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Hr. 112. 29. Iahrgauß. Der Protett der Freien YMMHne. Zu einer überaus eindrucksvollen Kundgebung gestaltete sich eine Protestversammlung der Freien Volksbühne  , die am Montag- «bend in denConcordiasälen" in der Andreasstrage stattfand und non weit über MM Personen besucht war. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit wieder die erfreuliche Tatsache, wie grotz und wie stattlich die Gemeinde ist, die sich um diese Institution schart. Schon zwei Stunden vor Beginn der Versammlung traten die ersten Besucher an und bald war der weite Raum bis auf den letzten Platz besetzt. Markante Köpfe aus der Berliner   Arbeiter- bewegung, aus dem Literatur- und Kunstleben tauchten auf, und zahlreich waren die Pressevertreter anwesend; alles Merkmale da- für, wie groß die Bedeutung der Freien Volksbühne   ist und wie tief und fest sie in der Berliner   Bevölkerung wurzelt. Die Ursache zu dieser Protestaktion ist ja hinreichend bekannt. Sie richtet sich gegen das vom Berliner   Polizeipräsidium erfolgte Verbot der Auf- führung des StückesDie im Schatten leben", dessen Verfasser der verstorbene frühere Reichstagsabgeordnete R o s e n o w ist, sowie gegen das Verbot der Polizeidirektion von Neukölln, wonach der Vortrag des OratoriumsDer heilige Franzikus" von Edgar Tinel   am Karfreitag nicht erfolgen darf. Der erste Redner. Reichstagsabgeordneter Dr. Frank-Münnheim, frürmifch begrüßt, führte ungefähr folgendes aus: Im Deutschen Reich wird man nach dem bürgerlichen Recht mit dem 21. Lebens- fahre mündig. Bei der Freien Volksbühne   ist das umgekehrt. Sie konnte 20 Jahre lang das Recht der Mündigkeit besitzen, um zum 21. Lebensjahre von der Polizei als Geburtstagsgeschenk die Ent- mundigung zu erhalten, und zwar erhielt sie als Vormund den einreichend bekannten Polizeipräsidenten v. I a g o w von Berlin  . Das erste Muster polizeilicher Bevormundung liegt schon vor uns in dem Verbot des Schauspiels von Rosenow:Die im Schatten leben". Fragen wir warum? Ja. sage die Polizei, das geschehe aus Günden der öffentlichen Wohlfahrt und sie beruft sich dabei vus den Titel I des Z 10 aus dem Preußischen Landrecht, den sie zu dresem Zwecke aus den verstaubten Aktenschränken hervorgesucht hat. Wie kann die Aufführung dieses Stückes die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden? Beim Durchlesen dieses Schau- spiels findet man nichts, aber auch rein gar nichts, was darauf schließen läßt. Sollte es etwa deshalb sein, weil der Verfasser ein sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter gewesen ist? Die Polizei hat ja auch auf anderen Gebieten gezeigt, wie sie das Aenfurrecht auffaßt, so z. B. als sie die Plakate des Zweckverbandes für Groß-Berlin, gezeichnet von der Künstlerin Käte Kollwitz, konfiszierte; wahrscheinlich, weil sich Hausbesitzer in ihren heiligsten Gefühlen verletzt fühlten. Genau so sucht sie zu verhindern, daß die' Schattenseiten der Großindustrie mit ihrer Wohlfahrtsplage öffentlich vorgeführt werden. Wenn aber Zustände vorhanden sind, die durch sich aufreizend wirken, dann soll man deren Schilderung nicht verbieten, sondern die Zustände ändern oder abschaffen; denn ein häßliches Gesicht wird nicht anders, wenn man den Spiegel verhängt.(Lebhafte Zustimmung.) In Frankfurt   a. M. konnte das Stück aufgeführt werden, ohne daß die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Gefahr geriet. Was man den Mußpreußen im Süden gestattet, wird im Norden den Berlinern verboten. Dagegen müssen wir uns ganz energisch wenden. Die Polizei tat aber noch mehr. Der VereinVolkschor" wollte am Karfreitag das Oratorium Der heilige Franziskus" aufführen. Die Polizei verbot es, mit der Begründung,daß das Oratorium keine rein geistliche Musik" enthalte. Aber auch die Heiligen seien nicht von irdischen Bestand- teilen frei gewesen, ehe sie in den Himmel auffuhren. Er(Redner) nehme an, daß die Polizei, als sie dieses Verbot erließ, tatsächlich von allen Heiligen verlassen gewesen sei.(Große Heiterkeit.) Viel- leicht wurde es verboten, weil die Armut darin vorkommt und der Krieg. Die Polizei will verhindern, daß ein Schauspiel oder Ora- torium ausreizend wirkt. Wenn es uns aber darauf ankäme, auf- zureizen, dann könnten wir nur wünschen, daß jede Woche zwei Stücke verboten würden. Ja. wenn Jagow nicht da wäre, er müßte erfunden werden.(Sehr richtig!) Vielleicht war es nur ein glücke lichet Zufall, daß die Freie Volksbühne so lange unbehelligt ge� blieben ist. Hat sie doch überall gezeigt, bei der Jugend, bei den Frauen usw.. überhaupt, wo aufstrebende Kräfte sich bemerkbar machen, daß die Polizei hindernd in den Wg tritt. Eine Freie Volksbühne werden wir erst von dem Tage an haben, wo wir ein freies Volk geworden sind. Dann wird die Volksbühne im wahren Sinne des Wortes eine Bühne des Volkes sein. Die im Schatten leben drängen zur Sonne   mit ihnen gehen wir morgenwärts und sonnenwärts!(Tosender Beifall.) Hierauf machte der Vorsitzende Baake bekannt, daß der Ab- geordnete Dr. Gothein, der nach Frank reden sollte, mitge- teilt habe, daß er durch eine dringende Fraktionssitzung verhindert sei, zu dieser Versammlung zu kommen. Des weiteren teilt er mit. daß er sich bemüht habe, das Urteil eines unparteiischen Musik- kenners über das OratoriumDer heilige Franziskus" zu erhalten. Das sei ihm gelungen, und zwar habe der Zentrumsabgeordnete Dr. Pfeiffer ihm folgendes geantwortet: Sehr geehrter Herr Kollege! Das Verbot de? Oratoriums Franziskus" von Ek�or Tinel setzt mich in Erstaunen, ja. ich kann es einfach nicht verstehen. Das Werk ist allerdings keineKirchenmusik", sicher abergeistliche" Musik. Ich kenne es ganz genau, da eS in Bamberg   vor mehreren Jahren viermal Tufgcfichrt wurde. Ick bin der Ansicht, daß das Oratorium dem Charakter des ernsten Karfreitags nicht widerspricht. Ich b e- grüße geradezu diese Wahl für die Volksbühnenzuhörer; die ohne alle religiösen Aspirationen an das Werk herantreten, werden durch die musikalische Kraft, mit der das Wollen eines heroischen Geistes erfaßt und interpretiert wird, eine große Erhebung er- fahren. Nach dem leichten. Leichtsinn widerspiegelnden Em- leitungsteil kommt besonders zur Geltung das prachtvolle Lied von der Armut und der grandiose Hymnus an die Sonne, beides von tiefer und reifer Schönheit. Ich spreche den W u n s ch a u s. es möchte die angerufene Oberinstanz alsbald daS Werk fror g e b e n im Interesse der Volksbildungsbestrebungen, und wünsche Ihren Bemühungen besten Erfolg. Mit ausgezeichneter Hochachtung Dr. Pfeiffer, M d. R." Baake fügte diesem Schreiben noch hinzu, daß es sich gezeigt habe, daß die Polizei noch schwärzer ist als das Zentrum. Als zweiter Redner nahm Kunstschriftsteller Dr. Max Osborn das Wort und gab einen kurzen Abriß von der dichterischen Person- lichkeit Roseno-vs und seiner Werke. Das verbotene Schauspiel Die im Schatten leben" führt uns den Dichter in seinem reifsten Können vor. Gewiß: DaS Stück ist ein soziales Schauspiel. Die Menschen, die darin vorkommen, zählen zu den Enterbten. Redner gibt eine kurze Skizze von dem Schauspiel Rosenc-wsDie im Schatten leben" und sagt weiter: Man kann darüber streiten, ob in dem Stück dem Dichter künstlerisch restlos alles geglückt ist. Aber das ist eine Frage der Kunst, der Aesthetik, doch nicht der Zensur. Nichts ist dann, was verhetzend wirkt. Gewiß ist das Stück aus tiefstem menschlichem Empfinden geboren, aber es ist keine hetzerische Mache, sondern eine großangelegte Zustands- schilderung. Die Kunst�Rosenows wurzelt im Erleben, daher die wirksame Kraft seiner Dichtung. Gerade in dem kleinen persön- kicken Leben, nicht in großen sozialen Kämpfen steht das Stück, das kein Hetzwerk ist, sondern einen erhebenden Lebensappell darstellt. Daher gibt es nur eine Forderung: Fort mit der Zensur!(All- leitiger Beifall und Zustimmung.) Der nächste Redner war alMloil Wwch. 15. W 1912. Landtagsaibgeordneter Ströbcl, dem die Versammlung stürmische Ovationen darbrachte. Er er- klärte, daß die ganze Richtung, das ganze System dem Geist des preußischen Abgeordnetenhauses entspreche und dem Dreiklassen- system angepaßt sei. Tie Theaterzensur hat sich von jeher schon durch ihre Lächerlichkeit selbst gekennzeichnet. Redner gibt eine ganze Reihe von Beispielen zum besten, die die Lächerlichkeit der Zensur bezeugen. Aber die Zensur hat auch eine ernste Seite, und selbst ein Mann wie Treitschke   hat darüber sehr herb und bitter geurteilt. Der Zensor kann ja an sich ein ganz gemütlicher und griter Herr sein, aber das Amt verführt geradezu zum Mißbrauch. Daher müssen wir mit aller Kraft darauf hinarbeiten, daß jedes polizeiliche Einspruchsrecht auf dem Gebiete der Kunst beseitigt werde, um so mehr, als die Zensur den Zweck hat, den modernen Geist und den Fortschritt zu treffen, den Geist, der sich auflehnt gegen polizeiliche Bevormundung und Knechtung. Es gilt, die Frei- heit der Kunst hochzuhalten, die Freiheit der Kunst bis zum Miß- brauch; es mutz der Kunst schrankenlose Freiheit gewährt werden. Auch die Tendenzkunst hat Anspruch auf schrankenlose Entfaltung, auch sie kann Kunst sein, das zeigt z. B. Schiller in seinen Jugend- werken. Will das Volk aber den Kampf aufnehmen gegen jede Unterdrückung und Behinderung der Kunst, so muß es auch den politischen Kampf mitkämpfen. Denn nur mit den politischen Zu- ständen können und werden sich die Existenzbedingungen der Kunst günstiger gestalten.(Stürmischer, langanhaltender Beifall.) Nach Ströbel sprach Herr Gutmann, einer der künstlerischen Berater desVolkschors", über die Heber- griffe der Zensur auf musikalischem Gebiete, und ging besonders auf das Verbot der Aufführung des Oratoriums durch die Polizei- direktion von Neukölln ein, die vermutlich nur das kleine Textbuch gelesen habe, sonst aber die Musik gar nicht kenne. Redner gibt dann noch mehrere Erlebnisse aus dem Zensurwesen bekannt. So sei er(der Redner), als er in Lichtenberg   vor der Arbeiterjugend einen Vortrag über Beethoven   hielt, von der Polizei mitten im Vdrtrag unterbrochen worden, die von ihm, laut Verfügung von 1847, einenErlaubnisunierrichtsscheiu" verlangte. Da er einen solchen Schein nicht vorweisen konnte, mußte er den Vortrag ab- brechen. Genau so erging es dem bekannten Schriftsteller Bab, der über Goethe sprechen wollte.(Pfuirufe und Beifall.) Ms letzter Redner trat Dr. Breitscheid, von der Versammlung lebhaft begrüßt, auf, der bedauerte, daß man in Deutschland   solche Vorstöße der Reaktion noch immer viel zu sehr auf die leichte Schulter nehme. Genau wie bei den Vorgängen im Abgeordneienhause, sei es auch hier bei den Zensurverboten die- selbe Schicht, die Protest erhebe. Die Polizei maßt sich Funktionen an, die geradezu mittelalterlich anmuten. Sie kann verfassungs- mäßige Rechte und Gesetze einfach aufheben und illusorisch machen, sie ist so mächtig, daß sie das Strafgesetzbuch außer Kraft setzt, sie verbietet, künstlerisch wertvolle Plakate an der Litfaßsäule anzu- bringen und dergleichen. Es ist alles eine Linie und die heißt: Jagow Erffa Dallwitz.(Lebhafte Zustimmung.) Ein« freie Kunst kann es nur geben, wenn wir ein freies Parlament und ein freies Wahlrecht haben. Wir werden vom Zensor befreit, wenn wir vom Zensus befreit sind. Die im Schatten leben werden gehen wie Lisa in Rosenows Werk groß, aufrecht und ohne sich umzusehen.(Stürmischer Beifall.) Der Vorsitzende Kurt Baake faßte das Ergebnis der Ver- sammlung dahin zusammen, daß man angesichts dieser grandiosen Kundgebungen auf eine Resolution verzichten könne, da die Stirn- mung Oer ganzen Versammlung einmütig in der Forderung zum Ausdruck komme: Fort mit der Zensur! Das Verlangen nach Be- seitigung der Zensur, nach unbeschränkter Freiheit der Kunst sei so selbstverstänidlich, daß man dafür nicht erst die Hände zu erheben brauche. Die beste und treffendste Antwort auf die Verbote der Polizei sei ein Massenbeitritt zur Freien Volksbühne, daß aus den 18 000 Mitgliedern 2S OM werden. Mit einem dreimaligen Hoch auf die Freie Volksbühne war die imposante Versammlung zu Ende. Hus Induftne und Handel Prozente aus dem Zwischendeck. Emden   soll der dritte deutsche A u Swa nd e r er Hafen werden. Warum nicht Abfahrtstell« der Kabinenpassagiere und weshalb nicht Frachtstapelplatz? Warum gerade Zwischendeckler- bafcn? DieKreuzzeitung  " gibt in einem Anfall von gesunder Ehrlichkeit die Antwort darauf, sie lautet:Die Auswande- r u n g war es auch die Hamburg   und Bremen   den Uebergang von der Segelschiffahrt zur Dampfschiffahrt erleichterte, die ihnen die Möglichkeit gab, jo große Flotten prächtiger und schneller Dampfer zu schaffen, wie sie ihnen heute zu Gebote stehen. Auf dem Massen- verkehr der Auswanderer beruht der Aufschwung der Bremer   und Hamburger   Schifahrt. Er bringt die gößten Einnahmen, nicht der Luxusverkehr der ersten Klasse. Erbrachten doch auch auf den deutschen   Staatsbahnen 1000 die erste und die zweite Klasse nur 102, die dritte und vierte Klasse aber OM Millionen Mark!" Welch tröstender Gedanke! Die Hunderte von Zwischendeck- Passagieren derTitanic" wurden geopfert, ihr mühsam zusammen- gekratztes Ueberfahrtsgeld macht den geretteten Millionären das Leben angenehm. Es entbehrt nicht einer gewissen Raffiniertheit des Kapitalis- mus, einen neuen Auswandererhafen, den dritten für Deutschland  , zu schaffen, und dazu als Finanz- und Arbeitsgruppe den Fürstenkonzern zu benutzen. Welch tröstlicher Gedanke, das Fahrgeld der Zwischendeckler. denen mit eisernen Gittertoren der Zugang zum Oberdeck versperrt wird, es wird nicht nur die erste und zweite Klasse von Emden   aus rentabel machen, es soll auch die anderen Geschäfte des Fürstentrusts wieder auf die Höhe der ersten Klasse bringen! Naturgemäß ist bei der als sicher anzunehmenden Gründung des Emdener AuSivandererhafenS die Stellung der älteren Jnter- essenten im ozeanischen Passagier- und Frachtverkehr von größter Bedeutung. Die Hamburg-Amerika-Linie   und der Norddeutsche Lloyd  , Hamburg   und Bremen  , was sagen sie zu Emden,  ? ES sind Frager die noch durchaus ungeklärt erscheinen, auf Konflittsttirm wies der Ansmarsch von Homburg   und Bremen   aus einer der fürstlichen Schifsahrtsgesellschaften hin. Konkurrenz besteht im Grunde heute mehr denn je zwischen der Hapag   und dem Lloyd. Da? ist aber ein Krieg nach innen, dem Publikum gegenüber herrscht Einigkeit. Kapitalistisch ein sehr gesundes Prinzip, wer sollt- sonst auch die Zeche zahlen, die die beiden Schifsahrtsgesellschaften auf- machen? Mit der internationalen Konkurrenz und Feindseligkeit der Schi fs sgesells cha st e n ist-- überhaupt eine eigene Sache. Was ist nach derTit<mic"-Katc>s!rov5e nicht alles in den bürgerlichen Blättern von der Konkurrenzwut, dem Bedürfnis möglichst viele Passagiere auf die eigene Seite zu ziehen usw. usw., geschwätzt worden. In Wirklichkeit liegen die Dinge ganz anders. Wie die beiden deutschen   Gesellschaften schon selbst zugegeben haben, bestand bis, Februar 1912 seitdem, soll er, wie kürzlich mitgeteilt wurde, nicht mehr bestehen, zwischen dem Nord­ deutschen Lloyd  , der Hamburg-Amerika-Linie  und der International Mercantil Marine Co., dem sozenannteu Morgantrust, dem auch die Whitestarlinie angehört, ein äußerst exakt und weitreichender gemeinsamer Arbeitsplan. Ter Vertrag, der durchaus ein Schutz-, und Trutzbündnis gegenüber anderer Konkurrenz darstellt, setzte fest, daß die Linienlegung gegen» fettigen Aussprachen vorbehalten sei, sogar die Schaffung neuer Linien erst gemeinsam zu besprechen wäre. Es war auch festgelegt, daß die Gesellschaften sich gegenseittg mit ihren Schiffe» ausgu- helfen haben. Ohne Zustimmung der beiden deutschen   Gesellschaften darf kein Trustfchiff an einem deutschen   Hafenpier anlegen, ebenso haben die beiden deutschen   Schisfahrisgesellschaften Bestimmungen anerkannt, demzufolge sie sich im Verkehr mit englischen Häsen gewisse Beschränkungen auferlegen. Ja, noch viel mehr, die drei Gesellschaften hatten sich unterein- ander sogar finanziell beteiligt. Und zwar auf folgender eigen- artiger Basis. Einmal war festgelegt, daß gegenseitiger Aktien- erwerb nicht zulässig sei. Es sollte so die Gefahr der Einfluß- gewinnung auf Grund von Aktienmacht bei irgendeiner der drei Gesellschaften durch eine der anderen zwei behindert werden. Da- mit aber trotzdem das finanzielle Gemeinsamikeiisinteresse gewahrt bleibe, wurde festgelegt, daß die beiden deutschen   Gesellschaften. Hapag und Lloyd, sich verpflichteten, dem Trust alljährlich den An­teil an Dividende auszuzahlen, der einem Besitz von 20 000 000 Mari: Aktien entsprechen würde. Diese Anspruchssumme auf Dividende sollte bei Kapitalserhöhung bis auf 25 Prozent des gesamtem Aktienkapitals zu erhöhen sein. Das ist sicher auch geschehen., den» 1902 besaßen die beiden deutschen   Unternehmen je 80 Millionen Mar! Aktienkapital, während sie heute zusammen 275 Millionen Mark besitzen., t Verblüffend ist. daß jetzt, bei der Herausgabe des Prospektes zur Begründung einer neuen Kapiialaufnahme von 25 Millionen Mark plötzlich die Hapag   mitteilt, dieses Abkommen ist 1902 im Februar nach zehnjährigem Bestand abgelaufen und nicht wieder: erneuert worden? Zu fragen, wäre dabei aber noch, ob nicht«in anderes Abkommen geschlossen worden ist. Der ozeanische Z w i s ch en d c ck p o o l ist schon seit einer gan- zen Reihe von Jahren in Kraft und erst vor kurzem wieder einmal erneuert worden. An den Preisabmachungen über den Zwischen- deckverkehr sind alle wichtigen deutschen, englischen und amerikani- scheu Gesellschaften beteiligt. Sie haben den Zwischendecklertrans- port untereinander in bestimmten Quoten verteilt. Wird auch nur in einem Monat durch eine Gesellschaft die ihr zugesprochene Quote am Auswandererverkehr überiroffen, so muß sie die Fahrpreise er- höhen, der Verkehr flutet automatisch nach, den anderen Linien zu ab. Es schien vor der Erneuerung dieses Zwischendeckpools, daß wegen des Auswandererverkebrs nach Kanada   scharfe Konflikte ent- sieben sollten. Sie haben sich'doch zusammengefunden, wenn auch nicht gerade als die besten Freunde, so aber doch wenigstens gegen den gemeinsamen Zwischendeckpassagier, der planmäßig zu neppen ist, damit die erste und zweite Klasse des Ozeanverkehrs rentabel bleibt..... Welche Stellung Emden  , und seine neue Auswandererlinie zu diesem Zwifchendeckpool einnehmen wird, was für Raten sie be- willigt erhalten wird, das ist alles noch unklar. Es hat schon die schärfsten Konkurrenzkämpfe zwischen Poolgefellschafien und Außen­seitern gegeben. Der Pool läßt in solchen Fällen auf gemeinsame Kosten Konkurrenzschiffe mit Kampfraien solange fahren, bis der Konkurrent mürbe geworden ist. Dasselbe geschieht auch im eigent- liehen Frachtengeschäft. So im vorigen Jahre in der Fahrt zwischen Wladiwoswck und Deutschland   im Sojabohnenfrachtgeschäft. Alles in allem: oben, für die erste und zweite Klasse, werden die Rekords gebrochen und neue aufgestellt, für die Millionäre uud Hunderttausenddollarleute werden die Luxusdampfer gebaut, und die Zwischendeckler sie zahlen, sie sichern die Divi- denden! Das ist die kapitalistische Hauptsache. Wozu soll da noch das Leben der Zwischendeckler geschützt werden?, für daß der als Der Frauentag in Oesterreich  . Aus Wien   wird uns geschrieben: DaS Frauenreichskomitee hatte den Genossinnen empfohlen, dieses Jahr von einer Straßendemonstration abzusehen. Aber als der 12. herankam, zeigte es sich, daß eine Anzahl von Bezirken nicht verzichten wollten, gemeinsam zu der(einzigen) Versammlung im Sophie nsaal zu ziehen. Viele trugen rote Fahnen, Standarten und Banner an der Spitze. Mit breiten roten Schärpen geschmückte Genossinnen gingen einigen Zügen voran. Auf mächtigen weißen Leinensireifen standen in flammend roter Schrift die Worte: Heraus mit dem Frauenwahlrecht".Wir fordern die politische Gleichberechtigung".«Zum Zahlrecht das Wahlrecht."»Witwen- und Waisenversorgung" usw. Zu Beginn der Versanimlung sang der GesangvereinFreie Typographia" einen Freiheilschor und das SonntagSlied von O. W. P a y e r.(Genosse Nenner.) Dann eröffnete Genossin Therese Schlesinger   namens des Frauenreichskomitees die macvtvolle Versammlung mit einer eindrucksvollen, die Bedeutung des Tages würdigenden Rede. DaS Referat erstattete Genossin Popp. Daiiil sprach Genossin Anna Bosch ick namens der gewerk- schafllich organisierten Arbeiterinnen. Mehrere Vertreter der Partei würdigten die Bedeutung des Frauenwahlrechls die gesamte Arbeiterklasse. Genosse S e i tz schloß damit, er de» Tag, an dem zum erstenmal auch eine Frau sozialdemokratischen Fraltion im Parlament angehören würde, eiiien der schönsten und bedeutungsvollsten für die Partei bezeichnete. Dann erhielt nock Genossin S ch e r e r als Vertreterin der polnischen Arbeiterinnen das Wort. Als die Genossin noch einige Worte in polnischer Sprache sprecken wollte, protestierte der Vertreter der Regierung, was tosende Pfuirufe hervorrief. Für die bürgerlichen Frauen hatte sich Frau Adele Gerber das Wort erbeten und sie erklärte, mit ihren Gesinnungsgenossinnen den Kampf um das Wahlrecht unermüdlich führen zu wollen. Nach Annahme einer Resolution zogen die Genossinnen auf die Ringstraße. In Niederösterreich   haben außer der Wiener   Versamm- lung noch 17 Versammlungen stattgefunden. In Steiermark  fanden 28, in K ä r n t e n uud Tirol je 0 Versammlungen statt. In Vorarlberg  , O b e r ö st e r r e i ch, Salzburg  , Mähren  ulid Schlesien   gab es überall glänzende Versammlungen. In B v h m e n fanden mindestens 90 Versammlungen statt, darunter� viele, die für einen ganzen Bezirk tagten, wohin die Ortschaften in geicklosseiiem Zuge marschierten. Uud das ist der Stolz der Ge- nosstnnen, daß ihre Arbeit, ihr Streben so viel Beachtung findet und von den Vertrauensmännern und Abgeordneten der Partei auch als ihre Sache betrachtet wird.Auch Männersache" nannte unser Genosse Viktor Adler   den Kampf um das Frauen- Wahlrecht. Außer den deutschen   Sozialdemokratinnen in Oesterreich   haben auch die polnischen, die tschechischen, die slowenischen und die italienischen Arbeiterinnen glänzende Versammlungen abgehalten._ Huö der frauenbe�egung. Vom Francntag im Reiche liegen noch folgende Meldungen vor: In Kassel   erhoben(nach einem Privatte''gramm) 2500 Frauen und Männer die Forderung des Frauenwahlreehts und Protest gegen Junkeisrechheit. 150 Neuaufnahmen fanden statt. In Adlershof   referierte Genosse Banh. Folgende Zusatzresolution fand Annahme:Gleichzeitig erheben die Versammelten energisch Protest gegen die fortwährende schmachvolle Vergewaltigung derBer- Ireter der Arbeiterklasse im preußischen Abgeordnetenhause; gegen jene Mehrheit nnd jenen Präsidemen, die sick nicht entblödeten, ent- gegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der Verfassung die SchutzmannSfaust walten zu lassen und die wenigen wahren Volksvertreter an der Ausübung ihrer Rechte zu hindern. Die Vor- sammelten geloben, mit aller Macht für die Beseitigung solcher schmachvollen Lustände Sorge tragen zu wollen, indem sie sich ohne