fce# B«rgtvertschlosserS VIck auS Kischbach mi» der Situation Nutzenzu ziehen, daß die Anhänger der Kandidatur Stauch diese auSdruck-lich al» Zentrumskandidatur bezeichnen. Die„Trierische Lande?-zeitung" vom 21. Mai schreibt dann weiter:„Da aber immerhin durch die beklagenswerte Uneinigkeit undZersplitterung unter den ZentrumSwäblern die Stimmen für denoffiziellen Kandidaten Dr. Werr gegenüber dem früheren glänzen-den Resultat bei der Reichstagswahl zurückzugehen drohten, soluerden die Wähler aus den landwirtschaftlichen und Handwerker-kreisen hoffentlich um so einmütiger und entschiedener für HerrnDr. Werr eintreten. Sie haben diese Pflicht in den Kreisen MerzigI und Saarburg um so mehr, als hauptsächlich gerade mit Rücksichtauf den Bauern- und Mittelstand dieser Kreise die Arbeiterkandt-datur von der Delegiertenversammlung abgelehnt wurde."Der Bericht der„Saarpost" über eine am Sonntag in Saar-louis abgehaltene, von ganzen 200 Personen besuchte Zentrums-Wählerversammlung leuchtet schon etwas mehr hinein in die ver-fahrcnen Verhältnisse, wie sie in der Zentrumspartei deS KreiseSherrschen. In dieser Versammlung war Pfarrer Rosch der Haupt.redner. Er gestand den Arbeitern das Recht zu, zur Kandidaten.frage Stellung zu nehmen und zu bitten, ihre Wünsche zu be-rücksichtigen. Nachdem die Entscheidung aber anders gefallen sei,hätten sich die Arbeiter im Interesse der Parieioisziplin zu be-scheiden. Keine Partei habe so früh Arbeiterkandidaturen aufge-stellt wie die Zcntrumspartei. Wörtlich heißt eS dann in der..Saarpost":„Es mache jedenfalls in den Parlamenten einenbesseren Eindruck, wenn von anderen Abgeordnetenfür die Arbeiterinteressen gesprochen werde, als wenndies von Arbeiterabgeordneten selber geschehe,denen von anderen Parteien Mißtrauen entgegengebrachtwerde, daß sie zu sehr für die eigene Sache redeten.SWenn die christlichen Gewerkschaften Sonderbün-d e l e i trieben, so könne daraus ein Kampf auf Leben undTod entsteben."Gcwerkschaftssekretär Aatz betonte in der Diskussion, daß derGewcrkverein christlicher Bergarbeiter nicht für die Sonderkandi-idatur verantwortlich sei. Diese sei ein ZluLslutz allgemeinen Un.willens. Sodann wandte sich Aatz gegen die bekannte„Demokratie"im Zentrum,(welche bekanntlich die WahlkrciSversammlungen nachdem Belieben der Herren Pfarrer zusamMensetztj, er verlangtezuerst die Einberufung örtlicher Parteiversammlungen, in denendie Wahl der Delegierten vorgenommen werden solle.Die Anhänger der Sonderkandidatur dürften in der Ver-sammlung nicht allzu knapp vertreten gewesen sein, da» gehtdaraus hervor, daß Pfarrer Rosch zugab, daß die Ausführungenvon Aatz viel Beherzigenswertes enthalten hätten. Eine Reorgani.fation der Partei im Kreise sei notwendig, es gebe Fehler an allenEcken und Enden, der alte Patriarchalismus müsse der Demokratieweichen. Das eine Gute habe die Sonderkandidatur, daß siemanche Stimme der Sozialdemokratie fernhalten werde.Die Macher der offiziellen Zentrumskandidatur sind, wieFigur« zeigt, im Einseifen der Wählermassen außerordentlich ge-schickt. AuS diesen wie auS anderen Gründen dürft« der Sonder-kandidatur ein durchschlagender Erfolg nicht beschieden sein. DieZahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter im Wahlkreise istnur gering, und die Führer dieser organisierten Arbeiter dürfennicht, wie sie wohl gerne möchten. Der Gewerkverein christlicherBergarbeiter leidet im Saargebiet ohnehin an galloppicrenderSchwindsucht. Im März 1911 rechneten 27 Zahlstellen deS Saar.revierS mit 8837 M. ab, während sie im März 1912 ganze 4580 M.aufbrachten. TaS arbeitervsrräterische Verhalten der christlichenStrcikbruchorganisation befördert diese Entwickelung und der Ge.werkverein würde im Saargebiet lämmerlich zusammenbrechen,wenn es zu dem von Pfarrer Rosch angedrohten Kampf auf Lebenund Tod käme. Danach haben die Gewcrkvereinsstrategen keineSehnsucht, und deshalb verzichten sie zum großen Teil aufeinen energischen Kampf gegen die undemokratische Gewaltherr-schaft in der Zentrumspartei._---- Der oberste Kriegsherr und das Duell.Am Donnerstag wurde folgende offiziöse Meldung der-breitet:„Gestern ist der Rcserveleutnant im 2. Garde-Ulanen-Regimcnt, Freiherr v. Richthofen, der zu zweiJahren Festungshaft verurteilt worden war. nach-dem er den Maler Gaffron in der Jungfcrnheide im Duellerschossen hatte, nach achtmonatiger Festungshaft begnadigtworden."DaS ist die Antwort des persönlichen Regiments auf denKampf der Reichstagsmchrheit gegen den Tuellzwang. Aberals bei den Duelldebattcn unser Genosse Ledebour mitvollem Recht auf die Rolle des obersten Kriegsherrn' in derDuellfrage hinwies, da heulmeierte die liberale Presse über„Taktlosigkeiten" Ledebours. Jetzt haben die Herrschaftenden Dank für ihre allcruntertänigste Leifetreterei.� Freilich,eS gibt genug fortschrittliche Leuchten, die Söhne, Schwieger-söhne, Vettern und Neffen im OffizierSrock haben; da kannman von ihnen keinen rückhaltlosen Kampf gegen militaristischeUngeheuerlichkeiten erwarten. Sonst„fliegen" die lieben An-verwandten.Tie zurechtgewiesene BreSlauer Polizer.Daß die Störung der Leichenfeier des ParteiveteranenLom« Cohn in Breslau durch die Polizei in völlig ungesetzlicher Weise erfolgt ist. hat jetzt der Regierungspräsident inBreslau aus eine Beschwerde de« Genossen Löbe bestätigenmüssen. Cr hat dazu allerdings die Kleingteü von 10 Monatengebraucht, da man zuerst versuchte, unserem Genossen eineStrafe wegen unerlaubter Leichenreden anzuhängen. Jetztaber erklärt der Regierungspräsident:.Im Anschluß an meine emstloeiligen Bescheide vom1. August und 11. Okiober v. I. eröffne ich ihnen auf die beidenBeichwerdeeingaben vom 29. und 21. Juli v. I., betreffend dieVerhinderung Ihrer Leichenrede für den Kaufmann Louis Cohn,nunmehr folgendes, nachdem mir die Akten über das gerichtlich«Slrasvcrfahren zur Einsichtnahme zugegangen sind:Ich erlenne an. daß da» Vorgehen de» betreffendenPolizeikommissars in den maßgebenden gesetzlichen Borschrifteneine ausreichende Stütze n i'ch l findet und habe den Herrn Polizei-präsidenlen entsprechend verständigt." �,Mit dieser gemütlichen Erledigung der Angelegenhest hatsich Genosse Löbe jedoch nicht zufrieden gegeben, sondern hatfolgende neue Eingabe an den Regierungspräsidenten ge-tichtet:Li, den Reglernngsprasidemen zu BreSIou.Daß das vorgehen de» PolizeitommisiorS«unert gegen meineRede bei der Leichenfeier für Herrn Louis Cohn in den maß-gebenden gesetzlichen«orschrifte» eine ausreichende Slütze nichtfindet, hat bereits das biesige ObcrverwaltungSgericht rechts-kräi'.ig entschieden. Darüber brauchte ich eine neue Bestätigungnicht, und auch dem Herrn Polizeipräsidenten dürfte dieses Urteilbereits beiannl geworden sein. Jedenfalls kann ich in der bloßenMitteilung der Ungesetzlichkeit eine Sühne für das damalige Ein-schreiten und eine Verhinderung der Wiederholung derartigerUebergriffe nicht erblicken. Ich ersuche deshalb, dem HerrnPolizeipräsidenten einen strengen Verweis dafür zu erteilen, daßer durch seine ungesetzlichen Anordnungen meine staatsbürgerlichenRechte beeinträchtigt und e»ne so ernst« Handlung, wie eS dieLeicbenfeier ist. durch Pol>ze>beamt« gestört hat.Dagegen bitte ich den Polizeipräsidenten anzuweisen, daß erden ausführenden Polizeiorganen die Mitteilung von der Un-gesetzlichkeit seiner damaligen Anordnungen amtlich eröffnet.Breslau, den 24. Mai 1912� Paul Löbe."So lange � dem zivilen Staatsbürger, der die GesetzeÜbertritt, nicht bloß eröffnet wird,„daß sein Vorgehen in dengesetzlichen Vorschriften keine Stütze findet", so lange kannman sich auch nicht damit beruhigen, wenn polizeiliche Gesetzes-Übertretungen in dieser Weise gesühnt werden sollen.Mißbrauch der Amtsgewalt.Im September vorigen Jahres wurde der frühere Pächterunseres Parteilokals in Grünberg(Schlesien), Restaurateur Siebeeicher, als er sich auf einer Geschäftstour in Nittritz befand, imdortigen Gasthause von Einwohnern ganz zu unrecht deS Diebstahl»beschuliugt und van allen Seiten auf das ärgste belästigt. Sieben«eicher rief vergeblich die Hilfe deS Gemeindevorstehers an! Dieserversagte jedoch völlig Er schickte nach dem GendarmeriewachtmeisterGroßmann in Deustch-Wartenberg. AIS dieser kam, hielt er demgrundlos Verdächtigten sofort den Revolver vor dieBrust, fesselte ihn und erklärte ihn für seinenArrestanten. Während dieser Prozedur durchsuchtenGäste des Lokals dem Gefesselten die Taschen und ent-nahmen ihnen 60 Mark. Hieraus wurde S. unter Begleitungvon vier Personen, schwer mit Ketten gefesselt, aufeinem Bretterwagen nach Deutsch-Wartenberg geschafft. Dortwurde er in einem schmutzigen Kellerloch bis zumanderen Morgen gegen 10 Uhr eingesperrt unddann entlassen. Von"dem Gelde erhielt S., der mit den Diebstählenauch nicht das geringste zu tun hatte und noch völlig unbescholtenist, nur 89 Mark wieder, da§ übrige war verschwunden.Siebeneicher mußte nach seiner Entlassung wegen der durch diefesselung verursachten Schmerzen und der Aufregung ärztlicheilfe in Anspruch nehmen.Diese Vorgänge veröffentlichte S. im„Grunberger Wochenblatt"in einem„Eingesandt", was sonderbarerweise der Gendarm alsBeleidigung anloh. Er stellte Strafantrag gegen Siebeneicher.Vorige Woche fand vor dem Grunberger Schöffengericht die Ver-Handlung statt und ergab mit klarer Deutlichkeit, daß der Gendarmeinen völlig Schuldlosen ohne Grund und Ursache verhaftet und»gefesselt hat. Dem Angeklagten, der vom Rechtsanwalt TheodorLiebknecht verteidigt wurde, gelang e«, den Wahrheitsbeweisso zu führen, daß der A m t S a n w a l t selbst die Frei»s p r e chü ng beantragte, auf die da« Gericht auch erkannte.Was geschieht nun aber mit dem Gendarmen, der bei der Ver-hastung seineDienstgewalt zweifellos in gröblicherWeise überschritten hat. Wird die Staatsanwaltschaftgegen den Beamten einschreiten wegen Mißbrauch der Amtsgewalt?Die fürsorgliche Polizei.Der Deutsche Holzarbeiterverband läßt seit einiger Zeit durcheinen seiner Angestellten, den Genossen Schiirmann aus Stuttgart,Lichtbilderverträge über„Unfallverhütung und Ar»beiterschutz in der Holzindustrie" halten. Dieser Vor-trag ist schon in vielen Orten in verschiedenen Gegenden deSReiches gehalten worden und hat begreiflicherweise überall aufmerksame Zuhörer gefunden. Verschiedentlich haben sich auch Ge-wcrbeinspcktoren und Vertreter der Berufsgenossenschaften lebhaftfür diese? Mittel, das Interesse der Arbeiterschaft für die Unfall-Verhütung zu fördern, interessiert. Dieser Tage sollte nun derVortrag in Osterode in Ostpreußen gehalten werden. AlleVorbereitungen waren getroffen, der Saal war bestellt und Ein-tritt-karten mit einer Disposition des Vortrages verbreitet; damachte die fürsorgliche Polizei in Osterode eine fürchterliche Eni-deckung. Obwohl man� sie, weil das nicht erforderlich ist, nichtum ihre Erlaubnis gefragt hatte, war sie in den Besitz einer Ein-latzkarte gelangt und aus dieser ergab sich, daß sie in Berlinin der„V o r iv ä r t S"- B u ch d r u ck e r e i gedruckt worden war.Mit bewundernswertem Scharfsinn wurde nun dediziert, daß hierdem Staat eine fürchterliche Gefahr drohe. Die„VorwärtS"-Bnch-druckerei ist ein sozialdemokratisches Unternehmen, und eine Ver»anstaltung, zu welcher die Eintrittskarten in dieser staatSgefähr-lichen Druckerei hergestellt wurden, muß selbstverständlich sozial-demokratische Ziele verfolgen, durch welche die gute Stadt Osterodein schwere Gefahr Mraten kann. Die Polizei hat die Aufgabe,die ihrer Obhut anvertrauten Bürger vor Unruhe und Gefahr zuschützen, folglich muß sie da» gefährliche Unternehmen unmöglichmachen.Ein direktes Verbot schien nicht tunlich. Den Leuten vomHolzarbeitervcrband ist schließlich zuzutrauen, daß sie sich bei denhöheren Instanzen beschweren— und da könnte es unter Um.ständen eine Rase geben. Einer fürsorglichen Polizei stehen aberzur Erreichung ihrer Zwecke verschiedene Mittel zur Verfügung.Dem Inhaber des Lokals wurde eröffnet, daß er die Verhängungdes M i l i t ä r v e r b o t S über fein Lokal zu gewärtigen habe,wenn er es zu einem so gemeingefährlichen Unternehmen, wieeinem Lichtbildervortrag über Unfallverhütung, zur Verfügungstelle. Dieser freundliche Hinweis hatte die gewünschte Wirkung.Den Holzarbeitern wurde der Saal entzogen, der Vortrag konntenicht stattfinden— und die gute Stadt Osterode war gerettet.> Der 12. Freistudcntentag wird in Weimar vom 27. bis 80. Maistattfinden. Die Verhandlungen werden dieSma� von besondererWichtigkett sein, da man von ibnen eine endgültige Einigung überda» Programm der fteistudentischen Bewegung erwartet.Oeft erreich./Deutschsreiheitliche Reformen.Seit 10 Jahren liegt die Körbersche P'�etzreform uner-ledigt im Parlament. Nun hat der deutschfreiheitliche Justiz-minister Dr. v. Hochenburger, der einst den Ministerpräsi-denten an der Laterne sehen wollte, seine Reformgrundsätze ent-wickelt. Er will also die Konfiskationsbefugnis der Staatsanwälteunbeschränkt bestehen lassen und die heute den Schwurgerichten ob»liegende Preßjustiz den geplanten Schöffensenaten, in denen dieBirufSrichter den Ton angeben(wenn nämlich die Schöffen frei-sprechen wollten), übertragen. In der Praxis bedeutet da» dieHinzufügung der Freiheitsstrafen für die Redakteure zu der Ver»mögenSfchädigung der Zeitung durch die Konfiskation!Ueberhaupt wird stramm rückwärts gesteuert. Ein Subkomiteede» Geschäftsordnungsausschusses hat eine„Reform"ausgearbeitet, die die ersten Lesungen beseitigen, die Redezeitim Ausschuß beschränken, angegriffenen Privaten ein Beschwerde»recht geben und die Ausschließung von Abgeordneteneinführen will, die bekanntlich nach kurzlebigem Bestehen im No>vember 1897 von dem Volk von Wien aufgehoben wurde.fraukreich.Der neue Kammerpräsident.Pari». 24. Mai. Nachdem D e S ch a n e l zum erstenmal da?Präsidium in der Deputiertcnkammer übernommen hatte, widmeteer seinem Vorgänger B r i s s o n einen bewegten Nachruf und for-derte dann die Kammer auf, die Wahlreform schnell durch-zuführen und die Diskussion de» Budget? zu beschleunigen, umden dringenden Reformen mehr Zeit widmen zu können. DeSchanelsagte sodann, man solle ein mächtiges Herr und eine mächtigeMarine als gleichbedeutende Faktoren in den Dienst einer fried-fertigen auswärtigen Politik stellen, um Frankreich in Europa denRang zu sichern, der ihm nach einer Vergangenheit von IS Jahr-Hunderten voll Arbeit, Tapferkeit und Ruhm zukomme. Die RedeDeschanelS wurde außer auf den Bänken der äußersten Rechtenund der äußersten Linken mit starkem Beifall aufgenommen.Preßstimmen.Pari», 24. Mai. Die Wahl DeSchanel» zum Kammer-Präsidenten wird von der konservativen und n a t i o n a l i st i-s ch e n Presse mit Befriedigung aufgenommen, als ein Be»weis dafür, daß der radikale Block endgültig zerbrochen fei.JaureS schreibt in der„Humanitä": Die Entscheidung über denWahlausgang lag gestern in der Hand der geeinigten Sozialisten,die sich verpflichtet hatten, im zweften Wahlgang für denjenigenBewerber zu stimmen, der sich am nachdrücklichsten zum Ver-hältniswahlshstem bekannt habe. Die Radikalen habenkeinen Anlaß, sich zu der gestrigen Wahl zu beglückwünschen.Wollen sie, daß die Wahlreform im nächsten Jahr auch bei derWahl deS Präsidenten der Republik da» entscheidende Wort spreche?— In der radikalen Presse gelangt eine sehr gedrückte Stimmungzum Ausdruck.CnglsncUDer Generalstreik der Transportarbeiter.London, 24. Mai. Die Zahl der ausständigen Ver-ladrr und Transportarbeiter, die mit der AushungerungLondons und einem mehrwöchigen Generalstreik drohen, be-trägt nunmehr bereits 17 5 l> il l). Sehr wenig Wagen, mitLebensmitteln beladen, verkehren in den Straßen der Stadtund werden von berittenen Polizeiagenten geschützt.Tausende Tonnen Lebensmittel werden im Hafen ver-derben. 15l> Schiffe liegen zurzeit im Hafen und harren ver-gebens der Entladung. Die Vorräte an Petroleum langen nurfür vierzehn Tage. Ter Berkehr von Automobilen undOmnibussen nimmt bereits ab.Der Ausstand der Eisenbahner gilt als nahebevorstehend._Arbeitszeit und Produktion.London, 22. Mai.(Eig. Ber.) Die englischen Texiilarbcitcrstehen im Begriff, vom Parlament eine Reduzierung ihrer Ar-beitszeit von 55% auf 48 Stunden die Woche zu verlangen. DieArbeiterpartei hat eine Vorlage zu diesem Zweck eingereicht. DieArbeiter stützen sich bei ihrer Forderung namentlich auf die Tat-fache, daß in den letzten 60 Jahren die Arbeitszeit in der Textil-tndustrie nur um 4� Stunden wöchentlich verringert worden ist,während die Produktivität der Arbeit gewaltig gestiegen ist, so daßheute ein Textilarbeiter in Lancastzire in 8 Stunden ebenso vielproduziert, wie er vor 50 Jahren in' 16 Stunden produzierte.JameS Harlam macht darüber im„Daily Herald" einige inter-essante Angaben. Im Jahre 1856 machten die Spindeln z. B.5500 Umdrehungen in der Minute, heute machen sie in modernenFabriken 9500 Ilmdrehungen. In demselben Jahre kamen auf je1000 Spindeln 7,3 Arbeiter; heute kommen auf 1000 Spindeln,die noch einmal so schnell laufen wie die früheren, nur 3 Mann!Im Jahre 1356 produzierte ein Arbeiter pro Jahr 3637 PfundGarn; heute produziert er 7736 Pfund und mehr in den modernstenFabriken. In den Webereien liegen die Tinge ähnlich. Im Jahre1855 stellte ein Weber 20 580 Ellen Stoff im Jahre her; heute istdie Produktion pro Arbeiter und Jahr 38 000 Ellen. Für die nächsteZeit steht zu erwarten, daß sich die Zahl der Webstühle pro Arbeiternoch gewaltig vermehren wird. Webstühle wie die von Northropund anderen werden eingeführt.' Von den gewöhnlichen in Lanca-shire gebrauchten Webstühlen kann ein Arbeiter vier bedienen;dagegen können 16 bis 24 Northropwebftühle von einem Arbeiterbedient werden! Weiter: im Jahre 1856 waren die Kosten fürArbeit pro Pfund Garn 2,4 Pence; heute sind sie nur noch1,06 Pence.— Der Unterschied in der Produktivität der Arbeitheute und vor 60 Jahren könnte noch an anderen Zahlen bewiesenwerden. Die obigen genügen aber, um unter anderen Dingen dar-zutun, wie notwendig eine Verkürzung der Arbeitszeit geworden ist.JMarohho.Die Gebrüder Mannesmann von Marokkanerneingeschlossen?Paris, 24. M�i. Der Korrespondent deS„Echo de Paris"in Tanger meldet aus Casaolanca, daß die Situation inHaouz und Marrakesch eine bedeutende Verschlimmerungerfahren hat. H i b a, der sich in Tiznit zum Sultan pro-klamiert hat, überschwemmt die Stämme mit Kundgebungen,um sie zu veranlassen, den neuen Herrscher von Marokko an-zuerkennen und das fremde Joch abzuschütteln. Der AufrufdeS neuen Sultans ist von großem Erfolge begleitet, dennseinen Abgeordneten wird überall ein begeisterter Empfangbereitet. Viele Stämme haben bereits Hiba anerkannt. AusMarrakesch kommt die Meldung, daß Hiba mit seinenAnhängern in die Stadt eingezogen ist, ohne auf Widerstandseitens Madoni Glaui. der eine goße Macht besitzt, gestoßenzu sein. Auch hier hat er sich zum Sultan proklamiert. Sämt-liche Europäer wurden von Madoni Glaui in Schutz ge-nommen.Wie der Korrespondent aus sehr sicherer Quelle erfährt,ist die deutsche Regierung benachrichtigt worden, daß zweiDeutsche, nämlich die Gebrüder Mannesman«,in Tarudant(der Hauptstadt des SusgebieteS) von denAnhängern deS Hiba eingeschlossen sind. Die deutsche Regie-rung soll bei dem französischen Gesandten in Tangerdringende Vorstellungen erhoben und die Forde-rung gestellt haben, sofortige Maßnahmen zur Befreiungder beiden Deutschen zu treffen und ihnen Mittel zu geben,um die Küste ohne Gefahr„zu erreichen. Eine Bestätigungdieser Meldung ist jedoch noch nicht eingetroffen.Neue Eingeborenen-Unruhen in Algerien.Paris, 24. Mai. In Nedroma(Algerien) kam eSgestern anläßlich der Aufstellung des Verzeichnisses der g e»stellungspflichtigen Eingeborenen abermalszu lärmenden Kundgebungen. Banden vonArabern durchzogen unter feindseligen Rufen die Straßenund feuerten gegen einige von Europäern bepzphnte HäuserRevolverschllsse ab. Eine Schwadron afrikanisches Jäger stelltedie Ruhe wieder her. Mehrere europäische Familien habenden Ort verlassen.foiBUtick.Die Duma gegen die Regierung.Petersburg, 23. Mai. Die Reichsduma beendete in derheutigen Lbendsitzung die Debatte über die Interpellation wegender Hochschulen und nahm mit 105 gegen 102 Stimmen einevon Gutschkow(Oktobrist) vorgeschlagene UebergangSformel an.welche die RegierungSmaßnahmcn von 1910 und 1911 zur Unter»drückung der Unruhen als u n g e s e tz m ä ß i g und die Erklärungende» UnterrichtSministerS als ungenügend bezeichnet und dieEinbringung einer Regierungsvorlage zur Regulierung de? akade-mischen LcbenS erwartet.Lklua.Ministrrkrise.Peking, 28. Mai. Wie verlautet, hat infolge der heftigen An»griffe in der Nationalversammlung wegen verschwenderischer Ve»auSgabung der letzten kleinen Anleihen der Premiermini st erTangschaoyi sein RücktriltSgesuch eingereicht; die anderenKabinettsmitglieder seien bemüht, ihn zur Zurücknahme de» Gesuchszu bewegen. Tongschaohi« Rücktritt würde, wie man glaubt, da»wachsende Gefühl de» Mißtrauen» zwischen Fremden und Chinesenbeseitigen.