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».iii 29.j.iW 2. Keilllge desVmarts" Serliner AldsdIM Der Krieg. Endgültige Oeffnung der Tardanellen. Lonstautinopel, 17. Mai. Amtlich wird mitgeteilt, daß die Dardanellen morgen früh wieder geöffnet werden. Italienischer Siegcstaumel. Rom , 17. Mai. In der Kammer teilte heute Minister- Präsident Giolitti unter größter Aufmerksamkeit des Hauses fünf Depeschen über das militärische Vorgehen der Italiener auf Rhodos mit, das durch einen großen Erfolg der italienischen Waffen glücklich beendet sei. Großer, nichtcndenwollender Beifall begrüßte die Depesche, in der gemeldet wurde, daß die türkische Garnison sich mit den Waffen unter militärischen Ehren ergeben habe. Giolitti fügte im Namen der Regie- rung hinzu, er habe als Dolmetsch der Gefühle des Parlaments und des Landes dem General Ameglio seinen Gruß gesandt.(Neuer begeisterter Beifall.) Die Kapitulation der türkischen Truppen auf Rhodos . Rom , 17. Mai. (Kammer.) Giolitti teilte über den Sieg auf Rhodos folgendes mit: Das letzte Telegramm, das ich soeben von Ameglio erhalten habe, besagt: Nach dem gestrigen Kampfe hat der türkische Kommandant meiner Aufforderung, die Waffen zu strecken, Folge geleistet und gestern abend einen Parlamentär in das italienische Lager gesandt. Die Uebergabe fand um acht Uhr in Psithos unter den von mir diktierten Bedingungen statt. Alle türkischen Truppen auf der Insel werden eels Kriegsgefangene betrachtet, alle Waffen und die ge- samte Munition werden den Italienern übergeben. Den Offizieren hat man zum Zeichen der Anerkennung ihres tapferen Verhaltens den Säbel gelaffen. Ich stelle unsere gestrigen Verluste fest: Ein Offizier wurde verwundet, 4 Soldaten getötet und 26 verwundet. (Bravorufe, langanhaltender Beifall, Rufe: Es lebe Ameglio, es lebe die Armee, es lebe die Marine.) Beschlagnahme eines Munitionstransportes. Rom , 1(3. Mai. Admiral Viale telegraphiert: Die Torpedo- bootzerstörerNembo" undAquilone" haben heute in der Nähe der Insel Lipso eine Galeere genommen, die Waffen und Munition geladen hatte. Vom tripolitanischen Kriegsschauplatze. Konstantinopel , 16. Mai. Das KricgSminifterium veröffentlicht eine Meldung aus T o b r u k, wonach ein türkisch -arabisches De- tachement die Italiener, während sie mit der Errichtung von Ver- schanzungen beschäftigt waren, angriff, wobei 20 von ihnen fielen und 26 verwundet wurden. Eine Meldung aus Benghasi vom S. d. M. besagt: Nach einigen Vorpostenscharmützcln rückten zwei Bataillone italienischer Infanterie mit einer Batterie, ihnen voran 120 Gariawi, das sind eingeborene Zigeuner, in der Richtung auf Karayunus vor, zogen sich aber infolge des FeuerS der Titrken und Araber zurück. Mehrere GariawiS und zehn italienische Reiter wurden getötet. Auf türkisch -arabischer Seite waren keine Verluste zu verzeichnen. Kamelgeschichten auö Tripolis . Rom , 16. Mai. (Eig. Bei.) Wir haben seinerzeit über die guten Geschäfte berichtet, die der Banco die Roma dadurch gemacht hat, daß er die von der Militärverwaltung angekauften 3000 Kamele für 3,60 Lire täglich zu verpflegen übernahm unter Stellung der not- wendigen Treiber. Dieser Vertrag ist nunmehr abgelaufen, und bei eBBB= KleincQ f cuillcton, Strindberg und die nordische Sozialdemokratie. Der Tod Strindbergs hat natürlich vor allem der skandinavischen Presse Veranlassung gegeben, sein Lebenswerk und seine Persönlichkeit zu würdigen, und die Arbeiterpresse fühlt sich ganz besonders ver- pflichtet, des Mannes zu gedenken, der in den letzten Jahren seines wechselvollcn Lebens imSocialdemokrat " das am besten zur Dar- legung seiner sozialen und politischen Meinungen geeignete Organ fand. Hatte doch auch die Arbeiterschaft Stockholms schon ducch ihre große Huldigung an seinem letzten Geburtstage bewiesen, wie hoch sie ihn schätzte. H j a l m a r B r a n t i n g, der dem Dichter persönlich nahe stand, schreibt in seinem Nachruf auf Strindberg: «Es entsteht in dem Geistesleben unseres Landes ein leerer Raum, den soeben noch Strindbergs Riesengestalt ausfüllte. Er war unser, denn er war schwedisch bis in die Fasern seines Herzens, und in unserer Sprache hat er das Lebenswerk geformt, das seinen Namen durch die Zeiten tragen wird. Aber dieses Dichter- und Dcnkerhaupt gehörte nicht nur Schweden an, er war in seinem Schaffen der einzige, der von hier oben hinaus über Europa leuchtete. Nun ist dieses Licht erloschen. Es ist nicht nur ein Häuptling ohnegleichen, es ist ein Zeitabschnitt, der mit dem Sohn der Dienstmagd zu Grabe geht. Die Zeit des DurckchrucheS. der großen geistigen Befreiung, di? vorausging und der Be- freiung der Arbeiterklasse den Weg bereiten half.-- Dann kamen andere Zeiten, und Strindberg ging hin und opferte neuen Göttern cr war weit fort auf allen Irrfahrten, und das Alte glaubte schon, ihn zu haben. Aber das war ein Irr- tum. Ties in seinem Innern lag der Zweifler, der Forscher, der Entschleierer äußeren Scheines und falschen Schimmers. Und so schloß er, wo er begonnen hatte, bei den Bedrückten, als des Volkes geliebter Dichter, als der geschworene Feind der Ober-. »lasse er prägte ja übrigens selbst dieses Wort Oberklasse." Strindbergs Stellung zur modernen Arbeiter- bewegung und»um Sozialismus war im Laufe seines langen Lebens oftmals unklar und dem Wechsel unterworfen. Er war offenbar zu sehr Individualist und zu wenig Nationalökonom, um die theoretischen Grundlagen des modernen Sozialismus zu erfassen. Im norwegischenSocialdemokrat " schildert der schwedische Genosse C. N. C a r l e s o n Strindbergs wechselnde Stellung zum Sozialismus und schließt mit den Worten: Die Ehrlichreii und der Ernst der sozialdemokratischen Ar- beiterbewegung im Kampfe gegen die Armut hatte schließlich seine Seele erfaßt und darum sollte jedes Sozialdemokraten Brust sich gehoben fühlen im Anblick des titanischen inneren und äußeren Kampfes dieses Niesen, eines Kampfes durch die tausend Hinder- nisse und Schlingen der Burgerlichkeit vorwärts zur Klarheit darüber, daß die Forderungen und Hoffnungen der Massen doch schließlich der feste Leuchtturm sind, der hinausleuchtet in das Tmnkel der Zukunst. Theater. Charlottenburger Schillertheater: Die Ge» fährtin; Paracelsus; Der grüne Kakadu von Ar- thur Schnitzler. Die Aufführung war in der Wahl der Stücke wi« in der Form der Wiedergabc eine würdige Feier von Schnitz- lerS fünfzigstem Geburtstag. In der stimmungs- und sinnvollen, ironisch-nachdenklichcn Art, wie die drei Einakter den Gegensatz von Illusion und Wirklichkeit, ihr wechselndes Sichkrcuzen und Jnein- ander-Uebergehen beleuchten, prägt die Persönlichkeit des Dichters sich eindrucksvoll bedeutsamer, wie in so manchem seiner späteren mnsangrcicheren Dramen aus. Das Schweben der Stimmung geht dem neuen Wettbewerb hat eine neue, vorwiegend aus Arabern bestehende Gesellschaft, dieselben Verpflichtungen für 2,40 Lire den Tag übernommen, was an jedem Tage eine Ersparnis von 3300 Lire und für die 100 Tage des Vertrages ein solche von 330 000 Lire bedeutet. Man sieht wenigstens, daß der Banco di Roma schon gewußt hat, warum ihm der Krieg so sympathisch ist. Uebcr die Kamele ist weiter zu sagen, daß ihr Ankauf 1 800 000 Lire gekostet hat, ihr Unterhalt in den ersten 100 Tagen rund 1 Million Lire und auf Grund des zweiten Vertrages weitere 720 000 Lire kosten wird. Macht alles in allem zirka SM Millionen Lire. Wie gut das Geld angewandt ist, ersieht man daraus, daß die Kamele bis jetzt noch keine Verwendung fanden. Da Vorsicht die Mutter der Weisheit ist, hatte man sie nämlich rechtzeitig zum Vormarsch in die Wüste angekauft. Ein nachgelassener Brief William Steads an denAvanti". Rom , 16. Mai. (Eig. Ber.) Im Nachlatz des bei der T i t a n i c"- K a t a st r o p h e untergegangenen Schriftstellers Stead hat sich, wie der Korrespondent desAvant i" aus London meldet, ein Brief gefunden, den Stead auf eine Anfrage des Avanti" geschrieben ud dann wahrscheinlich, weil er ihn einer neuen Durchsicht unterziehen wollte, nicht abgeschickt hatte. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut: London , 2. November 1011. An meine Freunde in Italien ! Ich danke dem Chefredakteur desAvanti", mir die Gelegen- heit zu bieten, mich in kurzen Worten über den Krieg i n Tripolis zu äußern. Ueber den Krieg als solchen habe ich Euch nichts zu sagen. Was uns jetzt interessiert, das ist, wie cr enden wird. Wollen Sie einem aufmerksamen englischen Beobachter er- lauben, ganz offen seine Meinung zu sagen? Das italienische Heer, so stark und mutig es auch sein mag, hat sich an ein Unternehmen gemacht, von dem sich selbst Napoleon hatte zurück- ziehen müssen. Die Eroberung der Wüste durch eine Militär- kampagne ist ein Unding. Vor Weihnachten wird das italienische Ministerium der Tatsache gegenüberstehen, daß ihm die Er- oberung von Tripolis nicht gelungen ist und die Unterwerfung der Araber auch nicht; daß die Annahme der italienischen Forde- rungen durch die Türken nicht erreicht und den Beistand seiner Verbündeten nicht erlangt hat. Was wird dann geschehen? Es gibt nur zwei Alternativen: entweder die Revolution oder der Rücktritt des Kabinetts mit Friedensschluß. Die �zweite Lösung ist auf alle Fälle vorzu- ziehen, weil sie weniger Unheil einschließt. Wie wir in England das Kabinett Chamberlain durch ein burenfreundlichcS ersetzt haben und die südafrikanischen Repu- bliken den Völkern zurückgaben, die sie bewohnen: so sollten auch die Italiener die Zügel der Regierung in solche Hände legen, die den Arabern wohlgesinnt sind, und sollten die Regierung von Tripolis seinen eigenen Bewohnern überlassen. William Stead . Bemerkenswert ist an dem Brief, der freilich nicht von Propheten- gäbe zeugt, daß Stead sich immerhin schon vor dem Bekanntwerden der Araberrcvolte deutlich darüber klar war, in welch schwierige Situation sich Italien durch den Krieg begeben hatte. Damals galt dieser hierzulande noch als der berühmte Kolonialspaziergang l Hochverrat und Polizeiblamagen. Rom , 16. Mai. (Eig. Ber.) Im Laufe von wenigen Tagen 'ist in Rom zweimal wegen Verdachts des Hochverrats gegen un- bescholtene Bürger vorgegangen worden. Zuerst hat man einen Beamten des Ackerbauministers behauSsucht, unter dem Verdacht, mit einem türkischen Spion in Verbindung zu sein. Als sich dann hier mit sicherer künstlerischer Konzentrierung Hand in Hand; eS ist ein Fließen, kein Zerfließen, wie etwa in demEinsamen Wege" und demRuf des Lebens". Der feinen, naturalistisch durchgeführten SeelenstudieDie Gefährtin" folgte die graziöse VersdichtungParacelsuS". Imgrünen Kakadu", dem Schlußstücke des Abends, hat Schnitzlers Kunst den bisher nicht übcrtroffenen Gipfel ihrer Kraft erreicht. Gespenstisch jagt ein bunter Mummenschanz, indes von draußen her die Donner des VastillesturmeS dröhnen," vorüber. Eine verrottete Pariser Aristokratensippe feiert bei dem Wirt zum grünen Kakadu, der angeworbene Komödianten zum Nervenkitzel der er- lauchten Gäste sensationelle Verbrecherszenen mimen läßt, nächtliche Orgien. Hinter dem Spiele lauert der Haß der Ausgestoßenen. Die beiden Gruppen sind in markanten, knappen Zügen vortrefflich kontrastiert. In daS gespielte Verbrechen mischt sich das wirkliche ein aus dem Zuchthaus entlassener Mörder; und bei dem Mo- nologe Henris, des genialen Haupts der Truppe, der erzählt, eben habe er sein junges, angebetetes Weib mit dem Herzog von Ca- dignan überrascht und ihn erstochen, verwischen sich vollends alle sicheren Grenzen. Was er als Spiel erfunden, war Wirklichkeit und wird es: Er hört, der Herzog habe ihn mit der Geliebten bc- trogen, und bohrt in rasendem Schmerze das Messer in des adligen Rivalen Brust. Von der Straße schallt Lärm und Jubel. Man ruft: es lebe die Freiheit, es lebe Henri. Drohend klingt hinter den erschreckt forteilenden Aristokraten die Prophezeiung GrassetS: Laßt sie für heute laßt sie, sie werden uns nicht entgehen. DieseGroteske", in ihrer seltsam originellen Eigenart be- sonders schwierig, hatte der Regisseur Walter H o r st ganz über- raschend glücklich inszeniert, die Gegensätze plastisch-malerisch aufs wirksamste herausgearbeitet. Aus der Fülle der Einzellcistungcn traten insbesondere die spielerisch lüsterne Marquise Hedwig Paulhs, P a e s ch k e s jugendlicher Herzog. Wirths Kellerei- besitzer, Gerhards schwärmerischer Henri und Else Wasas leichtsinnig buhlerische Leocadie hervor. AlsParacelsuS" brachte sich Herr Gerhard durch eine Christusmaske, die für den Aben. teurer wenig paßte, um einen Teil des Eindrucks. Desto ge- schlossener wirkte Bernecker als breiter, arroganter Bürgers- mann. In derGefährtin" erfreuten Max Reimer und Hedwig P a u l y durch diskret getönte Charakteristik. ät. DaS neue VolkSlheater(Neue freie Volksbühne) ver- anstaltete am Mittwoch gleichfalls einen Schnitzler-Abend, der den Wiener Dichter in zwei seiner populärsten Stücke vorführte. Der amüsanten und in allerlei Ironien glitzernden PlaudereiLiteratur" folgte das Drama Schnitzlers, das für seine Art am allercharakteristischstcn ist:Liebelei". Die echten und die falschen Töne sind in dieser süß« schwermütigen Liebesgesckichte des Wiener MädelS, die an der Liebelei des vornehmen jungen Mannes zugrunde geht, aber auch der ganze Zauber der«chnitzlerschen Dialog- und Milieukunst. Die Darstellung war in beiden Stücken eine recht gute. Nur war der Gilbert des Herrn Robert Müller(in derLiteratur") wohl in Maske und Alter etwas oergriffen. Um so besser wirkke desselben Darstellers feine Charakterisierung des alten ViolinspielerS in der Liebelei". Die kontrastierenden Mädchenfiguren wurden von Martha Anger st ein(die tiefe, hcrzcnsechte Christine) und Else Bock(die leichte, nette Mizi Schlager) wahr und ansprechend verkörpert. Musik. Etwa? Fürchterlicheres kann der Literatur nicht angetan werden, als daß aus vorhandenen Werken Stücke herausgerissen und zu einem angeblich neuen Wert zusammengefügt werden. In solcher Weise aus verschiedenen Stellen der Lyrik Heines, zumal »Traumbilder" Rr. v, etivaS zusammengestellt zu haben, ist das der türkische Spion als ein deutscher Geschäftsmann mit Namen Bernhard Schweitzer herausstellte, der für eine Berliner Firma über die Einrichtung einer Fabrik in Tripolis verhandelte, mußte man den Beamten in Ruhe lassen, während die lokale Presse spalten- lange Berichte über die Polizeiblamage brachte. Dadurch scheint man noch nicht gewarnt zu sein, denn am 14. Mai hat man einen Artillerieleutnant z. D.. den Ingenieur Giuliano, verhaftet, weil er angeblich Festungspläne und andere Dokumente an auswärtige Staaten verkauft hat. Auch Angaben über die Mobilisierung in Italien soll cr geliefert haben. Die Leute, die den Verhafteten kennen, glauben nicht an seine Schuld, und wer die Schlauheit der Polizei in solchen Dingen kennt, der glaubt noch viel weniger daran. Der Kriei, als Schule der Verrohung. Rom , 16. Mai. (Eig. Ber.) Schon bei Beginn des Kriege? haben wir auf die schweren Mißstände aufmerksam gemacht, denen Italien entgegengehen würde, wenn erst einmal die Soldaten vom Kriegsschauplatz heimkehrten. Einen Vorgeschmack dieser Folgen, die sich namentlich in Roheitsberbrechen äußern würden, geben einige Episoden, die demAvanti" aus Verona und L i v o r n o gemeldet werden. In Verona sind am 12. Mai Soldaten zurück- gekommen, von denen einige Schächtelchen mit sich trugen, in denen siealsAndenkenandenKriegOhrenvonBeduinen aufbewahrten! Menschenohren, fein säuberlich in pulveri- siertem Tabak aufgehoben. In Livorno brüstcte sich ein zurück» gekehrter Soldat mit einem in derselben Weise aufbewahrten Ohr, das er der staunenden Menge zeigte, indem er sich rühmte, es einem im Todeskampf liegenden Türken aus» gerissen zu haben! Bemerkenswert ist, daß es sich nicht um Soldaten handelt, die auS Tripolis zurückkehren, also nicht um solche, die etwa durch die Marterungen der Bersaglieri in Scharaschatt und Henni bis zur Bestialität erbittert worden sind. Die Soldaten kamen aus Bengasi . Da hat sich also der frische, fröhliche Krieg so abgespielt, daß man sich freudigen Herzens Leichenteile. von Getöteten als Andenken mitnimmt. Da kann man den italienischen Richtern gratulieren: sie werden Arbeit bekommen und die Ge- fängnisse Insassen. Man ruft nicht ungestraft die Geister her Roheit und Bestialität._ Gericdts Leitung. Milde Strafe gegen Streiker. Daß gegen Terrorismus Richter auch milde sein können, zeigt folgender Fall: In der Stadt Schweinfurt hat die Metzgerinnung den Beschlutz gefaßt, ihre Mitglieder zu verpflichten, daß sie bei Fleischlicferungen an staatliche und städtische Institute keinen Rabatt mehr gewähren. Ein Mitglied, das diesen Beschluß miß- achtete, wurde nach allen Regeln der Kunst terrorisiert. Auf dem Schlachthofe kam es zu einem furchtbaren Skandal; der zweite Vorsitzende der Innung beschimpfte denStreikbrecher" und be- arbeitete ihn schließlich derart, daß Blut floß und der Geschlagene mehrere Tage bettlägerig war. Bei Gericht kam der Jnnungs» Vorsitzende, der dem Abtrünnigen so entschieden Solidarität ein- bläuen wollte, mit 10 M. Geldstrafe davon. Wenn ein Arbeiter bei einem Streik sich derartiges zuschulden kommen läßt, geht es schwerlich unter einigen Monaten Gefängnis ab. Kinberbeschäftigung auf Tennisplätzen. Wie wir vor ewiger Zeit berichteten, hat das Kammergericht ein Urteil gebilligt, wodurch der VerPachter von Tennisplätzen wegen traurige Verdienst von Erik Meher-Helmund; und diese Traumbilder von Heinrich Heine (Mitternachtsszene)" wurden am Mittwoch zum anscheinend allerersten Mal in der Kurfürstenoper aufgeführt. Nun kann man den Kompo- nisten, wenn man von höheren künstlerischen Ansprüchen absieht, in seiner Sphäre des Netten, Lieblichen, Reizenden sehr hochschätzen und sich an seinen ganz geschickt gemachten Liedern einen kleinen Abend lang erfreuen. Hier aber, wo ans deni Kirchhof die Geister von allen möglichen Liebesabenteuern zwischen 12 und 1 Uhr nachts durcheinanderschwirren, mit dem leibhaftig erscheinenden Heinrich Heine selbst, will der Komponist viel höher hinaus. So bietet er eine Summe von Orchesterspäßen mit Harfe, Xylophon, Solo- Violine usw. auf, geht in absonderliche Tonverbindimgen hinein. kehrt ein paarmal wieder zu der ganz simplen Liedkomposition zurück und erreicht schließlich nur, daß wir wehmütig zurückdenken an die uns so lieben wirklichen Vertaner Heines ans der Roman- tikerzeit(Schumann usw.); und eine neue Weise, den Texten Heines gerecht zu werden, ist hier doch nicht einmal angestrebt. Weit mehr finden wir den Komponisten bei sich selbst in einem anderen Einakter, der im TextbuchTanz-Oper", auf dem Theater- zettel dagegenLustige Episode" hieß. Das ist unnötig; denn eine gute Spur von komischer Oper ist hier immerhin erreicht, und derartiges brauchen wir für die Opernbühne notwendig. DaS Stückchen heißtT a g l i o n i" und behandelt die angeblich authen- tische Episode, daß die berühmte Tänzerin auf einer Reise in Ruß- land von Banditen überfallen wurde und ihnen etwas vortanzen mußte. Das von dem Komponisten selbst verfaßte Textbuch bemüht sich immerhin danach, das dankbare Motiv von der Macht der Kunst recht nachdrücklich durchzuführen. Während der Räuberhauptmann sich an dem Tanz der Künstlerin berauscht, kommt die Gendarmerie und fesselt ihn: dann berauscht sich hinwiederum die Gendarmerie an dem Tanz der Taglioni, tanzt selber und merkt nicht, daß ihr inzwischen der Gefangene von seiner Geliebten wcggetanzt wird. Diesmal also kam Meyer-Helmund frischer, ohne Gespenster- sezeffwn zur Geltung. Entscheidend sind nette Lieder und noch nettere Tänze. Gelegenheit freilich, von irgendwelchen besonderen musikalischen Eigenheiten zu erzählen, ist nun einmal nicht vor- handen.. Die zahlreichen beteiligten Sänger auch nur auswählend zu nennen, geht hier nicht an; a»: äußeren Erfolg fehlte es nirgends. 6t, Notizen. Die Kurfür st enoper ist vom 1. September ab auf 10 Jahre an Direktor Palst vermietet worden. Das Schicksal der jüngsten Berliner Operngründung hat also rasch den Kreislauf vollendet. Direktor Palfi wird mit der Oper fortfahren... aber nötigenfalls(also sicher) zur Operette übergehen. Direktor Morris, dem das Kapital zu bald ausgegangen ist, hatte sich redlich mit künstlerischem Erfolg bemüht, die Traditionen der Komischen Oper fortzusetzen. 7"- Die� Ausstellung der Futuristen ist bis zum 3l. Mai verlängert worden. Sie ist in die Königin-Augusta-Str. 61 verlegt worden und täglich von 10-8 Uhr geöffnet. Wie Strindberg beerdigt sein wollte. Strind» bergS letzter Wille lautete: Mein toter Körper darf nicht obduziert und nicht ailsgestellt werden. Keine Totenmaske und keine Photo« graphien dürfen genommen werden. Ich will früh morgens um 8 Uhr zu Grabe getragen werden, um den Blicken der Neugierigen zil entgehen. Keiue Bestattung in einer Grablapelle, noch in ciner Kirche darf stattfindcn; ich will nicht»il dem Quartier der Reichen aus dem Markte der Eitelkeit ruhen. Am Grabe darf nicht gespielt. gesuiige» oder geredet werden, sonder» der Pfarrer soll nur dem Text des Handbuches folgen.