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Kr. 123. 29. IahrgatH 1. ßfilnjt des.Komsrts" Kerl« Msdlck. Sei' Stteik im conSoner Ijaftn. London , 28. Mai. (Eig. Ber.) Wie erinnerlich sein wird, beauftragte die englische Regierung nach dem Londoner Hafenarbeiterstreik im letzten Jahre einige Offiziere mit der Ausarbeitung eines Planes zur Proviantierung der Hauptstadt für den Fall, daß ein neuer Hafenarbeiterstreik ausbrechen sollte. Nach diesem Plan scheint man jetzt zu arbeiten. Unter Aust bietung einer Armee von 1200 auserlesenen Polizisten läßt sie mit Hilfe von Streikbrechern Fleisch und andere Nahrungsmittel von den Docks nach den Märkten im Innern der Stadt transportieren. Die Verhandlungen der von der Regierung zu Anfang des Kampfes eingesetzten Untersuchungskommission, die ihre Arbeiten schon beendet hat, haben recht deutlich gezeigt, wo die Ursache des Streiks zu suchen ist. Ein Teil der Arbeitgeber hat die Arbeiterschaft direkt in den Kampf gedrängt. Von der Arbeiterschaft verlangt man die unbedingte Einhaltung der Ver träge; die Unternehmer aber fühlen sich durch die Abmachung ihrer Wortführer nicht verpflichtet. Diejenigen von ihnen, die der Unter nehmerorganisation nicht angehören, kümmern sich einfach nicht um die Verträge, andere Unternehmer, die organisiert sind, treten ein- fach aus ihrer Organisation aus, wenn sie die abgemachten Löhne und Arbeitsbedingungen innehalten sollen, und glauben, sich durch diesen Austritt ihrer Verpflichtungen entledigt zu haben. Daß es unter solchen Verhältnisjen zum Kampfe kommen mußte, ist sonnen- klar. Das Londoner Streikkomitee veröffentlichte gestern ein Manifest, in dem darauf hingewiesen wird, daß die Transport- arbeiter nicht allein für sich selbst, sondern auch für die besseren Arbeitgeber kämpfen. In bezug auf das Eingreifen der Regierung heißt es: Wir bedauern, dagegen protestieren zu müssen, daß die Be- Hörden den Arbeitgebern durch die Verwendung von Polizei und Soldaten entgegenkommen. Mitglieder unserer eigenen Klasse, die nach dein Gesetz im Interesse und zum Schutz des Publikums beschäftigt werden, aufzufordern, als Streikbrecher und Beschützer der Streikbrecher zu dienen, ist nach unserer Ansicht ein Mißbrauch der öffentlichen Gewalt und der öffentlichen Gelder wie auch ein Mißbrauch de? Amtes, das diese Männer füllen. Wir haben stets die Anwendung extremer Maß- regeln mißbilligt, obwohl die zur Anwendung gelangte Provokation die Ausführung unserer Instruktionen manchmal fast vereitelt hat. Wir warne» die Regierung und die Behörden jedoch, daß unsere Kontrolle und die friedliche Abwickelung der Streitigkeiten ge- fährdet, wenn nicht gar zu Ende kommen wird, wenn sie extreme Maßregeln anwenden sollten." Eine erfreuliche Erscheinung in diesem Kampfe ist das Ver- halten der kaufmännischen Ange st eilten, die sich früher stets als Streikbrecher von den Reedern benützen ließen, aber jetzt zu den Arbeitern halten. In dem Demonstrationszug nach dem Trafalgar Square , der letzten Sonntag stattfand, waren die An« gestellten stark vertreten. Der Nationalverband der kaufmännischen Angestellten, der während der Feiertage seine 21. Jahreskonferenz in London abhielt, hat beschlossen, die Transportarbeiter in jeder Weise zu unterstützen. Der Generalsekretär hat den Mitgliedern ein Telegramm folgenden Inhalts zugestellt:Mitglieder müssen sich absolut weigern, Streikbrecher zu spielen. Verband wird alle finanziell unterstützen, die gemaßregelt werden." Der Transportarbeiterverband sucht eine Regelung der Arbeits- Verhältnisse im Londoner Hafen mit allen Arbeitgebern auf folgender Grundlage: Ein einheitlicher Stundenlohn für Dockarbeiter, Lichterführer, Stauer und alle Schiffarbeiter von 10 Pence mit einem Lohnsatz von 1 Schilling und 2 Pence für Ueberstunden. Die regelmäßige Arbeitszeit soll von 7 Uhr morgens bis 5 Uhr abends danern. Doppelten Lohn für Arbeit an Sonntagen und Feiertagen wie auch für Arbeit während der für die Mahlzeiten bestimmten Ruhepausen. Jedem Arbeiter muß wenigstens vier Stunden Arbeit garantiert werden. Arbeitet ei» Arbeiter nach 12 Uhr Mitternacht, so muß er den vollen Nachtlohn erhalten. Die Arbeiter müssen zu vier bestimmten Zeiten am Tage engagiert werden. Für Waren, die leicht verderben, können die Arbeiter zu irgend einer Zeit angeworben werden; die Absicht des Arbeitgebers muß jedoch zu der vorangehenden Anwerbezeit bekannt gegeben werden. Alle Transportarbeiter müssen außerhalb der Docks angeworben werden. Volle Anerkennung des Transport- arbeiterverbandes und der Verbandskarte. Voraussichtlich wird sich der Kampf bald auf andere Häfen aus- perllscbe Briefe. Täbris , 15. Mm 1912. Um die Ostcrzeit konnte man in den deutschen Zeitungen lesen, in einigen Gegenden Nordpersiens sei eine große Hungers- not ausgebrochen und das Elend so groß, daß in einem Dorfe bei Teheran ein Kind von der eigenen Familie vor Hunger verzehrt wurde. Das erschien nicht wenigen in Deutschland als eine Ueber- treibung. Und doch liegen die Verhältnisse so. Ja, sie liegen so schlimm, daß sie gar nicht übertrieben iverden können und daß eine Schilderung kaum mehr als eine blaffe Kopie sein kann. Gewiß lebt ein sehr großer Teil der Bevölkerung noch unter Bedingungen, die für asiatische Verhältnisse annehmbar sein mögen und ein kleiner Teil sogar in großem Reichtum aber auf der anderen Seite ist der Jammer ungeheuerlich. In Täbris , der Hauptstadt der Probinz Azerbeidjan , leben von der W0 000 Köpfe starken Bevölkerung vielleicht hunderttausend kaum besser als die Scharen herrenloser Hunde, die die Gassen nach Unrat absuchen. Viele leben gewiß noch dürftiger. Während ich dies schreibe, heult draußen auf der Straße ein Perser um ein paar Stücke Brot. Es ist bereits finster geworden. Der Mann bewegt den Türklopfer meines Hauses und des gegenüberliegenden und schluchzt und weint:Gebt mir ein Stück Brot, wir haben gar nichts zu essen. Meine mohammedanischen Brüder verstopfen sich die Ohren vor unserem Jammer. Ich muß darum ins Christen- quartier kommen und Eure Milde anrufen. O, Allah , Allah , Allah! Ein Stück Brot oder ein wenig Geld." Meine Wirtin, eine Armenierin, öffnet die Tür und gibt dem zusammengemagerten Manne ein Brot. Er zerbricht es und gibt dem etwa zweijährigen Kinde, das er bei sich hat, ein Stück davon. Der Mann schlingt gierig einige Brocken hinunter. Das kleine, zum Gerippe zu- fammengedorrte Wesen hält das Brot in der schlaff herabhängen- den Hand und seine müden Augen stieren ins Leere. Hunderte von ausgehungerten Kindern streichen halbnackt und zur anderen Hälfte notdürftig mit ein paar Fetzen bedeckt durch die Gassen. Zahlreich sind die. die mit Grind bedeckt und mit ekel- haftem Augengeschwür behaftet sind. Eine Folge der Unter- ernährung und Lnsauberkeit. Doch auch diese ist in der allzu großen Armut begründet. Die Sorge ums Brot nimmt alles Interesse in Anspruch. Aeltere Frauen schleichen an den Mauern entlang und sind oft mit nichts als dem großen Umschlagctuch be- kleidet. Dieses Tuch ist nicht immer ausreichend und häufig zer- kiffen, so daß die nackten Oberschenkel und die eingetrockneten Brüste sichtbar werden. Gestern saß eine winselnd an der Rsguer dehnen; denn die Arbeitgeber lassen die für London bestimmten Schiffe in anderen Häfen einlaufen, wo der Transportarbeiter- verband daS Ausladen der Schiffe verhindern wird. Der Verband hat sich auch mit den anderen, dem internationalen Transport- arbeiterverband angeschlossenen Verbänden in Verbindung gesetzt. Verhandlunge» mit der Regierung. London , 29. Mai. Handelsminister Buxton hatte heute nach- mittag mit dem Streikkomitee im Handelsministerium eine Be- sprechung, bei der die Bedingungen, unter denen sich die Konferenz aGt Freitag abspielen soll, erörtert wurden. Wie es heißt, verlangen die Arbeiter die Zusicherung, daß die Arbeitgeber jeder Art vertreten seien und daß ein etwaiges Abkommen für alle Arbeitgeber im Transportwesen bindend sein solle. Sir Edward C l a r k e, der von der Regierung mit der Unter- suchuug der Ursache des Streiks betraut war, hat seinen Bericht er- stattet. Dieser Bericht wird als Grundlage für die Verhandlungen der Konferenz dienen, die die Regierung auf Freitag einberufen hat, und auf der Sir George A s qsu i t h den Vorsitz führen wird- Der Bericht behandelt sieben Streitpunkte, die aus einer ver- schiedenen Auslegung des Abkommens entstanden sind, das den Streik im letzten Sommer beendet hat. Die Beschwerden der Arbeiter werden in fünf Punkten anerkannt. Für bestimmte Fälle wird eine gesetzlicheRegelung empfohlen. Nicht anerkannt wird der Anspruch der Gewerkschaften auf den Aus- schluß nicht organisierter Arbeiter. Der Bericht klagt, daß zur Erledigung der vorhandenen Streitigkeiten nicht von dem Einigungsverfahren Gebrauch gemacht worden ist. Die Londoner Hafenbehörde gibt bekannt, daß sie auch in Zu- kunft keinen Unterschied zwischen organisierten und Nichtorganisierten Arbeitern machen würde. Auf dem Zentralfleischmarkte von Smithfield herrschen normale Ver- Hältnisse. Es sind reichliche Vorräte vorhanden, und nach den Er- fahrungen von gestern, wo der Fleischtransport unter polizeilichem Schutz ungehindert vor sich ging, wiegt eine optimistische Auffassung vor. Man glaubt, daß die Versorgung Londons mit Fleisch auch bei verlängerter Dauer de» Streiks keine Schwierig- kettei, machen' wird. Auch die übrigen Lebensmittelmärkte sind durch den Streik nicht wesentlich gestört worden. Allgemeiner Friseargehilfen-Kongreß. -.< Berlin , 28. Mai. Der der Generalversammlung des Friseurgehilfenverbandes voraufgehende Allgemeine Friseurgehilfenkongreß wurde am Dienstag imRosenthaler Hos" abgehalten. Der Tagung wohnten 42 Delegierte vom Deutschen Friseurgehilfenverband und den verschiedensten Lokalvereinen bei, die zusammen 26 Städte und 2888 Mitglieder vertraten. Die Generalkommission war durch den Reichstagsabgeordneten Robert Schmidt vertreten, der österreichische Brudeoverband und noch verschiedene andere Korporationen hatten Vertreter entsandt. Der Kongreß ist der zweite seiner Art. Der erste wurde im Jahre 1889 abgehalten, und von ihm ging die Grün« dung des Deutschen Friseurgehilfenverbandes aus. Diesmal han- delte es sich vor allem daqum, diejenigen Forderungen aufzustellen, die im Interesse der Gehilfen an die gesetzgebenden Körperschaften gestellt werden müssen und die jeder Friseurgehilfe, ganz gleich welcher Organisationsrichtung er angehört, unterschreiben kann. Man muß sagen, daß der Kongreß diese Aufgabe in harmonischem Zusammenarbeiten gelöst hat. In vier großen Referaten und nach- folgender Diskussion nahm er Stellung zu den Punkten: 1. Die Lage des Friseurgewerbes und die Aufgaben der Gehilfenschaft; 2. Die hygienischen Verhältnisse der Arbeiter im Friseurgewerbe; 3. Unsere Forderungen an die Gesetzgebung; 4. Die Grundlagen zu tariflicher Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Zum ersten Punkt zeichnete Verbandsvorsitzender E tz k o r n im großen wie ins einzelne gehend ein Bild der wirtschaftlichen Beschaffenheit und der Verfassung des Friseurgewcrbes. Die zu erhebenden Kampfziele, die schließlich gegen eine Stimme akzeptiert wurden, lauten: Einschränkung der L e h r l i n g s z üch t e r e i; Erlangung auskömmlicher Minde st löhne; Be- seitigungdes Kost- und Logis zw anges; Verkür- zung der Arbeitszeit; paritätische oder kommu- n a l e A r b e i t s v e r m i t t e l u n g. In der Erkenntnis, daß diese Aufgaben nur durch den einheitlichen Zusammenschluß aller Gehilfen erfüllt werden können, übernahmen die Kongreßteilnehmer die moralische Verpflichtung zur größtmöglichsten Förderung der Organisation. Den zweiten Punkt der Tagesordnung behandelte Dr. Hanauer- Frankfurt a. M. in einem instruktiven und cvuf- nahe meinem Hause, neben ihr lag halb erloschenen Auges ein elendes Kindlein auf der nackten Erde. Ob es heute noch lebt? . Ein Perser ging durch die Gassen; die paar Lumpen auf seinem Leibe vermochten nicht die Blößen zu bedecken. So rekrutiert sich ein Heer von Bettlern. Die Gaben sind sehr selten, weil der Hungernden zu viele sind, als daß man allen geben könnte. Glücklich die Kinder, die vom Morgen bis zum Abend in den Teppichfabriken ihre Jugend opfern können, oder die im Basar bei einem Schuster oder am Schmiedeblasebalg tagsüber arbeiten können. Sic bekommen wenigstens ein paar Stücke des schlechten, lederartigkn Brotes als Bezahlung. Die Lastträger und anderen Ilrbeiter verdienen oft nicht einen Kran(37 Pf.) den Tag, viele nur einige Schahi(der zwanzigste Teil eines Kraus), und viele andere verdienen oft den ganzen Tag nichts. Wer etwas Geld verdient hat, dem langt es zur Mahlzeit; ein Kuchen des leder- artigen Brotes, in den er einige billige Zwiebelröhren oder ähn- liches Kraut wickelt. Das ist das Essen der Armen. Es gibt zahl- reiche Familien, die von nichts anderem als von diesem schlechten Brot und dem meist absolut verdorbenen Wasser leben. In einem europäischen Hause bekommt der Diener pro Monat 6 Toman oder 22,20 M. Davon hat der Mann seine Familie mit zu ernähren. Täbris ist seit der Herrschaft der Russen in der Stadt in einer schweren Krisis. Die russische Faust bedrückt das Gesamt- leben unbeschreiblich. Wohl sagen die Kaufleute,, das russische Militär habe die Sicherheit der Straßen und des Handels herge- tellt d. h. natürlich die Sicherheit, die der rollende Rubel erst im Interesse der imperialistischen Auftraggeber des Zaren gestört hatte. Die Kaufleute fühlen aber am eigenen Körper nicht, daß die Russen gleichzeitig alle innere Ordnung zerstört haben. Viel- leicht empfinden auch die Reichen die russische Besetzung Azerbeid- jans als eine rettende Erscheinung für ihren Geldbeutel. Sie zahlen nämlich bis jetzt keinerlei Steuer; diese Ungerechtigkeit hätte natürlich das demokratische, konstitutionelle Gouvernement beseitigt. Seit den Dezemberereigniffen die russischen Galgen stehen heute noch in der Stadt als Wahrzeichen der russischen Herrschaft , da die Russen gegen den Widerspruch der Regierung in Azer- beidjan eigenmächtig einen Gouverneur eingesetzt und alle kon- titutionellen Garantien der Perser zerfetzt haben, haben sich die Preis- der wichtigsten Lebensmittel verdoppelt. Zahlreiche persische Unternehmer fitzen heute noch verborgen in. den Konsulaten der einzelnen Mächte. Sie dürfen nicht heraus, wenn sie nicht von den Russen zwischen Himmel und Erde gehängt werden wollen. Ihre Betriebe liegen still, ihr Kapital ist tot. Tieselbe politische Unsicherheit hat die Unternehmungslust gelähmt:Man weiß nie, was einem die Russen am nächsten Tage für Streiche spielen können,' seufzte ein europäischer Unternehmer. Die geringe Unser- klärenden Referat vom Standpunkte des Mediziners und arbeiter- freundlichen Sozialpolitikers. Der Referent kam bei der Erörte- rung der Mittel und Wege zur Beseitigung der aufgedeckten! Schäden zu genau denselben sozialpolitischen Vorschlägen, wie sie vom Verband der Friseurgehilfen schon immer erhoben wurden, und wie sie auch der Kongreß zum guten Teile erhob. Hier berührew sich also der sozial denkende Arzt und die Organisation durchaus« Es muß alles getan werden, um die Ocffentlichkeit, die Behörden und Abgeordneten auf diese Forderungen aufmerksam zu machen- Zum dritten Punkt der Tagesordnung begründete Gauleiter K a b e l i tz- Düsseldorf eine Resolution« die nach einer ausgiebigen Diskussion und einigen Hinzufügungen e i n st i m m i g angenom- inen wurde. Sie fordert:die Festsetzung des Beginns der Ar- beitszeit nicht vor 7 Uhr morgens und deren Beendigung nicht nach 8 Uhr abends, Sonnabends nicht nach 9 Uhr abends. Eine tägliche mindestens cinstündige Mittagspause. Verbot der Beschäftigung an Sonn- und Festtagen im allgemeinen nach 12 Uhr mittags sowie gänzliches Verbot der Beschäftigung an allen auf Wochentage cnt- fallenden Feiertagen, mit Ausnahme des Weihnachtsfestes, unter Beibehaltung des freien Wochennachmittags. Verbot des Kost- und LogisgebenS durch den Arbeitgeber. Verbot aller besonderen Ar- beitsbüchcr der Arbeitgeberkorporationen. Oeffentlich-rechtlichö Vertretung der Gehilfeninteressen durch Schaffung von Arbeits- kümmern. Einschränkung der Lehrlingszüchterei in der Weise, daß ein Lehrling nur gehalten werden darf, wo ein Gehilfe ständig be- schäftigt wird, ein zweiter Lehrling nur, wenn mindestens drei Gehilfen beschäftigt werden, und mehr als zwei Lehrlinge über- Haupt nicht. Ausdehnung der Bestimmungen der Gewerbeordnung auf die Bahnhofsfriseure". Als letzter Redner sprach der ehemalige Berufskollege, Neda?- teur W i t t m a a k- Magdeburg, der sich rückhaltlos auf den Boden der Tarisgemeinschaften stellte, allerdings Tarifgemeinschaften, die nicht etwa das Bestehende sanktionieren, sondern bessere Verhält- nisie festlegen, die einen Schritt nach vorwärts, hin zur Erreichung der zu erstrebenden Ziele bedeuten. Die Resolution auch dieses Referenten wurde einstimmig angenommen. Weiter beschloß der Kongreß, an das sächsische Ministerium eine Eingabe zu richten, daß die Verfügung aufgehoben wird, daß Gehilfen und Lehrlings Sonntag nachmittags nach 2 Uhr außer den Geschästslokalen be- schäftigt werden dürfen. Damit waren die Arbeiten des Kongresses erledigt. Der beste! Beweis, daß sie sich in guter Zufriedenheit vollzogen, liegt wohl darin, daß zum Schluß der Vorstand des Verbandes der Friseur- gehilfen beauftragt wurde, im Verlauf von drei Jahren wieder einen solchen Kongreß einzuberufen. Feiler- Breslau schloß die Tagung mit einem Dank an den veranstaltenden Verband und der Mahnung an die Delegierten, im Sinne der Beschlüsse und im Sinne eines schließlichen Sichzusammenfindens in einem großen einheitlichen VerHand zu arbeiten. Derbandstag der Friseiirgehilftn. Am Mittwoch wurde im Berliner Gewerkschaftshatise dtt Ver­bandstag des Verbandes der Friseurgehilfen Deutschlands eröffnet, Er ist durch 16 Delegierte beschickt, außerdem sind Vorstand und Ausschuß vertreten. Dem Verbandstage liegt ein ausführlicher> Bericht des Borstandes s bor, der sich auf die Jahre 1910/1911 erstreckt. IN dem Bericht wird u. a. gesagt: Die verflossene Geschäftsperiode Ivar eine der ruhigsten, die der Verband zu verzeichnen hatte. Die Rückwirkungen der wirtschaftlichen Krise sind überwunden, eine Aufwärtsbewegung steht bevor. Die Mitgliederzahl betrug am Schlüsse der Geschäfts- Periode 2219. Die Führung der Stammrolle ergibt, daß der Ver-- band von 1904 bis 1911 rund 2800 Stammitglieder aufweist, wäh- rend in derselben Zeit 16 800 Mitglieder aufgenommen wurden, Von 100 Neuaufgenommenen sind 16,6 ein Jahr Mitglieder ge- blieben. Am Anfang der Geschäftsperiode hatte der Verband 55, am Schluß derselben 52 Zweigvereine und Zahlstellen. Die Ar­beitslosigkeit im Friseurgewerbe ist im allgemeinen größer wie in anderen Berufen und im Friseurgewerbe selbst ist die Arbeits- losigkeit der Verbandsmitglieder stärker wie im allgemeinen im Beruf. Das erklärt sich dadurch, daß es nicht gerade die jüngsten Gehilfen sind, die Interesse an der Organffation nehmen. Aeltere Gehilfen finden aber bekanntlich nicht mehr leicht Arbeit. Es kommt noch hinzu, daß die Innungen gegen die Beschäftigung von Verbandsmitgliedcrn wirken. Auf der anderen Seite trögt die Lehrlingszüchterei wesentlich dazu bei, daß der Arbeitsmarkt über- füllt und die Arbeitslosigkeit gesteigert wird. Der Verband hat in den beiden Jahren 10 794 M. für Arbeitslosenunterstützung aus­gegeben. In der Berichtszeit wurden bei einer durchschnittlichen Mitgliederzahl von 2130 nicht weniger als 518 Arbeitslose in 798 Fällen unterstützt. Die Berufszählung von 1907 stellt für das Friseurgewerbe 46 454 Selbständige, 2734 Gehilfen und 15 845 nchmungslust, das Risiko größerer Unternehmungen hat den Ak- bcitsmarkt aufs schwerste getroffen. Die Verkäufer, die großen Kaufkeute und die Landherren sind die Nutznießer dieser entsetzlichen Notlage der ärmeren Bevölke- rnngsteile. Die ganze Provinz Azerbeidjan (etwa 90 000 Quadrat­kilometer) gehört vier Gruudherren. Alle Bauern sind Hintersassen dieser Grundherren, denen sie als Pachtgeld einen Teil der Ernte abzugeben haben. Persien kennt eine direkte Steuer nur für biet produzierende Landbevölkerung. Diese hat die Steuer in Natu- ralien zu entrichten, und die Grundherren sind verpflichtet, die Naturalien anzunehmen und der Regierung das Geld dafür abzu- liefern. Unter Nasredin -Schah, dem Vater des Exschahs, ist als Norm festgesetzt worden 100 Batman Korn= 10 Toman. Diese Norm gilt heute noch. Aber das Korn kostet gegenwärtig etwa doppelt so viel. Der Grundherr zieht ans diese Weise von den Bauern den doppelten Steuerbetrag oder die doppelte Kornmcnge ein. Während der konstitutionellen Zeit, und in gepissem Grade vordem schon, haben die Munizipalvertreter von Täbris die Ver- kaufspreise und die Qualität der Lebensmittel festgesetzt und damit eine große Ordnung im Verkauf und in Wohlfeitheit der Waren erreichen und erhalten können. Diese Ordnung ist durch die russische Faust zertrümmert worden. Der von den Russen den Täbrisern aufgezwungene unfähige Gouverneur Samad-Khan hat kein Verständnis für diese Fragen. Alle von der demokratischen Munizipalität unternommenen Reformen sind eingestellt worden, und die Händler verkaufen heute so, wie sie wollen. Die Russen verhindern aber auch jede Aenderung in diesem verbrecherischen System. Sie haben etwa 4000 Soldaten in Täbris liegen, die die vom Gouverneur auf Befehl des russischen General- konsuls getroffenen Anordnungen mit dem nötigen Nachdruck ver- sehen. Die russische Militärmacht, die rohe Gewalt, die russischen Galgen das ist die Basis, auf die sich der regierungs- und kon- stitutionsfeindliche Gouverneur stützt. Die Russen wollen die gegenwärtige Anarchie und sind inter­essiert an der Trübung der Situation. Je mehr Unordnung, desto mehr Vortvand, die russische Staatsmacht in Nordpersien zu festigen und die ganze russische Einflußsphäre militärisch zu besetzen. Als die Schusterschen Reformen begannen, das chaotische Persien zu ordnen, erzwang man die Entlassung Schusters aus seinem Amte; und als das demokratische Täbris aus eigener Kraft sich zu ordnen begann, zwang man ihm und der ganzen Provinz ein russisches Werkzeug als Alleinherrscher und Ordnungszerstörer auf. Heute ist Täbris die russische Hauptstadt der neuen russischen Provinz Azerpesdjan, und die Beppikxrung sinkt immer tiefer ins Elend»-., Erwin Barth, .