Personen, die durch iijr(Benehmen die Wahlhandlung stören, kvinien aus dem Wahllokal verwiesen werden. In dem m Frage stehenden Wahlkreise ist nun aber eine genaue Kontrolle der Wahl- Handlung durch Vertreter der nicht-konservativen Parteien geradezn eine unabweisbare Notwendigkeit. Man hat dort nämlich Wahl- bezirke mit 12— IS Wählern gebildet. Einzelne Güter bilden einen eigenen Wahlbezirk. Der Gutsbesitzer, sein Vogt und noch einige seiner Angestellten bilden den Wahlvorstand und die paar übrigbleibenden Arbeiter find die Wähler. Man weiß da- durchganz genau, wie der einzelne Wähler ge- st i m m t hat und daraus erklärt es sich auch, daß in solchen Bezirken bei den allgemeinen Wahlen einstimmig konservativ gewählt wurde. Die geheime Wahl ist unter solchen Umständen höchst gefährdet, fie wird aber völlig in Frage gestellt, wenn eine lleberwachung der Wahlhandlung verhindert wird. Wenn das Ministerium die Wahlvorsteber nicht schleunigst in dem von dem libe- ralen Paneisekrelär gewünschten Sinne instruiert, dann kann eine gültige Wahl nicht zustande kommen. Die Kongo -Kameruukonferenz. In einer offiziösen Mitteilung wird erklärt: Die am IS. Juni in Bern zusammentretende deutsch -französische Kongo - Kamerunkommission wird auch die Aufgabe haben, die Formalnäten der Gebietsübergabe im Geiste gegenseitiger Ver- söhnlichkeit vorzubereilen, um etwaige Reibungen hintanzuhalten. Die Uebergabe der Gebiete dürste in gemeinschaftlichem Einvernehmen von den betreffenden Kolonialbehörden vorgenommen werden, da- mit diese Vorgänge durch keinerlei unliebsame Kundgebungen gestört werde». Aus dem Soldatenleben. Der Unteroffizier Alfred Braun vom Grenadierregiment 11 in Breslau stand vor dem Kriegsgericht, angeklagt der Soldatenmißhandlung. Am 7. März beantwortete der Füsilier K a i t s ch i k eine Frage mit:.Ich weiß nicht' und nahm eine schlechte Haltung an. Der Unteroffizier schimpfte:.Burschen- gelumpt', verfluchter Affe, nehmen Sie die Klauen zusammen, und gab dem Mann einen Stoß mit dem Fuß ans Schienbein. An, 26. April stellte der Unteroffizier den Füsilier Lamla wegen Putzen? eines Helmes zur Rede. Er drohte dem Mann:.Ich reiß Dir das ganze Gelinge auS', faßte ihn an der Brust, zog ihn am Ohrläppchen ,md stieß ihn mit dem KnieinS Gesäß. Der Anklagevertreter, Gerichtsassessor Müller, beantragt zwei Wochen gelinden Arrest, das Kriegsgericht erkannte auf fünf Tage gelinden Arrest nur wegen Beleidigung und vorschrifts- widriger Behandlung._ Der Londoner Rafenftreih. London , 31. Mai. Noch einige Arbeitgeberver- bände im Londoner Hafen haben die Einladung zu der Konferenz im Handelsamt abgelehnt, da die Arbeiter die Einladung nur unter der Voraussetzung angenommen haben, daß alle Arbeitgeber vertreten seien. Im Ministe ciun, des Innern fanden gestern unter dem Vorsitz des Schatzkanzlers Besprechungen mit den Vertretern der Arbeitgeber einschließlich der Londoner Hafen- behörde statt. Eine weitere Sitzung ist auf Montag anberaumt worden. Der Londoner Reederverein gibt bekannt, daß er das Abkommen vom letzten August als durch den gegenwärtigen Streik für beendet ansieht und daß die Reeder künstig nur Leute einstellen, die bereit sind, mit Nichtorganisierten Arbeitern zusaminen zu arbeiten. Die Importeure von gedörrtem Obst haben den Staatssekretär des Innern aufgefordert, den Schutz der Arbeitswilligen auch auf deren Wohnungen auszudehnen. Die Lage auf dem Lehensmittelmarkt ist befriedigend. In SmUhsield überstieg das Angebot von Rindfleisch die Nachstage, sodaß die Preise ein wenig heruntergingen. Ein EinignvgSamt. London ,»1. Mai. Wie die.Daily News' erfahren, plant die Regierung Maßnahmen, um den periodischen Arbeits- einstellungen im Londoner Hafen endgültig ein Ende zu machen. Sobald die Arbeit wieder aufgenommen wird, beab- sichtigt die Regierung, ein EinigungSamt einzusetzen, in dem Arbeitgeber und Arbeiter vertreten sind, und dessen Kompetenz den ganzen Hafen umfassen soll. Sollten die Arbeitgeber diese Behörde nicht anerkennen, so sollen ihre Bollmachten gesetzlich fest- gelegt werden. Sobald der Streik vorüber ist, wird die Re- gierung die Arbeitgeber in einer Form, die eine Ablehnung sehr er- schweren würde, auffordern, sich mit den Arbeitern zu ewigen. Das Konferenzergebnis. London� 81. Mai. Nach der im Ministerium des Innern zwischen den Mimstern und den Vertretern der Ausständigen abgehaltenen Konferenz gab Ben Tille« bekannt, die Regierung habe be- schloffen, für den Hafen von London ein EinigungSamt einzusetzen. Der Vorschlag wird von den Ausständigen und den Arbeitgebern gcgrüst werden; die Entscheidung darüber wird am Montag erwartet._ Bcbwefz. Gegen die Teuerung. AuS Bern wird uns geschtteben: In die Junisesston des Nationalrates fällt auch die Be- lung der Teuerungsfrage. Den unablässigen Be- mühungen der Sozialdemokratie ist es gelungen, den Bundes- rat zur Ermäßigung des Gefnerfleischzolles zu dräugen. Der Effekt äußerte sich sofort in einer Reduttion der MeinverkaufS- preise. Nun werden weitere Zollreduktionen verlangt, aber de*- Bundesrat ist von den Agrariern so erbarmungslos vermöb�t worden, daß er sich zu wetteren Zugeständnissen an die Konsumenten nicht mehr getraut. Der Kampf wird'/uiso heftiger werden, als die früheren und die bevorstehende Teuerungsdebatte im Grunde genommen nur ein Vorposten- gefecht stir die Erneuerung der Handelsverträge bildet, die von den Agrariern als Anlaß zur weiteren Steigerung der Wucherzölle benutzt werden soll. Italien . Die Blamage der AttentatSschnüffleF. Rom . den 23. Mai. <Eig. Ber.) Die Verhaftung deS BiechtS- anwaltS De Biafio und der übrigen angeblich Komplizen des Attentäters D'Alba hat sich, wie vorauszusehen war. als ein un- geheurer Mißgriff deS Gerichts und der Polizei, entpuppt. Als De Biasio mit D'Alba konfrontiert wurde, soll d'/eser, der offiziellen LeSart zufolge, zuerst seine Beschuldigung aufrecht erhalten haben, De Biasio hätte ihm die Ermordung de» Äöo.igs geraten und ihm die Mittel für die Tat zur Verfügung gebellt. Als der Rechts» anwalt. der D'Alba nie gesehen hatte, erht mit ungläubigem Er- staunen und dann mit großer Entrüstung aiefe Behauptungen hörte, hat D'Alba plötzlich alles zurückgezogen und beschämt ausgerufen: »Verzeihen Sie mir, mau hat es mir in den Mund gelegt, Sie find unschuldig, das Ganze ist ein« LvHe.' De Biasio hat offenbar den Eindruck gehabt, daß D'Alba das Opfer von Presiionen geworden ist, denn er hat nicht gezögert, die i�m angebotene Hand des un- glücklichen Attentäters zu drücken, tt/as er wohl kaum getan haben würde,»veno er in ihm den schuftigen Verleumder gesehen hätte, i Jjanblu; als den ihn die Presse jetzt darstellen will. Gleichzeitig mit De Biasio ist auch der Setzer Boscolo enthaftet worden. Der „Avanti" hatte schon 24 Stunden vor der EntHaftung mitteilen können, daß ein persönlicher Feind Boscolos, ein Mailänder Poli- zist, die Verhaftung veranlaßt hatte. Es sind also äußerst angenehme Zustände, die die angebliche Eni- hüllungen D'Albas enthüllen. Ein armer Teufel, der Analphabet und geistig schwach ist, befindet sich unter schwerer Anklage im Ge- fängnis und wird in der Voruntersuchung derartig bearbeitet, daß er aus lauter Verzweiflung ihm unbekannte Personen als Mit- schuldige nennt! Da es sich um Unbekannte handelt, liegt es auf der Hand, daß ihm irgend jemand mit„Ratschlägen' zur Seite ge- standen ist. Wahrscheinlich hatte auch Di Biasio Feinde, die den Weg bis in die Geheimnisse der Voruntersuchung finden konnten. Gegen Rhgier und den Anarchisten Zavatero wird die An- klage der Mitschuld aufrecht erholten. Beide kennen D'Alba nicht. Rygier soll ihn durch eine in Rom gehaltene Rede zu der Tat aufgereizt haben. Die Rede selbst fand seinerzeit in einer öffent- lichen Versammlung statt. Wenn Polizei und Gerichte damals keinen Grund hatten, gegen die Redner vorzugehen, so dürften sie das jetzt, bei allem guten Willen die Justiz lächerlich zu machen. auch nicht tun können. Oder will man vielleicht eine neue Rechts- Praxis in Schwang bringen, nach der ein Redner für das verant- wortlich gemacht wird, was seine Worte etwa in einem kranken Hirn anrichte«: können, so eine Art dolus eventualis für das gesprochene Wort. Bei der märchenhaften Verbohrtheit, der die italienische Justiz seit dem Attentat verfallen ist, kann man nach gerade aus alles vorbereitet fein. Hus der Partei. Berichtigung. In der Erklärung der Preßkommission in der gestrigen Nummer deS„Vorwärts' befindet sich eine auffallende Unrichtigkeit der Sach- darstellung. Es heißt da: .Die Veranlassung zu diesem Borgehen StröbelS war folgende: Im„Ergänzungsheft' zur.Neuen Zeit' Nr. 12, erschienen im April 1912, wurde an eine vor etwa VL Jahren im Feuilleton deS„Vorwärts' gepflogene kunillbeoretische Debatte erinnert, die sich an einige Artikel des Genossen Heinz Sperber knüi/te, dessen Stellungnahme der Genosse Mehring jetzt al».Unfug' be- zeichnete. Hierauf antwortete der Redakteur des Feuilletons. Ge- nosse Döscher im„Vorwärts', daß Sperber sich niemals, f/o wie Mehring behmipte, in einer„Propaganda der Aesthe/ik der schwieligen Faust' betätigt habe, die in dem Satze gipfelet:„Was den Arbeitermassen nicht gefiele, hätte keinen ästhetisch,» Wert'. Gegen diese Antwort DöscherS brachte bor Genosse S tröbel ein» Erwiderung, die vom Genosten Löscher ab- gelehnt wurde,.weil er eine vor l'/j Jahren erledigte Debatte nicht aufs neue eröffnen wolle'.' In Wirklichkeit ist es mir gar nicht eingefallen, eine.Er- widerung' gegen einen Angriff zu schreiben, den Döscher gegen Mehring gerichtet hatte, sondern ich hMe vielmehr um Aufnahme einer Berichtigung ersucht, zu der mich Heinz Sperber durch die Unterstellung genötigt hatte, i ch habe seiner- zeit die Ansicht vertreten,.daß der Dichter über den Klassen stehe' (Nr. 163 de».Vorwärts'). Daß es sich nicht um eine Erwiderung qaf einen Angriff gegen eine dritte Person, sondern lediglich um eine Berichtigung in eigener Sache handelte, ist in de? Preßkommission ebenso zur Sprache gebracht worden, wie die Tottsache, daß die Mehrheit meiner Redaktionskollegen meine Zusä/fft als einfache B e- richtigung aufgefaßt und durch einen Beschluß diese ihre Auffassung erhärtet hatte. Berlin , den 31. Mai 1912. H. S t r ö b e l. ••# „Eine Flucht in tue Oeffentlichkcit." In der gestrigen Verlautbcining der Preßkommission befindet sich ein kleiner Irrtum, der mich betrifft und den ich zu berichtigen bitte. Genosse Ströbel hat nichtz gegen eine Anwort DöscherS eine Erwiderung gebracht. Vielmehr richtete er gegen eine Wendung des Genossen Sperber von eine, Zeile eine Einsendung von bv Zeilen. Diese wurde von mir abg�.ehnl, weil damit eine vor 1'/, Jahren erledigte Debatte wieder eröffnet worden wäre. Der Aufnahm« einer bloßen Berichtigung hatte ich ausdrücklich zugestimmt. K. H. D ö s ch e r. Die Magdehiir�v Organisationsleitung»ber das Verhalten oes Genossen Dr. LandSberg. Die Magdebru'ger„Volksstimme' enthält in ihrer letzten Nummer folgende Erklöbtung: Vorstand and Ausschuß deS Sozialdemokratischen Vereins Magde- bürg haben tan Genossen Landsberg über die Gründe gehört, die ihn veranlaßt««, beim ReichStagsschluß im Saale anwesend zu bleiben und das Kailerhwch stehend anzuhören. Auf Mund eingehender Aussprache erklären die beiden Instanzen übereinkommend: ES unterliegt nicvt unserer Beurteilung, ob das Ver- lassen des SaaleS beim ReichstagSschlutz die einzige der Größe der Fraft/on würdige Demonstration gegen das byzantinische Kaiserhoch sei. Wir halten es aber für notwendig— indem wir anerkennen, daß Genosse LandSberg mit seinem Verbleiben im Eaatt keine monarchische Huldigung beabsichtigt hat—. erneut zu betonen, daß als eine der wichtigsten Vorbedingungen unserer Erfolge die Geschlossenheit unserer Aktion anzusehen und auS diesem Grunde im Interesse der Partei daS einseitige Vorgehen unseres Abgeordneten zu b e- dauern ist. Gleichzeitig weisen wir die Unterstellung in auswärtigen Parteiblättern, daß Genosse Landsberg sich bereits im Wahlkamps als „Vernunstmonarchist' bekannt habe, als eine Beleidigung der Magde - burger Parteigenosse» und ihres Abgeordneten entschieden zurück. Für den Vorstand: Für den Ausschuß: F. KlühS._ O. Frenze!. Eine sozialistische interparlamentarische Zusammenkunft. Aus Bern wird uns geschrieben: In einem Rundschreiben, datierend vom 28. Mai, lädt Genosse Dr. Frank, Mannheim , zu einer Zusammenkunft der süddeutschen, ö st erreicht- scheu und schweizerischen Parlamentsmitglieder ein, Die Zusammenkuml soll an, Sonnabend, den S.Juni und Sonn- tag. den 9. Juni in K o n st a n z statlfinden. Eingeladen find speziell die Abgeordneten auS Elsaß-Lothringen , Baden. Wiintemberg. Bayern , auS der Schweiz und Oesterreich. Eine Tagesordnung ist nicht angegeben, es soll die Zusammenkunft einen zwanglosen Charakter haben._ Parteiliteratur. Vorwärts in Prcußenl Unter diesem Titel hat unser Solinger Patteigeschäft die Rede des Abgeordneten PH. Scheidemann vom 17. Mai 1912 nach den, amtlichen Stenogramm drucken lassen. Unter der Kritik der preußischen Zustände, die in jener Rede geübt wurde, floh bekainillich der Neichskauzler mitsamt seinen Kollegen und Gehcimräten aus dem Sitzungssaale. Angeblich, well Sweidemann den Kaiser sowie Land und Leute in Preußen be- schimpft habe. In einer kurzen Einleitung wird auseinandergesetzt, um was ei sich in der Rede gehandelt hat. Dann folgt der genaue Wortlaut der Red« Gcheidemann«; weiter werden nach dem Steno- gramm die in Betracht kommenden Stellen auS den Reden deS Reichskanzlers und des Abg. Dr. Lensch zitiert. Es folgt dann eine Skizzierung der Verhandlungen vom 22. Mai, in deren Verlauf die Abgg. Ledebour. Dr. Südekum. der Sieichslanzler und Scheidemann sprachen. Der Tenor der Reichskanzlerrede und die Antwort Scheide, /mnns werden nach dem Stenogramm wieder- gegeben. DaS ganze Flugblatt umfaßt vier Seiten Zeitungsformat und wird von der Buchdruckerei der„Berg is che n Arbeiter- stimme" in Solingen zum Preise von IS M. für 1000, 60 M. für 5000, 100 M. für 10 000 Exemplare abgegeben. pollzetUehes, OcrichtUchca ufw. Das Prcßgesetz und seine Auslegung. Die Auslegung der 8ß 10 und 41 des preußischen PreßgesetzeS vom 12. Mai 1851 ist in, Laufe der letzte» Jahre ein« verschiedene gewesen. Während in den letzten vier Jahren angeklagte Flugblatt- Verbreiter in der Regel freigesprochen wurden, wenn sie ohne Polizei- liche Erlaubnis öffemlich Druckschriften verbreiteten und dafür bezahlt wurden, ist jetzt ivieder mal eine andere Auslegung an der Reihe. Das Kammergericht hat eine entgegengesetzte Entscheidung getroffen und die Gerichte folgen dieser. Am 30. Mar halte sich das Schöffengericht zu ManSfeld mit der Rechtfertigung eines Strasbefehls von 15 M. zu befassen, die der Genosse Wcdemar wegen öffentlicher Verbreitung der Broschüre:„Der Zehngebote-Hoffnrann und seine Taten' bezahlen sollte. Als Vertreter führte der Genosse Christange- Eisleben aus, daß das Kammergericht am 18. April 1904 schon entschieden habe, daß die Unentgeltlichkeit zu verneinen sei, wenn der Verbreiter eine Entschädigung für seine Tätigkeit erhalte. DaS sei in diesem Falle geschehen. Der Vorsitzende gab zu. daß die Entscheidung in den ietzten vier Jahren so gewesen sei. Aber seit kurzer Zeit habe das Kammergericht seinen Standpunkt geändert. Danach lei eS gleich, ob Bezahlung für die Verbreitung geleistet werde oder nicht. Es gehöre in jedem Falle eine polizeiliche Erlaubnis dazu. Das Schöffengericht müsse sich dem anschließen, was eS auch tat und den Strafbesehl bestätigte. Hiernach sind alle in den letzten vier Jahren freigesprochenen Flugblattverbreiter zu unrecht sre, gesprochen. Es kommt also nicht auf das Gesetz selber, sondern auf seine Auslegung an. Wer weiß wie lange es dauert und der jetzt geschaffene Zustand ist wieder ge- ändert.' Weirn gelehrte Richter sich über ein Gesetz nicht klar sind, wie will man das von Laien verlangen. Das beste wäre, die vor- sintflullichen Bestimmungen des Preßgesetzes in die Rumpclkammer zu Wersen, da ist beiden geholfen, dem Publikum und den Richtern. DaS Wort Rausreißer eine Beleidizung. ES fällt heute einem Redakteur schwer, die ArbeitSwilligentätig- keit mit einem prägnanten Ausdruck zu belegen. Wohin er auch greift in den deutschen Wortschatz, die Richter sehen in dem un- schuldigsten, gebräuchlichsten Worte eine Beleidigung, sowie eS auf die Arbeitswilligenlätigkeit angewandt wird. Ein Arbeitswilliger soll nicht nur nicht scheel angesehen werden, die Arbeitswilligen- tätigkeit soll überhaupt nicht mehr öffentlich festgestellt werden. Die „Schleswig-Holsteinsche Volkszeitung' hatte im Juli vorigen Jahre« im gewerkschaftlichen Teile eine ganz kurze tatsächliche Notiz veröffentlicht, daß über das Geschäft eine« Kieler Glasermeisters die Sperre verhängt worden fei. weil er den Tarif nicht einhalte. Zum Schluß war darin mitgeteilt, daß der Glaser Sch. als Rausreißer in dem gesperrten Geschäft tätig sei. Diese einfache Tatsachenkonstatierung genügte der Staats- anwaltschast zur Erhebung der Anklage gegen den verantwortlichen Redatteur der„Schleswig-Holst. Volkszeitung' Genossen Bielen- b e r g und den Vorsitzenden der Kieler Zahlstelle des Glaser- Verbandes, B lauert, der als Urheber der Notiz angesehen wurde. Jeder der beiden Angeklagten wurde von der Kieler Strafkammer wegen Vergehens gegen Z 153 der Gewerbeordnung und wegen Be- leidigmrg zu 50 M. Geldstrafe verurteilt. Auf die gegen das Urteil eingelegte Revision hin hob da« Reichsgericht das Urteil auf und wies die Sache an das Kieler Gericht zurück, weil der ß 153 der Gewerbeordnung in diesem Falle nicht anwendbar iei. Am Donnerstag, den 30. Mai, stand die Sache wieder vor der Kieler Strafkammer zur Verhandlung. Wieder lautete das Urteil aus 50 M. Geldstrafe; diesmal war aber der§ 153 der Gewerbeordnung ausgeschaltet worden, die Verurteilung erfolgte nur wegen Beleidi- gung des Glaser« Sch. Die Bezeichnung einer für die Allgemein« hett' so nützlichen Tätigleit wie das Weiterarbeiten bei Streiks, Sperren usw. mit dem Worte Rausreißer sei ehrverletzend und be- schimpfend, so ungefähr führte der Vorsitzende des Gerichts in der Begründung des Urteils auS. Höher gehtS nimmer! Hus Industrie und Kandel . Der Höhepunkt der Teueruug. Die scharfe Steigerung der Preise am Lebens- und Genuß« mittelmarkle, die im Juni 1911 einsetzte, scheint ihren Höhepunkt er- reicht zu haben. Die Preise für die wichtigsten vegetabilischen Nahrungsmittel zeigen bereits wieder sinkende Tendenz. Fleisch und Brot haben allerdings gerade im letzten Monat noch eine auffallende Verteuerung erfahren. Infolgedessen sind die Haushaltungskosten noch in weit schärferem Tempo gestiegen als in den voran- gegangenen Monaten. Auch für die nächste Zeit muß noch mit einer Venninderung des Angebots am Schlachtviehmarkte und mit einer Erhöhung der Fleischpreise gerechnet werden. Dem steht jedoch aller Boraussicht nach ein weiteres Sinken der Gemüse-, Kartoffel-, Eier- und vielleicht auch Brotgetreidepreise gegenüber, so daß der Nahrungsmittel- aufwand jedenfalls nicht mehr wesentlich steigen kann. Allerdings darf nicht übersehe» werden, daß eine Schädigung der Feldfrüchte durch ungünstige Witterungseinflüsse noch immer die Hoffnung auf baldiges Nachlassen der Teuerung zunichte machen und eine weitere Verschärfung der Situation bringen kann. Berechnet man nach den in zirka 190 Städten Deutschlands vorgenommenen Erhebungen über den Stand der Preise für die wichtigsten.Lebens» und Genußmittol den wöchentlichen Nahrun gs m.i t t e l» aufwand für eine vierköpfige Familie, Eltern und zwei Kinder. in der Weise, haß man die dreifache Berpflegungsration deS deutschen Marinesoldaten zugrunde legt, so erhält man für die einzelnen Monate im ReichSdurchschnitt folgende Indexziffern in Mark: -n,, April Mai Juni Juli August September 1011 33,80 28,72 23,97 24,37 24,65 24,77 iou/<o Oktober Novemb. Dezemb. Januar Februar März AprU 24.88 24,64 24,60 24,69 24,83 26,18 26,74 Demnach sind die Kosten des wöchentlichen Nahrungsmittel- aufwandeS von März a»f April 1912 durchschnittlich vdi 0,50 Mark gestiegen. Im Vergleich zum Monat April 1911 ergibt sich eine Er- höhung der HaushaltSkostcn um 1.94 Mark pro Woche. In ver- schiedenen Landesteileu stellten sich die Kosten deS Nahrungsmittel« aufwandeS noch wesentlich höher als im Reichsdur ch- schnitt._ Die erste Zuckerfabrik im Kaukasus . Im Kubangebiete wird eine Gesellschaft für den Bau und Be« trieb einer Runlelrübenzuckerfabrik in der Nähe der Station Gulke- witscht an der Wladikawkas -Eisenbabn gebildet. Es wird dies die erste Zuckerfabrik nicht nur im Kaukasus sein, sondern auch in den diesem zunächst gelegenen Gouvernements. Die Gründer des Unternehmens sind auf Grund der von ihnen bereits an- gestellten Versuche im Anbau von Runkelrüben der Ansicht, daß die hohe Qualität des Bodens im Kubangebiete gute Ernten und guten Zuckeraehall der Rüben garantiert. Die in der Fabrik hergestellte Raffinade könnte guten Absatz auf dem kaukasischen Markte finden. Der Sandzucker dagegen könnte zur Fabrikation von überzuckerten Früchten und Konserven Verwendung sind-». Di« Fabrik wird für eine ProdMoa bis 000 000 Pud Zucker eingerichtet.
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