen Tagen aufmerksam gemacht. Wenn in einer Geschäftsordnungsdebatte, in der der Präsident Partei ist, ein Redner etwas gegen das Prä- sidiale Vorgehen sagt, läßt er ihn einfach nicht ausreden, sondern läutet ihn nieder, um sofort des Präsidenten Erwiderung anzu- bringen. Dieser Glockenpräsident hält es nicht aus, eine ander« Meinung so ohne weiteres und schon(wr Geschäftsordnungsdingen ruhig Einer derselben, Hüsgen, antwortete auf die Frage, warum er Hue bekämpfe,weil Hue für eine einheitliche Bergarbeiterorganisation ist".(Hört! hört! b. d. Sozialdemokr.) Alle Parteien sollten dahin wirken, daß derartige Schmutzereien, derartige schmutzige Flugblätter im Wahlkampf nie benutzt werden sollten. Vor allem sollle man nicht die Religion in den Wahlkampf hineinziehen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Mumm(Wirtsch. Vg.). Die Aeußerung des Gewerkschafts- sekretärs Hüsgen ist wahrscheinlich mißverstanden worden. Die Wahl des Abg. H e ck m a n n wird für gültig erklärt. Es folgt die Beratung der Wehrvorlage und des durch sie bedingten Ergänzungsetats, die mit einander verbunden werden. Dazu liegt folgender Antrag der Abg. A I b r e ch t(Soz.) und Genossen vor: Vom 1. Oktober ISIS tritt bezüglich der Dienstpflicht folgende Bestimmung in Kraft:.Während der Dauer der Dienst- Pflicht im stehenden Heere sind die Mannschaften der Kavallerie und der reitenden Artillerie die ersten 2, alle übrigen Mannschaften das 1. Jahr zum ununterbrochenen Dien sie bei den Fahnen verpflichtet." Der Reichskanzler tritt in den Saal. Mg. Dr. Gradnauer(Soz.): Meine Fraktion hat in erster Lesung in umfassender Weise ihre Anschauungen über diese Vorlagen zum Ausdruck gebracht. Es wird daher heute nicht mehr nötig sein, nochmals eingehend die Gründe darzulegen, auS welchen wir diesen Vorlagen ablehnend gegenüberstehen. Die sozialdemokratische Partei»st auS grund- sätzliche» Anschauungen Gegner dieser Wettrüstungen zu Lande und zu Wasser, die alle Nationen auf das schwerste bedrücken, sie ist auch Gegner deS heutigen Heeressystems, welches in erster Linie aus die I n t e r e s s e n der b e s i tz e n d e n k a p i t a l i st i- schen Schichten zugeschnitten ist. ES liegt aber nicht in meiner Absicht, nochmals ausführlich auf diese Dinge einzugehen, ich will nur kurz einige Punkte erörtern, die in der Budgetkommission zur Sprache gekommen sind. In der Kommission hat sich, wie in der ersten Lesung gezeigt, daß eine große Mehrheit dieses Hauses bereit ist, die neuen Wehrvorlagen zu bewilligen, obschon gar kein Gedanke daran ist, daß eine genügende finanzielle Fundamentierung erreicht worden wäre, oder in nächster Zeit erreicht werden könnte. Man bewilligt die Forderungen auf Grund der Milchmädchen- r e ch n u n g, die der Reichsschatzsekretär aufgestellt hat. Man beruft sich auf die Ueberschüsse, die der Etat ergeben hat, ohne jede Sicher- heit, daß auch in den nächsten Jahren, in denen das neue Quin- quennat durchgeführt werden soll, annähernd ähnliche Ueberschüsse erzielt werden können.(Sehr wahrl byi den Sozialdemokraten.) WaS nun den sachlichen Inhalt der Vorlagen anbetrifft, so haben die Mitteilungen, die uns in der Kommission seitens der Heeresverwaltung gegeben worden sind, in keiner Weise das gehalten, was man in er st er Lesung in Aussicht gestellt hat. Man verwies uns damals auf vertrauliche Mit- teilungen, die uns von der Notwendigkeit der Vorlagen überzeugen würden. Mich erinnern diese Hinweise auf vertrauliche Mit- teilungen in der Dunlellammer der Kommission an gewiffe Angeklagte in Kriminalprozeffen, die immer auf den großen Unbekannten hinweisen.(Heiterkeit bei den Sozialdemokr.) Ich kann erklären, daß man uns in der Kommission gar keine Neuigkeiten oder abgrundtiefe Geheimnisie verraten hat. daß im Gegenteil die Mitteilungen, die uns zuteil wurden, nur dazu bei- tragen konnten, uns in unserer Stellung gegenüber den Vorlagen zu befestigen. Jeder Politiker, der im Laufe der letzten Jahre die deutsche Presse verfolgt hat, hat all das hundertfach finden können, was uns in der Kommission vom Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und dem Kriegsminister erzählt worden ist. Vor allem wies man uns darauf hin, daß die Heeresstärken der benachbarten Nationen außerordentlich gestiegen und ihre Einrichtungen vervollkommnet seien. Meine Freunde wurden bei diesen Dar stellungen den Eindruck nicht los, daß man möglichst schwarz in schwarz zu malen suchte,| die Stärke des deutschen Heeres möglichst zu verschleiern, dagegen anzuhören. Und da ihm die Glocke so verlockend zur Hand ist, läßt er seine Nervosität in ihren Schallwellen tobend ausstrahlen, um sich an ihrem Klang immer wieder zu stimulieren. Manchmal sieht es dabei auch aus, als habe er von dem Amt des Landtagspräsidenten eine sehr hohe Meinung, als achte er es etwa gleich dem des englischen Sprechers der Gemeinen. Nur leider, daß zwischen dem Haus der Gemeinen und dem der nicht gemeinen Dreillassenmänner ungefähr ein ebenso großer Unter- schied ist, wie zwischen dem Speaker Mister Lowther und dem Präsidenten Rittergutsbesitzer v. Erffa . Das hat er seinen Preußen selbst gezeigt, indem er an dem historischen ö. Mai 191� die Oeffentlichkeit nicht ausschloß. Und das ist fur� alle Feinde der Dreiklassenwirtschast so dankenswert, daß darum mit dem patriotischen Wunsche geschlossen werden kann: Heil Dir im Glockenschall! Poetische Monistenvcrnichtung. In den.Protestantischen Monatsheften"(1912. IV) besteigt ei», wie die Redaktion in einer Fußnote bescheinigt,ernster süddeutscher Gelehrter" den leicht- beflügelten Pegasus und verbricht ein satirisches Gedicht gegen.das Papsttum deS materialistischen Monismus". Das Gedicht fängt schwungvoll an: Nur die größten der Kamele Mögen glauben, daß der Seele Nach dem leiblichen Vergehen Blüh' ein neues Auferstehen. Längst verjagt ward ja die Seele Aus deS Leibes dunkler Höhle, , In des Schädels hohem Dome Tbronc» nur nock> Stoffatome. Daß die Psyche nur Erscheinung WaS schon des Spinoza Meinung Nur die stofflichen Gewalten Konnten alles Sein gestalten. In dieser launigen Weise geht es ganze 15 Strophen lang. Wir wissen nicht, welche Wirkung dieser poetische Erguß auf daS Gemüt der Leser der.Protestantischen Rundschau" ausgeübt hat. Das profane Gemüt aber wird dadurch sicherlich veranlaßt,.die größten der Kamele" ganz wo anders zu suchen, als der gelehrte Dichter sie ironischerweise finden will. Mcthylalkoholvcrgistungen in Preußen. Die Berliner Methyl- alkoholvergiftungen stellen in Deutschland keineswegs ein Unikum dar. Schon Ende August vergangenen Jahres hat in dem Städtchen Schönebeck , Provinz Sachsen , eine kleine Epidemie geherrscht, der fünf Menschen zum Opfer fielen. Ein sechster Todesfall eines Schönebeck « Einwohners erfolgte im Nodeinber im nahegelegenen Magdeburg . Dies alles wird erst jetzt durch eine Abhandlung der Kreisärzte Dr. Kühn und Keferstein in der.Zeitschrift für Medizinal» beamte " bekannt. Die fünf Todesfälle in Schönebeck ereigneten sich in einer Herberge, in der künstlicher, aus Methyl- alkohol mit Zusatz von Kornessenz hergestellter Nordhäuser ausgeschenkt wurde; die Vergiftung in Magdeburg betraf einen löjährigen Jungen in einer Sacharinfabrik. In allen Fällen trat der Tod schnell und unter den charakteristischen Symptomen ein. Auch die Sektion ergab das jetzt bekannte Bild. Freilich nicht aus dem Obduktionsbefunde, sondern aus der chemischen Untersuchung die Verhältnisse der auswärtigen Staaten möglichst günstig hinzustellen suchte. Der Kriegsminister hat nichts vorgebracht, was er nicht schon vor einem Jahre, als das letzte Ouinquennat geschloffen wurde, hätte voraussehen können, es sind während dieser Zeit keinerlei un- vorhergesehene militärische Rüstungen in anderen Staaten erfolgt. In der Presie wird behauptet, daß die französische Armee zahlen- mäßig der deutschen überlegen sei. Das ist unrichtig. Die fran- zöfische Armeestärke steht zum großen Teil nur auf dem P a p i er, da die Kadres bei der geringen Bevölkerung nicht(o ausgefüllt werden können, wie es vorgeschrieben ist. Und dazu kommt, daß Frankreich eine große Zahl nicht kriegs- brauchbarer Leute einstellen muß, um die deutsche Ziffer zu erreichen. Und WaS Marokko anbelangt, so hat die Entwickelung der letzten Wochen unserer Ansicht durchaus recht gegeben. Frank- reich ist in Marokko in hohem Maße mit seinen militärischen Kräften festgelegt, und eS ist nicht daran zu denken, daß in absehbarer Zeit, wie die Alldeutschen behaupten, Frankreich aus Marokko eine Verstärkung seiner HeereSmacht holen könnte. Also mit der angeblichen Ueberlegenheit Frankreichs kann man die neuen Aufwendungen nicht begründen. Noch schlimmer wird die Schwarz- seherei betrieben in bezug auf die Verhältnisse Deutschlands z u anderen Staaten. So sucht man dem deutschen Volke einzureden, daß der Dreibund gar keine Be- deutung mehr für das Deutsche Reich, insbesondere in militanscher Beziehung besitze. In der Oeffentlichkeit wird er sonst von den Staatsmännern gepriesen, aber wenn es gilt, neue gewaltige Militärrüstungen zu fordern, soll er gar keine Bedeutung mehr haben. Nun ist es gewiß richtig, daß Italien gegenwärtig durch seines xpedition nach Tripolis stark in Anspruch genommen ist. Der Reichskanzler hat aber in seiner Eröffnungsrede der Militärvorlage ausdrücklich hervorgehoben, daß sie keiner augenblicklichen Notlage entsprungen sei. Daher kann man auch nicht so vorübergehende Vor« kommnisse, wie die jetzige Lage Italiens , zur Begründung heran- ziehen. Aus all diesen Darlegungen über Deutschlands Isolierung sollten die deutschen Diplomaten nur den Schluß ziehen, ernstlich daraus bedacht zu sein, der deutschen Politik neue Richtlinien zu geben. Gerade aus diesen Erwägungen heraus muß Deutschland bestrebt sein, das Verhältnis zu England zu verbessern. Dies Per- hälmis ist zweifellos von entscheidender Bedeutung für die gesamte europäische Entwickelung. Wir haben den Staatsselretär des Auswärtigen Amtes ersucht, uns über die mit England gepflogenen Verhandlungen Auskunft zu geben, weil diese Dinge auch für die Beurteilung der Militärvorlage von.großer Wichtigkeit sind. Auch die Freisinnigen legten Wert darauf, sind aber dann bereit gewesen, auch ohne diese Auskunft die Vorlagen zu bewilligen. Wie die Dinge gegenwärtig mit England stehen, ist vollständig unklar. Wir betonen er- neut, daß wir wünschen, daß unsere Regierung auf das ernsthafteste bestrebt ist, die Differenzen mit England auszugleichen, nicht in der Weise, wie jetzt verlautet, daß irgend eine Kolonie ausgetauscht wird gegen Konzessionen in Persien , sondern wir wünschen gerade in der Rüstungssrage eine Verständigung mit England. Leider haben die ausschlaggebenden Parteien diese Fragen in der Kommission nicht mit dem Ernst behandelt, den sie verdienen. So meinte der Redner des Zentrums, es hätte gar keinen Zweck, darüber zu reden. Dabei hat noch am 21. Februar vorigen Jahres der Zentrumsabgeordncte Speck bei der damaligen Militärvorlage ausdrücklich erklärt, man solle die Abrüstungsfrage nicht mit einer einfachen H a n d b e w e g u n g abweisen. Aber inzwischen ist das Zentrum reine Militär- und Regierungspartei geworden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es hat nur da Abstriche gemacht, wo es wußte daß sie der Heeresverwaltung nicht wehe tut. Diese Kleinigkeiten nehmen sich besonders winzig aus gegenüber den großen Tönen, die in der ersten Lesung vom Zentrum angeschlagen worden sind, wo es hieß, man würde eine genaue Prüfung der Vorlagen vornehmen müssen. So gut wie nichts ist ans diesen schönen Reden geworden. 85t) Millionen neue Ausgaben erwachsen dem deutschen Volke an Belastung aus diesen Heeres- vorlagen für die nächsten fünf Jahre. Da hätte man in irgendeiner Hinsicht auch für die deutschen Steuerzahler Verbefferung schaffen müssen. Wir haben uns bemüht, nach dieser Richtung hin zu wirken des Mageninhaltes wurde die Diagnose auf Methylalkoholvergiftung gestellt. ES gehört zu der an widrigen Zufällen so überreichen Auf- deckung der Methylalkoholvergiftungen, daß die mitgeteilten Fälle nicht eher zur allgemeinen Kenntnis gelangt sind. Eine EiSbcrgwarte auf hoher See. Ein englischer� Sach­verständiger regt infolge der Katastrophe der.Titanic" die'Errich- tung einer dauernden Station zur Beobachtung der Eisberge in der Gefahrzone des Atlantischen Ozeans an. Eine solche Station müßte aus einem genügend großen Schiff bestehen, das mit kräftigen Apparaten für drahtlose Telegraphie ausgerüstet ist und das ständige Kreuzfahrten in der Gegend der Eisfelder und Eisberge unternimmt, die langsam von Norden her in die südlicheren Regionen deS Ozeans treiben. Wenn man die Kosten der Ausrüstung und der Unterhaltung einer solchen Eisbergwarte dagegen anführt, so ist zu sagen, daß die Verhinderung auch nur eines Unglücks, wie der Untergang der Titanic" es war, in zwanzig Jahren durchaus daS Opfer lohnen würde. Ein solches Schiff, das sich in der Nähe der gefährlichste» EiSbergzone und in der Fahrstraße der großen Dampfer hält, würde auch ichnell zur Stelle sein können, um die Uebcrlebenden auf- zunehmen, wenn diese in den Booten des verunglückten Dampfers Platz gefunden haben. Es würde zugleich als Leuchtturm und als Hospitalschiff verwendet werde» können. Notizen. Theaterchronik. Die Neue Freie Bühne der« anstaltet Sonnabend nachmittag in den Kammerspielen eine Auf« führung von StrindbergSMutterliebe". Gleichzeitig gelangt zur UraufführungAufstand in Syrakus " von Ludwig Bauer und . G ä st e"(Totentanz der Liebe 4. Teil) von PrzybySzewski . Musikchronik. ffür die Festaufführungcn der Achten Symphonie von Gustav Mahler (die Symphonie der Tausend) am 17. und 18. Mai im ZirkuS Schumann sind nahezu alle Plätze vergriffen. ES wurde daher noch eine dritte(letzte) Aufführung des Werkes am Sonntag, 19. Mai, mittags 12 Uhr, unter Leitung von Dr. Georg Göhler im ZirluS Schumann ermöglicht. Humboldt-Akademie. Am Sonnabend, 8 Uhr abends, spricht in der Aula, Georgenstr. 39/31, Jens Lützen über: Unsere neuen Landsleute in Neukamerun".(Mit Lichtbildern.) Der Eintritt ist frei. Ausstellung. Im Albrecht Dürer -Hause (Kronenstr. 18), findet bis zum Ende des Monats eine Ausstellung der Freien Lehrervereinigung für Kunstpflcge statt, in der Jugend- bücher und volkstümliche Kunstgaben vereinigt sind. Die vorgerückte Jahreszeit. Die geplante Ver- sammlung des Berliner Goethebundes gegen die Film- Dramatik ist der.vorgerückten Jahreszeit" wegen auf den Herbst verschoben worden. UnS scheint der ganze Goethebund längst in die vorgerückte Lebenszeit verschoben zu sein. Um Schillers Schädel(den angeblich allein echten) scheint sich ein ganz hübscher Erbstreit entwickeln zu wollen. Der Großherzog von Sachsen-Weünar, die Stadt Weimar oder die Erben wer ist der rechtmäßige Besitzer oder Eigentümer? Der Großherzog, heißt es momentan. Aber die Stadt Weimar wird tvohl auch Ansprüche erheben. Ist schon die ganze� Schädel- feststellung ein grotesler Unfug, so Ivird er durch diese Beigabe noch unerquicklicher.