GewerhfcbaftUcbee. Die HrbeitermarreUlaife eine politische Betätigung. Die illoyale Auslegung des Z 3 des Vereinsgesetzes den Gewerkschaften gegenüber ist bereits etwas Alltägliches ge- worden. Welch sonderbare Auffassung aber Staatsanwälte und Gerichte mitunter von dem Begriff dessen haben, was unter politischer Betätigung zu verstehen ist, zeigt ein Straf- verfahren, welches die Zahlstelle Kleve des Lederarbeiter- Verbandes wegen angeblicher Uebertretung der ZZ 3 und 18 ds Vereinsgesetzes zu bestehen hatte. Auf Grund einer unter Mitwirkung der christlichen Kon- kurrenzorganisation zustande gekommenen Denunziation ging dieser Zahlstelle die Aufforderung zu, den im Vereinsgesetz für politische Vereine vorgeschriebenen Bedingungen zu ent- sprechen. Nachdem dies von der Zahlstelle nicht befolgt und gegen das ergangene Strafmandat richterliche Entscheidung beantragt worden war, gelangte das Amtsgericht Kleve zu einer Verurteilung der angeklagten Zahlstellenleitung. Die Zahlstelle sollte als ein politischer Verein gelten, weil auf einem anfangs November 1911 für ihre Mitglieder veran- stalteten Vergnügen von der Musik die Arbeiter- inarseillaisegespieltundvoneinemauswär- tigen Festredner die Wendung gebraucht wurde, es müsse soweit kommen, daß auch in dem schwarzen Loch die rote Fahne gehißt werdel Das Urteil des Amtsgerichts ließ die sonstige Vereins- tätigkeit der Zahlstelle sowie den losen Zusammenhang des Vergnügens somit ganz außer acht und stützte sich lediglich auf den Tatbestand, daß die Arbeitermarseillaise gespielt wurde und jene Worte von der roten Fahne in der Festrede enthalten waren. Wörtlich heißt es in der schriftlichen Urteils- begründung: „Aus diesen Vorgängen gewann das Gericht die Ueber- zeugung. daß der Verein eine Einwirkung auf politische An- gelegenheiten, und zwar im Sinne der Sozialdemokratie be- zweckt. DaS Gericht nahm zwar nicht an, daß die angeklagten Vorstandsmitglieder persönlich unbedingt allen Bestrebungen der Sozialdemokratie folgen, alein die Tatsache, daß die oben erwähnten Vorgänge ohne jeden Hinderungsversuch geduldet wurden, genügt nach Ansicht des Gerichts, um dem Verein den Charakter eines politischen Vereins zu ver- leihen." Interessant aber vollständig deplaziert ist in dem Urteil noch die Erwähnung, daß derartige Vereine nicht nur von „auswärtigen Agitatoren" gegründet, sondern von diesen auch dauernd stark beeinflußt werden, weshalb es von großer Bedeutung dafür, ob ein Verein ein politischer, anzusehen ist, sei, wie sich die auswärtigen Verbandsgenossen unter Duldung des Vorstandes verhalten. Aus allen diesen sonder- baren Ansichten gelangte das Amtsgericht zur Verhängung einer Geldstrafe, doch wurde auf Einspruch der Verurteilten vor dem Landgericht in Kleve ein inzwischen rechtskräftig gewordenes freisprechendes Urteil erzielt. Das Landgericht stellte sich bei Beurteilung des Falles auf den allein zutreffenden Standpunkt, daß maßgebend für die Vereinstätigkeit nur sein könne das Statut des Vereins " und die auf Grund desselben entwickelte Tätigkeit. Der Leder- arbeiterverband aber verfolge wirtschaftliche Zwecke und nach Aussage des eidlich vernommenen Gauleiters sei festgestellt, „daß eine Einwirkung irgendwelcher Art, für eine bestimmte Partei zu wählen, auf die Mitglieder nicht geübt, und wenn auch die meisten Mitglieder sozialdemokratisch wählen, so gebe es doch auch voll- berechtigte und in keiner Weise behelligte Angehörige des Verbandes, die ihre Stimme für das Zentrum abgeben". Was die Vorgänge auf dem Vergnügen anbelangt, so besagt das Landgericht in seinem Urteil, daß nur, wenn die Zahlstelle Kleve sich mit der sozialdemokratischen Partei identifiziere, deren politischer Charakter als vorhanden zu be- trachten sein würde. So aber erkläre sich die Aeußerung von der roten Fahne zwanglos aus der Tatsache, daß die freien Gewerkschaften, zu denen sich die Zahlstelle rechnet, in einem starken Gegensatz zu den christlichen Gewerkschaften stehen und diesen Gegensatz mit denselben Ausdrücken bezeichnen, mit denen der Gegensatz zwischen Sozialdemokratie und Zen- trum bezeichnet wird. Im Gegensatz zur Vorinstanz faßt es das Landgericht als mildernd auf, daß die Festrede von einem„Auswärtigen" ge- halten wurde und nicht von einer für die Zahlstelle verant- wortlichen Person. Es wird darüber gesagt: „Der Umstand allein, daß die Aeußerung seitens der ver- antwortlichen Personen unwidersprochen geblieben ist, bedeutet an sich nur wenig, hier aber um so weniger, als es sich nicht um eine Mitgliederversammlung, sondern um ein F e st handelte, bei dem es nicht auf den gedanklichen Inhalt, sondern auf die Stimmung abgesehen war und diese Stimmung bei einer Unter. brechung gefährdet worden wäre." Das Spielen der Arbeitermarseillaise ist auch nichts anderes als ein Stimmungsausdruck; Schlüsse auf das Wesen des Vereins gestattet es nicht." Aus allen diesen Gründen hob das Landgericht in seiner Sitzung vom 1. April das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach die Angeklagten kostenlos frei. Der Erste Staatsan- walt vom Klever Landgericht konnte sich jedoch zunächst mit diesem Urteil nicht beruhigen, sondern legte Berufung ein, die er aber erst vor wenigen Tagen wieder zurückzog. Nachdem in seiner Berufungsschrift festgestellt ist, daß die Zahlstelle Kleve dem über ganz Deutschland verbreiteten Lederarbeiterverband angeschlossen ist, der den Zweck verfolgt, seinen Mitgliedern auf Grund des 8 152 der Gewerbeordnung bessere Arbeitsbedingungen zu erwirken, kommt der Staats- anwalt zu der Behauptung, der Verband suche auch Einfluß auf die Gesetzgebung zu erlangen. Als Beweis hierfür wird angeführt, daß sich der Verband überall auszubreiten und als „möglichst große Masse den Arbeitgebern und dem Staate gegenüber zu treten suche". Dazu komme noch die schon mehrfach erwähnte Redewendung von der roten Fahne und das Spielen der Marseillaise , „so daß nicht mehr daran gezweifelt werden(!) kann, daß der Zentralverband der Lederarbeiter und-arbelterinnen Deutsch- lands und damit jede ihm angegliederte Ortsgruppe politische oder sozialpolitische Zwecke verfolgt und daher als politischer Verein anzusehen ist". Man sieht an dieser inerkwürdigen Auffassung des Be- griffs, was unter politischer Betätigung zu verstehen ist, und der an den Haaren herbeigezogenen Begründung, welch unbe- rechtigten Behelligungen die Gewerkschaften unter dem gegen- wärtigen Vereinsgesetz ausgesetzt sind, dessen loyale Anwen- dung und Ausleguug seinerzeit im Reichstage zugesichert wurde. Berantw. Redakteur: Ulbert Wach», Berlin . Inseratenteil verantw.: Berlin und Umgegend. Die in den Schraubenfabriken beschäftigten Werkzeugmacher hielten am Dienstag eine gut besuchte Versammlung ab. Handle vom Metallarbeiterverband wies darauf hin, daß ein Mindestlohn von 60 Pf. pro Stunde den heutigen Zeitverhältnissen nicht mehr entspricht, zumal die Arbeit eine hohe Geschicklichkeit und ein starkes Verantwortungsgefühl voraussetzt. Es ist ein höherer Stundenlohn um so mehr berechtigt, als in einzelnen Betrieben, mit denen Tarife abgeschlossen sind, ein garantierter Mindestlohn von 70 Pf. pro Stunde besteht. Ein entsprechender und provisorischer Entwurf zur Vereinbarung liegt in folgender Fassung vor. Vereinbarung über die Lohn- und Arbeits- bedingungen für die in den Schraubenfabriken beschäftigten Werk- zeugmacher. 1. Der Mindestlohn für Werkzeugmacher, Dreher und Repara- turenschlosser beträgt nach einwöchentlicher Beschäftigung 70 Pf. pro Stunde. 2. Diejenigen Werkzeugmacher, Dreher und Sieparaturen- schlosier, welche diesen Mmdeftlohn oder einen höheren Lohn gegenwärtig schon bekommen, erhalten eine Zulage von S Pf. pro Stunde. 3. Ueberstunden werden mit 23 Proz. Auffchlag bezahlt. Sonntagsarbeit, soweit solche zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig ist, mit 30 Proz. 4. Etwaige bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen dürfen durch diese Vereinbarung nicht verschlechtert werden. Von einer bestimmten Zeitdauer ist mit Absicht vorläufig ab- gesehen worden, eine solche würde nur dann in Betracht kommen. wenn die Unternehmer es wünschten und auch dann nur, wenn sie einen Tarif für die gesamte Branche abzuschließen geneigt sind. Die Versammlung akzeptierte die Vorschläge einstimmig. Den Arbeitgebern soll der Entwurf zugehen mit dem Ersuchen, bis zum 21. d.'M. dazu Stellung zu nehmen. Lohnbewegung in den Berliner Schwerfuhrwerks- betrieben. Die Kutscher, Stalleute und Arbeiter der Schwerfuhrwerks« betriebe Groß-Berlins befinden sich in einer Lohnbewegung. Die in Frage kommenden Arbeiter, von denen über 3000 im Transport- arbeiterverband organisiert sind, haben in aller Stille ihre Vorberei- tungen zu dieser Bewegung getroffen. In den letzten Wochen fanden in den einzelnen Stadtteilen und Vororten Versammlungen statt, die sich mit der Frage der Lohnforderungen beschäftigten. In einer ge- meinsam abgehaltenen Versammlung wurde sodann von der eingesetzten Lohnkommission über die inzwischen ausge- arbeiteten Lohnforderungen Bericht erstattet und beschlossen diese in Form eines Lohntarif« Vertragsentwurfes den Unternehmern durch die Verbandsleitung überreichen zu lassen. Die Forderungen lauten im wesentlichen: Arbeitszeit von 6 Uhr früh bis e'/a Uhr abends inkl. 2 Stunden Pause. Die Lohnwoche ist mit 6 Tagen für alle Arbeiter zu berechnen. Ueberstunden sollen je mit 80 Pf. und, falls solche in dringenden Fällen nach 10 Uhr abends geleistet werden, mit 1 M. bezahlt werden. Für reguläre Nachtarbeit erhalten die Kutscher pro Nacht 1,30 M. Zuschlag zu ihrem Lohne . Die Lohnzahlung soll Freitags erfolgen. Der Sonntagvormittagsdienst, der sich nur auf die Pflege der Pferde beschränken soll, muß bis 10 Uhr vormittags beendet sein. Außerdem soll diese Arbeit so geregelt werden, daß die Kutscher abwechselnd jeden zweiten Sonntag völlig dienst- frei sind. Für den Sonntagsvormittagsdienst werden 2 M. und für das Füttern der Pferde am Sonntagnachmjttag 1,80 M. gefordert. Gegen die Unbilden der Witterung fordern die Kutscher von den Unternehmern Lieferung von Regenpelerinen und für die kalte Jahreszeit warme Decken. Neben diesen wesentlichen Forderungen enthält der Lohntarif noch eine Reihe anderer Bestimmungen. Die Forderungen sind bereits den Fuhrherren eingereicht und ist bis zum 13. Mai Bescheid erbeten worden. Achtung, Töpfer! Bei der Firma Otto B e r l o w und Hermann P o e t k e, Neulölln, Ossastr. 6, mußten unsere Kollegen die Arbeit einstellen, weil sie schon an zwei Zahltogen nicht ihren ganzen Lohn erhalten hatten und die Firma den Kollegen nicht die nötigen Garantien geben konnte, daß sie am nächsten Zahltage ihren vollen Lohn erhalten. Leider muß konstatiert werden, daß sich sofort Wilde gefunden haben— durch Vermiitelung de?„Töpfermeisters" Engel- hardt-Ploen— die die Arbeit bei den unsicheren Lohnverhältnissen aufnahmen. In Frage kommt der Bau Glasowstr. 36, Bauherr Rudolf Brandt , Charlottenburg , Nehringstr. 14. Zu bemerken ist noch, daß hier wieder einmal„Töpfermeister" unter Zahlungsbedingungen einen Bau zur Ausführung übernommen haben, bei denen die Firnia— die sonst über keine Betriebsmittel verfügt — mit den Lohnzahlungen ins Stocken geraten mußte. Nach ihrem Vertrage mit dem Bauunternehmer sollten sie pro Woche Zahlungen teils in bar und teils in Wechseln erhalten. Die Barzahlungen sind jedenfalls sehr knapp ausgefallen, und da auch die Lieferanten Geld verlangten, konnten eben die Gesellen nicht ihren vollen Lohn er- halten/ Die Herren haben es nun fertig gebracht, uns auch noch durch Brief wissen zu lassen, sie würden uns wegen Geschäfts- schädigung verklagen, wenn wir ihre Firma sperren. Die Herren löten gut, das Geld für die Klage lieber für die Lohnzahlung zu verwenden. Die Firma ist selbstverständlich für unsere Kollegen gesperrt. Weiter sperren wir hiermit wegen Tarifbruch und Beschäftigung von Wilden die Firma Rudolf Koch , welche zurzeit den Bau Friedrich- Ecke Achenbachstraße, Spandau , ausführt. _ Die Verbandsleitung. Zur Bewegung der Friseure. Der Verband der Friseurgehilfen hielt am 14. d. MtS. in den Arnimhollen eine öffentliche Versammlung ab. Das Thema: „Unsere diesjährige Lohnbewegung und was fordern wir?" wurde vom Referenten B o l p in eingehender Weise behandelt. Einige Jnnungsgehilfen glaubten, es sei notwendig, der Versammlung ihre wilden Sitten und Gebräuche vorzuführen, was aber von der Ver- sammlung, bon den Rednern S e U e ck e und Langer und im Schlußwort vom Referenten gebührend gebrandmarkt wurde. Die anwesenden Arbeitgeber hatten gegen den von Arbeitgebern und Arbeitern in der Tarifkommisfion vereinbarlen Tarif nichts ein- zuwenden gewußt. Folgende Resolution ivurde einstimmig an- genommen: Durch die stetige Preissteigerung der notwendigsten Bedarfs- artikel erachten die Frifemgehitfen eine Aufbesserung des seit 1ö06 bestehenden Tarises als dringend notlvcndig. Die Friseurgehilfen nehmen Kenntnis von dem Tarif, welcher zwischen dem Verbände und den Meistern in der Tarifkommission vereinbart wurde und verpflichten sich, für weitgehendste Aus- breitung des TarifeS Sorge zu tragen. Die Kollegen versprechen, zur besseren Durchführung des Tarifs die Organisation in ihren Arbeiten mit ganzer Kraft zu unterstütze» und, wenn nötig, in allen nicht bewilligten Betrieben die Arbeit zu verlassen, um sich der Organisation zur Verfügung zu stellen._ Achtung, Schuhmacher! In Neukölln ist im Laufe dieser Woche die Zahl derjenigen selbständigen Schuhmacher, die den von uns im Jahre 1910 verlangten Minimallohntarif unterschriftlich anerkannt haben, auf 36 gestiegen, Die Arbeilgeber(selbständige Schuhmacher), welche bewilligt haben, erhalten ein von uns gestempeltes rotes Plakat mit der Auf- schrift:„Hier sind die Forderungen der Schuhmachergehilfen be- willigt". Zentralverband der Schuhmacher. Ortsverwaltung Berlin . xh. Glocke, B«ri>n. Druck u. Verlag: VorlvärtsBu�r. u Verlagsanstalt Protest der Fleischergesellen. Bekanntlich hat die Berliner Fleischerinnung kürzlich den Be- schlug gefaßt, Mitglieder des Zentralverbandes der Fleischer nicht zu beschäftigen und ihnen den Arbeitsnachweis zu sperren.— Gegen diesen Beschluß, der, wenn er durchgeführt würde, für alle frcigewerkschaftlich organisierten Fleischergesellen die Aussperrung, die völlige Brotlosmachung bedeuten würde, erhob eine ungewöhn- lich starke, vom Zentralverband der Fleischer einberufene Ver- sammlung, die gestern abend im Musikersaale tagte, entschieden Protest. Der Referent Hensel betonte, daß der Jnnungsbeschluß der beste Beweis dafür sei, daß der Zentralvcrband mit Erfolg für die Verbesserung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse gewirkt hat. Wenn aber die Innung glaubt, sie könne durch ihre Maßnahme den Zentralverband lahmlegen, so täuscht sie sich. Die Organisation ist stark genug, um sich gegen solche Angriffe auf das Koalitionsrecht zu wehren. Der Zentralverband wird den Kampf für die Rechte seiner Mitglieder aufnehmen, wenn die Fleischermeister mit der Durchführung ihres Beschlusses Ernst machen sollten. Bis jetzt sind nur vereinzelte Entlassungen aus Grund des Jnnungsbeschlusses erfolgt. Es liegt deshalb noch keine Veranlassung vor, bestimmte Gegenmaßregeln zu beschließen, aber dessen können die Fleischermeister sicher sein, daß sich der Zentral- verband nicht von ihnen unterdrücken läßt. Der lebhafte Beifall, der dem Referenten zuteil wurde, sowie die Ausführungen der Diskussionsredner ließen keinen Zweifel darüber, daß die freiorganisierten Fleischergesellen zur Abwehr gegen den Angriff der Innung bereit sind. Zum Fleischerstreik in Neukölln . Die Neuköllner Fleischermcister glauben, ein neues Mittel, den Boykott abzuschwächen, gefunden zu haben. Den Frauen, die nacki dem Tarif fragen, erklären sie, daß"*' sie im Interesse der Kundschaft nicht bewilligen können, denn sonst würde das Fleisch noch teurer werden. Vor einigen Wochen erklärte die Innung, die Gesellen erhalten viel mehr als der Zentralverband fordere, und jetzt soll das Fleisch teurer werden, wenn die For- derungen anerkannt werden. Es hat bald den Anschein, als ob die Fleischermeister, die den Tarif nickit anerkennen, den Streik zu einer Preiserhöhung benutzen wollen; sie möchten noch mehr aus dem Publikum herausschinden. Weiter verbreitet die Innung das Gerücht, daß sie gegen die Streikleitung wegen der Aufforderung zum Boykott Strafantrag stellen und eine Schadensersatztlage einreichen wird. Dadurch wird sie jedoch die Neuköllner Arbeiterschaft von der Einhaltung des Boykotts nicht abhalten können. Tie Herren, die den Boykott ihren „widerspenstigen" Kollegen gegenüber immer anwenden, schreien nach dem Staatsanwalt, wenn die Arbeiterschaft dasselbe tut. Nachstehende Fleischermeister haben den Tarif weiter unter- zeichnet: Hermann Rudolf, Johann-Huß-Str. 3, H. II e ck e r, Ockerstr. 43. Zentralverband der Fleischer. Die Streikleitung. Deutsches Reich . Bäckerstreik in Leipzig . Nachdem die Bäckerinnung in Leipzig jede Verhandlung über die Forderungen der Gesellen abgelehnt hat, beschloß eine Versamm- lung der Bäckereiarbeiter am 14. Mar mit 419 gegen 8 Stimmen, sofort die Arbeit niederzulegen. Die in den geregelten 260 Bäckereien beschäftigten Gesellen beteiligten sich nicht an der Abstimmung. Außer 200 in den Konsumbäckereien und Brotfabrilen unter tarif- lichen Verhältnissen beschäftigten Bäckereiarbeitern arbeiten in den 260 geregelten Kleinbetrieben 310 Gesellen zu den neuen Be- dingungen. Aus den geregelten 440 Bäckereien sind von zirla 480 beschäftigten Gesellen 390 ausständig. Die Arbeiter Leipzigs werden den Kampf der Bäcker durch den Boykott unterstützen. Ausland. _ Friedensschluß in Dänemark . Nach wiederholten Einigungs- versuchen ist es dem Schlichtungsbcamieu am Montag gelungen, die verschiedenen Lohnkämpfe zum Abschluß zu bringen, die der Dänischen Arbeitgebervereinigung wieder einmal Veranlassung zu weitgehenden Ausspcrrungsbeschlüssen gegeben hatten. Auf Grund von Vorschlägen des Schlichtungsbeamtcn sind nun neue Tarif« Verträge abgeschlossen worden für die Ziegeleiindustrie und die Betonmaterialindustric Dänemarks sowie für die Holzlagerarbeiter und außerdem für die Fuhrleute in der westjütländischen Hafenstadt Esbjerg . Die Tarife sind auf 3 Jahre vereinbart und bringen den Arbeitern Lohnerhöhungen von 2 bis 5 Oere die Stunde. Im Baugewerbe war infolge der Streiks und Aussperrungen bereits eine schwere Arbeitsstockung eingetreten. Letzte Nachncbten. Gegen den Gewaltakt im Abgeordnetenhause. Kiel , 15. Mai. (Privattelegramm des„Vorwärts".) Tie Kieler Arbeiterschaft protestierte heute in einer gewaltigen Protestversanunlung gegen die unerhörte Behandlung der sozialdeinokratischen Abgeordneten Borchardt und Lei- n e r t im preußischen Abgeordnetenhause und gegen das Ein- dringen der Polizei in das Abgeordnetenhaus. Die Per- sammlung fand unter freiein Himmel statt und war von etwa LOG) bis 19 999 Personen besucht. Einstimmig wurde eiine Resolution angenommen, die sich in scharfer Weise gegen das Lorgehen des Präsidenten und der bürgerlichen Parteien des preußischen Abgeordnetenhauses wendet und die Arbeiter- schaft auffordert, angesichts der Vorgänge im preußischen Ab- geordnetenhause mit erneuter Kraft den Kampf für die Er» ringung des allgemeinen, gleichen, geheimen»nd direkten Wahlrechts für Preußen auszunehmen. Ministerkrisis in Serbien . Belgrad , 13. Mai. (W. T. B.) Infolge der Demission des F i n a n z m i n i st e r s und des Ä r i e g s m i n i st c r s beschloß die Regierung, über die von ihr einzunehmende Haltung erst nach der Konstituierung der Skupschtina, die in der nächsten Woche er» folgt, die Entscheidung zu treffen. In politischen Kreisen wird der Rücktritt des Kabinetts M i l o w a n o w i t s ch erwartet. Der Kampf um die amerikanische Präsidentschaft. New Aork, 13. Mai. (H. B.) R o o s e v e l t errang einen überwältigenden Sieg über Taft in K a l i f o r n i e n.. wo er 40 000 Stimmen mehr als Taft erhielt. Zugunfall. Aschaffenburg , 15. Mai. (H. B.) In der letzten Nacht fuhr der von Frankfurt a. M. nach München um 11 Uhr 6 Minuten ab- gelassene Eilzug Nr. 169 in der Station Langenprczelten auf einen ausfahrenden Güterzug. Von dem letzteren wurden mehrere be- ladene Güterwagen demoliert, so daß der Materialschaden sehr beträchtlich ist. Vom Eilzug soll nur die Maschine be- schädigt sein. Drei Personen, eine Dame, ein Postbeamter und der Packmeister erlitten leichte Verletzungen. Die Ursache des Unglücks ist noch unaufgeklärt. Ein deutscher Lehrer unter Spionageverdacht. Bordeaux , 13. Mai. (P. C.) Die hiesige Polizei verhaftete heute den aus Wcrdau in Sachsen gebürtigen Lehrer Miceler unter dem Verdachte, zugunsten Deutschlands Spionage getrieben zu haben. Eine bei dem Verhafteten sofort vorgenommene Haus- suchung soll zahlreiches stark belastendes Material zutage gefördert haben. Zaul Singer& Co., Berlin SW. Hierzu 5 Beilagen u. Unterhaltungsbl.
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