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r. 110. 29. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt

Wer bleibt zurück?

Mir klingt ein fichrer Cakt in's Ohr,

Der Schritt von Millionen frauen; Die ftark und groß, im ernſten Chor Mit klarem Blick die Zukunft schauen. Hus jeder Gaffe, jedem Haus Will fich die ftolze Schar erneuern. Es brauft ihr Siegeslied voraus

and reißt die Säum'gen in die Reihen. Laut donnert es: Wer bleibt zurück?

Wir kommen aus der finftern Nacht Und geben froh dem Licht entgegen. Der junge Cag, der fchon erwacht, Wirft uns fein Rot auf allen Wegen. Zerriffen liegt, was uns beengt, Die alten morfchen Sklavenbande. Im Dunkeln, hinter uns verfenkt Liegt Dunger , Elend, Not und Schande. Wir aber gehn. Wer bleibt zurück?

Die Frauenarbeit in der Gewerbeinspektion.

Die Frau in Saus und Beruf" nannte man eine fürz. lich im 300" veranstaltete Schauftellung. Eine Bukstube war's, eingerichtet nach dem ästhetischen Bedürfnis der Damen der Gesellschaft, die fich sportsmäßig an pseudomodernen Ideen und Bestrebungen vergnügen. Genau wie an einer Sagen- und Hundeausstellung!

Ein Blid in die Berichte der Gewerbeinspektoren zeigt mehr von der Berufsarbeit der Frau in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung. Hier offenbart fich der Kapitalismus als Stlabenherr der Lohnarbeit, speziell der Frauenarbeit in seiner unästhetischen Wirklichkeit. Troz aller von oben an­geordneten Zensur tritt hier das Elend der Frauenarbeit in abstoßender Häßlichkeit, empörender Brutalität in Erschei­

nung.

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Sonntag, 12. Mai 1912.

Wir waren Itumm, wir waren tot, al Num regt es fich an allen Enden. Uns zieht die Sehnsucht, treibt die Not, Da gibt's kein Dalten, gibt's kein Wenden. Uns ruft die Zeit, uns ruft die Pflicht, für unfer gutes Recht zu ftreiten, Und ob wir wollen oder nicht,

Wir müffen mit im Cakte fchreiten. Und vorwärts geht's. Wer bleibt zurück?

Vor uns das Land der neuen Zeit, Beftrahlt vom jungen freiheitsmorgen, Und Gleichheit und Gerechtigkeit fühlt fich in feinem Schutz geborgen. Wen fchmerzen alte Wunden noch? Wer will fich feig zur Rube legen? Wir beben unfre Kinder boch Und tragen fie dem Licht entgegen. Wir gehn. Und keine bleibt zurück.

Emma Deltz.

Der Beamte von Biegnik schildert aber folgende dylle: In einer größeren Biegelei schliefen 5 galisische Ehepaare in einem gemeinschaftlichen Raum; in einem anderen schlief auch ein Ehepaar in dem Schlaffaal für die galisischen Ar­beiterinnen; der Schlafsaal für die männlichen Galizier war von diesem nur durch eine undichte Bretterwand mit offenem Durchgang getrennt.

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mit Spirituslad nicht in Berührung kommen, andernfalls entlassen. Die Mädchen versuchten auch, aus Furcht vor Ent­laffung, der Firma ihre Erkrankung zu verheimlichen.

Schutzbestimmungen offen ließen. Sehr charakteristisch ist| brüdende Erbitterung läßt ahnen, welche Widerstände und folgende Mitteilung in dem Bericht des Beamten von Gum- Widerwärtigkeiten mancher Beamte zu überwinden haben Binnen und Allenstein . In einer Molterei waren wiederholt mag, um der Beachtung des Arbeiterschutes wenigstens einen die Meierinnen täglich, auch Sonnabends, über die zulässige beschränkten Umfang zu sichern. Die meisten Inspektoren Beit beschäftigt worden. Der Befizer war wegen desselben sprechen die Ansicht aus, daß auch aus fittlichen und hygieni­Bergehens bereits 1908, 1909 und 1910 mit je 15 M. vor- schen Erwägungen zu beanstandende Verhältnisse nicht zu bestraft und wiederholt berwarnt worden, wobei er fich dahin fonstatieren seien. geäußert hatte, daß es wohl kein Gewerbeinspektor fertig be­kommen würde, die gefegliche Arbeitszeit der Arbeiterinnen durchzuführen, weil das eben nicht möglich wäre. Trotzdem beantragte der Amtsanwalt Freisprechung, während das Ge­richt ihn sehr milde mit 10 M. bestrafte. In einer Molkerei wurden 3 Arbeiterinnen täglich, auch Sonnabends, bis zu 141 Stunden beschäftigt, wofür die Befizerin mit 15 m. be­Standalös find vielfach die Abortverhältnisse. Aus Pots­straft wurde, obwohl fie wegen derselben Vergehen bereits 1909 mit 20 m. und 1910 mit 10 m. bestraft worden war. dam wird beispielsweise berichtet: In einer Fabrik lagen die Das Gericht glaubte trotz der Vorftrafen Milde walten lassen örtlichen Verhältnisse besonders ungünstig. Der Abort für die zu müssen, weil die Arbeiterinnen fich nicht überlastet gefühlt Frauen lag am hinteren geschlossenen Ende eines längeren hätten! Ein Bigarettenfabrikant beschäftigte 10 Arbeite- Ganges mit mehreren Türen, die zu den Aborten der Männer Im Jahre 1911 ist die Zahl der in den der Gewerbe- rinnen täglich 14 bis 15 Stunden, vor 6 Uhr früh und führen. Da auf gütlichem Wege eine Aenderung nicht zu er­inspektion unterstehenden Fabrikanlagen beschäftigten weib- nach 8 Uhr abends; er wurde zu 30 M. Geldstrafe oder reichen war, mußte sie durch eine polizeiliche Verfügung auf lichen Arbeitskräfte auf 737 877 gestiegen. Die Zunahme, im 6 Tagen Gefängnis verurteilt. Die Beschäftigung von drei Grund des§ 120d der Gewerbeordnung erzwungen werden." Wie die Peitsche der wirtschaftlichen Not wirkt, das kann Vergleich mit dem Vorjahre, macht 33 809 Personen aus. Von Arbeiterinnen nach 11 Uhr abends in einer Konfektions­der Gesamtzahl entfallen auf die über 16 Jahre alten Ar- werkstätte wurde mit 50 M. geahndet. Im Bezirk Potsdam man aus der folgenden Mitteilung entnehmen. Schon im beiterinnen 650 506( Bunahme 31 294), auf die weiblichen erklärte der Obermeister einer Fabrik dem gerade rebidieren- vorigen Jahre konstatierte der Beamte von Königsberg hart­Jugendlichen 86 350( Bunahme 2425) und auf die weiblichen den Beamten gegenüber die Abficht, an diesem Tage Arbeite- nädige Erkrankung von Poliererinnen in einer Reistenfabrit. Kinder unter 14 Jahre alt 1021( Bunahme 90). Außerdem rinnen länger zu beschäftigen, als dies nach der ihm erteilten Die Erkrankungen haben noch nicht abgenommen, obwohl die waren auf Bergwertsanlagen noch beschäftigt: 10 022 erwach Ausnahme von den Bestimmungen des§ 137 der Gewerbe- Arbeiterinnen die ärztlichen Ratschläge befolgen und sich vor fene Arbeiterinnen( Abnahme 205) und 449 weibliche Jugend- ordnung bezüglich der Mittagspause gestattet war. Als ihm und nach der Arbeit mit warmem Wasser waschen und Arme liche( Abnahme 67). Die Abnahme ist eine Folge des Berbots der Gewerbeinspektor mitteilte, daß er dies ohne Genehmigung und Hände mit Lanolin einreiben. Die Erkrankten wurden, der Frauenarbeit in verschiedenen bergbaulichen Anlagen nicht dürfe, fragte er, was es denn tosten tönne, soweit möglich, in andere Betriebsabteilungen versezt, wo sie Förderung, Koterei. In den übrigen Industrien ist dafür wenneres doch täte! Bei der am Abend vom Gewerbe­die Zunahme stärker geworden. Das kapitalistische Raubtier inspektor veranlaßten Nachrevision wurde festgestellt, daß die verschlingt immer mehr weibliche Arbeitskraft, zivingt immer Arbeiterinnen eine Stunde überarbeiteten; fie länger zu be­Selbstverständlich muß auch manche Arbeiterin die Ver­mehr weibliche Körper in seine Dienstfron. Das Kapital schäftigen, berhinderte der revidierende Beamte. Das Urteil prägt aus der Arbeitskraft von Kindern, Jungfrauen, Müttern des Schöffengerichts lautete für den Fabrikbefizer, trog der günstigung, im Dienste des Kapitals fronden zu dürfen, durch und Greifinnen Gold, blankes Gold als Profit. Und es gibt offenbaren, bewußten Verhöhnung des Gesetzes und der anni- den Verlust von Gliedmaßen usw. büßen. Gewöhnlich schiebt So nicht viele Gewerbe, in denen die weibliche Arbeitskraft nicht schen Bemerkung dem Beamten gegenüber, auf-Frei- man den Verlegten nachträglich selbst die Schuld zu. ausgebeutet würde. Und wie wird fie ausgebeutet? sprechung, für den Obermeister auf eine Geldstrafe von 3 M.1 schreibt der Beamte von Königsberg : Mehrfach wurde beob­Vor allem lehrt der Bericht, daß der Arbeiterinnenschutz Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt und die Straf - achtet, daß Arbeiterinnen an Ziegelbrudpressen die üblichen bielfach eine Fiktion ist! Direkt und indirekt werden die Be- fammer verhängte über beide eine Strafe von je 100 m. Die Handabweiser außer acht ließen, beim Anlegen der Bogen seit­stimmungen übertreten. Man gibt Arbeiterinnen Arbeit mit Arbeiterinnen einer Bürstenhölzerfabrik im Bezirk Franklich zwischen Tiegel und Druckplatte griffen und sich durch nach Hause, um sie über die gefeßlich zulässige Beit ausbeuten furt a. D. wurden monatelang über die zulässige Ar- diesen Leichtsinn auch Unfälle zuzogen." Daß ein aus Ber­zu können; dasselbe geschieht, indem Verkäuferinnen usw. nach beitszeit hinaus beschäftigt, die revidierenden Polizeibeamten trautheit mit der Gefahr erwachsender Leichtsinn allerdings Feierabend als gewerbliche Arbeiterinnen weiter arbeiten durch falsche Angaben getäuscht. In einer Rohrgewebefabrit leicht zu Unfällen führen kann, beweist folgender Fall: In müssen. Oder Betriebe, die sonst mehr als 10 Arbeiterinnen in Bosen wurden zwölf Arbeiterinnen trog vorhergegangener einer Schokoladenfabrit in Merseburg begaben sich einige Ar­beschäftigten und daher die Schußbestimmungen zu beachten beiterinnen während der Nachmittagspause verbotswidrig in hätten, reduzieren das direkt im Betriebe tätige Personal und das Buderlager statt in den zur Verfügung stehenden Speise­beschäftigen dafür Heimarbeiterinnen. So dreht man dem raum und ließen sich auf den dort in drei Lagen aufgestapelten Budersäden nieder. Eins der Mädchen richtete sich auf der Arbeiterschutz eine Nase! Ueber den Umfang der Mitnahme von Arbeit nach Hause konnten die Beamten nicht allzuviel Man kann kaum im Zweifel darüber sein, daß solche Strafen obersten Saclage in ganzer Höhe auf; die unmittelbar unter erfahren, weil die Interessenten das schlau berheimlichten. eigentlich als Aufforderung wirken, auf die Gefeße zu pfeifen. der Dede des Raumes laufende Welle erfaßte fie an den Haar­Aus Königsberg wird berichtet, daß trop eingehender Unter- Im Bericht aus dem Bezirke Magdeburg findet man diese schleifen, wodurch das Haar aufgewickelt und mit der Kopf­fuchung die aus einer Zigarettenfabrik gemeldeten Verstöße Klage: Die Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen gefeß- haut abgerissen wurde. Solche Vorfälle sollten wirklich ab­nicht festgestellt werden konnten. Der Potsdamer Beamte er- liche Vorschriften war oft noch sehr milde; es tam vor, daß schreckend wirken. Bei der Bearbeitung von Papier mit flärt, es sei schwer festzustellen, ob die mit nach Hause gege- Betriebsleiter wegen Nachtbeschäftigung von Arbeiterinnen benzinhaltigen Farben in einer Kartonnagenfabrik im Bezirk bene Menge Arbeit das zulässige Maß übersteige oder nicht. au 3 und 5 M. Strafe verurteilt wurden." Die Feststellung, Staffel ereignete fich folgendes Malheur: Die Farbmischung Die Berbrechen des Kapitals bei der Ausbeutung der daß fpeziell in Ziegeleien Arbeiterinnen vorschriftswidrig be- mußte erwärmt und das die Mischung enthaltende Gefäß der weiblichen Arbeitskraft kommen am besten und deutlichsten in schäftigt wurden, findet man in einer Reihe von Berichten. Feuersgefahr wegen in ein Wasserbad gestellt werden, das dem Kapitel über Zuwiderhandlungen gegen Schutzvorschriften Arbeiterinnen ließ man Ziegelsteine auf Stoßfarren auf un- wiederum durch Gasflammen angewärmt wurde. zum Ausdruck. Hier offenbart nicht nur der Unternehmer befestigtem Boden transportieren. Wie man die Beamten längerem Gebrauch fing das Farbengemisch Feuer, wahrschein­Rüdfichtslosigkeit und Brutalität in der Gier nach Profit- berhöhnt, schildert der Beamte von Arnsberg : Es soll nicht lich, weil im Laufe der Zeit schwere Benzindämpfe niederge­macherei, als Ergänzung dieser Sitte der vielgepriesenen Ge- felten vorkommen, daß der Beamte, ehe er die oft entlegenen funken waren und sich am brennenden Gase entzündet hatten. fellschaftsordnung fann man auch die Justiz als sehr milde Arbeitsräume erreicht hat, durch ein verabredetes Beichen an- Das mit dem Auftragen der Farben beschäftigte Mädchen ver­urteilende Dame bestaunen. Ein Unterschied wie Tag und gekündigt ist und die Räume entweder bereits verlassen findet lor die Fassung, nahm das Gefäß mit der brennenden Nacht, wenn man fie in dieser Rolle und in der als Schüßerin oder die Flucht der Arbeiterinnen eben noch bemerkt. Auch Mischung, um die Flamme zu löschen, aus dem Wasserbad und Förderin des Streitbruchs und der Arbeiterfnebelung be- werden die Arbeiterinnen wohl fofort nach Schluß der gesetz- und ließ es fallen. Dabei ergriffen die Flammen seine trachtet. lichen Arbeitszeit in anderen Räumen zweds Weiterbeschäf- Kleider und verbrannten es so erheblich, daß es an den er­Im Bezirk Königsberg wurden in 150 Anlagen 189 Bu- tigung untergebracht." In einem Großbetriebe der Konfektion littenen Brandwunden nach einigen Tagen starb. Nunmehr, widerhandlungen ermittelt. In einer Blumenbinderei, die in Düsseldorf waren die Arbeiterinnen um 8 Uhr abends wie nachdem das Unglück geschehen, wird zum Erwärmen der mehr als 10 Personen beschäftigt, wurden Arbeiterinnen gewöhnlich entlaffen und um 9 Uhr wieder bestellt zur Arbeit, Mischung ein elektrischer Heizapparat angewendet. In einer länger als 10 Stunden und vor dem Totensonntag länger um die ganze Nacht hindurch eilige Arbeiten zu erledigen. Baumwollspinnerei im Kölner Bezirk hatte ein Arbeiter die als 11 Stunden, an einzelnen Tagen sogar bis 12 und 3 Uhr Mit Hilfe der Kriminalpolizei gelang es, die Butviderhandlung ihm zur Bedienung übertragene Spinnmaschine( Selfaktor) nachts beschäftigt. In 24 weiteren Blumenbindereien, die festzustellen. In dem Strafverfahren wurde der Abteilungs- nach dem Reinigen der Spindelleiste und des feststehenden aber je weniger als 10 Arbeiterinnen beschäftigen, hatten in betriebsführer zu 30 M. Geldstrafe verurteilt. Spulengatters in Gang gefeßt, während sich die mit dem Rei­ den Wochen vor dem Totensonntag gleichfalls Arbeiterinnen Bei aller Zurückhaltung, die den Beamten zur Pflicht nigen beschäftigte Aufstedkerin noch zwischen den genannten bis 1 und 2 Uhr nachts gearbeitet, ohne daß gefeßlich hier- gemacht worden ist, kann mancher seinen Unwillen über die Maschinenteilen befand. Infolgedessen wurde die Arbeiterin gegen eingeschritten werden konnte. Die Unternehmer finden lächerlich geringen Strafen selbst bei den hartnädigsten Ber- totgequetscht. Allein auf den Gruben des Reviers Nord- Gleiwit im bie Hintertürchen, die ihnen die bürgerlichen Parteien trop ftößen gegen die Schußbestimmungen nicht berbergen. Die Proteft der Sozialdemokraten bei der Schaffung sogenannter gezwungen niedergehaltene, aber doch nicht ganz zu unter- Oberbergamtsbezirk Breslau erlitten von insgesamt 502 Ar­

mündlicher und schriftlicher Ermahnungen mehrere Monate hindurch täglich 11 Stunden beschäftigt. Der Meister, der als allein verantwortlich hingestellt wurde, erhielt eine Geldstrafe von 3 M.!

Nach