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Nr. 122. 29. Jahrgang. 1. KilW des Joraiärts" Krlilier loMIttt Miw-ch. 29. m 1912. Dtr erste Parteitag der ID. S. p. Manchester . 25. Mai. (Eig. Sei.) Heute wurde tn Manchester in der Free Trade Hall der «erste Parteitag der im Oktober des letzten Jahres gegründeten B. S. P(British Socialist Party) eröffnet. Vertreten waren etwa 40(XX> Mitglieder von 250 Delegierten. Den Vorsitz führte Genosse H h n d m a n; als stellvertretender Vorsitzender fungierte Genosse Dr. G a r r e t t(Manchester ). In der Eröffnungsrede wies der Vorfitzende auf die Borge- schickste der Partei hin und bemerkte, daß der Gedanke, der die Gründer bei ihrem Unternehmen im letzten Jahre geleitet habe, die Vereinigung aller Sektionen des britischen Sozialismus ge- tecjcn sei, wofür alle Sektionen des Sozialismus in Groß- britannien auf allen internationalen Kongressen gestimmt hätten. Während des Bestandes der Partei habe in den Reihen der Partei- genossen trotz der Meinungsdifferenzen, die beständen, das Gefühl der Kameradschaftlichkeit stets die Oberhand gehabt. Er hoffe, daß auf der Konferenz keine Worte fallen würden, die die herzlich er- wünschte und ernsthaft erstrebte Vereinigung mit anderen sozia- listischen Organisationen hinausschieben könnten, was man auch immer über die Aengstlichkeit und Unfähigkeit der..Labour Party " im Parlament denken möge. Zwölf Monate allgemeiner Unzu- friedenheit und nationaler wirtschaftlicher Kämpfe hätten endlich auch die kapitalistische Presse davon überzeugt, daß es eine per- manente..Arbeiterunruhe" gebe. Es sei eine erfreuliche Tatsache� daß die Sozialisten in diesen Kämpfen stets an der Spitze ge. standen und da? volle Vertrauen der Massen genossen hätten. Alsdann kam Genosse Hyndman auf das Mißtrauen zu sprechen, mit dem die Massen, die jetzt zum Streik als ihrer ein- zigen Waffe greifen, dem Parlament gegenüberstehen. Er führte es darauf zurück, daß sich die Arbeiterpartei im Parlament ihrer Aufgabe nicht gewachsen gezeigt habe. Von den Herrschenden Klassen hätten die Arbeiter nichts zu erwarten...Unsere Herrscher mögen den Arbeitern in ihrer Not helfen; sie werden den Ar- beitern jedoch nie aus ihrer Not helfen." Die Politik sei keines- Wegs ausgespielt. Wenn es das britische Proletariat wolle, könne es die Gesetzgebung beherrschen, und das sei ein wirksameres Kampfmittel als alle Streiks. Hyndman schloß seine Ausführungen mit den Worten: ..Nie hat sich in der langen und aufgeregten Geschichte unserer Nation eine bessere Gelegenheit geboten als die, die sich jetzt der Britischen Sozialistischen Partei bietet. Der Lauf der Ereignisse hilft der Sache des Volkes. Das Wachstum der Trusts und Mono- pole selbst macht die Vergesellschaftlichung leichter und dringender. Tie wachsende Hosfnungslosigkeit und das zunehmende Elend ver- breitet beständig die rettende Lehre von der individuellen Unzu- friedenheit und dem kollektiven Haß. Die offenbare Unfähigkeit unserer Herrscher beweist klar, daß das elende Zeitalter der Profit- titacher und Wucherer seinem Ende entgegengeht.... Es ist nutz- los, von der Nichtigkeit des wiederbelebten Syndikalismus zu reden. Es ist nichts Reales und nichts Ideales in der verworrenen und hysterischen Propaganda, der Jagd nac£> Eigentum in Gruppen (segregate grab). National wie international behauptet die orga- nisierte und erzogene Sozialdemokratie noch immer da» Feld. Ich hoffe und glaube, daß nicht wenige der hier Anwesenden noch den Triumph unserer großen und hcrrlilhen Sache miterleben werden." Nach Entgegennahme der Berichte des provisorischen Partei- Vorstandes und des Schatzmeisters, beriet der Parteitag die Frage der Organisation und Propaganda. Der Vorstand unterbreiteke den Delegierten einen großzügigen Plan über Pro- paganda und Organisation, der von dem Parteitag gutgeheißen wurde. Die Hauptpunkte sind: Einführung einer systematischen Propaganda von Haus zu HauS. Dazu sollen die einzelnen Kapitel auS Hendersons neuestem Buche über den Sozialismus(Phe Case for Socialism") in der Form von Broschüren herausgegeben werden. Es sollen dauernd agitatorisch wirkende Plakate an öffent- lichcn Orten angebracht werden. Die Versammlungen sollen mehr anziehend gestaltet werden. Walter Crane und andere Künst- ler haben versprochen, zur künstlerischen Ausschmückung der Ver­sammlungslokale beizutragen, Gesangvereine und Musikkapellen sollen für Parteizwecke begünstigt oder gegründet werden. Der Vorstand hat sich das Ziel gesetzt, der Partei in drei Jahren 500 000 Mitglieder zuzuführen und in fünf Jahren eine Million. Die Kosten der Propaganda für drei Jahre schätzt er auf 10000 Pfund (200 000 M.). In der NachmittagSsitzung wurde eine von dem provisorischen Vorstand vorgeschlagene Resolution beratem die gegen die Ver- urteilung der Frauenrechtlerinnen protestierte und die Freilassung der gefangenen Frauen verlangte. Tie Resolution wurde von ISeonard Hall mit dem Hinweis darauf begründet, daß die Suffragettes, die die Frage des Frauenstimmrechts zu einer akuten Apolitischen Frage gemacht, von der Regierung schändlich betrogen und behandelt worden seien. Gegen die Resolution erhob sich jedoch großer Widerstand. Die Genossinnen Fisher und B o y e e meinten, die Partei könne mit den Tamenrechtlerinnen, die nach einem beschränkten Frauen- stimmreicht strebten, nichts gemein haben. Im ähnlichen Sinne sprach sich Genosse Queich aus. Genosse Russell Smart erwiderte, daß die Frauenrechtlerinnen nach der Erklärung des Premierministers, die Regierung werde eine Wahlrechtsvolage ein- bringen, ihre ursprüngliche Forderung fallen gelassen hätten und daß sie jetzt für das allgemeine Stimmrecht für beide Geschlechter einträten. Schließlich wurde Uebergang zur Tagesordnung beantragt und mit S2 gegen 58 Stimmen angenommen. Politische gegen wirtschaftliche Aktion. Nach der Erledigung dieses Punktes folgte eine lange und zeit- weise erhitzte Debatte über eine Vorstandsresolution, die das Ver- hältnis der Partei zu den wirtschaftlichen Kampforganisationen des Proletariats behandelte. Tie Resolution war sehr lang; es mögen daher nur die Hauptpunkte wiedergegeben- werden: Die Sozialistische Partei nimmt mit Genugtuung von der wachsenden Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen Kenntnis; sie tritt ein für die vollständigste und vollkommenste Form der wirt- schaftlichen Organisationen, für die Verschmelzung oder den Zu- sammenfchluß der bestehenden, Gewerkschaften, wo immer möglich, wie auch für die Stärkung dieser, damit sie sich um so gründlicher auf die Verwaltung der Produktion im sozialistischen Gemeinwesen vorbereiten können. Sie unterstützt daher aufs aufrichtigste alle Be­strebungen der Gewerkschaften zur Konsolidierung ihrer Streit kräfte. Der folgende Absatz, um den der Kampf tobte, möge hier wörtlich wiedergegeben werden: .Die Hauptfunktion der Sozialistischen Partei ist jedoch die eine unabhängige politische Partei der Arbeiterklasse zu orgoni sieren, die die Eroberung der politischen Macht durch diese Klasse bezweckt..." Weiter wird darauf hingewiesen, daß sich die politische und wirtschaftliche Organisation des Proletariats notwendig ergänzen müsse. Schließlich werden die A»beiter, die noch nicht wirtschaftlich organisiert sind, aufgefordert, sich der Gewerkschaftsbewegung an- zuschließen. Hyndman stellte die Resolution zur Diskussion, ohne sie zu begründen. Hall- Birmingham schlug als Amendement zu dem zitierten Passus vor, die WorteDie Hauptfunktion der Sozialistischen Par- tei" durcheine der wichtigsten Funktionen" zu ersetzen. Zur Begründung führte er folgendes aus: Die B. S. P. muß zwischen der politischen und wirtschaftlichen Aktion das Gleichgewicht halten. Wenn die Partei die Originalfassung der Resolution annimmt. wird sie Schiffbruch erleiden. Indem wir der wirtschaftlichen Aktion dasselbe Recht wie der politischen einräumen, werden wir die besten Kräfte des Proletariats an uns ziehen. Ein Snowden, ein parla- mentarifcher Ritualist wie Me Donald, ein Crooks, der eine Vorloge gegen das Streikrecht einbringt, bekämpfen den industriellen Unio- nismus. Ist eS übrigens taktisch klug, sich diesen Leuten anzu- schließen? Nur durch die wirtschaftliche Organisation kann der organische Wechsel vom Kapitalismus zum Sozialismus vollzogen werden; durch den Parlamentarismus ist dies nicht möglich. Wir wünschen eine große, alle sozialistischen Elemente umfassende Par- tei, und da ist. eS nur recht und billig, daß der Anschauung jedes Flügels der Partei Rechnung getragen wird. Nehmen Sie das Amendement an und stellen Sie damit die beiden Flügel des Sozialismus als gleichberechtigt nebeneinander. O u e Ich- London: Die Resolution sagt nichts darüber, welches der wichtigste Flügel der Arbeiterbewegung ist. Sie erklärt nur, daß die politische Aktion die wichtigste Funktion einer politischen Partei ist. Dte Partei kann sich nicht mit der industriellen Orga- nisation der Arbeiterklasse befassen. Die Gewerkschaften- würden es mit Recht als eine Impertinenz bezeichnen, wenn sie dies täte. Die Befürworter des Amendements wollen die wirkliche Aufgabe der Partei einer Sache unterordnen, die uns nichts angeht. Helfen wir den Gewerkschaften mit allen Kräften, aber mischen wir uns nicht in Geschäfte, die nur sie ordentlich verrichten können. Gemeinderat P h i l l i p s- Manchester: Die Befürworter des Amendements werden durch syndikalistische Gedanken beeinflußt. (Widerspruch.) Sie stehen unter dem Einfluß der letzten großen Streiks, die teilweise erfolgreich waren. Aber vergessen Sie nicht, daß diese Kämpfe unter sehr günstigen Verhältnissen stattfanden und daß die Hochkonjunktur nicht ewig anhält. Die Gewerkschaften werden es nicht dulden, daß wir unS in ihre Angelegenheiten kleines feuiUeton. Ter Kleistpark. Nun hat Berlin einen Park mehr, ohne deren genug zu haben. TaS muß gleich vorweg gesagt sein, damit der bekannte Optimismus des Herrn Reicke nicht überschäumt. Auch der neue Kleistpark wird nichts daran ändern, daß man in Berlin , um keine gar zu beschämende Ziffer zu bekommen, die Fußwege unter den Hochbahngerüstcn zu den Spielplätzen rechnen muß. Also: der neue Kleistpark bedeutet nicht, daß die Reichshauptstadt das ihr gebührende Luantum an eingesprengtem Grünland erreicht hätte. Dazu wird selbst der Schillerpark, werden auch der Schöne- berger und der Wilmersdorfer Stadtpark(wenn sie einmal fertig sein sollten) nichts helfen; das wird wohl überhaupt nie mehr zu erreichen sein. Ehe nicht eine großzügige Sozialisierung einsetzt, wird sich Berlin mit bescheidenen Andeutungen von dem, was sein könnte, begnügen müssen. Solch eine Andeutung ist der Kleistpark; leider keine sehr gelungene. Es ist nämlich wiederum nicht die Idee des WohnparkeS zur Erfüllung gekommen. Noch immer scheint die Baubureaukratie zu glauben, daß ein Park vorzüglich dazu da sei. den ungebärdigen Leuten das Spazierengehen zu lehren. »O im Philisterparadies sind breite Wege mit braunem Kies." In diesem Kleistpark sind zu viele und zu breite Kieswege. ES ist immer wieder das alte Motiv: Bitte, weitergehen. Immer artig herum um die Rasenfläche», um die Inseln aus Gebüsch und Bäumen. Es sind vier Spielplätze für die Kinder da; das ist aber auch alles an eigentlich Brauchbarem. Um zu wissen, was fehlt, muß man die in der Citv eingelagerten Parke von Boston , St. Louis , Chicago kennen lernen. Es fehlt alles, was einen Park zu einem gemütlichen Aufenthalt und zu dem macht, was er sein soll: die öffentliche Wohnung des Voltes. Es gibt nicht einmal hinlänglich Gelegenheit zum Niedersitzen. Die wenigen Bänke, die bis jetzt zu finden sind, haben nicht einmal eine Rückenlehne. TaS ist doch wahrhaft lieblos. Gelviß, die großen Bäume, die von dem alten botanischen Garten übrig blieben, wirken gar stattlich, und es ist auch ganz geschickt, wie Unterholz angepflanzt wurde und Rasen mit Blumen wechselt. Tie romantische Ecke freilich, wo Felsen- geröll um einen Goldfischteich liegt und ein abgehauener Birken- stumpf träumt, ist wunderlich. Und einigermaßen kurios ist auch daS Hiersein der Gontardschen Königskolonnaden. Die Sache ist wirklich sehr komisch; man hat den Kolonnaden, die von Natur aus eingebaut waren, einen Stücken angemauert. Meinetwegen, das alte Berliner Baudenkmal steht hier zwar recht schlecht, immerhin ist es nicht zerbrochen worden. Aber waS die Zukunft betrifft: will man dulden, daß die Häuser, die rings um den Park(der dann eigentlich nur noch ein großer Hof sein wird) gebaut werden, mit wilder Willkür Fassaden spuken lassen. Ließe sich hier nicht das Selbstverständliche erzlvingen: eine einheitliche architektonische Aus- dildung, oder wenigstens, wenn die bonrgeoise Individualität nun ~xr durchaus respektiert werden mutz, von Fall zu Fall ein halbwegs anständiges Gebäude. Aber dann würde sich das neue Kammer- gericht, das die eine Seite des Parkes abschließt, schämen müssen. ES sieht auch gar zu ledern und gestoppelt aus. R. Br. H. Th. Buckle. Am 29. Mai isteinhalbcSJahrhundert vergangen, seit Henry Thomas Buckle , fern von seinem englischen Heimatland, in Damaskus mit 41 Jahren an einem typhösen Fieber starb. Der größte und wichtigste Teil des historischen Riesenwerkes, dem er sein Leben geweiht, sank mit ihm ins Grab, aber der Torso der zwei Bände seinerGeschichte der Zivilisation in England" war doch bedeutend und inhaltsreich genug, um ihm einen unver- gänglichen Platz in der Entwickelung der Geschichtsschreibung an- zuweisen. Indem Buckle in dieser über die Grundlagen und An- fänge des Stoffs nicht hinausgewachsenen Arbeit die von Comte begründete positivistische Geschichtsanschauung zum ersten Male in prachtvoller Sprache und ohne verwirrende philosophische Abschwei- fungen darstellte, bot er seiner Zeit geradezu eine Offenbarung, die ihn mit einem Schlage zu einer europäischen Berühmtheit machte. Der einseitigen Heldenverehrung Carlyles gegenüber wies er auf die Bedeutung der Massenvorgänge hin. Buckle war Autodidakt; sein Vater war ein Schiffsreeder, der ihm ein bedeutende? Vermögen hinterließ. Von früh an kränklich und übersensibel, weich und zartfühlend wie ein Mädchen, lebte er zunächst nur seiner Gesundheit. Als der Vater starb, ward er aus Kummer darüber von schwerer Krankheit befallen und ging mit Mutter und Schwestern auf Reisen. Zweimal durchquerte er so Europa , und dabei ging dem sck�arf Beobachtenden, unendlich wiß- begierigen Manne sein eigentlicher Lebensberuf, der des Historikers auf. Mit seinem glücklichen Gedächtnis lernte er die Sprache jedes Landes, das er besuchte, und gab sich nun einer gewaltig aus- gedehnten Lektüre hin, durch die er mit unermüdlichem Eifer Ma- terial für sein Lebenswerk zusammentrug, dessen Grundgedanken sich früh in ihm ausbildeten. Der schwächliche, schüchterne Mann lebte ganz in seinen Ideen und konnte durch sie zu wilder Leiden- schaftlichkeit fortgerissen werden. Jede Verletzung der Gerechtigkeit empörte ihn auf tiefste. Als John Coleridge einen schwachsinnigen Bauernknecht, der einige Schmähworte gegen das Christentum an eine Wand gekritzelt hatte, zu schwerem Kerker verurteilte, griff Buckle ihn aufs heftigste an und setzte die Freilassung durch. Auch in der Geschichte sah Buckle das Walten gewisser geistiger Ideen, aber in einer ganz anderen Weise als unsere deutsche Geschichts- Philosophie. Ganz im Gegensatz zu Ranke, der schildern wollte, ..wie es eigentlich gewesen", sah er in der Geschichteein Problem. das man auflösen muß". Ja jeder Zivilisation sah er ein Haupt- Prinzip die Ereignisse bestimmen, das Gesetz des Fortschritts. Der Fortschritt beruht auf dem Wissen, dem eine Veredelung der Moral- begriffe parallel gehen muß. Diese geistigen Fortschritte aber sind abhängig von der Erhöhung des Reichtums, und der Reichtum hängt in jrissem Ursprung vom Boden vmd Wjn Aftms flfc Dsmit tvöien mischen. Wenn unsere Freunde aber nun verlangen, daß wir, die Sozialisten, die Gewerkschaften in unserem Sinne beeinflussen, so geschieht das schon. Alle hervorragenden Führer in den letzten Kämpfen waren Sozialisten. Wir haben genug damit zu tun. die politische Arbeiterbewegung von den rückständigen Elementen zu säubern, als daß wir uns mit Dingen befassen, die uns nichts an- gehen. K e n n e d Y- Aberdeen: Jeder Sozialist wird den industriellen Unionismus befürworten, wenn diese Bewegung ein Versuch ist, alle Reibereien und separatistischen Bestrebungen in der Gewerkschafts- bewegung zu beseitigen. Aber wenn die Stellungnahme der Freunde des Amendements einen Sinn hat, so ist es der, daß sie glauben. daß es die Angelegenheit der Partei ist, das Proletariat Wirtschaft- lich zu organisieren. Sie hätten beantragen sollen, die Partei solle Sonderorganisationen gründen. Aber damit wäre der Solidarität der Arbeiterklaffe, die sie stets betonen, schlecht gedient. UebrigenS tut es die Solidarität der Arbeiter allein in wirtschaftlichen Kämpfen auch nicht. Wenn je eine Arbeiterschaft Solidaritäts- gefühl bewiesen hat, so die Bergarbeiterschaft im letzten General- streik. Nicht der Mangel an Geschlossenheit und Solidarität war es, der die Niederlage herbeiführte, sondern der Mangel an poli- tischer Macht. Die politische Uebermacht der bürgerlichen Parteien im Parlament entschied den Kampf, der wieder einmal bewies, daß politische und wirtschaftliche Organisation Hand in Hand gehen müssen. Der Syndikalismus, den manche als eine ganz neue Weis- heit anstaunen, ist in Wirklichkeit nichts anderes als der alte auf- gewärmte Anarchismus. Wer sich nicht durch Phrasen irreleiten läßt und den Geschehnissen Rechnung trägt, mutz zur Erkenntnis kommen, daß jeder wichtige wirtschaftliche Kampf auch ein poli- tischer Kampf ist, und umgekehrt. Nach längerer Debatte erhält Hyndman das Schlußwort. Er führt aus: Die Resolution, die der Vorstand vorschlägt, ist nicht von Nurpolitikern verfaßt worden, sondern von zwei der ange- sehensten und tätigsten sozialistischen Gewerkschaftsführer im Lande. Es ist übrigens sehr bezeichnend, daß alle die energischsten und fähigsten Gewerkschaftsführer entschieden für die politische Aktion eintreten. Die moderne Herabsetzung der parlamentarischen Aktion ist nichts anderes als eine Wiederbelebung der von F e n w i ck und anderen vor mehr als 20 Jahren betriebenen altunionistischen Ge- Werkschaftspolitik. Die Tatsache, daß die Arbeiterpartei im Paria- ment schwach ist, darf für uns kein Grund sein, den politischen Kampf zu vernachlässigen; wir müssen unsere sozialistische Politik um so energischer betreiben. Wir müssen dem Proletariat zeigen, daß man das, was man auf dem wirtschaftlichen Kampffelde ge- winnt, auf dem politischen wieder verlieren kann. Solange unsere Feinde die politische Macht in Händen haben, wird die Arbeiter- schaft wirtschaftlich wenig erringen können. Die Syndikalisten rufen den Soldaten zu:Schießt nicht auf Eure streikenden Brüderk" Wer aber befiehlt den Soldaten, auf streikende Arbeiter zu schießen? Dieselben Leute, die von der politisch unaufgeklärten Arbeiterschaft mit der Regierung des Landes beaustragt werden. Der Kampf der Arbeiterklasse mutz sowohl ein politischer wie ein wirtschaftlicher sein. Das Amendement Hall wurde darauf mit 100 gegen 46 Stim- men verworfen und die Resolution mit überwältigender Mehrheit angenommen. Der Parteitag nahm noch eine Resolution an, in der die Re- gierung wegen ihrerfeigen und verräterischen Haltung" in dem Maleckafalle verurteilt wurde. Bei der Begründung der Resolution verlangte Queich , das englische Volk müsse fordern, daß englische Bürger Und Bürgerinnen in Rußland nicht von russischen Gerichten, sondern wie in den onde- ren halbbarbarischen Staaten von Konsulargerichtshöfen abgeurteilt werden sollten. Desgleichen gelangte eine Resolution zur Annahme, die gegen die Ausweisung Malatestas protestierte. Hyndman be- merkte hierzu, er stimme mit Malatesta kaum in einem Punkte überein. aber er müsse sagen, daß Malatesta einer der edelsten und opferwilligsten Menschen sei, denen er je begegnet,/'' Gerichts-Zeitung. Ein umfangreicher Beleidigungsprozeß beschäftigte gestern unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Hesse die 2. Strafkammer deS Landgerichts III. Angeklagt war die verwitwete Frau Oberstaats. anwalt, jetzige Inhaberin derSilur-Pueeulin-Perm-Farbwerke" Olga Henke geb. Wischhusen, verteidigt von Rechtsanwalt Dr. Karl Liebknecht. Als Nebenkläger war der Bahnhofsvorsteher Nenfranz aus Strausberg vom Gericht zugelassen worden. Die Angeklagte. welche Erfinderin einer Schutzanstrichfarbe ist, war längere Zeit in Strausberg ansässig. Vor einiger Zeit machte sie durch eine Dieb- nun als die treibenden Kräfte der geschichtlichen Entwickelung die natürlichen Lebensbedingungen hingestellt. Dieseehernen Natur- gesetze", von denen der Mensch abhangig ist und die seinen freien Willen ausschließen, stellt Buckle in den Vordergrund und schränkt dadurch die Macht der moralischen Faktoren auf ein Mindestmaß ein. Der einzelne, auch der geniale einzelne, ist nichts, die Masse ist alles; die Statistik vermag am besten die Gesetzmäßigkeit der Massenhandlungen aufzuzeigen. Diese Theorie an der Entwickelung Englands zu beweisen, ist Buckle versagt geblieben. Die notwendigen Korrekturen, die an Buckles einseitiger Theorie vorzunehmen sind, hat die materialistische Geschichtsauffassung zu leisten, da die bürgerlichen Nachfolger Buckles(Tains und schließlich Lamprecht) daran gescheitert sind.,... Reinhardt in Paris . Aus Paris wird uns geschrieben: Im Vaudeville -Theater hat Reinhardt mit seiner internationalen Reise- gesellschaftSumurun" aufgeführt. DaS Publikum nahm seine JnszenierungSkünste mit etwas reservierter Höflichkeit auf. dte Kritik ist zumeist wohlwollend. Hoffentlich wird man unS nicht erzählen, daß da eine Erobererfahrt der deutschen Kunst vorliege. Auch in Frankreich ist das bürgerliche Theater mit seinem Latein fertig und die zahlungsfähige Gesellschaft blasiert und snobistisch genug, um ein paar neue Tricks von Dekorateuren und Beleuchtungstechnikern als revolutionäre Tat anzustaunen. DaS Theater als Kunstwerk, als Ausdruck des VolkSgeisteS hat von daher keine Verjüngung zu erwarten. Und so bleibt es sich vollständig gleich, ob die faul- gewordene Bourgeoisie bei ihrenTurquerien", worin sie sich jetzt gefällt wie weiland Ludwig XIV. , mehr an den Moskauer oder de« Berliner Stil hält."_ o. p. Notizen. -» Der Goethebund gegen die Zensur. Der Dele- giertentag der Goethebunde beschloß, wie aus Stuttgart ge- meldet wird: Die dem Reichstage eingereichte Petition auf Be- seitigung der Präventiv-Zensur ist zu erneuern. Der Goethebund verwirst die Theaterzensur als eine unwürdige Bevor- mundung des Volkes. Die Theaterzensur ist in praktischer Beziehung unnötig, ja schädlich und daher im Interesse der nationalen Kultur verwerflrch. Das Wollen und Streben der lebendigen Kunst durch die Zensur unterbinden, das heißt den Ent- Wicklungsstrom der Volksseele gewaltsam hemmen. Ein Forschungsinstitut für GeisteSwisse». chaften Plaut man nach der.Umschau" in Leipzig zu errichten. ES soll eine Angliederuug an die Universität erfolgen. Die neue Forschungöstätte will nicht nur die Wissenschast als solche durch Be- reitstellung von Mitteln fördern, sie erstrebt auch besonders be- ähigten Studierenden Gelegenheit zu geben, über den Rahmen ihres Fachstudiums hinaus noch vertiefte wissenschaftliche Arbeit zu leisten. Neben Lamprecht ist Wundt hervorragend an der Bründung beteiligt.