Einzelbild herunterladen
 

Proklamknwg des Heiligen Krieges. Paris , 31. Mai. Aus Fez wird gemeldet: Die Führer der Aufständischen haben an alle sich ruhig verhaltenden Stämme einen A u f r u f gerichtet, in dem diese zum Heiligen Krieg aufgefordert und mit Plünderungen bedroht werden, falls sie sich dem Aufstande nicht anschliesten. Dieser Aufruf hat sich als sehr wirksam erwiesen und vier grohe Stämme, die den Franzosen bisher treu ge- blieben waren, haben nunmehr die Reihen der Aufständischen� verstärkt. Von den Vertretern einiger Stämme wurde erklärt, datz sie notgedrungen die Franzosen bekämpfen müßlen, da diese nicht imstande seien, sie gegen die von den auf- rührerischen Harkas angedrohten Plünderungen und Nieder- metzelungen zu schützen. Der Heilige Krieg wird überall unter Vorantragung der Fahne der Brüderschaft des Marabut Mulay Jdrisi gepredigt, die von den Aufrührern in der Nacht vom 26. d. M. vom Grabe dieses Marabut weggenommen worden war. Die unter solchen Umständen eroberte Fahne soll in den Augen der Musel- manen eine besondere Bedeutung besitzen und auch die Zaghastesten fanatisieren. Der Korrespondent des.Matin' berichtet, bom General Lyautey sei am 27. d. M. ein amtlicher Bericht erstattet Ivorden, in dem eS heiße: Die Lage ist außerordentlich ernst, ja sogar beunruhigend. Die Gefahr nimmt mit jedem Tage zu. Die Nähe der Ernte wird vielleicht eine vorüber gehende Entspannung bringen, aber wir werden zweifellos beträchtliche Anstrengungen machen müssen, um die Ruhe wiederherzustellen und insbesondere, um fie dauernd zu erhalten. Die Kämpfe um Fez. PariS , 31. Mai. Aus Fez wird unter dem 28. Mai mittag? gemeldet: Die letzte Nacht war ruhig, obwohl die Feinde noch immer in verschiedene Gruppen geteilt einige Kilometer von der Stadt im Norden, Süden und Osten stehen. Die französischen Truppen sind in zwei Gruppen geteilt, eine befindet sich in Fez, die andere in Dardebibagh. Eine fliegende Kolonne wird heute einen Zug um die Stadt machen, um die Feinde von verschiedenen Punkten zu vertreiben, an denen fie fich verbergen. Die Lage bleibt ernst. General Lyautey empfing heute früh die UlemaS und empfahl ihnen, der Bevölkerung von Fez Ruhe zu predigen. DerAgence HabaS" wird aus Fez vom 30. Mai S Uhr abends gemeldet: Die Aittufsi und Aitsegrouchen haben heute Sefru angegriffen. Der Angriff dauerte von 10 Uhr bis 2 Uhr. Die Aufständischen wurden durch das Feuer der Franzosen und durch Bajonettangriffe zurückgeworfen. Auf feiten der Franzosen wurden sechs Soldaten verwundet; die Verluste der Aufständischen sind bedeutend. Unruhe« in der Gegend von Mogador. Paris , 81. Mai. Nach einer Meldung aus Mogador vom 28. Mai soll die Lage in der dortigen Gegend beunruhigend sein; Gcherif Tarezualt soll die Partei der Haifa ergriffen haben. Kaid Gailnli ist auf die Seite des Prätendenten getreten und hat die Stämme in Agadir einziehen lassen in der Absicht, sich einer eben» tuellen Landung der Franzosen zu widersetzen. Die Deutschen in Marokko . Kölu, 81. Mai. DerKölnischen Zeitung ' wird au« Tanger telegraphiert: Die Lage der Deutschen außerhalb der Mauern von Fez läßt sich noch nicht übersehen. Die Gebrüder Mannes« mann haben Tarudant verlassen und sich nach Ma rakesch begeben. Janrös und die marokkanische» Wirren. ',7, Paris , 31. Mai. JauröS hat seine Absicht, seine Marokko - interpellation heute in der Kammer einzubringen, in letzter Stunde wieder geändert und angesichts der bedrohlichen Lage in Marokko davon Abstand genommen. Wie er sich äußerte, will er nichtwährend der Schlacht" eine Debatte über diese hervorrufen. die notgedrungen eine Kritik an den Maßnahmen der Regierung bringen muß._ poUtiFebe ücberlicbt. Berlin , den 31. Mai 1912. WaS man den Lehrern bietet! Die kgl. Regierung in Köslin , Abteilung für Kirchen und Schulwesen, gez. v. Sydow, hat unter dem 23. Oktober 1911 eine Dienstanweisung für die Kreisschulinspektoren im Regierungsbezirk Köslin erlassen. Gleich im Z 1 heißt es u. a.: «Die KreiSsSulinspektoren haben... insbesondere darüber zu wachen, daß Verordnungen und Gesetze genau befolgt werden, daß die Ziele des Unterrichts und der Erziehung. datz s i t t« liches und religiöses Leben, sowie die Liebe zu König und Vaterland bei Lehrern und Schülern geweckt und gefördert, und daß Hemmnisie, welche sich der Arbeit der Schule entgegenstellen, beseitigt werden." DieFreisinnige Zeitung" entrüstet sich darüber, daß hier in einer ganz eigenartigen Formulierung die Lehrer ge- meinsam mit den Schülern als Erzieh ungS- o b j e k t e der Obhut des Kreisschulinspektors überwiesen werden. Sie dürfe Wohl im Namen des gesamten Lehrer- standes sprechen, wenn sie erkläre, daß er sich für eine solche entwürdigende Fürsorge bestens bedanke. Ein guter Teil der Lehrer und namentlich auch unser wackerer Freisinn trägt selbst Schuld daran, daß die preußische Regierung die Lehrer wie Schulbuben zu behandeln wagt. Denn wenn die Lehrer selbst in ihrer Mehrheit immer wieder ängstlich beteuern, daß sie sich als Schirm von Thron und Altar betrachteten und gar nicht daran dächten, radikalen, religiösen oder polittschen Anschauungen zuzuneigen, wenn sie also immer wieder demütig versichern, daß ein Lehrer kein religiös oder politisch unabhängiger. bloß seiner innersten Ueberzeugung folgen- der Mann sein dürfe, so brauchen sich die Lehrer auch nicht darüber zu wundern, wenn sie unsere Bureaukratte als Unmündige behandelt und derselben entwürdigenden Kontrolle unterstellt wie ote Schuljungen, denen gegen- über dann die Lehrer die Funktion zu übernehmen haben, die der Kreisschulinspektor ihnen selbst gegenüber ausübt. Und wenn die freisinnige Presse im unrühmlichen Ein- vernehmen mit den fteisinnigen Parlamentariern nicht etwa für die Lehrer das uneingeschränkte Recht der U e b e r- zeugung und der schrankenlosen Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte proklamiert, sondern immer wieder versichert, datz die Lehrer ja kreuzbrave preußische Untertanen seien, die gar nicht daran dächten, sich etwa zu einer politischen Ueberzeugung zu bekennen, der bereits mehr als ein Drittel des deutslben V o l k e s a n g e h ö r t. so ist eS nur dem traurigen Helden- mut der freisinnigen Ritter von der Feder und dem Worte selbst zu danken, datz unsere Regierung von dem Be- kenner- und ManneS stolz der preußischen Lehrerschaft keine allzu große Meinung hat! DieUnterwerfung Grafenstadens". Der glorreiche Sieg, den unsere borusfischen Machthaber über den Direktor deS Grafenstadener Werkes davongetragen haben, ep scheint in noch eigentümlicherem Lichte durch eine Stelle des Eni- lasiungSschreibenS des zur Strecke gebrachte» Direktors, die mit aller Entschiedenheit die ihm zur Last gelegten deutschfeindlichen Handlungen in Abrede stellt. Heißt eS doch in dem Briefe wörtlich: Ich gebe hiermit keineswegs die mir zum Borwurf gemachte deutschfeindliche Gesinnung zu, sondern ich erkläre nochmals ausdrücklich, daß alle mir zur Last gelegten Vor- kommnisse zum Teil ohne mein Zutnn oder gegen meinen Willen geschehen sind, zum Teil fich auch a u S ganz natürlichen Gefchäftsgründen ohne jed- wede Deutschseindlichkeit meinerseits erklären lassen. Durch eine genaue Untersuchung wird sich dieses un- zweideutig herausstellen." Wie groß mutz da der Triumgh der Freunde deS VerwalwngS- terrorS sein,daß fich die Grafenstadener Lokomotivfabrik den deutschen Anforderungen hat fügen müssen", wie dieHam- burger Nachrichten" triumphierend feststellen I Aber dieHamburger Nachrichten" wollen nicht einmal jetzt von einer bedingungslosen Aufhebung deS Boykotts über die Grafen - stadener Werke etwas wifien. Sie meinen vielmehr, daß eSSache wetterer politischer Erwägung" sein müsse, ob man der Fabrik die staatlichen Bestellungen im bisherigen Umfange Wetter überlasten wolle oder nicht. Die Entschließung werde manzweckmäßig davon abhängig machen" müssen,daß das Grafenstadener Werk aus­reichende Garantien gegen die Wiederkehr der- artiger Zustände bietet, wie fie unter dem Direktor Heyler geherrscht haben". Wäre es da nicht besser, wenn die Eisen- bahnverwaltung gleich einem ihrer Beamten den Direltorposten über- trüge?_ Zum Fall Tütvell bemerkt dieF r a n k f u r t e r Z e i t u n g": Dieser Fall dürfte einzig in seiner Art sein> Wegen einer Uebertretung des Reichsvereinsgesetzes wird jemandem die Unbescholtenheit abgesprochen und Mangel an moralischer Reife attestiert, und ihm wird d e s h a l b der Weg zum akademischen Studium und zum einjährig-frei' willigen Dienst versperrt. Ist dem Berliner Pro- vinzialschulkollegium und der Prüfungskommission nicht be kannt, daß es zahlreiche Beamte gibt, die wegen Verletzung des Reichsvereinsgesetzes in der Ausübung der Poltzeigewalt rektifziert werden mußten ' ehlt es denen nun auch an moralischer Reife? enn daß sie wegen ihres Verhaltens nicht bestraft werden können, ändert doch nichts an der Bewertung der Fälle. Und weiter: werden wirklich alle, die einmal eine kleine Ordnungsstrafe erhalten haben, zurückgewiesen, und werden z. B. Studenten vom Ein .ährigendienst zurückgewiesen, die wegen Duell' zergehens bestraft worden sind? Und wenn hier 'chon eine kleine Uebertretung des Vereins- S esetzes als mangelnde Unbescholtenheit gilt, wie kann man ann noch alle diebescholttznen" Beamten und Offiziere in Amt und Würden lassen, welche wegen Zweikampfs sogar zu reiheits st rasen verurteilt worden sind I Eine kleine ebertretung die an sich noch streitig war ist auf diese Weise mit den schwerwiegendsten Neben st rasen versehen worden, die allgemein als un- gerechtempfundenwerden müsse n." Ein katholischer Arbeitertag änd an den Pfingsttagen in Frankfurt statt. Zusammengekommen waren die Vertreter der katholischen Arbeitervereine West-, Süd- und Ost-Deutschlands(München - Gladbacher Richtung). Diese Vereine haben fich am 7. August 1011 in Mainz zu einem Kartellverband zusammengeschlosien, mit dem Zweck, die katholische ArbettervereinS- bewegung gemeinsam zu fördern, sei eS durch Austausch von An- regungen und Erfahrungen, sei eS durch Abhaltung gemeinschaftlicher Kongresse, wie der jetzige in Frankfurt . Den 2166 Bereinen find angeblich 316 000 Mitglieder angeschlossen, fteilich darunter viele Nichtarbeiter. Die Tagung selbst hat Außerordentliches nicht geboten. Ob Herr Giesberts sprach, ob Dr. Petzbach, ob Stegerwald oder Becker. Probleme haben fie nicht gelöst. Nicht einmal neue Gedanken sind zutage getreten. Wa« der eine sagte, spann der andere weiter, aber immer denselben Faden. Die katholischen Arbeiter so hieß eS müssen sich durch­ringen zu völliger Gleichberechngung mit Hilfe der anderen Stände. Sogar mit Hilfe auch derjenigen Stände, die nur existieren können, wenn st« die Arbeiter in Rechtlosigkeit erhalten und wirtschaftlich bedrücken. Politische Gleichberechtigung der Arbeiter bei Unter- tützung und Beibehaltung ökonomischer Ungleichheit I Wer dieses hohe Ziel nicht als erstrebenswert anerkennt, für den ist kein Platz in der katholischen Arbeiterbewegung. Man bewundert den Mut, den Herr GieSbertS aufbrachte, als er von fozialdemokrati- chen Utopien sprach. Eine harmonische Gleichheit in der sozial« demokratischen Gesellschaft sei unmöglich. Aber nach GieSbertS ist ie möglich in der kapitalistischen Gesellschaft. Und waS heißt«s anders, als Spott mit den Arbeitern treiben, wenn Herr Dr. Petzbach ausruft: Wenn der Arbeiter appellieren will an die Gerechtigkeit gegen- über seinen Arbeitgebern, dann muß der Arbeiter auch selber den Sittenkodex de» Christentums anerkennen. Dieser Sittenkodex ruft dem Arbeitgeber zu:Liebe Deinen armen Bruder, denn er ist GotteSlind ebenso wie Du I". Aber der Sittenkodex er- mahnt auch die Arbeiter zur Treue, zur Arbeit, zum Fleiß, zur Unterordnung unter di» göttliche uud weit- liche Autorität." Herr Petzbach sagt« nicht, wie e» sein soll, wenn die Arbeit- geber auf den christlichen Sittenkodex pfeifen. Es ist wirUich schade, daß dem Frankfurter Kongreß nicht die hierauf erfolgte päpstliche Kundgebung bekannt war. die der Pfarrer Beyer aus Rom mitbrachte und der Berliner Tagung übermittelte. Die Kundgebung, die verlangt, däß die 316000 katholischen Arbeiter- Vereinsrnttglieder M.-Gladbacher Richtung und die christlichen Ge- werkschaften fich zu den Grundsätzen und der Taktik der katholischen Arbeitervereine Berliner Richtimg bekennen sollen. Das hätte ein Hallo gegeben und lange Gesichter der christlichen GewerkschastS- ührer dazu!_ Die Polizei im Dienste der christliche» Gewerkschafte»! Auf dem in Frankfurt a. M. abgehaltenen ersten katho- ltschen ArbeitervereinSkongreß führte der Arbeiterfekretär ikönigbauer-München auS: In München werde» die Namen aller Zugereiste« den christlichen Gewerkschaften von der Polizei täglich mitgeteilt, so daß die Vorstände gleich«ine HauSagitanon veraulasseu können." Nach dieser Behauptung Königbau«:? leistet also die Münchener Polizei Handlangerdienste für die christ lichen Gewerkschaften. Auarchistensache". Die Versammlung der«anarchistischen Förderation', die in den Pfingsttagen in Berlin stattfand, gibt einem bürgerlichen Zeihmgs- mann Veranlassung, über die gerichtliche und polizeiliche Behandlung der Anarchisten zu plaudern; man erfährt daraus zwar nicht Viel Neues, aber es ist immer gut, von Zeit zu Zeit einen Blick in die polizeilichen und geistigen Werkstätten zu tun: Die Fäden der Polize- lausen unfichtbar nach allen Richtungen und über die Grenze weit hinaus zu jenen Ort/rn des Auslandes, wo deutsche politische Flüchtlinge die Der- bindung mit den Gesinnungsgenosien in der Heimat aufrcch:- erhalten. Alle Fäden aber laufen wohlgeordnet zusammc,! in der VII. Abteilung des Polizeipräsidiums am Alexanderplatz Ka Berlin . Der Vorsteher der Exekutive dieser politischen AbteUurig ist ein jovialer Beamter, der jederzeit gerne Auskunst erteilt, soweit man nicht gerade Amtsgeheimnisse erfahren will".Wi>- von der Polizei," so meint der Polizeirat,sind keine Gelehrt-ri und keine Literaten. Wir betrachten den Anarchismus nicht als roisienichaft- liches Problem, wir unterscheiden nicht zwischen den Salon- anarchislen und den Bombenfabrikanten, sondern Uj'it behandeln jede anarchistische Regung in Wort, Schrift u>tt> Tat gleich- mäßig als A n a r ch i st e n s a ch e l"Aber Sie wenden doch eine verschiedene Taktik je nach der Gefähr- lichleit der Person an. Herr Polizeirat?"Die Taktik richtet sich zunächst nur nach dem verletzten Geietzesparagraphen, also z. B. Beleidigung. Aufreizung, Hochverrat, Sprengstoffgesetz. Aber natürlich ändern sich die allgemeinen Maßnahmen der Bs- obachtung und Verfolgung je nach der Haltung der anarchistischen Organisation und Propaganda."Die Maßnahmen find wohl in den letzten Jahren etwas milder geworden, weil man glaubt, die deutschen Anarchisten ihren internen Streitigkeiten überlassen zu können, durch die ihre Werbekraft ohnehin sehr gemindert wird?" Wir werden uns hüten, unsere Absichleu und Maßnahmen be- kannt zu geben. Die Herren Anarchisten würden sich sofort danach einrichten."... Die besondere Behandlung derA.narchistensachen' findet fich auch in der I u st, z wiedeiz. Der Berliner Rechts­anwalt Justizrat Dr. Richard Bieber, der, Dutzende von Anarchisten verteidigt hat, gibt darüber folgende Aiffschlüsse:Seit mehreren Jahren bezeichnet man bei dem Landgericht I zu Berlin eine Reihe von Straftaten nicht bloß mit dem Namen des An- geklagten und der Straftat(also z. B. wider Trenkler wegen Morde»), sondern eS steht auch noch auf dem Mtendeckel rot unterstrichen die Bezeichnungi-knarchistensache", und zwar wird diese Bezeichnung nur Wils dem Grunde darauf gesetzt, weil die politische Polizei den Angeklagten als Anhänge» des Anarchismus erklärt. So unscheiulwr an sich diese Aeußerlichkeit einem dem Gerichtsleben Fernstehenden vorkommen mag, s o schwerwiegend ist sie in Wirklichkeit. Gerade bei unserem Strafverfahren und seiner freien Beweiswürdigung darf man psychologische Eindrücke in keiner Weise unter- schätzen. Man muß sich klarmachen, wie selbst in unseren Richter- kreisen und natürlich noch mcchr in den weiten Kreisen der Be- völkerung eine fast absolute. Unwissenheit herrscht über das, was die A n a r ch i st e n l e h r e predigt und bezweckt. Bezeichnet die politische Polizei auf Grund der ihr von unbekannten und ungenannten Hinter- männern gewordenen Information den Angeklagten als Anhänger der Propaganda der Tat, so überläuft sämt­liche Beteiligte ein Gruseln, das nicht dazu beiträgt, eine objektive Urteilsfindr.ng zu erleichtern.' Klassenjustiz I Eine treffendere und sachverständigere Bestätigung unserer Auffassung, daß viele Richter mit dem besten Willen nicht imstande sind, zu einer ostsektiven Würdigung der seiner Beurteilung unterworfenen Tat zu gegangen. Um so skandalöser aber ist es, ge­wisse Strafsachen von von., herein zu stigmatisieren und die Vorurteile der Richter aufzupeitschen._ Der Wahlschwindel f» Schwetz. Gegenwärtig find/t vor dem Landgericht in Graudenz der Schwurgerichtsprozeß gegen jene polnischen Demonstranten statt, die wegen Beteiligung an den sogenannten Wahlkrawallen vom Stich- Wahltage in Schwetz verhastet und de? Aufruhrs angeklagt wurden. Natürlich bildet in diesem Prozeß die Frage, wieso der deutsche Kandidat, Landrat v. H a l e m, gewählt wurde, die Haupttolle. Am Freitag wurde mm der Kreissyndikus Martini als Zeuge ver« nommen. Er suchte, selbstverständlich durch die Berufung auf das Amts« geheimnis, da? immer dann hervortritt, wenn eS gilt, merkwürdige Handlungen der Behörden zu verdecken, fich von der Zeugenpflicht möglichst zu befreien. Indessen gelang das nur zu einem sehr geringen Teil, und so wurde f e st g e st e l l t, daß in der Tai dem polnischen Kauididaten v. Saß-JaworSki über 700 Stimmen für ungültig erklärt wurden, davon etwa 680 nur deshalb, weil der Name des polnischen Kandidaten nur mtt einem S geschrieben war und weil er auf den Ettmmzetteln als Abgeordneter bezeichnet war; indesien ist der polnische Kandidat tatsächlich preußischer LandtagSabgeordneterl Martini mußte selbst zugeben, daß, wenn diese MasienungülttgkeitS- erklärung polnischer Stimmzettel nicht stattgefunden hätte, der Pole gewählt gewesen wäre. Nach eingeholter Genehmigung zur Au»- sage, erklärte der Zeuge, das LandratSamt hätte keine solche An- Weisungen an die Wahlvorsteher gegeben. Werter wurde festgestellt, daß Martini imKreiSaut»mobtl Wahlreisen im Interesse deS LandratS unternommen hat.«uf die Frage, ob er für den deutschen Gegenprotest gegm den polnischen Wahlpvatest amtliches Material geliefert habe, verweigerte er die Aussage; keine Antwort ist auch eine Antwort l Er konnte auch«icht bestreiten, daß in 2i Wahlbezirken sämtliche polnischen Stimmen ohne Prüfung für ungülttg erklärt wurden und daß i n dem Dorfe Suchau einfach sämtliche abgegebenen ttmmen kassiert wurden. So wurde der Landrat v. Halem in seinem eigenen Verwaltungsbezirkgewählt'! Mecklenburgische Wahle«. Die mecklenburgische Regierung nimmt zu der bevorstehenden Ersatzwahl im Kreise Hagenow eine Stellung ein, die mit Sicherheit eine abermalige Ungültigkeit der Wahl herbeiführen muß. Der liberale Parteisekretär Lau in Rostock hat sich, wie demBerliner Tageblatt" gemeldet wird, an da« Ministerium mit der Bitte ge- wandt, zu verfügen, daß wahlberechtigte und auch nicht wahlberech« ttgte Personen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und der bei» spielsweise in Preußen geübten Auslegung der gesetzlichen Vorschriften berechtigt seien, als sogenannte Wahlkonttoueure zu fungieren. Darauf erwiderte das großherzogliche Ministerium, eS müsse Bedenken tragen, die gestellte Frage grundsätzlich zu entscheiden; das heißt mit anderen Worten: eS wird von Fall zu Fall eingehende Beschwerden prüfen und entscheiden und inzwischen wird der Zweck solcher Beschwerde» wertlos geworden sein. Von gleicher Seite war an dasselbe Ministerium der«nttag gerichtet, es möchte die Wahlvorsteher des Wahlkreises anweisen, daß sie verpflichtet wären, vielleicht zu bestimmten Zeiten beauslragten Personen der Parteien, die Wahlerliste zwecks Einficht und Ab- schriftnahme zugänglich zu machen« Darauf antwortete das Ministerium, nach seiner Ansicht könne aus dem Wahlgesetz und aus dem Wahlreglement eine dahingehende Verpflichtung der Wahl- Vorsteher nicht abgeleitet werden. Demgegenüber muß betont werden, daß die Wahl» Prüfungskommission de» Reichstag»«ine V e- schränkung der Oeffentlichkeit der Wohl als g e g e be n erachtet, wenn Vertrauensleute der Parteien aus dem Wahllokal verwiesen werden. Die Wahlhandlung ist öffentlich, genauso, wie z. B.«ine Gerichtsverhandlung; nur