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Nr. 112. 29. Jahrgang.

Reichstag .

1. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt.

62. Sigung. Dienstag, den 14. Mai 1912, nachmittags 1 Uhr.

Am Bundesratstisch: v. Heeringen, Dr. Delbrüd. Auf der Tagesordnung stehen zum ersten Male

kurze Anfragen.

Präsident Dr. Kaempf ruft die vom Abg. Dr. Frank( Soz.) gestellte erste Anfrage auf.

Rhein erklärt hat?

Mittwody, 15. Mai 1912.

bedürfen die fanitären Zustände einer Erörterung. Wenn auch die unbegrenzte Arbeitszeit, fanitären Verhältnisse in den staatlichen Betrieben im allgemeinen jederzeit, auch Sonntags, tönnen fie von der vorgesetzten nicht ungünstig find, so gilt das doch nicht von diesen besonders Behörde zur Arbeit herangeholt werden.( Hört! hört! Bei den gefährlichen Betrieben. wo biel Staubentwicklung vorhanden ist, Sozialdemokraten.) Das ist etwas ganz Einzigartiges. Die Arbeiter undmit Aethern und Säuren gearbeitet wird. Früher wurde für die Arbeit verlangen eine begrenzte Arbeitszeit, eine angemessene Teuerungs­in diesen Betrieben eine Gesundheitszulage gewährt, aber seit 1905 ist zulage und eine erhebliche Lohnaufbesserung, weil sie ja einen diese Gesundheitszulage abgeschafft worden, während doch die Ge- doppelten Hausha führen müsser. fahr für die Gesundheit in gleicher Weise geblieben ist. Als der Arbeiterausschuß sich darüber beklagte und um die Einholung eines Gutachtens seitens des Reichsgesundheitsamtes bat, erhielt er vom Betriebsdirektor die Antwort,

nur 3,50 m.

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Die

In bezug auf die Lohnverhältnisse kann man der Militärs verwaltung wahrhaftig tein 2oblied fingen. In der untersten Klasse beginnen die Arbeiter mit 3,90 M. früher betrug der Lohn und nach fast einen Menschenalter fann der Arbeiter bis auf 4,80 M. fommen. die Arbeiter sollten ihren Mund zügeln. Solche Löhne find doch eines Staats­Abg. Dr. Frank( Soz.) verliest folgende Anfrage: Ist der Herr betriebes un würdig, zumal die Stadt Spandau eine sehr teure Reichskanzler bereit, Auskunft darüber zu geben, ob Holland ( hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Mit Borliebe wird in diese Stadt ist. Ihren eigenen ungelernten Arbeitern zahlt die Stadt feine Zustimmung zu der Erhebung von Schiffahrtsabgaben auf dem gefährlichen Betriebe junges Bolt geschickt; die älteren Arbeiter, einen Anfangslohn von 4 M. Aber die staatlichen Arbeiter, die sich die noch vom Jahre 1904 her die Gesundheitszulagen zu Zur Beantwortung erhält das Wort Geh. Regierungsrat Dr. bekommen hätten, schiebt man in andere Betriebe ab, wo sie nicht recht geschwollen königliche Arbeiter nennen sollen, bekommen nur Lehmann: Ich bin beauftragt, die Frage dahin zu beantworten, zu zahlen ist. Auf diese Weise spart man, und außerdem sind die 3,90 m. und auch das noch nicht lange. Von der kleinen Lohn­daß der Herr Reichskanzler zu seinem Bedauern nicht in der jungen Leute bequemer und haben nicht das Verständnis für Dabei ist diese kleine Lohnaufbesserung damals sofort durch die aufbesserung im Jahre 1907 zehrt die Heersverwaltung noch heute. Lage ist, über den Stand der Angelegenheit eine Auskunft zu die Gefahren der Arbeit, wie die älteren Arbeiter. Erhöhung der Mieten eslamotiert worden. geben. auch nicht gerechtfertigt, daß die Arbeitszeit bei den Abg. Dr. Frank: Ist der Herr Reichskanzler auch nicht bereit, gefährlichen Arbeiten ebenso lang ist, wie in den anderen Betrieben. Gesamtlage der töniglichen Arbeiter hat sich in den letzten Auskunft darüber zu geben, ob Holland sich geweigert hat, in Ver- Wiedereinführung der Gesundheitszulage, Verkürzung der Arbeits- Jahren nicht verbessert, sondern verfchlechtert, und zwar erheblich. Beim Uebergang handlungen über die Schiffahrtsabgaben einzutreten? zeit, häufigere ärztliche Kontrolle muß hier gefordert werden. Als nach Auffassung der Arbeiter in einen anderen Betrieb fangen die Arbeiter wieder mit Geheimrat Dr. Lehmann: Ich habe meiner ersten Auskunft ein Arzt eine Messingvergiftung fonstatierte, wurde er zur dem Anfangsgehalt an. Bei einem Beamten würde nichts hinzuzufügen.( hört! hört! links. Heiterkeit rechts.) Berantwortung gezogen, wie mir berichtet wird, bis er sein Gut­so etwas als unerhört empfunden werden. Bei dem Arbeiter hält Abg. Dr. Frank: Ist durch diese Autwort ausgedrückt, daß achten dahin abänderte, daß eine Meifingbergiftung man es für selbstverständlich. Was den Beamten recht ist, sollte Verhandlungen stattgefunden haben? Geheimrat Dr. Lehmann: Auch auf diese Frage bin ich nicht zutrifft; aber schon die Tatsache, daß die Arbeiter eine solche Auf- doch für den Arbeiter billig sein. Das gilt auch für die Be­in der Lage, irgend eine Auskunft zu geben.( Große Unruhe faffung, ein solches Mißtrauen haben, sollte der Verwaltung doch zu hoffentlich eine dahinzielende Resolution annehmen, wie er es schon Der Neichstag wird zahlung der Wochenfeiertage. lints. Heiterfeit rechts.) denken geben. In der Gewehrfabrik wird besonders über die Gün st= Abg. Fischer- Berlin( Soz.) verlieft folgende Anfrage: Ist der lingswirtschaft des Meisters Karl geflagt, ferner über einmal getan hat, und dann wird dieser Wunsch von der Verwaltung Herr Reichskanzler bereit, darüber Auskunft zu geben, ob bei der den Inspektor Friedel und den Direktor Major Weishaupt, hoffentlich endlich erfüllt werden. Die alten entlassenen Arbeiter haben gar keine Ansprüche. Die demnächst zusammentretenden Internationalen Schiffahrtskonferenz die die Arbeiter in unangemessener Weise behandeln und mit un auch Vertreter der Schiffsleute zu den Verhandlungen zu anständigen Redensarten regalieren, die nicht einmal in Einrichtung einer Pensionskasse gezogen werden? den Kasernenhof gehören und schon ganz gewiß nicht in eine Fabrit. ist ein sehnlicher Wunsch der Staatsarbeiter. Der Bentrum8­Staatssekretär Dr. Delbrück: Ueber das Zusammentreten einer( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auch im Feuerwerks- resolution über diesen Punkt werden wir selbstverständlich zu­Internationalen Schiffahrtstonferenz steht Endgültiges noch nicht fest. laboratorium haben sich seit dem Weggange des früheren Direktors stimmen. Sie ist aber viel zu fanft, denn sie verlangt nur die Daß zu den diplomatischen Verhandlungen Vertreter der Schiffsleute im Jahre 1908 die Verhältnisse erheblich verschlechtert Anstellung von Erwägungen über ihre Einrichtung. Es sollte ein zugezogen werden, erscheint unwahrscheinlich. Der von und eine nobile officium der Berwaltung sein, eine Pensionskasse ein Deutschland der Internationalen Konferenz zu unterbreitende Vor­Protektionswirtschaft schlimmster Art zurichten. In bezug auf die Wohnungsfrage fordern Begutachtung vorgelegt werden, da die international vereinbarten wird geklagt, der auch in politischer Beziehung seinen Einfluß geltend einer starten Feffelung unterworfen werden. schlag wird vorher dem Vorstand der Seeberufsgenossenschaft zur soll eingerissen sein. Namentlich über den Meister Schilling bie Arbeiter die Errichtung von Arbeiterwohnungen, Das ist sehr schweischneidig, weil dadurch Sicherheitsmaßnahmen für Deutschland im wesentlichen durch die macht und zu den Arbeitern, die sich an ihn wenden, sagt: Scheren wir im allgemeinen der Forderung nicht sehr freundlich gegenüber. In Deshalb ftehen von der Seeberufsgenossenschaft zu erlassenden Unfallverhütungs- Sie sich doch zu Herrn Liebknecht, der mag Ihnen helfen, wir Spandau haben die Arbeiter eine Baugenossenschaft gegründet borschriften in Kraft zu sehen sein werden. Der Vorstand der See- find dazu nicht da! Solche Ungehörigkeit sollte dem Herrn ernstlich und sich an die Staatsverwaltung um eine Beihilfe zu ihrer Funs ziehung zur Beratung und Beschlußfaffung über die zu erlaffenden wohl nach der Arbeitsordnung die afforde in Uebereinstimmung mit dierung gewandt. Mit Mühe haben sie auch eine allerdings une Borschriften gefeßlich angeordnet ist, bereits bei der Begutachtung den Arbeitern festzusetzen find, werden sie von Schilling stets zureichende Beihilfe bekommen. Die Arbeiter aber, die die Miträge Ende gemacht werden. allein festgesetzt. Seiner Paschawirtschaft muß unbedingt ein an die Zentralverwalltung gestellt haben, sollen jekt zur Verant wortung gezogen sein, weil sie den dreimal heiligen Instanzenzug Ueber die Betriebsunfälle in den Spandauer Werkstätten dringt Betriebe nichts zu tun. Ich meine, fie sollte unterstützt werden, nicht innegehalten haben. Dabei hat die Genossenschaft mit dem zu wenig an die Deffentlichkeit. Die Verwaltung sollte einmal eine Statistik der Unfälle vorlegen. Besonders geflagt wird über das ohne daß man für sie eine Abhängigkeit von der Verwaltung ezen bei der Arbeit. Die Arbeiter an der Presse nennt man allgemein Rennfahrer, ein deutliches Zeichen, wie dort gebegt wird. Daß die Gesundheit der Arbeiter bei solcher An­treiberei leidet, ist ganz selbstverständlich. Bessere Löhne für die deren Tätigkeit in ganz unzulässiger Weise eingeschränkt wird. Leute und die Zeit zu ruhiger Arbeit, das ist die beste Sicherheits- Sie werden viel zu felten gehört und die Verwaltung macht, was vorrichtung; alle anderen Sicherheitsvorrichtungen werden niemals sie will. Dabei fönnte die bureaukratische Verwaltung den Rat dieser die Gefahren aus dem Wege räumen, so lange nicht diese beste im praktischen Leben stehenden Männer meist gut gebrauchen. Die bespricht Petitionen des Deutschen Technikerverbandes und des Sicherheitsvorrichtung von der Verwaltung angewendet wird. Arbeiterausschüsse in den staatlichen Werkstätten lassen sich mit Bundes der technisch- industriellen Beamten auf Einführung von( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Charakteristisch für den famosen Sicherheitsmännern in den preußischen Bergwerken Beamtenausschüssen, Anerkennung der Organisation und Sicherung das Umgehen mit den Arbeitern ist ein Fall aus der vergleichen. Steht doch im Statut der Arbeiterausschüsse die Be­des Koalitionsrechtes. Die Forderungen diefer Organisation find Armeekonfervenfabrit. Ein Arbeiter war an das stimmung, daß die Behörde das Recht hat, den Arbeiterausschuß durchaus bescheidene, und die Verbesserungen geringfügiger Totenbett seines Vaters gereist und hatte sein Fortbleiben ent- ie der Zeit außer Kraft zu fezen.( hört! Hört! bei den Art, die diesen Angestellten gewährt sind, genügen nicht. Sodann schuldigen lassen, Nach der Arbeitsordnung soll die Entschuldigung Sozialdemokraten.) Ueberhaupt werden die Beschwerden der Arbeiter geht Dr. Liebknecht ausführlich auf die Wünsche der Unter- persönlich vorgebracht werden. Da er dies nicht getan hatte mit einer unerhörten Nichtachtung behandelt. Die Arbeiter schreiben beamten und Werkstättenarbeiter ein, denen gegen- und nicht hätte tun können, wurden ihm Vorhaltungen gemacht, es sich die Finger wund und es bleibt doch alles beim alten. Der über sich der Staat nicht wie ein Vater, sondern wie ein Stief- ergab sich ein Wortwechsel und er wurde entlassen. Von den Erholungsurlaub wird den Arbeitern verweigert und zwar bater benehme. Arbeitern, die einen Teil des Jahres bei der Landesaufnahme be­schäftigt werden, wird über Ginbehaltung der Dienst prämie beim Weggang geklagt. Ganz flug bin ich aus dieser Dienstprämie nicht geworden. Es scheint sich da lediglich um einen Abzug vom Lohn beim Aufgeben der Stellung zu handeln ein schr bedenkliches Mittel, um die Arbeiter bei der Landes aufnahme festzuhalten. Hier haben die Arbeiter nach der Arbeits­ordnung eine

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Abg. Fischer Berlin : Ist der Herr Reichskanzler bereit, wenn andere Staaten Seeleute zu diesen Konferenzen zuziehen, auch feinerseits Seeleute zuzuziehen?

Staatssekretär Dr. Delbrück: Ich habe meiner vorigen Er­tlärung nichts hinzuzufügen.( Heiterkeit rechts, Unruhe links.) Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Hierauf wird die

Einzelberatung des Militäretats

in zweiter Lesung fortgesetzt.

Abg. Dr. Liebknecht( Soz.)

Alle Anträge auf Einsetzung von Schiedsgerichten bei Streitig feiten, bei Vergebung von Urlaub, auf Bezahlung der Wochen­feiertage und dergleichen sind bisher gänzlich erfolglos gewesen. Ein ganz besonderes Martyrium haben die Pulverarbeiter hinter sich. Bei der Regelung der Verhältnisse dieser Arbeiter sollte man doch wahrlich nicht fleinlich verfahren. Es wird in der Pulver­fabrit über Mißstände im Kantinenwesen geflagt, besonders aber

Auguft Strindberg

( 22. Januar 1849 14. Mai 1912.) Strindberg ist Dienstag nachmittag 4 Uhr Strindberg ist Dienstag nachmittag 4 Uhr 30 Minuten in Stockholm gestorben.

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letzten Voraussetzungen des zivilisierten Lebens zurückzugehen und den innersten, noch mit der urhaften Natur verwachsenen Kern der Dinge herauszuschälen, ist überhaupt der vielleicht stärkste in Strindbergs Seele gewesen. Hier spricht auch die Erwägung mit: je weiter zurück wir die bereits von der Menschheit durchmessene Strede zu verfolgen vermögen, desto weiter vorauf, ins Künftige hinein fönnen wir den weiteren Verlauf festlegen. Wesentlicher jedoch ist der spezifisch dichterische Anteil an diesem Streben. Der Dichter, soweit er nur Sprachfünstler, doch in seiner Vollendung, ist, wird den alltäglichsten und abgegriffensten Worteinheiten und Wortgebilden in jedem einzelnen Falle auf den tiefsten Grund gehen, um durch die besondere und originale Art ihrer Anwendung und Kombinierung im Ausdruck schöpferisch zu wirken. Ist er dazu noch ein Seher und Deuter verborgener Lebensmächte, so muß er sich auch in die Dinge selbst seine eigenen Gänge bohren und ihren Ursprung feststellen. Strindberg hat in beiden Richtungen die stärkste Originalität bekundet. Doch während der revolutionierende und neubauende Sprachtünstler naturgemäß nur seiner schwedischen Muttersprache dienen konnte, bedeutet die bildnerische und bildende Macht seines Lebenswerkes einen Einsatz in die ganze europäische Kultur.

fordere.

Ein besonders ernstes Kapitel bilden die Arbeiterausschüsse,

aus finanziellen Gründen. Dabei fragen die Beamten, von denen diese Verweigerung ausgeht, aber nicht danach, was ihr eigener Urlaub den Staat fostet.( Sehr gut! bei den Sozialdemokraten). Die Verwaltung übersieht auch ganz, daß die Dienstfreudigkeit der Arbeiter durch einen Sommerurlaub gehoben und daß dadurch der finanzielle Ausfall wenigstens zu einem Teil wettgemacht wird. Angesichts dieser Verhältnisse spricht man von dem Wohlwollen der Militärverwaltung ihren Arbeitern gegenüber. In Wirklichkeit

zwischen ihm und Strindberg, namentlich in den Gelbstbekenntnissen beider, geradezu überraschend ist. Doch während Rousseaus Rück­fehr zur Natur den Feudalgesellschaften nur die innere politische Gleichberechtigung brachte, hat Strindberg aus seinen Jrr- und Biel -, feinen Himmels- und Höllenfahrten die sichere Gewißheit heimgebracht, daß die Entwicklung der Menschheit den völligen sozialen Ausgleich vorausgesetzt.

Der Sozialismus darf Strindberg voll für sich in Anspruch nehmen, nicht nur mit einzelnen Werken und Epochen seines wand­lungsreichen Daseins. Er hat das am Ende seiner literarischen Laufbahn so deutlich ausgesprochen, wie er es an ihrem Anfange niedergeschrieben hat. Wir haben im besonderen bei der ausführ­lichen Besprechung seiner Selbstbiographie" Der Sohn der Magd" ( im Vorjahre) darauf hingewiesen, daß hier zum ersten Male die Entwicklungsgeschichte einer Seele mit Bewußtsein unter die Ein­wirkungen des Klassengegensates gestellt worden ist. Es ist nicht einmal nötig, an die kommunistischen Utopien in der Wirklichkeit" zu erinnern, die künstlerisch übrigens nicht die Höhe Strindbergscher Kraft und Anschaulichkeit erreichen.

Hätte es noch eines letzten Beweises bedurft, um Strindbergs einzigartige Bedeutung für das heutige europäische Schrifttum darzulegen, so war es der Zeitpunkt, an dem, die Art, in der man einem gabereichen Schöpferleben demonstrativ die Dantesschuld ab­trug. Diese späte Anerkennung, zu der sich die Schwedische Ata­demie, als Verteilerin des literarischen Nobelpreises, auch in Jahr­zehnten noch nicht verstanden hätte und die sich daher in privater Generosität und öffentlichen Sammlungen äußern mußte, galt nur noch einem Sterbenden. In sein Todesleiden, das die freudige Spannung der Festtage wohl kurz unterdrücken konnte, fiel als feierlicher Abglanz der Schein jener Fackeln, die am Abend des 22. Januar huldigend unter seinem Balkon vorüberzogen. Die Wichtiger dürfte es sein, auf scheinbare Abweichungen ein­Blumen des Tages streute er auf die Fackelträger als Dank für die zugehen, wie sie in der mit Nießsche in Verbindung gebrachten einzige Ehrung, zu der er seine Person herausstellte Denkmals- Strindberg begann als ein schneidiger Gesellschaftakritiker zu radikal- individualistischen Ethik der Romane vom Anfang der sehen, Festreden und Bantette, Teilnahme an den Theaterauf- einer Beit bereits, als bei uns noch alles im schönsten Dornröschen- neunziger Jahre," An offener See" und" Tschandala", der führungen hatte er mißbilligt, wie er auch die Nationalspende zur schlaf der Bußenscheibenpoesie ruhte. 1879 trat er, nach bemerkens- okkultistischen Zeichen- und Buchstabengläubigkeit seiner lekten Hälfte gleich wieder an die Arbeiter zurückgab. So, wie in dieser werten Satiren auf das moralisch und geistig versumpfte Studenten- Jahre vermutet werden könnten. Diese beiden Anschauungen, lebten großen öffentlichen Geste, ist Strindberg, trotz allem Haß, tum mit dem Roman" Das rote Zimmer " an die Spize seiner Gene- deren zweite sich ziemlich direkt aus der ersten entwidelt hat, find ben er gegen echte und vermeintliche Widersacher schoß, trok aller ration. Das war ein ganzes und umfassendes Gemälde zeitgenössi- im wesentlichen als rein persönliche Regulative des Dichters be­Welt- und Menschenflucht, in die ihm zu schwacher Widerhall, zu scher Kulturverrottung, gesehen aus der Perspektive seiner Stock- absichtigt und auch so anzusehen. Eine individualistische Ethik, farger Ruhm gejagt, dennoch die vierzig Jahre seines dichterischen holmer Heimats- und Umwelt. Was damals den Dichter mit einem die dem Sozialismus widerspräche, gipfelt fonsequenterweise in Schaffens hindurch gewesen: ein Diener am Werte der Menschheit Schlage erhob und sein Buch noch heute unveraltet erscheinen läßt, einer Glorifizierung der kapitalistischen Gewaltherrschaft. Auf und Menschlichkeit, fein spielerischer Artist noch eitler Selbstver- war die darin bewährte Gestaltungskraft, insonderheit ein uner- dieses Niveau ist aber Strindberg niemals herabgestiegen, ebenso­götterer. bittlich überzeugender Realismus, nicht minder, als der darin ver- wenig wie Nieksche selbst; das blieb erst seinen angeblichen Jüngern Seine Person, selbst in ihrer leiblichen Begrenzung, war ihm arbeitete Gehalt, mit dem der Sozialismus ernsthaft in die schwe- bösartiger oder ahnungsloser Richtung vorbehalten. Allerdings gerade gut genug, als Objekt der Erfahrung durch immer neue dische Literatur eintrat. In dieser war, ganz analog zur deutschen fordert Strindberg in jener Epoche eine Klassenscheidung, aber Phasen menschlichen Daseins, des äußeren wie des inneren, geführt Literatur des 19. Jahrhunderts, eine gegenwartsfremde Romantik nicht nach Maßgabe des Besizes und der Gewalt, sondern nach zu werden. Und wenn auch die stets erneute Erfahrung ihm stän- von ersten realistischen Versuchen abgelöst worden, deren rebolu- Maßgabe der Intelligenz und der Bildung. Mit dieser Unters dige Qualen bilden mußte, so schuf die immer reichere Gestaltung tionierende Darstellungsform durch den neuen Ideengehalt der scheidung nähert er sich allenfalls den früheren sozialen Utopien, eine Erlösung davon für alle jene Zeiten, in der diese Erfahrungen bürgerlichen Freiheitsbestrebungen, der Kämpfe um Verfassung, wie sie etwa in Platons Staat vorgezeichnet sind. Seine Bec für die Menschheit in Geltung bleiben werden. Man weiß, in wie- Breßfreiheit und dergleichen, bedingt war. Diese Bestrebungen ligiosität ist aber niemals mit der Forderung allgemeiner Gültig­biel Berufen sich Strindberg versucht hat, ehe er sich ausschließlich wiederum hatten bekanntlich ihre Vorgänger im 18. Jahrhundert, feit proklamiert, geschweige denn als bewährtes Mittel der Bolts­auf seine Feder verließ, wie er Lehrer und Prediger, Mediziner praktisch in der französischen Revolution, literarisch in Rousseau unterdrückung empfohlen worden. Daß er sich jedoch überhaupt und Schauspieler, Maler und Telegraphist, Zeitungs- und Biblio- und dem deutschen Sturm und Drang gehabt. Eine schwedische auf solche Nebenwege begeben konnte, lag daran, daß das ihm thetsbeamter gewesen ist. Und all das vorwiegend in dem Be- Literaturgeschichte hat diese ganze Bewegung, die im Gefolge der eigene, proletarisch gefärbte Klassenbewußtsein nicht bis an die streben, nicht den bequemsten und nahrhaftesten Posten zu finden, bürgerlichen Revolutionen und parallel zu ihnen unterbrochen ökonomischen Wurzeln hinabragte, sondern in die stets bewegte sondern eine Möglichkeit, darin nach Maßgabe seiner besonderen das erstemal durch Klassizismus und Romantit, das zweitemal durch Oberfläche seines wogenden Temperaments eingebettet war. Fähigkeiten und Kräfte für die Gesamtheit und den Fortschritt die klassizistischen Epigonen in Schweden grad so wie bei uns- Was seine Ueberzeugung blieb, hat er trotzdem nie auf dem wirksam zu werden. So suchte er nicht nur im Umkreis seiner verlief, als Rousseauismus bezeichnet. Das ist eine fachliche Ueber- Markt verhandelt. Ibsens irdischen Ruhm, des flügeren, aber weit Gegenwart allenthalben heimisch zu werden, sondern ging auch der treibung im Hinblick auf den einzelnen Rousseau ; der Inhalt einer färgeren Talents, hat Strindbergs überschäumende Lebens- und Vergangenheit divinatorisch, aufspürend, wissenschaftlich forschend so ausgedehnten Epoche wird nicht von einem einzigen, noch so über- Bildnerkraft sich nicht sichern können. Er wollte in keinem der bis in die tiefsten Schichten nach; in seinen naturwissenschaftlichen legenen Kopfe bestritten, sondern empfängt von den wechselnden Lager zu Hause sein, in denen heute die Macht wohnt, und in Studien oder in seinen historischen Dramen und Erzählungen oder beharrlichen Realitäten der Beiten stets von neuem seine dieser Erkenntnis hat ihn die Macht darben und im Dunkel ge­näherte er sich den Voraussetzungen des Lebens eigener Erfahrung Nahrung. Aber der Name Rousseaus ist hier immerhin weg- lassen. Und dies ist der erste und letzte Beweis seiner in die Zu erkennend und gestaltend. Der fanatische Trieb, überall hinter die weisend, um so mehr als die Uebereinstimmung der Charaktere tunft ragenden Größe

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