iökek, und der ganze Vorschlag nur noH'eine bequeme Ausflucht für die Gegner einer wirklich direkten Reichsbesteueruiig. Die Genossen Ledebour und Dr. S ü d e k u m brachten diese Auffassung in klaren Worten und mit den schärfsten Argumenten zum Ausdruck, ohne aber die Nationalliberalen zu einer Abkehr zu bringen. Die Rechte und das Zentrum hätten es angesichts dieses Erfolges, den sie der schwachmütigen und unbeholfenen Staatsmännerei der Nationalliberalen verdankten, gar zu gern gesehen, wenn nun der zweite Vorschlag preisgegeben worden wäre. Da aber, in dieser wichtigsten Abstimmung, sprach sich eine immerhin starke Mehrheit klar und ohne Umschweife für die Erbschaftssteuer aus, die vor drei Jahren dem Eigennutz der Reaktion zum Opfer gefallen ist. Am Abend wurde auch die dritte Lesung der B rann t- wcinsteuervorlage erledigt, die schon in den soeben erwähnten Verhandlungen verschiedentlich erörtert worden war. Genosse Wurm, der die Ablehnung durch unsere Fraktion begründete, faßte noch einmal in prägnanter Weise das Urteil zusammen, das wir über diesen neuen Raubzug der Ritter von der Spirituszentrale fällen, die sich diesmal hinter einer angeblichen Aufhebung der Liebesgabe verbergen möchten. In der Spezialdebatte hatten wir nur mit einem Abändcrungsantrag Erfolg, da ein Teil des Zentrums gegen die offizielle Parteiparole für uns stimmte. Auch die W e h r v o r l a g e n, die der Anlaß zur Be- seitigung des Kontingents gewesen sind, erlebten heute ihre endgültige Annahme, nachdem Genosse H a a s e noch kurz die Auffassling unserer Fraktion präzisiert hatte. Der Reichs- kanzler, der bis dahin ausgeharrt hatte, verließ glückstrahlend den �saal, begleitet von komplimentierenden Geheimräten und Staatssekretären. Nun kann der Grafentitel nicht mehr auf sich warten lassen. Im Laufe des Tages waren mehrere Wahlprüfun- gen behandelt worden. Herr Pauli erlitt zu seinem heutigen 6V. Geburtstage, trotz aller Anstrengungen des Zen- trums und der Konservativen, den Schmerz, daß seine Wahl für ungültig erklärt wurde. Er ist also doch umsonst von Potsdam nach Hagenow geflüchtet! Bei der Erörterung über die Wahl des Grafen v. Oppersdorfs kam es zu einer Abstimmung über die Frage, ob geistliche Wahlbeeinflussung ein gültiger Anfechtungsgrund sei. Die Frage wurde mit großer Mehrheit bejaht, unserer Erinnerung nach zum erstenmal. Bei den Petitionen erreichten wir, daß ein Antrag des Genossen A l b r e ch t, über eine Petition auf Einführung des kleinen Befähigungsnachweises im Schneidergewerbe zur Tagesordnung überzugehen, angenommen wurde. Eine andere Petition auf Einführung einheitlicher Wahlurnen wurde nach Verteidigung durch den Genossen Dr. O u a r ck einstimmig angenommen. Die Konservativen schämten sich, dagegen zu stimmen. Zu Beginn der Sitzung war der Gesetzentwurf über die Militärluftfahrtfürsorge in enfter und zweiter Lesung von allen Parteien angenommen worden. Die Genossen Dr. Frank und B e r n st e i n sprachen sich für unsere Partei zugunsten dieser Regelung aus. Morgen wird der Etat in dritter Lesung erledigt, und j>£E Reichstag wird sich auf den 26. November vertagen. N'- HinanzverdrofleicheU. Paris , 18. Mai. (Eig. Ber.) Ist der russisch -französische Zwischenfall— die vom„Echo de Paris" enthüllte und von den beteiligten auswärtigen Aemtern durch steife Dementi erst recht bestätigte Forderung der Abberufung des Botschafters Georges Louis aus Petersburg — auf die Umtriebe Jswolskis, auf die Umtriebe der in Rom und Peters- bürg sitzenden Prinzessinnen, aus dem montenegrinischen KöNigs- haus, wie manche wiffen wollen, oder auf die durch die neueste polt- tische Entwicklung beschleunigte Auslösung der russisch -französischen Interessengemeinschaft zutüd&ufüljtein? Vielleicht haben alle diese Motive zusammengewirkt. Herr JswolÄi hat schon lange durch feine Aufgeblasenheit und Anmaßung die französischen Diplomaten- kreise verstimmt. ES ist begreifliche daß die ruhige Sachlichkeit, womit Herr Louis seine Aufgaben erfüllte, seine Pojektenmacherei erschwerte. LoiüS ist als der unterrichtetste, das ungeheuere Detail der internationalen Politik« beherrschende Diplomat Frankreichs bekannt, und da ist es begreiflich, daß von ihm keine Förderung der russischen Abenteuerlust zu erwarten war. Er soll— und in diesem Tadel stimmt der.Tempo" ein— ein zu.bürgerliches" Leben führen, d. h. sich vom Boudoirtratsch fernhalten, der für manche Leute noch iunner als unentbehrliche Quelle diplomatischer Erkenntnis gilt. In Frankreich ist die Meinuug, daß das nationale Interesse gebiete, im diplomatischen Verkehr den RepublikaniSmus diskret in der StaatSweste verschwinden zu lassen, in der herrschen- den Klasse maßgebend, wie gerade jetzt die Besetzung des Wiener Botschafterpostens gezeigt hat. Jimnerhin ist das nationale Selbst- gefühl stark genug, um gegen, eine allzu grobe AchtungSverletzung gu rebellieren. So sehen wir denn diesmal eine völlige Einstimmigkeit der Presse in der Zurückweisung der Einmengung der russischen Regierung in tza» SelbitbeitinrnrungKrecht der Repuvnk. Herr Loui» kKtie vielleicht den Botichasierposden. den er in der Tat aus privaten Gründen räumen wollte, schon setzt verlassen, aber nach der Eni- hüllung des.Echo de Paris " verlangt die öffentliche Meinung, daß er gerade jetzt, wenn auch nur füv einige Monate nach Peters- bürg zurückkehre. Daß die nationale Empfindlichkeit gegen Ruß- land so deutlich hervortritt, hängt aber auch, trotz aller in der off.i- ziösen und von der Großfinanz beherrschten Presse betonten Allianztreue, unverkennbar damit zusammen, daßdasDündnis mitRuß landläng st alSeineLügeempfunden wird. Seit der bosnischen Krise war die Gemeinschaft in der Aktion tat» sächlich gebrochen. Der Weigerung Frankreichs , Jswolski auf seinen wissentlich einer Katastrophe zusteuernden Abenteurerwegen zu folgen, gaben die Potsdamer Abmachungen die Antwort. Nun gab es, während in offiziellen Reden die Nllianzphrase weitergcschlcppt wurde, eine Reibung nach der anderen. Der Versuch einer neuen russischen Anleihe scheiterte an der Weigerung der von der Regie- rung inspirierten Finanzkreise. In der militärischen Politik Ruß- lands trat die Tendenz, die Kräfte auf den Orient zu konzentrieren. in einer für Frankreich empfindlichen Zurückziehung der an der Westgrenzc liegenden Truppenkörper hervor. Bis der Versuch Rußlands , den tripolitanischen Krieg zu einem Vorstoß in Klein» asien und zur Durchsetzung der Oeffnung der Dardanellen auSzu» nützen, auf die Opposition der Ententemöchte stieß, vor allem Frank- reich, dem ein Angriff auf die islamitische Welt im Augenblick der Marokkanischen Wirren besonders unangenehm sein muß. Es er- scheint verständlich, daß die französische Regierung die Anmaßung CasonowS und Jswolskis im Zusammenhang mit der Londoner Mission Marschalls von Biberstein als eine Drohung mit der diplo- matischen Isolierung empfindet und nun gegenüber Rußland Wohl Bfrf übel ihre Unabhängigleit desuwstriuen viuß. NiitzcnehB, ist die Situation für die Republik sicher nicht. Sie hat eben die Folgen ihrer Gefügigkeit gegen, die Großfinanz zu tragen, die sie erst in die Milliarden verschlingende Allianz und dann in das marokka- Nische Abenteuer gesührt hat. Sei' Krieg. Die Verwlistnug der Oase von Tripolis. stom, den 18. Mai. (Eig. Ber.) Mit Aufgebot vieler Lyrik hat man bei Beginn des Krieges die Ueppigkcit und den Reichtum der Oase von Tripolis geschildert. Um so konsequenter schweigt nun die nationalistische Presse über den heutigen Zustand dieses Landstrichs, der sich 15 Kilometer lang und 3 Kilometer breit gürtclartig um Tripolis legt. Der Berichterstatter des„Avanti" gibt eine geradezu erschütternde Beschreibung der noch vor kurzer Zeit so üppigen Gegend, die als Strafe für die an den Bersaglieri begangenen Grausamkeiten dem Bombardement der italienischen Kanonen ausgesetzt worden ist. Wo früher trefflich bestellte Fel- der waren, im Schatten hoher Palmen und umgrenzt von Mauern und Feigcnhecken, sind heute dürre Bäume, Wüstensand und Ruinen. Die Kleinbauern, die die Oase bestellten, sind teils gefallen, teils geflohen. Sobald die künstliche Bewässerung ein- gestellt wurde, sind die Palmen verdorrt und die Gemüsepflan- zungcn und Kornfelder vertrocknet. Das Vieh ist fortgetrieben worden, die Häuser fast alle durch die Kanonenschüsse beschädigt. Jetzt trägt sich die Regierung mit dem Gedanken, die Oase neu zu bevölkern, damit der durch Menschenfleiß der Wüste abgerungene Boden nicht allmählich ganz versande. Aber was man in wenigen Stunden zerstören konnte, ist schwer wieder aufzubauen. Die Ge- flohenen wollen nicht zurückkehren, und man wird schließlich die auf italienische Inseln deportierten Araber zwangsweise in der Oase ansiedeln müssen. Und wenn man sie nicht mit Arbeitswerk- zeugen und Vieh versieht, werden sie sich dort nicht behaupten können. So haben die Greuel deS Krieges unermeßlichen Reichtum zerstört, und das italienische Volk mutz in die Tasche greifen, um den Kirchhof wieder zu bevölkern. Expropriationsjustiz in Libyen . Rom , den 19. Mai. (Eig. Ber.) General C a n e v a hat ein Dekret veröffentlicht, das für die annektierten nordafrikanischen Provinzen ein recht trauriges Ausnahmerecht festsetzt. Alle Ein- geborenen, die wegen Verbrechens gegen das Leben, das Eigentum und die öffentliche Sicherheit unter Anklage gestellt werden, haben die vorläufige Beschlagnahmung ihres beweglichen und unbcweg- lichen Besitzes zu erivarten. Sobald sie dann wegen eines der angeführten Verbrechen zu Strafen verurteilt sind von mehr als drei Monate Dauer, so kann aus der vorläufigen Beschlagnahmung die endgültige Einziehung ihres Besitzes werden. Das militärische Strafrecht ist natürlich sehr splendide mit Verurteilungen von so kurzer Dauer. Da wird dann bald alles Hab und Gut der Ein- geborenen„von Rechts wegen" dem italienischen Staat zufallen. Die Italiener vor Kos. Rom, 21. Mai. Admiral V i a l e meldet durch Funkspruch von Bord des Schlachtschiffes„Vittorio Emanuele": Gestern früh er- schien das Schlachtschiff„Napoli " vor der I n s e l Kos. Der Kaima- kam, die Gendarmerie und die türkischen Zivilbehörden ergaben ich. Ausweisung aller Italiener aus der Türkei . Konstantinopel , 20. Mai. Der Mini st errat beschloß heute die Ausweisung aller Italiener aus der Türkei mit Ausnahme der Arbeiter, OrdenSgeistlichen und Witwen. Den Ausgewiesenen wird eine Frist von vierzehn Tagen gewährt. Marseille . 21. Mai. Die türkische Regierung hat 4 Paffagier- dampfer der Messageries Maritimes gemietet und nach Äonstan- tinopel beordert, um dort 4000 ausgewiesene Italiener an Bord zu nehmen. Die ausgewiesenen Italiener werden nach Neapel gebracht werden. Mailand , 21. Mai. Aus S m y r n a und K l e i n a s i e n sind im ganzen 1000 0 Italiener ausgewiesen worden, die bis Ende der Woche den türkischen Boden zu verlassen haben. Mehrere Schiffe mit Ausgewiesenen haben bereits den PiräuS passiert, und die regelmäßigen Dampferverbindungen, die für den Massentransport der ausgewiesenen Italiener nicht ausreichen. find durch italienische Transportschiffe verstärkt worden. Die Tür. ken haben ferner 10 italienische Schiffer verhaftet, mit der Be- gründung, daß sie der italienischen Flotte als Lotsen dienen könnten. Sie Revolution In ßl)ina. Verzweifelte Lage der Chinesen in Tibet . Simla, 20. Mai. Nach einer vom 15. Mai datierten Meldung auS L h a f f a find die C h i n e f e n in Gebäuden der südlichen Vorstädte eingeschlossen. Ihre Lebensmittelvorräte und Patronen sind erschöpft, ihre Maximgeschütze schweigen. Die Be- lagerten nähren sich von toten Zugtieren. Der Rückzug ist ihnen durch 15 000 Tibetaner, die beide Seiten des FlusscS besetzt halten. abgeschnitten. Oesterreich und die internationale Anleihe. London , 20. Mai. (Meldung deS Reuterfchen Bureaus.) Wie ein Telegramm aus Paris meldet, ist der österreichisch - ansarischen Regierung zu verstehen gegeben worden, daß ihr Vorschlag, in die SechSmächtcgruppe für die chinesische Anleihe ausgenommen zu werden, den Finanzplan der Mächte schwierig gestalten würde, da dann zu viele Teilnehmer vorhanden wären. Gleichzeitig wurde betont, daß für eine finanzielle Be- teiligung Ocsterreich-Ungarns jegliche Erleichterung gewährt wer- den würde. Politische deberficbt. Berlin , den 21. Mai 1912. Die Herren, der Knltns«nd der Unterricht. .WaS nützen uns alle höheren Schulen," denkt Herr Graf Mir- bach-Sorquittcn.„was nützt uns der ganze DrillpatriotiSmuS, wenn eine gotwermaledeite Presse das alles nachher verunjeniert?" Also, Regierung, also, Wahnschaffe, wann schaffste endlich eine Presse, ge- tragen von dem ausschließlich privilegierten und allein echten Geist von Sorquitten? Das ist eine alte ungestillte Sehnsucht des gräflichen Wegweisers und das lebende Schreckbild der.Nordd. Lllg." kann ihn nicht hindern, eine noch Norddeutschere, noch Allgemeinere stürmisch zu fordern. Ganz schön,«ber mit den Ernennungen der königl. Schreibbeamten, der Reportersupernumerare. der Parlaments- dezernenten und der Wirklichen Geheimen Oberredakteure wird es nicht getan sein. Man wird ein Gesetz machen müssen, um da? PreußenvoU zum Lesen zu zwingen, und die Nachprüfung seiner Durchführung wird am besten gesichert, wenn die Schutzleute jeden Passanten, wie nach Ausweispapieren, fragen dürfen:»Herr, was steht heute im.Patriotischen Sorquittener"'? Sonst gab es in der Kulwsdebatte nicht? wesentlich Neues. Ueberraschend bleibt es, daß auch Graf Dorck-Wartenburg nicht über Kröchers.olle infamichte Jefuwitter« sprach, die ja einigermaßen aktuell find. Man sprach viel über Minderleistungen der höheren Schüler, über humanistischen und neusprachlichen Unterricht, und Graf Zedlitz-Trützschler rechnete eS sich als Verdienst an. als Minister die Realgymnasien erhalten zu haben. Ueber die Volksschule freilich ward gar nicht gesprochen.... Bei den Universitäten sprach Graf Mirbach gegen die Tendenz« Professoren der schweren Industrie. Aber die agrarischen Tendenz« Wissenschaftler vergaß er ebenso wie die halatistischen und Hurra- patriotischen. Eine Debatte über die Universität Frankfurt offenbarte wenig Freude an diesem süddeutschen Teufelszeug, das wahrlich mehr als genug gebändigt ist in den Fesseln der staatlichen UnterrichtSber- waltung. Auch über Jugendpflege sprach man: die Generalfeld- Marschälle Graf Haeseler und v. d. G o l tz forderten FortbildungS- Schulpflicht bis zum 13. Jahre, Agitation für den die Heerestauglichkeit hebenden Jungdeutschlandbund. Minister S y d o w erklärte, daß die Regierung desPflichtfortbildungsschulgesetzeS die Fortbildungsschule im Verwaltungsweg einführe, was ihr daS Reichsgesetz gestatte. Noch ein General sprach nach den Kleist, Häseler und Goltz. Herr v. Lindequist legte sich für feine Kriegervereine ins Zeug. Mitten im Kultusetat wandte er sich gegen die letzthin im Reichstag geübte Kritik. Seine ganze Rede war wieder einmal ein Beweis dafür, daß Sozialdemokraten in den Kriegereinen nichts zu suchen haben. Man ist so national, daß man die Angehörigen der größten Partei der Nation nicht zu haben wünscht. Nach siebenstündiger Sitzung war der Etat erledigt. Mittwoch: Eisenbahnanleihegesetz, Konservative und Ultramontane als Wahrer der preußischen Volksehre. Die Rede Scheidemanns im Reichstage hat fast die ganze bürgerliche Presse, von den kleinsten konservativen Kreis- blättern bis zu den fortschrittlichen Börsen- und Handels- blättern in Aufregung versetzt. Das ethische Gefühl des ehr- samen Pfahlbürgers wird mit den verlogensten Mitteln auf- gestachelt, und die Aeußerung Scheidemanns gegen das heutige preußische Regime als eine Beleidigung des ganzen preußischen Volks ohne Unterschied der sozialen Stellung, als ehrloser Landes- und Volksverrat bezeichnet. Dieselben Leute, die sonst mit tiefster Verachtung auf das Kleinbürgertum und die Arbeiter herabsehen und ihnen alle politischen Rechte vor- zuenthalten trachten, die suchen nun der von ihnen sonst als Staatsbürger dritter und vierter Klasse behandelten Masse einzureden, sie wäre durch Scheidemanns Ausspruch über die Jämmerlichkeit der preußischen Zustände schwer in ihrer Ehre beleidigt. Als Probe dieses verlogenen Entrüstungsrummels kann folgende Aeußerung der„Schles. Morgenzeitung" dienen: „Was wir vor acht Tagen in unserem SonntagÄcitartikel als„den Anfang" bezeichneten, nämlich des Ansturms der Sozial- demokratie auf die preußische Verfassung, das setzt sich fort �in den Vorgängen gestern nachmittag im Deutschen ReicbStage. In unerhörter Weife hat dort der Sprecher«der Sozialdemokratie unser preußisches Vaterland beleidigt. Um diese Beleidigung recht empfindlich zu machen, schickte die Sozialdcmo- kratie absichtlich ihr Fraktionsmitglied Scheidemann vor. den Mann, der schon einmal in so gemeiner Weise unser� Hohen- zollerntum vor aller Welt in den Schmutz gezogen. Sie nahm sich also den frechsten Burschen, den sie in ihren Reihen hat, um mit Kot zu bewerfen, was alle national empfindenden Kreise unseres preußischen VolkesmitStolzihreigen nennen." Aber auch die fortschrittliche Presse fühlt sich zum großen Teil in ihrem Vaterlandsgefühl schwer getroffen und schimpft was sie kann, So schreibt beispielsweise das«Hamburger Fremdcnblatt": „Trümmer und Scherben häufen sich, wo die Dandalen ge- haust haben. Und einer ihrer Wortführer blickt mit selbstgcfälli- gcm Stolz zurück und sagt:«Machen Sie, was Sie wollen; wir toerden mit Ihnen allen fertig." Und doch haben die Reichstags- vandalen keiner anderen Heldentat sich zu rühmen, als sie in der Fabel auch das bekannte Tier im Porzellanladen mit gleichen! Erfolg anzurichten vermag. ES ist ja nun alles vorüber und erledigt. Der Gang der politischen Ereignisse ist bereits über den Scherbenhaufen hinweggelangt. Was an versäumten Ge- legenheiten von mutwilliger Hand zerschlagen unter den Trümmern liegt, bleibt nur als Wegmarke zurück für den ferne- ren Lauf der Entwickelung unseres öffentlichen Lebens." Und nachdem dann allerlei weise Bemerkungen über die „kindische Berärgerungspolitik" der Elsaß-Lothrmger und über den Unverstand der..gefinnungstüchtigen Genossen" ge- fallen sind, erzählt das Hamburger Jreisinnsblatt im Gefühl seiner politischen Ueberlegenheit: .Und so„sabotierte" denn Herr Scheidemann mit ziem- lichcm Erfolg das ganze Vorgehen des Reichstages. Es gelang ihm, durch möglichst gehässige Schmähungen auf Preußen die Regierungsvcrtrcter und die bürgerlichen Abgeordneten aller Parteien zur gemeinsamen Abwehv zu einigen." Natürlich darf die Zentrumspressc hinter dieser Auf- Wendung patriotischer Entrüstung nicht zurückbleiben; sie sucht deshalb die konservativen Provinzblätter und-blättchen noch an Aufgebrachtheit zu übertrumpfen— und doch haben sich Zentrumsblätter und Zentrumsredner früher noch viel abfälliger über das offizielle Preußen geäußert. Man braucht gar nicht an die Artikel der katholischen Presse während des Kulturkampfes zu denken— man braucht nur festzustellen. daß zum Beispiel die„Westdeutsche Arbeiterzeitung" des Herrn Giesberts wiederholt davon gesprochen hat, man müsse sich schämen, ein Preuße zu sein, und man braucht nur immer wieder an das Wort des Abg. Giesberts selbst am 26. No- vember 1906 im Reichstage zu erinnern, wo er bei der Be- ratung des Gesetzentwurfs über die Rechtsfähigkeit der Be- rufsvereine wörtlich erklärte: „Ich muß offen gestehen, auch der Gefetzentwurf in seiner Verfassung, wie Herr Justizrat Trimborn daS schon angedeutet hat. verrät ganz entschieden ein großes Stück preußischen Polizei- bureaukratismuS. Allmählich kommt das so weit, daß man sich schließlich schämt, draußen in der Welt sich als Preuße zu be- Zennen.(Stürmischer anhaltender Beifall links.)" Und Herr Giesberts fährt dann fort, was gerade bei der gegenwärtigen Diskussion über Elsaß-Lothringen doppelte Be- ziehung hat: „Wir Rheinländer verwahren uns schon lange dagegen, Preußen in diesem Sinne zu sein." Aus diesem Worte Giesberts wie aus den Artikeln der „Westdeutschen Arbeiterzeitung" und auch aus der früheren Opposition des Zentrums gegen Preußen spricht genau das- selbe, was Scheidemann jetzt ein wenig stärker unterstrichen hat: daß jeder volksfreundliche Politiker jede Gemeinschaft mit dem Regierungs- jystem. dem Polizeibureaukratjsmus und
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten