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» US  .».Mw t grillige desioriuirts" Kerlimr lolblsldit-«"ittMg.zz.Wi.9tz. Reichstag 69. Sitzung. Mittwoch, den 22. Mai 1912, vormittags 10 Uhr. Am Bundesratstisch: Kühn. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Antrag, zur Vertagung des Reichstages bis zum 36. November die Zustimmung zu erteilen. Abg. Hause sSoz.): Wir sind nicht damit einverstanden, dasj der Reichstag   so spät einberufe» wird. Wir können wohl alle die Erklärung ab- geben, daß dieser Reichstag so fleißig gewesen ist, so viel gearbeitet hat, wie selten einer der früheren. Viele von uns hohen das Ge- fühl, daß geradezu ein Raubbau getrieben ist mit der Arbeits- kraft der Abgeordneten, ebenso aber auch mit der Arbeits- kraft der Journalisten und der übrigen Beamten und An- ge st eilten dieses HauseS. Der Reichstag   ist eben so spät einberufen worden, daß geradezu eine Hetzarbeit getrieben worden ist. wobei noch sänitliche Initiativanträge zurückgestellt wurden. Diese Art der Hetzarbeit wird wiederkehren, wenn der Reichstag   erst am 26. November einberufen wird, denn dann wird die erste Lesung deS Etats erst zu Weihnachten fertig werden. Wir werden jeden- falls dafür sorgen, daß die Initiativanträge dann auch zur Verhandlung kommen. sBeifall bei den Sozialdemokraten.) Der Antrag wird angenommen. Debattelos werden dann der Zusatzvertrag zum Auslieferungsvertrag mit Luxemburg   und die Verträge mit Bulgarien  (Kon- sularvertrag), Vertrag über Rechtsschutz und Rechts- Hilfe in bürgerlichen Angelegenheiten, Auslieferungsvertrag, in dritter Lesung angenommen. Es folgt die dritte Beratung des Militär-Luftfahrfiirsorgegesetzes. Abg. Dr. Südckum(Soz.): Bei der zweiten Beratung ist bereits darauf hingewiesen, daß die Mißhandlung der deutschen Sprache bei diesem Gesetz die erträglichen Grenzen bei weitem überschreiten.(Zu- stimmung auf allen Seiten des Hauses.) Schon der Titel des Ge- setze« ist unaussprechlich. Da das Gesetz doch später inimer wieder zitiert werden soll, so ergreift einen ein Schauder über die zu er- wartende Verwilderung der Sprache. Am schlimmsten sind die Wortbildungen im§ 2: Luftdienstwitwengeld, Luftdienstwaisengeld, Luftdienstelterngeld, Luftdienstwitwenbeihilfe. Wir wollen die. letzte Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, wenigstens den Titel zu ändern und in erträglichem Deutsch auszudrücken. Wir beantragen daher das Gesetz zu nennen: Fürsorgegesetz für militärische L u f t f a h r e r.(Beifall.) Dieser Antrag und mit ihm das Gesetz werden a n g e- « o m m e n. Nach Erledigung einiger Rechnungssachen folgt jetzt die dritte Beratung der beiden Gesetzentwürfe über die Deckung der Kosten der Verstärkung von Heer und Flotte, die Forderung der Besitz  - bezw. Erbschafts   st euer, welche ebenfalls debattelos angenommen werden. Bei einer der beiden Abstimmungen bleiben die Freisinnigen fitzen  , die Nationalliberalen rufen ihnen zu: Ausstehen! Aufstehen! Langsam erhebt sich einer nach dem anderen von den Fortschrittlern, sich umsehend, wer eigentlich noch aufsteht.(Große Heiterkeit.) ES folgt die dritte Lesung des Etats. Abg. Ledrbour(Soz.); ES ist einigermaßen schwierig, bei der jetzt herrschenden Ferien- stimmung im Hause noch ernsthafte Erörterungen zu pflegen.(Oho I rechts; der Reichskanzler erscheint am BundeSratstisch) Soeben find eine Reihe der wichtigsten Vorlagen unter der größten Unruhe des Hauses angenommen worden, welche deutlich zeigt, daß das taus kein Interesse für die Vorlagen hat.(Sehr richtig I bei den ozialdemokraten. Lärm rechts und im Zentrum.) Präsident Dr. Kacmps: Es ist unzulässig, dem Hause einen Mangel an Interesse für die Vorlage vorzuwerfen.(Schallende Heiterkeit.) Abg. Ledcbour(fortfahrend): Zur Begründung meiner Behauptung weise ich darauf hin, daß eben bei einer Abstimmung der Abgeordnete Bass er mann in die Bresche sprang, um mit dem Fingerzeigetelegraphen überhaupt darauf hinzudeuten, worüber abgestimmt wurde.(Große Heiterkeit. Zuruf von der Rechten.) Wenn Sie(nach rechts) Jhreni Redebedürfnis durch Zwischenrufe Genüge leisten, so habe ich gar nichts dagegen. Wenn Sie aber fortwährend bei der Abstimmung über die wichtigsten Fragen Ihr Redebedürfnis nur durch Privat- g e s p r ä ch e befriedigen, so können wir dos nicht dulden.(Zuruf rechts: Das geht Sic gar nichts an!> Doch I Wir find die V e r« treter des Volkes.(Gelächter rechts.) Diese Hetz- arbeit kommt nur daher, weil die Regierung es für an- gemessen gehalten hat, die Neuwahlen zum Reichstag im Januar vornehmen zu lasten.(Anhaltende Unruhe rechts.) Wenn Sie andauernd Lärm machen, so zwingen Sie mich, Ausführungen, die ich bereits einmal gemacht habe, zu wiederholen; wenn Sie also in Ferien stimmung sind, so täten Sie besser, sich etwas ruhiger zu verhalten, denn sonst kommen Sie noch lange nicht in die Ferien.(Heiterkeit.) Die Regierung hat die Wahlen aus den allerengherzigfien Parteiinteressen erst im Januar vornehmen lasten, weil sie glaubte, wenn die Wahl bis auf den äußersten Termin hinausgeschoben würde, so ständen die Aktien für den Bethmann Hollwegschen Reichstag bester. Darin hat sie sich zwar nun getäuscht, aber gerade aus dieser Tatsache geht hervor, daß wir eine Reichsregierung aus einer kleinen Minderheit haben.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Der Reichskanzler behauptet immer, die Regierung stände über den Parteien. Aber keine Parteiregieruug ist so engherzig, wie diese Regierung der Minderheitsparteien, die sich dazu hergibt, den Reichstag zu desorganisieren.(Lärni rechts.) An dieser Desorganisierung des Reichstages ist aber außer der Regierung auch noch daö unglückselige Diäten- gesetz dieses HauseS schuld.(Sehr richtig! links.) Denn eS hat die direkte Wirkung, geradezu eine Prämie zu setzen auf die Ver- kümmerung der Reichstagsarbeiten. Die Abgeordneten müßten keine Menschen sein, wenn sie nicht auf die indirekte Beeinflussung durch das Diätengesetz hineinfallen würden, und deshalb halten wir es für durchaus notwendig, daß der Reichstag   so bald wie möglich an eine Revision des Diätengesetzes herangeht mit der Wirkung, daß lediglich Diäten für die wirklichen Sitzungstage ge- oeben werden; denn dann fehlt jener Zweck, der besonders in den letzten Wochen und Monaten auf die Veikiimmerung der Rechte des Reichstags hinwirkt. Hier müßten sämtliche Parteien des Reichs« tages ohne Ausnahme zusammengehen, wenigstens diejenigen Parteien, denen an der Arbeitsfähigkeit und Würde des Reichstages gelegen ist.(Sehr richtig! links.) Sollte die amtierende Bureaukratie sich weigern, auf das Diäteugesctz einzu- Sehen, dann wäre endlich einmal der Zeilpunkt gekommen, wo der Reichstag durch Ausnutzung seines Budgetrechts der Regierung zeigen könnte, daß er seine Wünsche durchzusetzen vermag. sGehr richtig I hei den Sozialdemokraten.) Wir haben es jetzt erlebt, daß im preußischen Abgeordneten- YMe entgegen der feierlichen Versprechung der Thronrede eine Reform des Dreiklassenwahlrcchts vereitelt worden ist. Alle Wahlrechtsanträge, selbst die allerbescheidensten, sind von den Funkerparteien abgelehnt worden. Wir haben daS größte Interesse daran, daß in Preußen Zustände herbeigeführt werden, die auch dem preußischen Volke die Rechte gewähren, auf die es ein Anrecht hat. Aus diesem Grunde scheint mir der Zeitpunkt gekommen zu sein, da der preußische Landtag aus sich heraus der Aufgabe einer zeitgemäßen Wahlreform nicht gewachsen zu sein scheint, daß von Reichswegen dafür gesorgt wird, daß dort erträgliche Zustände eingeführt werden. (Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Diese Anregung ist durch- aus nichts Neues, dieselbe Forderung ist schon bei der Beratung über die Mecklenburgische Verfassungsresorm im Reichstage erhoben worden. Damals ist auch erklärt worden, daß das Reich eingreifen müßte, um Mecklenburg   in die Reihe der modernen Staaten zu erheben.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Wenn eS nicht dazu gekommen ist, so sind die Nationalliberalen daran schuld, die eine übertriebene Rücksicht auf die einzelstaatlichen Souveränitätsrechte genommen haben. Aber die mecklenburgischen Zustände werden völlig in den Schattenge st eilt durch die viel schlimmeren in Preußen, weil es der größte Bundes- staat ist, der durch seine reaktionären Einrichtungen einen reaktionären Druck auf daS Reich und auf die Verkümmerung der Volksrechte aus- übt. Wenn es gegenüber Mecklenburg   als notwendig erschienen ist, einen Eingriff von Reichs wegen zu verlangen, so muß das umsomehr in Preußen geschehen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Kein Bundesstaat kann mehr Rechte haben, als der andere. Ich bin fest davon überzeugt: wenn man bei uns im Deutschen   Reiche eine Volksabstimmung über die Frage veranstalten könnte, ob für das preußische Abgeordnetenhaus, sowie für alle anderen einzelstaatlichen Parlamente von Reichs wegen die Einsührung des allgemeinen gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts nach dem Muster des Reichstagswahl  - rechtes, das die Mindestforderung darstellt, durchzuführen wäre, sowürde eine ganz bedeutende Mehrheit im Reich und auch aller preußischen Wähler sich für dieses Eingreifen des Reiches entscheiden. Daß bei der jetzigen Zusammeni'etzung des Reichstages auf eine derartige Tat nicht zu rechnen ist, ist mir völlig klar. Aber solche wichtigen politischen Schritte brauchen eine Reihe von Jahren zur Reife, um beim Volke Wurzel zu fasten. Aber wir werden dafür sorgen, daß dieser Gedanke im Volke nicht einschläft, sondern immer stärker wird, bis diese Maßregel endlich durchgeführt ist.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Und bei diesem unserem Kampfe haben wir ja gar keine wirksameren Bundes- genossen in der Aufklärung und Aufrüttelung des Volkes, als in den Männern, die auf Grund de? preußischen Dreiklassenunrechts gegenwärtig noch die Mißhandlung der Vertreter des Volkes vornehmen lasten, wie die Herren v. Erffa   und ihre Handlanger v. Hehdebrand und K r ö ch e r. Das sind die wirksamsten Bor- kämpfer des Volkes für ein Engreifen de? Reiches gegen dieses Junkerparlament. Ich möchte noch einen Appell an die anderen bürgerlichen Parteien richten, die mit uns eine Aenderung des Drei- klassenwahlrechtS erstreben. Diese Parteien müsten die Verfassungs  - kämpfe mit aller Macht in die Hände nehmen, um dieses Ziel zu erreichen und den Preußen ein moderne? Wahl- recht zukommen zu lassen. Denn aufhalten können die Junker das Rad der Geschichte doch nicht. Vor allem aber sollten die bürgerlichen Parteien daflir sorgen, daß ihre Bruderfraktionen im preußischen Abgeordnetenhause nicht den Junker- Parteien bei Abstimmungen Helfersdienste leisten, wie daS kürzlich bei der Auslieferung unserer Genosten Borchardt und Leinert geschehen ist. Dadurch hat sich das preußische Ab- geordnetenhaus selber diskreditiert, und alle Abgeordneten, die darin mitgewirkt haben, haben auch mitgewirkt an der Ent- Würdigung des Parlaments.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten, Lärm rechts.) In der Elsaß  -Lothringcn-Frage hat sich der Reichskanzler auf den Standpunkt gestellt, baß die Worte, die Kaiser Wilhelm II.   damals in einer Privatgesellschaft, die aber aus politischem Anlaß zusammengetreten war, von politischen Persönlichkeiten besucht war. und in der politische Angelegenheiten beraten wurden, durch Indiskretion an die Oeffentlichkeit gekommen seien. Wenn aber jemand in einer politischen Versammlung, sei diese nun öffentlich oder nicht, sich über eine brennende politische Zeitfrage in scharfer Weise ausspricht, so ist das keine P r i v a t m e i n u n g, deswegen weise ich vor allen Dingen diese ganze falsche s e n t i- mentale Mache des Kanzlers, sein Jammern über In- diskretion zurück. In diesem Gejammer liegt das Eingeständnis, das sich gar nichts verteidigen läßt, und die Verteidigung, die er vom Stapel gelassen hat, war auch danach. DaS Organ der freikonser- vativen Gruppe in diesem Hause hat auch davon geschrieben, der Kanzler habe den Kaiser preisgegeben. Ich mache mir diese Anschauung nicht zu eigen. Die Gerechtigkeit gebietet, an- zuerkennen, daß er sich nach besten Kräften bemüht hat, die Worte des Kaisers zu verteidigen. Wenn ihm dies nicht gelungen ist, so liegt das daran, daß es ein Versuch am untauglichen Objekt war. Erstens sagte er, die Worte waren ja ganz harmlos. Er war vorsichtig genug, sie nicht zu wiederholen; denn der Kern dessen, was der Kaiser gesagt hat, war: wenn solche Dinge sich wiederholen, dann schlage ich die Verfassung in Scherben. Der Reichskanzler sagte, damit hat der Kaiser nur dem Unmut Ausdruck verliehen über allerlei Vorkommnisse in Elsaß- Lothringen  . Ich möchte mal hören, was irgend einem Privatmann geschähe, der öffentlich erklärte, wenn die Dinge im Deutschen Reich sich nicht ändern. dann schlagen wir die Ver- fassung in Scherben. DaS würde aufgefaßt werden als offener Hochverrat. Außer der Redaktion der.Post", die nach all- gemeiner Annahme der Inspirator dieser Kaiserworte ist, gibt es wohl keine Gesinnungsgenossen für ihn. Der Kanzler hat sie ja zu decken gesucht, aber ich schätze seine Intelligenz und sein Rechts- bewußtsein zu hoch ein, um anzunehmen, daß dies mehr als eine formale und recht unbequeme Aufgabe war. Zweitens sagte der Kanzler, in Elsaß-Lothringen   sind ganz nn- erhörte Dinge vorgekommen. Anfgesordert, diese zu präzisieren, hat er sich in a l l g e ni e i n e n Redewendungen ergangen. Es handelt sich eigentlich nur um drei Angelegenheiten. Die eine ist die Streichung der kaiserlichen Jagd, die zweite ist, daß der Landtag auf den G n a d e n f o n d s Einfluß haben wollte und die dritte ist, daß er eine durchaus berechtigte Miß- billigung über die elsäßische Regierung wegen einer Verfügung aus politischen Ursachen ausgesprochen hat, durch die Tausende von Arbeitern in Mitleidenschaft gezogen sind. Diese Dinge rechtfertigen das Auftreten des Kaisers wirklich in keiner Weise. Die Grafenstadener Geschichte hat ja der Staatssekretär Zorn von Bulach treffend als Kindereien charakterisiert. Die beiden anderen Dinge sind rein persönliche Beschwerden des Kaisers; da ist er in seinem großmächtigen SonnenkSuigbewußtscin angetastet worden. Es ist rein ein Ausbruch deS weit über das berechtigte Maß hinauSgetriebenen kaiserlichen Selbst- gesühIS, das außerhalb dieses Hauses zutreffend nur noch in Witzblättern charakterisiert werden kann. Und deshalb die Verfassung in Scherben schlagen? Der Reichskanzler ist wohl selbst zu dem Bewußtsein gekommen, so etwas läßt sich nicht verteidigen. Sonst würde er nicht mit tief bekümmerte in Gesicht auch jetzt hier wieder fitzen(Heiterkeit.), nachdenkend, was in aller Welt läßt sich sagen, um au« der Tinte herauszukommen, in die mich der hohe Herr hineingebracht hat. Die Drohung mit dem In- scherbenschlagen der Verfastung hat auch noch andere Verteidiger gefunden. Den Dclirantenanfall des Abg. Schultz gegenüber meiner Partei übergehe ich. Nur eines war dabei charakteristisch. Seinen Ausfall, bei dem er mit Verachtung um sich warf, machte er in einer Form, daß jedermann und auch der Präsi- dent meinte, er sei auf ein Mitglied des Hauses gemünzt. Vom Präsidenten deshalb zur Rede gestellt, zeigte dieser eifrige Patriot, daß für ihn Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist und suchte den Ausdruck abzulenken auf die ganze Partei außer- halb dieses Hauses. Das kennzeichnet seine Methode. Noch ein zweiter Redner, der Abg. v a n C a l k e r hat einen Ab- lenkungsversuch gemacht, indem er die Sozialdemokratie mit Be­lehrungen darüber haranguierte, daß in England keinerlei Majestätsbeleidigungen begangen werden, weil die Engländer sich zu sehr als G e n t l e m e n fühlen, um den König zu beleidigen. (Abg. Heckscher(Vp.j: Sehr richtig I) Sie zeigen nur. Herr H e ck s ch e r, daß Sie das englische Recht und die englischen   Per- Hältnisse nicht kennen. Im englischen Recht gibt es gar kein orimsir laesae rnajestatis(Majestätsbeleidigung). Wer in England gelebt hat, weiß, daß dort über das Königshaus in f r e i e st e r W e i s e ge- sprochen wird. Jetzt geschieht es weniger, weil die Personen keinen A n l a ß geben. Ich erinnere Sie, ivie der ausgesprochene Gentleman Lord Byron   über Georg m. gesprochen hat. Und was der Gentleman und Lieblingsdichter der guten englischen Gesellschaft Thackeray   über die ganze Königs- g e s e II s ch a f t geäußert hat, ist nach Ihrer SNeimmg schwer beleidigend und wurde von dieser Gesellschaft mit Freude be- grüßt. Was aber meinen Sie ivohl, würden die Engländer run, wenn heutigen TagcS ein Abkömmling der Stuarts   Abkömmlinge der Stuarts   sitzen sowohl auf dem englischen wie auf dem deutschen   Thron sich erlauben würde, die Regierungs- Methoden seines Ahnen Karls I. in England einzuführen. Wenn der König irgendwo sagen würde, wenn mir eine Jagd abgeknappst wird, und der Gnadenfonds beschnitten wirb, dann schlage ich die Berfassung in Scherben, was meinen Sie wohl, was das englische Volk einschließlich der Majorität der Gentlemen tun würde. Zwei Dinge nur sind möglich. Entweder würde in vier Wochen der englische   Thron in Scherben geschlagen sein, oder, wenn man den Fall rein pathologisch individuell behandeln würde, würde dafür gesorgt werden, daß dieser englische   König für die fernere Zeit seines Lebens in irgendeinem Schlosse ein ähnlich ruhiges und unschädliches Leben zu führen hätte, wie Abdul Hamid   in der Villa Allatini bei Saloniki  . Die Volks- souveränität ist in England so eingewurzelt, daß das englische Volk sich Angriffe darauf von keinem Mitgliede deS Königs- Hauses gefallen ließe, und bei meiner Liebe zum deutschen   Volke habe ich den dringenden Wunsch, daß nicht bloß meine Partei­genossen, sondern das ganze deutsche Volt in seiner überwiegenden Mehrzahl sich zu diesem Selbstgefühl durcharbeitet, das zweifellos das englische Volk heute beseelt. Dann wäre eS aus- geschlossen, daß irgendein Inhaber deS Thrones sich so etwas erlauben dürfte.(Stürmische Zurufe rechts.) Präsident Kaempf: Was Sie vorhin von dem englischen König gesprochen, war parlamentarisch unzulässig. Für den jetzt ge- brauchten Ausdruck rufe ich Sie zur Ordnung.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Lcdevour(Soz.): Ich verlaste nun dieses Thema(ironisches Bravo! rechts ich mit hinreichender Deutlichkeit ausgesprochen habe, was wir darüber denken und was in Deutschland   geschehen müßte, wenn wir in Deutschland   ein Volk wären, das Wert auf seine Selbstregierung legt.(Großer Lärm rechts.) Präsident Kaempf: Ich rufe Sie für diesen Ausdruck zur Ordnung.  (Große Erregung und Zurufe bei den Sozial- demolraten.) Abg. Ledcbour(fortfahrend): Die reaktionäre Politik, die im Inneren des Vaterlandes Orgien feiern kann, erhält ihr Gegenstück in der auswärtigen imperialistischen Politik, weil da die liberalen Parteien des deutschen Bürgertums m i tm a ch e n, werden sie gehindert, auch im Innern bessere verfassungsmäßige Zustände herbeizu- sühren. Die Liberalen sprechen platonische Wünsche aus, raffen sich aber nicht z» Taten auf. Was wir erreicht haben, ist nur eine sehr beschränkte notwendige Reform der Geschäftsordnung, die vielleicht später ermöglichen wird, in höherem Maße als bisher Verfassinigs- ändernngen zu betreiben. Aber durch ihre Zustimmung zu den im- perialistischen Forderungen der Heeres- und Flottenvermehrung und den Finanzgesctzen stärken sie die Regierung und verbauen sich selbst die Möglichkeit, auf die Verbesserung der Verfassung hinzuarbeiten. Es ist eine Illusion, wenn man hofft, sie könnten sich dazu ausraffen, wirklich daS parlamentarische Regime, die Abhängigkeit der Regierung von der Volks- Vertretung zu erkämpfen. Uns wird das nicht abhalten, jede Gelegenheit zu benutzen, um wenigstens in einzelnen Fragen die Mehrheit hier mit uns zu reißen und darüber hinaus im Bolke dafür zu kämpfen, die Vi acht zu erringen, daß endlich mit den bei unS herrschenden Zuständen ein für allemal auf- geräumt wird. Wir vertreten gegenüber der durch die Gesamtheit der bürger« lichen Parteien vertretenen imperialistischen Politik ein klares Pro- gramm bestimmter Forderungen, von deren Erfüllung wir eine durchgreifende Besserung der Zustände im Innern sowie alles das erwarten, waS die Mehrheitsparteien des Reiches durch Heeres- und Flotlenvermehrungen und eine aggressive au§- wärtige Politik zu erreichen hoffen. In den Bemühungen der liberalen Parteien, eine bestimmte aktive auswärtige Politik herbei- zuführen, steckt insofern ein berechtigter Kern, als sie wünschen, daß der deutsche Handel und Industrie die ungehemmte Möglichkeit zur Ausbreitung über den ganzen Erdenrund haben. Ich nehme an, daß das auch der Grundgedanke der Herren der Zentrumspartei   ist. Das wünschen selbstverständlich auch wir; auch wir würden alles u n t e r st ü tz e n, was dem Absatz der Judustri« und den deutschen   Handel fördert. Aber das Atter« ungeeignetste dazu ist, die wahnwitzige Rüsterel. weil diese notwendigerweise Mißtrauen über irgend welche bösen Absichten Deutschlands   erzeugt, Deutschland   im Ausland mißliebig macht, und dadurch den deutschen   Handel und die deutsche Industrie schädigt. Wir würden alles nnterstützen, was dazu beiträgt, den Grundsatz der offenen Tür bei allen Staaten und K o l o n i e n durchzuführen. Wir halten es für sehr bedenklich, daß England im Einverständnis mit Kanada  , seinen australischen und südafrikanischen Kolonien auf Einfuhrzölle hinwirkt, und diese zu beseitigen, wäre jetzt die Hauptaufgabe bei den Verhandlungen mit England. Wäre es möglich, in der ganzen Welt unter allen Kulturstaaten ein Einvernehmen über den Grundsatz der offenen Tür zu erzielen, so wäre damit eine der gefährlichsten Ursachen für den Vorwand der Kriegsrüstungen beseitigt.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Die jzloeite Forderung ist, daß in keinem Lande die sprachlichen Minderheiten bedrückt werden dürfen, daß in jedem Staat als notwendiges Recht aller Staatsangehörigen gelten müßte, ihre Muttersprache frei und ungehindert in der Schule und im öffentlichen Leben zu gebrauchen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten und den Polen  .) Dies»