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imio, 2». mm 2. Keilllßt des LmMg" Kerlilltt Nsldsbllltt. s--"--. Keickstag. so. Sitzung. Sonnabend, den 1!. Mai 1912. mittags 12 Uhr. Am Bundesratstisch: v. Leeringen. Die zweite Beratung des Militäretats wird fortgesetzt. Abg. Dr. Miiller-Meiningen(Vp.): Wie bereit die Volks- Partei ist, die Wehrkraft des Reiches zu stärken, hat sie g e st e r n gezeigt. Der Abg. L e d e b o u r hatte keinen Anlaß, über Be- schränkung der Kritik zu klagen. Gestern hätte die Ipeitere Kritik an der Wehrvorlage nur den machtvollen Eindruck nach außen stören können. Zur Kritik an der Militärverwaltung ist jetzt bei der Beratung des ElalS Zeit. Der Kriegsminister bestritt, daß er auf die Kriegervereine Einfluß habe, sie unterständen dem Ministerium des Innern. Wie erklärt sich denn dann das Zirkular an die BezirkskommandoS, worin die Frage vorkommt: Versuchen die Oppositions- Parteien auf den Kriegerverein Einfluß zu bekommen? An dem zwangsweise übertünchten.Alten Zicten" ist hoffentlich die Militärverwaltung unschuldig; waS für eine kindliche Art ist es, Märtyrer zu schaffen, indem man einen Gastwirt zwingen will, den ißainen.Alten Zieten" aufzugeben, weil er eS auch den Sozial- demokraten zur Verfügung stellt. Zum Falle K r a a tz sagte der Kriegsminister, kirchenpolitische Vorträge gehören nicht auf dieKanzcl.(Sehr richtig I rechts.) Hat darüber die Militärverwaltung zu entscheiden? ES ist doch toll, daß der jüngste Leutnant als geistiger Zensor über einen Geistlichen auftreten darf.(Zustimmung bei der Volkspartei.) Aber der ganze Kirchen- zwang für die Soldaten ist ein Unfug, der drastisch illustriert wird durch den Befehl eines Soldaten, der in der Kirche geschlafen harte, zu einem Strafgottesdienst.(Heiterkeit.) Der Satz: Nur ein guter Christ kann ein guter Soldat sein" muß heute darüber werden wir ja Montag sprechen umgewandelt werden in den Satz:.Ein guter Christ kann überhaupt nicht mehr preußischer Offizier sein". Da sollte man doch mit solchem Kirchenzwang vorsichtig sein.(Zustimmung bei der Volkspartei.) Daß bei der Besetzung rnilitärischer Stellen allein die persönliche Tüchtigkeit entscheiden soll, ist eigentlich selbstverständlich. Aber es geschieht keineswegs. Standesrücksichten sind maßgebend, und ebenso religiöse Gründe, und bei der Zurücksetzung der Inden wirkt noch abstoßender, daß man nicht den Mut hat, den wahren Grund einzugestehen. Dringend notwendig ist die Reform d e S Militärstrafrechts und vor allem des ehrengerichtlichen Ver- sahrens, das mit den Gesetzen in schroffstem Widerspruch steht. (Lebhaste Zustimmung links.) Man beruft sich dasür auf die Kommandogewalt des Kaisers. Aber können durch diese Kommando- gewalt die Gesetze aufgehoben werden?(Sehr gutl bei der Volkspartei.) In einer weiteren Resolution verlangen wir. durch systematische körperliche Pflege und Hebung die schulentlassene Jugend für den Heeresdienst vorzubereiten. DieS halten wir für uns ganz besonders wichtig.(Beifall bei der Volkspartei.) Abg. Dr. Trciidcl(Z.) verbreitet sich über die Notwendigkeit, die militärischen Maßnahmen bester vor Spionen zu schützen. Abg. Held(nntl.): Es sind verschiedentlich Fälle vorgekommen, daß in Kriegcrvcreinen Kollegen von uns wegen ihrer Haltung bei der Präsidentenwahl zur Niederlegung des Vorsitzes ausgefordert worden sind. Wir müsten es uns auf das be- stimmteste verbitten, daß sich Kriegervereine in unsere Tätig- kcit als Reichstagsabgcordnete hineinmischen.(Bravo I links.) Was den Fall Kraatz anlangt, so muß Remedur geschaffen werden, daß solche Dinge, wie eine derartige Störung des Gottesdienstes durch das Militär nicht wieder vor- kommen.(Bravo I links.) Abg. v. Kröcher(k.): Die Kriegervereine sind ebenso gut Herren in ihrem Hause, wie jedermann, und wenn sie jemand bei sich au« irgendwelchen Gründen nicht dulden wollen, so brauchen sie das nicht. Wenn hier Herren einem Sozialdemokraten bei der Prä- sidcntenwahl ihre Stimme gegeben haben, so kann ich ganz im Gegensatz zu Herrn Held dein betreffenden Kriegerverein, der mit Ausschluß vorging, nur zu seinem ausgezeichneten Be- nehmen gratulieren.(Bravo l rechts) Ich hoffe, daß alle Kriegervereine im ganzen Deutschen Reiche ebenso handeln. (Lebhaftes Bravo! rechts.) Abg. Schöpflin(Soz.): Gegenüber den Ausführungen des Abg. Müller-Meiningen spreche ich mein Bedauern darüber aus, daß auch die freisinnige Bolls- Partei an dem Schlußantrag bei der Wehrvorlage teil- genonimen hat. Wenn er meinte, die Wehrvorlage sei in würdigen Formen angenommen, so habe ich das sonst nur in der Scherlpresse gelesen. Den Kriegsminister möchte ich bitten, sich in der Frage des ) Boykotts von Wirten, die ihre Säle zu sozialdemokratischen Versammlungenhergeben, dem Bei- spiel seines sächsischen Kollegen anzuschließen. Dieser hat eL in Sachsen  durchgesetzt, daß den Soldaten der Besuch solcher Lokale nur immer für den Tag verboten wird, wo eine sozialdemokratische Versammlung stattfindet. In unserem Interesse liegt diese Milderung des Boykotts ja nicht, wir wissen uns auch so zu helfen, aber sie liegt im Interesse der Wirte, die natürlich in einer sehr schwierigen Lage sind. Diese ganze Bevormundung der Soldaten, die sich die Mililärbehörde fortgesetzt herausnimmt, ist eine lln gerechtig- keit allerschlimmster Art. Daß die Soldaten mit Sozial- demokraten zusammenkommen, kann die Militärverwaltung ja doch nicht verhüten. Ich selbst habe als sozialdemokratischer Redakteur Einquartierung bekommen. Diesen kleinlich ge- hässigen Standpunkt sollte die Militärverwaltung aufgeben. Diese Schikanierung von Leuten in ihrer Erwerbstatigkeit hat mit der Schlagfertigkeit der Armee nicht daS geringste zu tun.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Gegenüber Herrn von Kröcher bemerke ich, daß wir gewiß nichts gegen seinen Standpunkt haben, wenn es die Kriegervereine aufgeben, unpolitische Vereine zu sein. Heute aber treiben sie. unter der falschen Flagge unpolitischer Vereine. während sie in Wirklichkeit im schärfsten Maße Politik treiben, ohne doch den Bestimmungen für politische Vereine unterworfen zn sein. (Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Beim 10. Husarenregiment, wo seit Jahren über die schwersten SoldatcnmißhaNdlungen geklagt wird, wurde einer der schlimmsten Sergeanten so milde be- strast, daß ihn das von einer Wiederholung schwerlich abhalten kann. Jnr zweiten Garderegiment erhielt ein llnter- offizier, der einem Mann mehrere Zähne eingeschlagen halte, drei Wochen Arrest. Als der Leutnant Egen vom Regiment Hamburg   den Soldaten drohte, mit dem Säbel dreinzuschlagen. fragte einer seineu Nebemnann: Du, bist Du auch in der Lebensversicherung? Nicht der Leutnant, sondern der Musketier wurde angeklagt und bekam 14 Tage strengen Arrest.(HörtI hörtl bei den Sozialdemokraten.) Beim vierten Garderegiment gab ein Unteroffizier einem Soldaten den Befehl, die Stiefel 12 mal einzuschmieren und mehrere andere widerwärtige Befehle, sodatz der Soldat ihm schließlich die Stiefel vor die Füße warf. Aus Angst vor Strafe sprang er dann aus dem Fenster und blieb tot liegen. Der Unteroffizier bekam für die systematische und abscheuliche Schinderei, die einen Soldaten in den Tod getrieben hatte, sechs Wochen Mittelarrest. (Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Mit einer solchen Bestrafung kann man den Schindereien freilich kein End« machen und den Mißbrauch der gewaltigen Macht des militärischen Vorgesetzten zu viehischen Mißhandlungen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Daß unsere Kritik in Parlament und Presse schließlich doch hilft, beweist die Entfernung des Regiments­kommandeurs des früher berüchtigten 17. Hl a u e n r e g i m e n t S in Oschatz   in Sachsen  . Seitdem hört man nichts mehr von Mißhandlungen bei> diesem Regiment. UebrigciiS sitzt ja dort drüben auf der Rechten auch ein früherer B r a n- den burgischer Regiments-Konrinandeur, der die Soldatensch inderei vorzüglich verstanden hat!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ein Leutnant Göll erhielt wegen 23 Fällen von Soldatenniißhandlung und einem Fall von Mißbrauch der Waffe 6 Wochen Stuben- a r r e st I In einem anderen Fall wurde ein Mißbrauch der Waffe dazu, einem Soldaten mit dem Seitengewehr auf den Hinter- köpf zu schlagen, mit 3 Wochen Arrest geahndet. In einem scheußlichen Fall beim 18. Sächsischen   Regiment wurde von der vollauf verdienten Degradation abgesehen. Beim Train- bataillon Nr. 12 haben zwei Unteroffiziere w�en einer Lappalie bei strengster Kälte einen Soldaten mit eiskaltem Wasser und Bürsten abreiben lassen, so daß der Mann invalid wurde und zum Bettler werden kann. Solche Fälle dürften sich einfach nicht Die flucht aus der Mrklichkeit. In dieser Woche durchlebte ich ein Abenteuer, durch das meine Haare in weniger Stunde», als der Herr zur Schöpfung nötig hatte, ganz weiß geworden sind. Nachdem ich nämlich wieder einmal auf die' alte unverträgliche Weise über bürgerliche und proletarische Kunst an dem literarischen Stammtisch gefaselt hatte, nachdem ich die neue Weltanschauung und die fehlenden Bedingungen, die zu der gesunden Kunst einer gesunden Menschheit führen würden, dargelegt hatte, be- gegnete ich auf dem Heimwege einer strengen, düsteren Erschei- uung, die mich vorwurfsvoll mit dunklen Augen anblickte und ihre Augenbrauen so grimmig zusammenzog, daß sie zu einem Busch wilder Borsten wurden. Heinz Sperber," sagte sie in einem Ton, der mir durch die zage Seele schnitt:Du beträgst Dich wie ein Henker der Kunst Deiner Zeit gegenüber und schreibst auch ungenießbare Feuilletons für... bürgerliche Blätter. Bist Du ein Mann mit zwei Ge- fichtern? Pfui! Pfuil" Herr." sprach ich mit zitternden Lippen, denn jedes seiner Pfuis traf mich wie ein Dolchstoß ins Herz,ich finde eS sehr ro­mantisch und schön, Hungers zu sterben, aber ich lebe von meiner Feder, und diese Feder, wie sehr ich mich auch anstrenge..." Pfui," sagte er zum drittenmal,Peter Schlemihl   hatte keinen Schatten, Du hast keinen Charakter! Wenn Du es ernst mit Deiner übrigens erbärmlichen Kritik, Deinem Unfug gegen bürger- liche Kunst meinst, mußt Du Dich schämen!" Herr," fuhr ich zögernd fort,»in dieser kapitalistischen   Gesell- s-haft.. Mit einer Verachtung, die mich fast tötete, ließ er mich stehen. In der Nacht schlief ich nicht. Ich kann keinen schwarzen Kaffee und keine moralischen Prügel vertragen. Die hohlen Augen der Erscheinung, ihre Pfuis und ihre Anspielung auf die zwei Gesichter hatten mich derartig verstimmt, daß ich wach lag, bis die Teppiche auf dem Hof geklopft wurden, und mit Kopfschmerz aufstand. Noch ganz unter dem Eindruck der Zurechtweisung, schritt ich un- gestüm in meinem Arbeitszimmer auf und ab, schimpfte auf meinen Vater, der mich kein Handwerk hatte erlernen lassen und auf das Spiel der Natur, die mir nichts als eine öde Portion Gehirn mitgegeben. Andere besaßen Hände, sich das Brot zu erringen, ich leider nur einen Schädel voll phantastischer Träume und ver- worrener Gedanken. Niedergeschlagen, aber dennoch fest entschlossen, nie mehr auch nur einen einzigen Buchstaben für eine bürgerliche Zeitung zu schreiben, selbst nicht, wenn der Hauswirt mir die sämtlichen Brocken versteigern ließe, packte ich die Manuskripte einiger Ro- mane zusammen(wie seder zivilisierte Zeitgenosse produziere ich in der Stille). Nachdem ich reiflich überlegt und gefunden hatte, daß zwischen dem Verleger eines Buchs und dem Verleger einer Zeitung kein prinzipieller Unterschied bestände, zog ich mit wiedergekehrter Energie in ein vielbesuchtes PfandhauS. Dort schaute man mich an, als ob ich verrückt geworden wäre. Alle Angestellten bestaunten mein Wertpaket. Man setzte mir mit viel Geduld wie man einem Geistesgestörten etwas erklärt auseinander, daß man wohl Geld auf Uhren, Ringe, Kleidung usw. gebe, aber daß weder Romane, noch Dramen, noch Feuille- tons dafür in Betracht kämen. Das war ein Schlag vor den Kopf, aber ich ließ mich nicht entmutigen. Ich kaufte für eine Mark Streichhölzer, versah mich mit einem Wandergowerbeschein und versuchte diese notwendigen Dingerchen in der Friedrichstratze zu verkaufen. Ra also." dachte ich heiter,fortan handelst du tagsüber mit Streichhölzern, und abends, wenn du genug verdient hast, brauchst du deine Feder nicht mehr zu entehrenl" Freudig pfiff ich vor mich hin, wurde eine Menge Streichhölzer los, und machte mir zwischendurch Notizen für eine erstklassige geistige Abendarbeit. Am Potsdamer Platz begegnete ich der düsteren Gestalt wieder. Heinz Sperber," sagte sie mit einem Ausdruck unbeschreib- licher Verachtung auf dem ernsten Antlitz,an jeder Schachtel Streichhölzer, von der Du einen schändlichen Gewinn beziehst, klebt Schweiß und Blut ausgebeuteter Proletarier! Pfuil Pfui!" Herr," sprach ich schüchtern,in dieser kapitalistischen   Gesell- schaft..." Eine wütende Handgebärde brachte mich zum Schweigen, und der Geist verschwand in der Menge. Tränen traten mir in die Augen. Das Vergnügen war davon. Wahrhaftig, er hatte recht. Man durfte keine Streichhölzer verkaufen... Wie ein Dieb schlich ich in eine Querstraße, entledigte mich dort meines Vorrats, und eine Viertelstunde später offerierte ich wieder froh und frischen Mutes... Ansichtskarten. Das darf ich dock> mit ruhige»» Gewissen tun," meinte ich, an solch einer Ansichtskarte haftet nach menschlicher Berechnung weniger Leid und Ausnutzung.. Binnen einer Stunde hatte ich ein Dutzend abgesetzt. Es rentierte sich ES war tatsächlich eine gute Idee. Und aufs Neue machte ich mir Notizen für den Abenid ans den Rand meiner Manschette. Die Freude war von kurzer Dauer... Diesmal begegnete ich dem Fremden am Wittenbergplatz sin der Untergrundbahn. Er schrak förmlich zusammen, als er mich erblickte, legte die Stirn in Falten und ballte die Fäuste. «Bist Du so tief gesunken, Heinz Sperber, fehlt Dir denn jede Spur von Charakter?" rief er empört.Wirfst Du Deine Ueber- zeugung so über den Haufen?" Herr," begann ich angstvoll... Pfui! Schäme Dich!" sagte et verächtlichIch würde lieber noch Seelen, als Ansichfskarien mit Bildern fürstlicher Personen» Kathedralen, Palästen üsw. vertreiben! Pfui! Pfuil Pfui!" Zerschmettert warf ich den Rest meiner Ware auf die Straße und sah mich nicht mehr danach mn>. Ich wollte»»ich verteidigen er»vor verschwunden� ließ mich mit pey» Gefühl per Schmach upd des Elends zurück. mehr ereignen. Dafür sorgen Sie, wenn Sie iinmer von_ dem Ansehen der Armee sprechen wollen. Bei den sächsischen Manövern im vorigen Jahr ertranken bei einem Elbeübergang der Ulanen ein Unteroffizier und zehn Ulanen. Vielleicht, wenn man die Wassertiefe vorher nur mit der Lanze gemessen hätte, wäre daS nicht geschehen. Nebenan ging eine ganze Eskadron ohne Gefahr durchs Wasser. Ein Mann aus gutbürgerlichen Kreisen schreibt mir aus Ehrenbreitstein   von einem schlimmen Exzeß angetrunkener Offiziere, bei dem auch die 13jährige Tochter deS RegimentSschneiderS eine Rolle gespielt haben soll. Da ich den Umfang bei Exzesses nicht genau kenne, will ich keinen Namen nennen. Ich möchte aber endlich die Militärverwaltung nochmals auffordem, doch ja alles zu tun, um die scheußlichen Soldatenmißhandlungen verschwinden zu machen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Kriegsminifter v. Heeringen: Für die Kriegervereine bin ich nicht zuständig und kann ihnen keine Direktiven erteilen. Zum Fall Kraatz habe ich gestern schon gesagt, daß er beim Reichsmilitärgericht schwebt. Ueber die Zulassung jüdischer Mitbürger zu Reserveoffizieren stehe ich, wie ich schon im Vorjahre ausführte, auf dem Boden der Verfassung.   Die Re­solution, nur die Tüchtigkeit solle für die Besetzung der Offizier- stellen entscheiden, bitte ich abzulehnen; es könnte sonst der Schein entstehen, eS sei bisher nicht so verfahren. Wir lassen keine Standes- und Religionsrücksichten walten, wir nehmen die O f s i» ziere aus allen Kreise» der Bevölkerung, aber natür- lich aus Kreisen, die den Verhältnissen des Offizierkorps entsprechen. Herrn Müller- Meiningen bemerke ich, daß die Ehrengerichtsordnung auf dem Artikel b6 der preußischen Verfassung beruht. Die Ehren- gericht« entscheiden keineswegs nach Willkür, sondern nach alter, ge- festigter Tradition; jeder Spruch wird dem obersten Kriegsherrn unterbreitet. Zu dem Verbot der Säle bemerke ich, daß die Gesichtspunkte, die der sächsische Kriegsminister aufgestellt hat, auch von mir an die preußischen kommandierenden Generale mitgeteilt sind; die Ausführung liegt in den Händen der lokalen Militär- behörden. Wenn der Abgeordnete mir die Fälle näher bezeichnet, will ich ihnen gern näher treten. Die Soldatenmißhand­lungen sind ständig zurückgegangen. Aber man muß auch be- denken, daß wir die Rekruten recht aufgehetzt bekommen.(Unruhe bei den Sozialdemokraten. Zustimmung rechts.) Unter einem gewissen Minimum von Mißhandlungen gehtes nicht, denn die Offiziere sind keine Engel, sondern energische temperamentvolle Menschen. Bedauerliche Ausschreitungen soll man nicht verallgemeinern und danach unsere Armee beurteilen. In den afrikanischen Kämpfen hat sich gezeigt, daß der alte Geist in unserer Armee noch lebt. Auch bei der Wassersnot in Schlesien   haben unsere braven Truppen in bewundernswerter Weise Beistand geleistet.(Zu- stimmuug rechts, Zurufe links.) Ich sage das nicht aus Ruhm- redigkeit, sondern erwähne es. damit man nicht aus einzelnen dunklen Punkten unzutreffende Schlüsse über unsere Armee zieht, namentlich jenseits der Grenzen.(Bravo I rechts.) Sächsischer BundeSratsbevollmächtigter General Lenckart v. Weiß- dorf: Das Unglück, das sich im letzten Manöver bei Roßla   ereignete, wo ein Unteroffizier und neun Mann ertranken, ist auf eine unglückselige Kette von Zufällen zurückzuführen, daS Verfahren gegen die beiden verantwortlichen Patrouillenführer ist daher eingestellt worden. Soldatenmißhandlungen verurteilen wir auf das entschiedenste. Nebergriffe kommen in einem großen Orga- nismus vor, sie sind aber vereinzelt und mit aller Energie und nicht ohne Erfolg wird dagegen eingeschritten. Bei der M i ß h a n d- £» n g im 17. Ulanenregiment hat es des Artikels in der sozialdemokratischen Presse nicht bedurft, die Militär- verivaltuug ist von selbst eingeschritten. In Oschatz   ist seit Jahren weder«in Fall von Mißhandlung noch von vorschriftswidriger Be- Handlung vorgekommen. Um so bedauerlicher waren die Angriffe auf den O b e r st in derLeipziger BolkSzeitung", wofür der Redak- teur ja auch zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Abg. Dr. Struvr(Bp.): Ich bedauere, daß der Kriegsminister sich gegen unsere Resolution gewandt hat, allein die persönliche Tüchtigkeit bei der Besetzung militärischer Stellen zu berück- sichtigen. Seine Ausführungen haben am besten die Notwendigkeit dieses Antrages bewiesen. Für die Art der Politik, die in den Kriegervereinen betätigt wird, ist bezeichnend, daß sie einem Welsen gegenüber dem früheren nationalliberalen Abgeordneten Dr. A r n i n'g zum Siege verholfen haben.(Hört l hört l links.) Die Ansicht des Herrn b. K r ö ch e r widerspricht den In der folgenden Nacht lag ich wieder wach. Ich überlegte, ob ich einen Zigarren- oder Zigarettenhandel aufmachen sollte wagte es aber nicht. Ich grübelte darüber nach, vielleicht mit Unter- stützung eines wohlwollenden Kollegen eine Stehbierhalle zu er- öffnen, warf den schamlosen Gedanken aber aus scharfen Gewissen�« bissen über Bord. Was nun?... Was jetzt?... Hilflos, un- gewandt, versuchte ich eS einen halben Tag als ungelernter Arbeiter auf einer chemischen Fabrik Chemie war immer meine Lieb- haberei gewesen die Augen der Erscheinung gaben mir keine Ruhe. Und wirklich, eS erschien mir absolut unsittlich, daß wir Mehr- wert für den Arbeitgeber schafften... Obendrein widersprach es meiner proletarischen Ueberzeugung. mir offnen Auges die Haut über die Eselsohren ziehen zn lassen. Tag für Tag brachte ich auf diese Weise zu. Je mehr ich mich wand, was ich tat, was ich ersann, immer geriet ich auf widerlichst« Weise mit meinen Prinzipien in Streit. Das Brot, das ich. war von unterdrückten Proletariern geknetet und gebacken. Der Asphalt, den ich beschritt, war von modernen Sklaven in den Straßen, gelegt. Die Schuhe, in denen ich ging, enitstammten Proletarierhänden. Der Rauch der Schornsteine gemahnte mich an die Menschentiere in den Bergwerken» die Schienen der Elektrischen an die in den Hochöfen Geopferten. Es war entsetzlich... Ich beschloß, allein ein Ende zu machen. Die Erkenntnis der gesellschaftlichen Mißverhältnisse war mir zu einer solchen Oual geworden, mein Gewissen lehnte sich derartig gegen die Taufende von Formen kapitalistischer Ausbeutung aus, daß ich nicht länger mitschuldig sein lvvllte. Die Auge» des gestrengen Freundes hatten mich wachgerüttelt. Wer sein Brot in dieser Zeit ehrlich verdienen wollte,»var im Grunde ein Schurke. Und besonder? ein Sozialist mit kritischem Wahrnehmungsvernvögen, der gegen den Kapitalismus und seine Auswüchse schrieb und wetterte, war ein charakterloser Hallunkr. wenn er seine theorelischen Grundsätze nicht praktisch durchführte. Das einzig reine, anerkenneswerte Prinzip war und blieb, die Gesellschaft zu kritisieren und dabei den Atem ansßuhauchen... Mit demErfurter Programm  " in der einen Hand und drei Bänden Marx in der anderen begab ich mich an die Spree, nahm einen Anlauf, sprang und wurde an einem Rockzipfel zurück, gehalten. Die mir das Leben gerettet, war eine Frau» dem Aeußeren nach zu urteile» eine Prostituierte.. Sperber, dummer Sperber," sagte sie,sind wir rnchj alle Stützen der Gesellsck?aft..-?" Schwer nur ließ ich mich durch ihre Rede von meinem Selbst, mordplan abbringen. Aber abends schrieb ich ein Feuilleton von sieben Spalten mit vielen Fortsetzungen für eine bürgerliche Zeitung und las es der Frau, die mich gerettet, mit extastischer Begeisterung und schluchzen, der Stimme vor. Ss eich igte die schwarze Mche. die wir die Haare weiß gemacht, H e i n z S p e r b. e r.