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diesem Falle wie bei all seinem patriotischen Tun mir das Feigen- blatt für das Profitinteresse des nationalen Dividendenschluckers sind. Die Elsäs fische Maschinenbaugesellschaft, die in Grafenstaden bei Strasburg über 2000 und in Mülhausen i. E. über 4000 Ar­deiter beschäftigt, soll zum Vorteil des Unternehmertums, dessen Organ die scharfmacherische«Rheinisch-Westfalische Zeitung" ist, bei der preußischen und rcichs deutschen Eifenbahnderwaltung als Liefe. rantin ausgeschaltet werden, und so werden denn jetzt Dinge, die der in die Enge getriebene Staatssekretär bei der Jnterpellations- debatte in der Zweiten elsatz-Iothringischen Kammer selbst als Kindereien" bezeichnen mußte, das Spielen französischer Musik- stücke durch einen Mufikverein des Fabrikperfonals in Grafenstadcn, der Mchtempfang eines deutschen Offiziers, der die Werkstätten be- suchen wollte u. dgl. m. als Verbrechen gegen die Majestät des Deutschen Reiches bei der preußischen Staats- und der deutschen Reichsregierung denunziert, indem der Abbruch der geschäftlichen Beziehungen der Eisenbahiwerwaltung zu der Elsässischen Ma-- schinenbaugefellschast angestrebt wird. Und die Regierung macht aus denKindereien" wirtlich Haupt- und Staatsaktionen, und der Elsässischen Maschincnbaugesellschaft wird die Entziehung der Auf- träge für die bisher zu voller Zufriedenheit gelieferten Lokomotiven in aller Form angesagt, es sei denn, daß sieGarantien für die Zukunft" leiste und vor allem den angeblich deutschfeindlichen Di- rcttor Hehler in Grafenstaden entlasse! Der Terrorismus, wie er im Buche steht! Was ist natürlicher, als daß sich in Elsaß-Lo- thringen Volksvertretung und Volk einhellig dagegen aufbäumt? Und was ist weniger überraschend, als doS große Aufsehen, daS diese Vorgänge in Frankreich gemacht haben, wo die Eisenbahngesell- schaften zahlreiche Lokomotiven deutschen Ursprungs in Betrieb boten und wo die Chauvinisten natürlich nur solche Geschichten zu »hohren brauchen, um einen ähnlichen Jeldzug gegen die beut- s ch e n Maschinenliefcranten zu eröffnen? Wie tief die Erregung in Elfaß-Lothringen geht, zeigt ein schon vor den letzten Ereignissen in derDeutschen Export-Rebuc" der- öffentlichter Brief des früheren nationalliberalen Reichs- tagSabgcordnaten Theodor Schlumderger, der als Vertreter der elsässischen Industrie im Jahre 1002 durch d i e Erhöhung j)cr Zollschranken die Abfchließung der elsässi- fÜH cn Industrie vom ehemaligen französischen A bsatzmarkte mit herbeiführen half und den es daher doppelt schmeiAlich berühren muß. wenn er jetzt steht, wie durch Machen- schaftett solcher Art auch der deutsche Absatzmarkt versperrt wird. Kommerzieurat Theodor Schlumderger, der nationalliberale Hurra- patrwt von 1900 1907 im Deutschen Reichstag, weist hier den übertriebenen Brotneid seitens der Konkurrenz" sin Rheinland. Westfalens zurück und bestätigt, daß der Fall Grafenstaden in Elsaß -Lothrfngen die ganze Bevölkerung entrüsten und der An« Näherung zwischeu Einheimischen und Aktdeutschen sehr viel schaden werde, und er prophezeit, daß, wenn die Regierung ihren Fehler nicht wieder gutmache, in Elsaß-Lothringen leider ein Spektakel sondergleichen losgehen wird"; tieftraurig bleibe die Angelegenheit auf alle Fälle, und sie erschwere ungemein die Aufgabe derjenigen, die sich bemüheu, versöhnend zu wirken. Das ist mehr als wahr, und es hat nur der Ausfälle von Wilhelm II. bedurft, um dem Faß den Bode» auszuschlagen. Der Augenblick wäre recht: der deutsche Kaiser mache, da er sich trotz feines Wortes von den Scherben über die dumme Ver- fassung fürs erste doch noch nicht hinwegsetzen kann, von seinem verfassungsmäßigen Rechte Gebrauch und löse die fatale Zweite Kammer auf sZ 11 der Verf. Els.-Lothr.». 31. Mai 1911). Er muß dann freilich, gemäß derselben Verfassung(§ 12). dafür sorgen, daß der Landtag binnen 90 Tagen wieder versammelt wird, das heißt er muß Reuwahlen ausschreiben. Es wird dann Scherben geben. Die Antwort dürste deutlich sein! Hier ist Rhodus , hier tanze! Sie Revolution in Lhinn. Tas internationale Kapital und die Anleihe. London » 16. Mai. Wie das Reutersche Bureau erfährt, hat die in London abgehaltene Konferenz der au der chine. fischen Anleihe interessierten Bankiers ihre Sitzungen vorläufig geschlossen. In der Konferenz sind beträchtliche Fortschritte gemacht worden. Es heißt, die Konferenz hätte über die Grundlagen der chinesischen Finanzen und über die Details der Vorschüsse zur Bezahlung der Truppen beraten. DaS Datum der Wiederaufnahme der Konserenz ist noch nicht festgesetzt, und einige Delegierte verlassen England umgehend, um mit ihren Auftrag- gebern die Angelegenheit weiter zu besprechen. DaS Reutersche Bureau erfährt weiter, daß daS österreichisch-ungarische Ministerium des Aeußern sich wegen Beteiligung an der Anleihe an die Regie- rungen der sechs Mächte gewandt habe; an den Beratungen der Konferenz habe jedoch noch kein österreichisch-ungarischer Delegierter teilgenommen. London , 16. Mai. Wie dieTimeS" aus Peking meldet, ernannten die Banken für die Kontrolle derOOMil- lionenanleihe den Deutschen Rump, der gegenwärtig bei der deutschen Sektion der Tientsin-Pukaubahn tätig ist. Die Nationalversammlung wehrt sich gegen die Ab- hängigkcit vom internationalen Kapital. Peking , 17. Mai. tMeldung der..Agence d'Extrem« Orient".) Die Nationalversammlung beschäftigte sich in geheimer Sitzung mit der Frage der Sechsmächteanleihe. Die Redner sollen sich in äußerst heftigen Worten gegen diese Anleihe wegen der zu ihrer Deckung geforderten Finanzkontrolle ausgesprochen haben. Schließlich wurde der Anleihevorschlag fast einstimmig von der Versammlung abgelehnt. Sollte diese Sechsmächteanleihe endgültig scheitern, so beabsichtigt man. das erforderliche Geld aus dem Wege einer sehr hohen Einkommensteuer, von der die wohlhabenden Klassen getroffen werden sollen, aufzubringen. Verschiedene der in diesem Sinne gehaltenen Reden erinnern an die berühmte Rede MirabeauS, in welcher er empfahl, ein Viertel des Einkommens der Wohlhabenden und Reichen für den Staat zu beschlagnahmen. Man ist trotz alledem der Meinung, daß die Verhandlungen mit der Sechsmächte-Finanzgruppe fortgesetzt und schließlich doch zu einem Ziele führen werden. Aufforderung zum Kampfe gegen die mongolische« Unabhängigkeitsbestrebungeu. Zizikar, 16. Mai. (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) In einem umfangreichen Bericht an den Präsidenten Juanschikai dringt der Gouverneur darauf, daß unverzüglich die energischsten Maßregeln zur Bekämpfung der Mongolen ergriffen würden. Er begründet dies damit, daß es leicht sei, die Unabhängigkeit der Mongolen zu zerstören, weil ihnen ein organi. siertes Heer fehle und Rußland eS nicht wagen werde, die Mon- golen offen zu unterstützen, da dies eine Einmischung der im fernen Osten interessierten Mächte hervorrufen würde. Der Bericht wird dem Pekinger Vorparlament unterbreitet werden. Fortdauer der Kämpfe in Tibet . Simla, 16. Mai. (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Die Friedensverhandlungen zwischen Chinesen und Tibetanern in 2 h a s s a sind gescheitert. Der Kampf ist wieder aufge- nommen worden. Die Tibetaner bombardieren ein Kloster, in dem sich 800 Chinesen befinden, deren Munition knapp wird. politische(leberliedt. Berlin , den 17. Mai 1912. Abgeordnetenhaus. Das Abgeordnetenhaus überwies ani Freitag zunächst den Gesetzentwurf über die landwirtschaftliche Unfall- Versicherung an die Agrarkommifsion, nachdem u. a. Ge- nasse Liebknecht kurz aber treffend die agrarische Privi- legienwirtschaft gebrandmarkt hatte. Ter übrige Teil der Sitzung wurde durch die zweite Lesung des sogenannten Besitzbefestigungsgesetzes ausgefüllt. Nach eingehender Beratung in erster Lesung und in der Kommission, die die unveränderte Annahme empfahl. boten die Debatten nichts Neues. Die Stellung der Parteien war bekannt. Wie immer jammerten die Hakatisten. deren Reigen diesmal der Abg. Viereck(fk.) eröffnete, über den Terrorismus der polnischen Presse und den Boykott deutscher Gewerbetreibender durch die Polen . Aehnlich der Konservative W i n k l e r, der den Kampf gegen die Polen und Dänen als einen Akt der Staatsnotwendigkeit bezeichnete. Eine komische Er- schemung ist der Unterslaatsseketär H o l tz vom Ministerium des Innern, der trotz des eklatanten Mißerfolgs der bisherigen Polenpolitik triumphierend im Kriegervereinstone verkündete. die Regierung werde die Matznahmen ausbauen, die sich bis- her im Osten zur Stärkung des Deutschtums bewährt haben. Viel Glück wird sie dabei nicht haben. Energisch gegen die Ausnahmegesetzgebung sprach Abg. Graf S p c e vom Zentrum. Der Zentrumsgraf kann es sich einmal erlauben, das Prinzip hochzuhalten und sich radikal zu gebärden. Unterliegt doch die Annahme der Vorlage keinem Zweifel! Nachdem noch der natwnalliberale Herr G l a tz e l sich mit dem feurigen Hakatismus für und der Abg. P a ch n i ck e gegen die Ausnahmegesetze(aber für eine des nationalen Kamps- charafters entkleidete Siedelungspolitik) gesprochen, verteidigte schließlich noch der Landwirtschaftsminister v. Schorlcmer selbst feine Politik._____ Etatsdebatte im preußischen Hcrreuhaufe. Das Herrenhaus nahm am Freitag das Moorschutzgesetz an. Dann wurde in die Beratung des Etat» eingetreten. Der Finanz- minister gab wieder seine schon ouS dem Abgeordnetenhouse bekannten Erklärungen ab. daß die Steuerzuschläge nicht aufgehoben werden könnten und daß trotz Ansammlung von 160 Millionen Mark im AuSgleichfondS nicht daran gedacht werden dürfe, den Staatshaus- haltSetat auf schwankende Sisenbahneinnahmen zu stützen- Der bekannte konservative Graf Dohna- Schlobitten erklärte unter anderem. daß die beiden Nachfolger Bismarcks. Caprivi und Hohenlohe in der auswärtigen Politik minder- wertig gewesen seien, und daß die Angriffe Bethmanns auf Heydebrond in der Marokkofrage Keffer unterblieben wären. Gras Mirbach beklagte dann die Aufhebung der SchnapsliebeSgaben und wünschte eine recht gründliche Hinausschiebung der Herabsetzung der Zuckersteuer. Dann begrüßte er den Hinauswurf BorchardiS aus dem Abgeordnetenhause als ein erfteulicheS Zeichen dafür, daß man endlich zu einer energischen Zurückdrängung des Radikalismus über- geh«. Das hätte schon längst geschehen sollen. Der Oberbürgermeister von Köln, Wallraf, beklagte die starke Belastung der Kommunen und die Einschränkung der Staatsverwaltung durch die Staats- aussicht. Fürst Salm dankte der Regierung für die Rieder- werfung des Bergarbeitcrstreiks und für die Schnell- justiz. Der bekannte Reaktionär Herr v. Buch wandte sich gegen eine frühere Einberusung des Landtags, die nur dazu führen würde, daß noch mehr unnötiges Zeug geredet werde, und daß die Abgg. mit ihren FreifahrlSkartea und Diäten in die WeihnachtS- ferien gehe» könnten. Prof, Adolf Wagner billigte die Finanz- politil der Regierung, wünschte aber, daß die Einkommensteuer nicht bei i Proz. stehen bleibe, während andere Staaten bereits zu 5 Proz. übergegangen sind. Schließlich polemisierte der Breslauer Ober- bürgermeister Dr. Bender noch gegen Graf Mirbach , der den Gegnern keine Gerechtigkeit widerfahren lasse. Morgen Einzel­beratung des Etats._____ Ter Nebenpräsident. Als ob Herr Dr. Kaewpf nicht genug aus der Fassung geraten wäre, mußte er in den stürmischen Reichstagssitzungen noch die guten Ratschläge seines Parteifreundes, des Exblockjünglings Dr. Heck scher, nunmehrigen Direktors der Harnburg-Amerika- Linie, über sich ergchen lassen. Herr Heckscher war gar nicht von der Tribüne wegzubringen, bebte oben beständig vor Entrüstung, zitterte unaufhörlich nach Ordnungsrufen, schlotterte aus Angst vor einem.Konslickt zwischen Präsidium und Regierung(wegen nicht genug schneller Ordnungsrufschüffe), kurz bot einen geradezu nationalliberalen Anblick. Ohne Herrn Kaempf entschuldigen zu können, muß doch konstatiert werden.: Heckscher ist sein Milde- rungsgrund. Arbeitsscheue und säumige Nährpflichtige. Die Kommission des Abgeordnetenhauses zur Vorberalnng des vom Herrenhause bereits erledigten Gesetzentwurfs betreffend die Abänderung und Ergänzung der AusführungSgesetze zum Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz hat ihre Arbeiten beendet. Gegen- über der Fassung des Herrenhauses ist der Entwurf nicht unwescnt- lich abgeändert worden. Zunächst hat die Kommission dem§ 1» einen Absatz angehängt, wonach alS unterstützt der Ehemann oder der unterhaltungSpflichtige Elternteil oder bei uneheliche» Kindern die Mutter auch dann gilt, wenn die Unterstützung der Ehefrau oder der Kinder ohne oder gegen den Willen dieser Unter- Haltungspflichtigen gewährt ist. Dadurch sollen diejenigen getroffen werden, die ihre Frau und Kinder böswillig verlassen, auf Unter« stützung verzichten und Frau und Kinder ruhig Not leiden lassen. Ferner ist bestimmt, daß die Unterbringung in eine Anstalt dann nicht erfolge, wenn sie mit erheblichen, den Umständen nach nicht gerechtfertigten Härten oder Nachteilen für das Fortkommen deS Unterzubringenden verbunden sein würde, und daß anstatt Unter- bringung in eine Arbeitsanstalt auch die Einweisung in eine Erziehungsanstalt oder HeUanstalt(insbesondere auch Trinkerheil- anstatt) angeordnet werden kann, in welcher Gelegenheit gegeben ist, den Eingewiesenen mit angemessener Arbeit zu beschästigen. In bezug auf den Rechtsweg hat die Kommission wenigstens einige Garantien geschaffen; soweit dies ohne erhebliche Schwierig- ketten geschehen lann, soll der Unterzubringende, gegen den das Ver- fahren sich richtet, vor der Entscheidung gehört werden. Da« Beschluß- verfahren vor Kreis-(Stadt-)AuSschuß kann solange ausgesetzt werden, bi« über die Klage des Unterzubringenden, der seine Unter- Haltungspflicht bestreitet, im ordentlichen Rechtswege rechtskräftig entschieden ist. Gegen den Beschluß deS Kreis-(Stadt-)AuSschusseS findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im VerwaltungSstreitverfahren statt. Die Entscheidung des Bezirks- ausschuffeS ist endgülttg. Der Unterzubringende ist über die ihm zustehenden Rechtsmittel schriftlich zu belehren. Eine Verbesserung bedeutet auch die Bestimmung, daß wenn ein Untergebrachter nach einem Jahre beurlaubt wird, eine erneute Unterbringung erst nach Ablauf von drei Monaten beschlossen werden darf. Trotz alledem bleibt die Taffache bestehen, daß daS Gesetz ein tzolizeigesetz in des Wortes schlimmster Bedeutung ist und daß es in Widerspruch zu den Reichsgesetzen sieht, denn eS regelt eine Materie, )ie durch das Einführungsgesetz zum Slrafgesctzbuch der Reichsgesetz- zebung überwiesen ist. Daß andere Bundesstaaten ähnlich vor- zegangen find, kann an dieser Tatsache nichts ändern. Bedauerlich st es übrigens, daß die Kommission die Aufnahme einer Bestim- nung abgelehnt hat, wonach Personen, welche in eine Anstalt unter- gebracht waren, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor- zelegeu haben, oder die über die im Gesetz bestimmte Zeit hinaus estgehalten waren, einen Enffchädigungsanspruch gegen den die Unterbringung betreibenden Armenverband nach Analogie des Reichs- zesetzeS über die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren reigesprochenen Personen haben. Wenn ein Regierungskommissar zegen den Antrag einwandte, daß eS sich, rein praktisch genommen, nur um Trinker und Personen handle, denen ein Zwang nur nützlich «, so bedeutet das das offene Zugeständnis, daß das Gesetz ein Polizeigesetz ist und sein soll._____ Posadowsky als Handlanger der Ehristea. Nachdem bei der Rcichstagswahl der christliche Appell an die Eisenbahnarbeiter und-beamten so kläglich miß- lungen. fühlten sich die Macher des christlichen Eisenbahner- Verbandes in Elberfeld um so mehr veranlaßt, einen neuen Coup zu unternehmen. Sie bedurften dazu irgend eines Lockvogels, den sie denn auch in dem Grasen Posa- d o w s k y, dem ehemaligen Staatsimnisteri und jetzigen wild-srei-konservativen Reichstagsabgeordneten, fanden. Da Posadowsky trotz der ihm bisher im Reichstage eingeräumten überaus splendiden Redefteiheit nach schönrednerischer Be- tätigung geradezu zu lechzen scheint, bedurfte es nur der Ein- ladung der Christen, um ihn für die Demonstration des christ- lichen Elberfelder Eiienbahnerverbandes zu gewinnen. Und preisend init viel schönen Reden schilderte dann auch Graf Posadowsky die Tätigkeit der Eisenbahnbediensteten. So sagte er unter anderem: Wenn ich de» Nachts die Züge in Wind und Wetter durch da« Land brausen höre, so sage ich mir immer von neuem: Wie- viel Pslichtgesühl und Gewissenhaftigkeit aller Beteiligten ist erforderlich, damit dieser gewaltige Betrieb ohne«chaden an Menschenleben und Gütern sich mit solch pcin- licher Pünktlichkeit Tag und Nacht vollziehen kann wie bei uns in Deutschland !(Beifall.) Und w e l ch e tz e l d e n t a t e n haben die Eisenbahnbcamten schon verrichtet, um mit Verlust ihre? eigenen Ledens da» Leben ihrer Mitmenschen zu retten! Die Staatsbetriebe sind in ihren Grundlagen und in ihren Aufgaben wesentlich verschieden von jedem Privatbetrieb. Der Privatbetrieb wird auf Gedeih und Verderb der einzelnen Unternehmer ge- führt, ihr Nutzen und Gewinn ist Zweck des Unternehmens. Die Staatsbetriebe dienen dem Interesse- des gesamten Voltes, sie haben im Interesse der Gesamtheit wirtschaftliche und soziale Aufgaben zu erfüllen und die Frage des Ertrages muß sich höheren Rücksichten unterordnen. Hieraus folgt, daß alle die, wetcho dem Staat als Beamte oder Arbeiter verpflichtet find, die Mitverant­wortung tragen für die Erfüllung jener Aufgaben des Staates, und deshalb haben sie weitgehendere B c r p f l i ch- tungen dem Staate gegenüber, wie die Ange- stellten jedes Privatbetriebes.(Sehr richtig!) Der Staat ist nichts als die Gesamtheit seiner Bürger, und wer dem Staate dient, steht deshalb im Dienste seiner Mitbürger. Für den Staatsdiener kann nicht nur der formale Arbeitsvertrag maß. gebend fein. Zwischen dem Staat und allen, die ihm dienen, be- steht vielmehr ein Treuverhält uis, ohne welches der Staat seine Aufgaben dauernd und wirksam nicht zu erfüllen vermag. Jede Stillegung der Lebensaufgaben des Staates muß mit Notwendigkeit zum schwersten Schaden weiter unbeteiligter Kreise führen." (Lebhafte Zustimmung.) Leider war es keinesolonische Weisheit ", die Gras Posadowsky im Interesse der Christen und der Scharfmacher hier zum Besten gab. Denn gerade dann, wenn die Arbeit der Eisenbahnbediensteten im Interesse des Staates als der Volksgesamtheit geleistet wird wie kann dann die preußische Regierung ihren Angestellten verbieten, sich ge- verkichastlich oder politisch im Sinne einer Partei zu be- ätigcn, die mehr als ein Drittel des gesamten Volkes umsaßt, also weitaus stärker ist, als irgend eine andere Partei! Und wie kann man von einemTreuver- aältnis" zwischen Arbeitern und Staat reden, wenn die Ver- reter nicht des V o l k s st a a t e s. sondern des Bureau- c r a t e n- und A u s b e u t e r st a a t e s sich anmaßen, den Ztaatsbedicnsteten nicht nur ihr Verhalten im Dienste, son- dcrn auch ihr a u ß e r d i e n st I i ch c s Verhalten vorzu- schreiben, ja. den unerhörtesten Terrorismus so- gar für das st a a t s b ü r g e r l i ch c Verhalten vor, schreiben wollen! Nicht von einem Treuverhältnis, sondern von einem Helotenverhältnis der Staatsbediensteten ist also die Rede, und für ein solches Verhältnis schwärmt Graf Posadowsky! Auch hier wieder zeigte sich also, in welch jäm- merlicher Weise der seinerzeit so ungeheuer überschätzte Graf im Barte sich von den reaktionärsten Elementen zum Hand- langer ihrer Scharsmachergelüsta mißbrauchen läßt! Kuriose Widersprüche. Als am Dienstag beim Etat für Kiautschou Genosse Herz- selb gegen die Zurückbchaltung von bOO Mann Ablösungstruppen ?um angeblichen Schutz deutscher Staatsbürger in China sprach. «rregte er damit den Zorn der Oertel-Garde im Reichstage und in der Presse. Nun will es die Ironie des Schicksals, daß in derselben llummer deS Ocrtel-Blattes, in der über die Rede des Genossen Herzfcld mit einigen schnoddrigen Bemerkungen hinweggegangen Wird, im Leitartikel genau derselbe völkeprechtliche Stand- punkt vertreten wird, den Genosse Herzfeld in seiner Rede einge- nommen hat. In diesem von Herrn Dr. Franz Erich Junge- Hermsdorf gezeichneten ArtikelMexiko und die Bereinig. ten Staate n", wird der Fankee-Regierung zu Gemüte geführt, taß sie völkerrechtlich nicht befugt sei. unter dem Vorwande de» Schutzes amerikanischer Bürger oder deren Interessen in Mexiko einzufallen, �vabei heißt es wörtlich: .Lein Fremder, ob ansiffsiz oder»»rilbergchend, darf in Mexiko eine bessere Behandlung beanspruchen, al» sie dem Sin. geborenen des Landes durchschnittlich zuteil wird. Ganz gleich, ob Amerikaner, Engländer oder Deutscher, mutz er daS Risiko feine» Unternehmen» auf sich nehmen und sich den Gesetzen und Gepflogenheiten de» Landes anpassen."